Protocol of the Session on February 19, 2015

Ich warne auch dringend davor - um da keinen falschen Eindruck zu erwecken -, so zu tun, als sei die Vorermittlung, die Vorprüfung des Disziplinarverfahrens, ausschließlich mit dem Ziel der Reinwaschung erfolgt. Dann macht sie keinen Sinn. Selbstverständlich muss geprüft werden, ob die Weiterungen der geplanten Aktion möglicherweise dienstrechtliche Konsequenzen haben müssen. Vielleicht würde eine Ermahnung reichen, wie der Vorgang aus 1987 beweist.

Wie gesagt: Dass das keine Petitesse ist, kann man nicht nur an der Berichterstattung der Presse sehen, sondern auch an dem Interesse der Öffentlichkeit. Wir sind gut beraten, durch die Art und Weise der Debatte und durch die Art und Weise der Aufklärung dazu beizutragen, dass nicht weiteres Vertrauen in die Justiz verloren geht. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Für die Piratenfraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich mit meiner Rede beginne, ausdrücklich offenlegen, dass ich selbst Mitglied der schleswig-holsteinischen Justiz bin, dass aber mein Dienstverhältnis ruht und ich an dieser Stelle als Mitglied des Landtags und Volksvertreter spreche.

(Unruhe)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um es vorab ganz klar zu sagen: Eine öffentliche Solidarisierung von Gerichtspräsidenten in ihrer dienstlichen Funktion und über den Presseverteiler eines Gerichts mit einer Justizministerin wäre falsch, egal ob das Vertrauen erklärt oder entzogen wird. Das macht keinen Unterschied, Frau Justizministerin.

(Beifall PIRATEN, CDU und FDP)

Die Regierung ist in unserem Rechtsstaat vom Vertrauen des Parlaments abhängig und nicht vom Vertrauen der Justiz. Aufgabe der Gerichte ist es, unter anderem zu kontrollieren, ob sich die Politik an Recht und Gesetz hält, und dazu müssen die Ge

richte über den Verdacht der Parteinahme erhaben sein. Wer Justizminister ist oder bleibt, ist nicht Sache der Justiz.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt CDU)

Frau Ministerin, justizpolitische Stellungnahmen zu Angelegenheiten der Gerichte sind etwas komplett anderes; da verbieten sich solche Vergleiche.

(Beifall PIRATEN, CDU und FDP)

Ich möchte hinzufügen: Es ist auch unklug von der Justiz, eine solche Aktion durchzuführen. Denn gerade wenn die Justiz ja zu Recht auf Selbstverwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten pocht und mehr Verantwortung übernehmen möchte, ist es umso wichtiger, dass sie sich bei politischen Personalien, einem Bereich, der nicht der ihre ist, zurückhält.

Ich will auch im Anschluss an das, was Burkhard Peters gesagt hat, klarstellen: Wir wollen ausdrücklich, dass sich Richterinnen und Richter wie alle Bürger als Privatpersonen für die Demokratie und für unsere Grundrechte einsetzen, dass sie sich auch politisch betätigen und äußern dürfen, durchaus auch in Parteien. Das gilt aber nicht für Äußerungen in ihrer dienstlichen Funktion.

Weil schon der Anschein einer politischen Unterstützung im Amt vermieden werden muss, teilen wir die Einschätzung des Richterverbands und der Neuen Richtervereinigung, dass schon die Absicht, eine öffentliche Solidaritätsadresse anzustoßen, falsch war.

(Beifall PIRATEN, CDU und FDP)

Richtig ist aber auch, dass aus dem Kreis der Justiz selbst heraus darauf hingewiesen worden ist, dass es falsch wäre, und die entsprechende Initiative zweier Gerichtspräsidenten nach der internen Diskussion aufgegeben worden ist. Das ist auch gut so.

