Protocol of the Session on February 20, 2015

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung und begrüße Sie herzlich. Bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler der Jes-Kruse-Skolen aus Eckernförde. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Der Abgeordnete Rasmus Andresen hat heute zum letzten Mal einen 20er-Geburtstag. - Herzlichen Glückwunsch!

(Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] werden vom Saaldienst Blumen überreicht - Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Fürsorgepflicht des Dienstherrn wahrnehmen Justizvollzugsbedienstete nicht allein lassen

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/2691

Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/2736

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die CDU-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende Daniel Günther das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Geiselnahme am Heiligabend in der Justizvollzugsanstalt Lübeck hat Spuren hinterlassen. Noch immer sind drei Mitarbeiter dienstunfähig, gegen die damalige Anstaltsleiterin wird inzwischen strafrechtlich ermittelt wegen des Verdachts der Strafvereitelung, und auch strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter stehen mittlerweile im Raum. Weil es uns darum geht, aus der Geiselnahme zu lernen und entsprechende Konsequenzen auf den Weg zu bringen, hat die CDUFraktion einen Antrag mit Maßnahmen formuliert, über den wir heute miteinander beraten.

Im Ausschuss am 7. Januar 2015 hat die Ministerin den Eindruck erweckt, alle Erkenntnisse zur Geiselnahme seien eindeutig. Sie hat den JVA-Be

diensteten ihren Respekt ausgesprochen. Sie hätten in vorbildlicher Weise ihren Dienst verrichtet, indem sie besonnen und mutig reagiert hätten. Das gelte es, hier noch einmal ausdrücklich festzuhalten. - So ist es aus dem Protokoll der damaligen Sitzung ersichtlich. Auch der Anstaltsleitung, Frau Mauruschat, bescheinigte sie damals professionelles Handeln. Sie habe alles richtig gemacht. Eine Motivation von Frau Mauruschat, die Ermittlungsbehörden bewusst nicht einzuschalten, schloss die Frau Ministerin kategorisch aus. - Frau Ministerin, an diesen Worten werden wir Sie weiter messen.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Der Eindruck, den Sie in der Öffentlichkeit aufrecht erhalten wollen, die Geiselnahme sei regelkonform und ohne weitere Vorkommnisse beendet worden, deckt sich nicht mit dem, was mittlerweile über die Medien das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat. Wenn jetzt die Staatsanwaltschaft auch gegen einen Mitarbeiter der JVA ermittelt, weil er einen bereits überwältigten Geiselnehmer verletzt haben soll, dann macht es umso mehr deutlich, wie wichtig und notwendig eine sofortige Beweisaufnahme vor Ort gewesen wäre.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Die Informationspolitik des Justizministeriums zeigt, wie berechtigt es war, dass wir uns im Landtag und in den Ausschüssen so intensiv mit den Abläufen und den Fehlern befasst haben, die im Zusammenhang mit der Geiselnahme gemacht worden sind.

(Zurufe SPD)

Eines lässt sich schon vor Bekanntwerden der jüngsten Details definitiv nicht vom Tisch wischen: Alle von uns erhobenen Vorwürfe waren richtig, und es war richtig, sich nicht durch die Vorhaltungen der Regierungskoalition beirren zu lassen.

(Beifall CDU)

Es ist für uns schlicht unvorstellbar, dass zwischen dem 24. Dezember 2014 und dem 7. Januar 2015, dem Tag der Ausschusssitzung, dem Justizministerium nicht bekannt gewesen sein soll, dass ein Geiselnehmer schwer verletzt war und es angebracht gewesen wäre, alle nötigen Spuren zu sichern. Die Frage drängt sich auf: Welche Erkenntnisse besaß die Justizministerin im Zeitraum zwischen Heiligabend und der Ausschusssitzung? Genau darauf zielt unsere Akteneinsicht ab.

Frau Ministerin, Sie haben dankenswerterweise schon vorab Ihr Redemanuskript veröffentlicht.