Ich möchte auch ausdrücklich klarstellen, dass eine Kritik an diesem Vorgang keine Kritik oder gar Beschädigung der schleswig-holsteinischen Justiz insgesamt ist, im Gegenteil.

Ob allein die justizinterne Diskussion, die jetzt öffentlich bekannt geworden ist, die Befangenheit von einzelnen Akteuren besorgen lässt, entscheidet, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird, das zuständige Gericht. Ob die justizinterne Diskussion das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Initiatoren in ihrer Amtsführung erschüttert hat, auch das wäre gegebenenfalls in einem Disziplinverfahren zu klären. Hier ist es an uns als Politik, uns nicht in diese Verfahren einzumischen und den Ausgang abzuwarten.

Vorwürfe und Vorverurteilungen vonseiten der Politik sind fehl am Platz. Über die Frage, ob Richter das Vertrauen des Dienstherrn oder der Öffentlichkeit verloren haben und deswegen gegebenenfalls sogar aus dem Dienst zu entfernen sind, entscheidet nach unseren Gesetzen ein Richterdienstgericht oder das Landesverfassungsgericht selber. Gewaltenteilung ist keine Einbahnstraße. So wenig wie wir wollen, dass sich die Justiz in ihrer Funktion in politische Angelegenheiten einmischt, so wenig sollten wir die rechtsförmlichen Verfahren umgehen, die für Justizpersonalien vorgesehen sind.

(Beifall PIRATEN, Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Flemming Meyer [SSW])

Aus gutem Grund sind Richterinnen und Richter vor einer Absetzung durch die Politik geschützt. Wenn uns eines von Diktaturen unterscheidet, ist es dies, dass das in unserem Rechtsstaat der Fall ist.

(Beifall Uli König [PIRATEN])

Deswegen ist es auch nicht Sache der Politik, diese Verfahren zu umgehen, indem Rücktrittsforderungen an Justizvertreter gerichtet werden.

Politisch stellt sich für uns die Frage - es ist unsere Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren -, wie sich die Justizministerin in dieser Angelegenheit verhalten hat. Wir haben heute eine Darstellung erfahren, die von den bisherigen Informationen etwas abweicht, dass nämlich schon vom Ministerium aus überlegt worden sei, ob ein Disziplinverfahren einzuleiten gewesen sei, und man das jetzt zusätzlich extern überprüfen lasse. Wenn das so ist und eine externe Überprüfung Sinn macht, weil Sie sonst genötigt wären, eine Solidaritätsadresse an Ihre eigene Person zu beurteilen, hätte das doch von Anfang geschehen sollen, als Sie von der Aktion erfahren haben. Deswegen frage ich mich, warum erst mit der Veröffentlichung durch die Medien eine solche unabhängige Prüfung angestoßen worden ist.

(Beifall PIRATEN, CDU und FDP)

Es stellt sich die Frage, wie diese vom Ministerium selbst veranlasste Prüfung ausgesehen hat. Es stellt sich die Frage, ob die Vorbereitungen dieser Solidaritätsadresse im Haus vielleicht bekannt gewesen sind. Frau Ministerin, es stellt sich natürlich auch die Frage, wenn Sie heute zu den Motiven der Initiatoren Stellung nehmen können, in welchem Zusammenhang Sie davon erfahren haben.

(Zurufe SPD)

(Dr. Patrick Breyer)

- Die Ministerin hat gesagt, Hintergrund sei offenbar ein bestimmter Artikel gewesen. Mich interessiert, woher die Kenntnisse kommen, was der Hintergrund und die Motivation gewesen sind.

(Zurufe SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Fragen werden wir aufzuarbeiten haben, diese Aufarbeitung ist mit dem heutigen Bericht nicht beendet. Wir erwarten, dass die Aufklärung im Landtag geschieht, und zwar zeitnah und nicht erst wieder über die Medien oder mit langer Verzögerung. Diese Aufklärung sind wir auch den Bürgerinnen und Bürgern in Schleswig-Holstein schuldig. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN, CDU und FDP)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms das Wort.