Darin lese ich den erstaunlichen Satz, dass Sie der Opposition und auch mir namentlich unterstellen, wir hätten vertrauliche Unterlagen durchgesteckt.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Es gilt das gespro- chene Wort! - Weitere Zurufe SPD)

Ich sage Ihnen sehr deutlich: Überlegen Sie sich gut, ob Sie solche Sätze nachher im Landtag wirklich sagen sollten,

(Beifall CDU - Zurufe SPD)

denn ich erkläre hier sehr klar, dass niemand, auch ich selbst nicht, irgendein Dokument an die Presse gegeben hat, das in irgendeiner Weise als vertraulich oder als Verschlusssache deklariert war. Das weise ich in aller Entschiedenheit von mir, dass so etwas gemacht worden ist.

(Beifall CDU - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sie sollten sich entschuldigen!)

Meine Damen und Herren, der Vorfall am Heiligabend war schlimm. Er zeigt, wie wichtig es ist, die Mitarbeiter vom allgemeinen Vollzugsdienst bis zur Anstaltsleitung noch besser auf eine solche Situation vorzubereiten, nicht nur in Bezug auf die JVA in Lübeck, sondern mit Blick auf alle Justizvollzugsanstalten in Schleswig-Holstein und alle Mitarbeiter, die kritischen Situationen ausgesetzt sind. Die Landesregierung darf die Justizvollzugsbeamten nicht länger im Regen stehen lassen. Die Vorkommnisse in Lübeck haben gezeigt, wie notwendig es ist, diese Debatte heute zu führen.

(Vereinzelter Beifall CDU)

In diese Debatte gehört auch die Frage, ob eine weitere Liberalisierung des Strafvollzugs, wie ihn die Justizministerin vor Augen hat, der richtige Weg ist. Sicherheit und Resozialisierung dürfen keinesfalls aus dem Gleichgewicht geraten. Frau Ministerin, ich hoffe, dass Sie die Sorgen der Justizvollzugsbeamten endlich ernst nehmen. Diese haben sich bereits besorgt zu Wort gemeldet und moniert, die Ministerin würde - ich zitiere - „einen liberalen Strafvollzug auf Kosten der Sicherheit der Bediensteten“ forcieren. Das haben nicht wir gesagt, sondern das sagen die Bediensteten selbst. Angesichts der Veränderungen, die Sie im Strafvollzug planen, ist diese Sorge mehr als berechtigt. Frau Ministerin, wenn Sie nachher hier am Rednerpult stehen, dann erwarte ich auch mit Blick auf die Justizvollzugsbeamten von Ihnen eine Antwort auf die Frage, was Sie als Ministerin ganz konkret aus der Geiselnahme in Lübeck gelernt haben.

(Beifall CDU - Zurufe SPD)

(Daniel Günther)

Ich erwarte von Ihnen auch, dass Sie sagen, welche fachlichen Konsequenzen Sie daraus ziehen. Schließlich haben Sie Ihren Entwurf für die Reform des Landesstrafvollzugsgesetzes noch vor der Geiselnahme in Lübeck verfasst. Diesen Gesetzentwurf wollen Sie ja noch im Frühjahr im Landtag einbringen.

Auch die Justizbeamten interessiert, wie es jetzt weitergehen soll. Die Neuregelungen, die Sie bislang planen, sind ein rosarotes Wunschbild vom Strafvollzug. Wie Sie dieses Wunschbild mit der Realität in Einklang bringen wollen, dazu schweigen Sie.

(Beifall CDU)

Die Neuregelungen schaffen vor allem eines: zusätzliche Sicherheitsrisiken. Sie verabschieden sich von einem Musterentwurf von zehn Bundesländern, an dem auch Schleswig-Holstein beteiligt gewesen ist, um jetzt einen Alleingang zu gehen. Es waren übrigens keine Hardliner-Bundesländer, mit denen Schleswig-Holstein das gemeinsam unter Justizminister Schmalfuß gemacht hat, sondern da waren Bremen und auch Berlin dabei. Davon haben Sie sich verabschiedet, weil Ihnen dieser Strafvollzug wohl zu konsequent gewesen ist.