(Volker Dornquast [CDU]: Er ist der Einzi- ge, der sich entschuldigen muss! - Weitere Zurufe)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst einmal möchte ich mich bei meiner Ministerin für zweierlei Dinge bedanken: erstens dafür, dass ich so viel Redezeit habe; sie hat nämlich die Redezeit wie gewohnt überzogen. Zweitens möchte ich mich für die Aufklärung des Sachverhalts bedanken, für die Datensätze, die wir eben bekommen haben. Das Lob von Wolfgang Kubicki, dass man nichts Negatives über Anke sagen kann was er auch nicht getan hat - spricht dafür, dass die Aufklärungsarbeit hervorragend gelungen ist, liebe Anke.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube auch, dass eine Vorprüfung für ein Disziplinarverfahren in Bezug auf diese beiden Präsidenten richtig ist. Das ist auch sinnvoll und dient nicht nur, aber auch ihrem Schutz.

Warum ist das vorher nicht gelaufen? Meine persönliche Einschätzung, warum man das vorher nicht gemacht hat, obwohl es vorher in den Medien stand, ist: Aus der Politik wurden Vorwürfe gegen diese beiden Personen erhoben. Dann gibt es nur ein formalrechtliches Verfahren, das man anwenden kann, um diese Vorwürfe entsprechend zu bearbeiten. Ohne Vorwurf kein Verhandeln. Wenn

aber ein Vorwurf kommt, muss man dem nachgehen. Das tut die Justizministerin, das tut diese Landesregierung. Das ist ein richtiger und ein kluger Weg, meine Damen und Herren.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir reden hier heute eigentlich über eine „olle Kamelle“, die jetzt anscheinend zur Skandalisierung aufgewärmt werden soll. Schon am 5. Februar 2015 berichteten die „Kieler Nachrichten“:

„Uta Fölster, Präsidentin des Oberlandesgerichtes Schleswig, hatte nach Informationen dieser Zeitung“

- also den „Kieler Nachrichten“

„am vergangenen Freitag den Gerichtspräsidenten des Landes vorgeschlagen, in einer gemeinsamen Erklärung der Ministerin den Rücken zu stärken. Das Papier fand jedoch keine ausreichende Mehrheit.“

Gab es damals von den großen Verschwörungstheoretikern in diesem Hause eigentlich irgendeine Regung? Natürlich nein, denn damals meinte man wohl, dass diese Info nicht zu nutzen sei. Anscheinend war das Ereignis zu nichtig, als dass man es skandalisieren wollte.

Nun ja, am 14. Februar 2015 druckten dann die „Kieler Nachrichten“ ein Interview mit Ministerin Spoorendonk ab. Thema unter anderem auch die nicht zustande gekommene Initiative aus der Justiz heraus. Auf die entsprechende Frage antwortete Ministerin Spoorendonk damals:

„Ich weiß, dass die Präsidenten mehrerer Gerichte das machen wollten und dann Abstand davon genommen haben, das aber nicht aus inhaltlichen Gründen. Das geht aus diversen Mails hervor, die mir anschließend zugesandt wurden. Auch führende Juristen aus Lübeck wollten mich unterstützen. Aber letztlich gab es Zweifel, ob so eine Solidaritätsadresse sinnvoll wäre. Ich habe diese Sache jedenfalls nicht initiiert.“

Auch hier sahen die heutigen Verschwörungstheoretiker mit Recht keinen Ansatzpunkt für Skandalisierungspotential. Wir wussten also schon immer: Da gab es Überlegungen in der Justiz, und die wurden nicht weiterverfolgt, und die Ministerin war an diesen Überlegungen nicht beteiligt. Hier gab es definitiv null Skandal.

Da stellt sich erst einmal die Frage, ob sich Gerichtspräsidenten überhaupt politisch äußern