Ins Gesetz gegossene Idealvorstellungen, mit denen die Justizvollzugsanstalten überfordert werden, werden am Ende auch keinen positiven Einfluss auf die Resozialisierung haben. Das Gegenteil ist der Fall. Was wir brauchen, sind Veränderungen im Strafvollzug, die die Wirklichkeit im Blick haben, und insbesondere die Sicherheit der Gefangenen selbst, der Mitarbeiter und der Öffentlichkeit muss ein Leitgedanke gesetzlicher Regelungen sein. Ihre Sicherheit muss an oberster Stelle stehen.

(Beifall CDU)

Diese Angelegenheit ist sehr wohl zeitkritisch; das kann man nicht auf die lange Bank schieben. Es hat mich darum nicht nur erschüttert, dass der Ministerpräsident von der Geiselnahme erst aus der Zeitung erfahren hat, sondern noch mehr erschüttert hat mich, dass die Justizvollzugsbeamten auch fünf Wochen nach der Geiselnahme noch keinerlei Hilfsangebote erhalten haben. Wer Opfer einer solchen Gewalttat wird, muss sofort professionelle posttraumatische Betreuung in Anspruch nehmen können.

(Zurufe SPD)

Wenn das im Dienst passiert, dann ist der oberste Dienstherr dafür verantwortlich, dass ein entsprechendes Angebot gemacht wird.

(Beifall CDU)

Wenn Sie selbst, Herr Ministerpräsident, Justizvollzugsbeamte mit Straßenschildern vergleichen, um die Sie sich nicht kümmern müssten, dann macht dies nur deutlich, mit welchem Menschenbild SPD, Grüne und SSW in diesem Land regieren.

(Beifall CDU - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Kollegin Barbara Ostmeier hat uns deutlich vor Augen geführt: Gewalt ist in Gefängnissen keine Ausnahme. Drogen- und Alkoholmissbrauch auch innerhalb der Hofmauern führen zu einem erheblich degenerierten Sozialverhalten. Die Gefahr, Opfer von Angriffen zu werden, ist für die Beschäftigten, aber auch für Gefangene allgegenwärtig, und sie stellt an die Arbeit im Justizvollzug damit hohe psychische und physische Anforderungen.

Die Schaffung eines gewaltfreien Klimas in der JVA ist für den allgemeinen Vollzugsdienst und für die Anstaltsleitung eine Herkulesaufgabe. Wenn Mitarbeiter aus dem Vollzug um Hilfe rufen, wenn sie davon sprechen, dass sie Angst hätten, dann stimmt etwas nicht. Das Land hat als Dienstherr dort eine Fürsorgepflicht für die Beamten.

(Beifall CDU und Dr. Heiner Garg [FDP])

Vollzugsbeamte müssen besser auf kritische Situationen vorbereitet werden. Wenn Mitarbeiter davon sprechen, dass sie Angst hätten, dann fühlen sie sich überhaupt nicht vorbereitet. Regelmäßige psychologische Schulungen sind deshalb ebenso unerlässlich wie das Training in körperlicher Selbstverteidigung. Nicht nur der Leib, sondern auch die Seele müssen dabei vorbereitet sein.

Eine Behandlung wiederum muss im Nachgang unmittelbar eingeleitet werden können. Auch hier brauchen wir Handlungsanweisungen, die betroffenen Kollegen und Vorgesetzten helfen, schnell die erforderlichen Schritte einzuleiten. Es reicht nicht, den Betroffenen ein Telefonbuch mit den Nummern von Psychologen in die Hand zu drücken. Es bedarf Mechanismen, die lückenlos ineinandergreifen. Das ist das Ziel unseres Antrags. Ich hoffe, dass Sie dem zustimmen können. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, bevor wir die Beratung fortsetzen, möchte ich noch etwas nachholen. Wir