Protocol of the Session on February 19, 2015

Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Günther, sind Sie mit mir einer Meinung, dass der Vergleich, den der Kollege Harms in seiner Pressemitteilung gezogen hat, auch im Hinblick auf das Schicksal psychisch kranker Menschen zumindest problematisch sein dürfte?

(Volker Dornquast [CDU]: Übelste Art ist das!)

Herr Kollege Dr. Garg, ich finde, im politischen Affekt im Landtag darf einem einiges herausrutschen. Aber ich muss schon sagen: Nach einer solchen Situation, in der man über einen vermeintlichen Dritte-Reich-Vergleich spricht,

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

eine Presseerklärung herauszugeben und zu sagen, „Die Leute von der FDP, die das gesagt haben, gehören nicht in das Parlament, sondern in die Psychiatrie“, das finde ich wirklich absolut unanständig.

(Beifall CDU, FDP und PIRATEN)

Frau Ministerin, zu dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt. Allerspätestens am 30. Januar 2015 haben Sie und der Staatssekretär erfahren, dass diese Solidaritätsadresse geplant ist, initiiert von den höchsten Richtern in Schleswig-Holstein. Sie mögen sagen, der Flor habe ja mit dem Landesverfassungsgericht gar nichts zu tun. Er ist aber Präsident des Landesverfassungsgerichts. Oder wollen Sie das bestreiten?

(Beifall CDU, FDP und PIRATEN)

Die Präsidentin des Oberlandesgerichtes kommt auch gleich dazu. Diese beiden versuchen, die gesamte Gerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein für eine politische Kampagne und Einflussnahme zu begeistern. Es kann doch wohl nicht wahr sein, Frau Justizministerin, dass da bei Ihnen nicht die Alarmglocken angegangen sind. Selbst bei dem Ministerpräsidenten, als er es angeblich erst erfahren hat, sind die Alarmglocken sofort angegangen, und er hat Sie angewiesen, dass ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Sie haben, als Sie davon erfahren haben, überhaupt nicht reagiert.

Am 5. Februar 2015 berichteten die „Kieler Nachrichten“ zum ersten Mal darüber, dass die Gerichtspräsidenten vorgeschlagen haben, der Ministerin in einer gemeinsamen Erklärung den Rücken zu stärken. Auch da tut die Ministerin nichts. Dann geht es weiter: Am 18. Februar 2015 berichten die „Kieler Nachrichten“ ausführlich über die geplante Solidaritätsadresse. Erst jetzt, nach Aufforderung durch den Ministerpräsidenten, werden disziplinarische Maßnahmen ergriffen.

Das muss man sich einmal vorstellen: Die Ministerin kennt den Sachverhalt seit dem 30. Januar 2015, und reagiert hat sie erst am 18. Februar 2015. Gestern hat sie uns noch einmal aufgezeigt, warum sie erst dann reagiert hat. Uns ist vorher immer vorgeworfen worden - das sage ich in Richtung regierungstragende Fraktionen -, wir würden das skandalisieren. Es sei unerhört, dass wir der armen Ministerin unterstellen würden, sie würde sozusagen immer nur scheibchenweise mit der Wahrheit herausrücken.

(Zurufe SPD: Ja!)

Ich zitiere jetzt einmal, was die Ministerin gestern im „Schleswig-Holstein Magazin“ gesagt hat - ich gebe zu: in dem Augenblick ist mir die Spucke weggeblieben -: Wir haben gehört, dass man das versuchen wollte. - Es ging um den Brief. - Das haben wir erst einmal so zur Kenntnis genommen, dann haben wir ganz schnell erfahren, dass daraus nichts wurde. - Und heute: Weil alles presseöffentlich ist, habe ich veranlasst, dass geprüft wird, ob es irgendeinen Anfangsverdacht gibt hinsichtlich der Einleitung von disziplinarrechtlichen Schritten.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Genau! - Zurufe SPD)

Das finden Sie richtig? Weil es presseöffentlich geworden ist! Das heißt, es wäre nichts passiert, wenn die Zeitungen nicht darüber berichtet hätten. Was ist das denn für ein Verständnis von dem Amt einer Justizministerin? Das ist doch unglaublich.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt PIRA- TEN)

Disziplinarverfahren werden aufgrund von dienstlichem Fehlverhalten eingeleitet. Das ist der Sinn eines solchen Verfahrens.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Oder um die Unschuld zu beweisen!)

Für Sie, Frau Ministerin, ist der Grund offenkundig nicht das Fehlverhalten, sondern ausschließlich, dass das öffentlich geworden ist. Die Landesregie

rung wird offenbar immer nur dann tätig, wenn es öffentlich ist.

Herr Ministerpräsident, in dieser Frage sind in erster Linie auch Sie angesprochen; denn seit Monaten geht es in diesem gesamten Verfahren seitens der Regierung nur um Tarnen, Tricksen und Täuschen.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! In großer Sorge um das Land, Daniel Günther!)

Warum sind Sie eigentlich nicht früher tätig geworden? Sonst leiten Sie Ihr Handeln doch immer nur von der Presselektüre ab. Sie handeln nicht, weil Sie aus den Häusern informiert werden, sondern weil Sie zufällig einmal in die Zeitung geguckt haben. Herr Ministerpräsident, und Sie wollen uns allen Ernstes erzählen, dass Sie am 5. Februar 2015 Ihre Heimatzeitung „Kieler Nachrichten“ nicht gelesen haben? „Kieler Nachrichten“, Seite eins, Ministerpräsident Albig guckt darauf und sieht die Überschrift:

„Albig erfuhr von Lübecker Geiselnahme aus der Zeitung.“

Das war die Überschrift in den „Kieler Nachrichten“ vom 5. Februar 2015. Und Sie wollen mir allen Ernstes erzählen, dass Sie diesen Artikel nicht bis zum Ende gelesen haben? In diesem Artikel wurde öffentlich darauf hingewiesen, dass es diesen skandalösen Vorgang gegeben hat, und Sie haben überhaupt nichts getan und Ihre Justizministerin angewiesen.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt PIRA- TEN)

Die Ministerin Spoorendonk hat ihre Erklärung hier im Parlament überhaupt nicht dafür genutzt, um einmal klarzustellen, dass das, was sie gestern im „Schleswig-Holstein Magazin“ gesagt hat, schlicht und ergreifend nicht Auffassung der Landesregierung ist. Deswegen, Herr Ministerpräsident, erwarte ich von Ihnen, dass Sie hier richtigstellen, dass es nicht dem Handeln dieser Landesregierung entspricht, Vergehen nur nachzugehen, wenn Journalisten darauf gestoßen sind. Ich will nicht, dass so etwas in Schleswig-Holstein möglich ist. Das müssen Sie heute richtigstellen.

(Anhaltender Beifall CDU, FDP und PIRA- TEN - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: In Sorge um das Land, Da- niel Günther!)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Fraktionsvorsitzende Dr. Ralf Stegner das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es? Es geht um eine geplante, nicht vollzogene Solidaritätsbekundung von schleswig-holsteinischen Richterinnen und Richtern für eine pauschal und übergeordnet angegriffene Justizministerin, ein Vorgang, der nicht zustande gekommen ist. Das ist der Vorgang, über den wir hier reden. Das will ich zunächst einmal feststellen, damit die Zuhörer auf der Tribüne und draußen nicht den Eindruck haben, wir hätten es hier mit einer Staatskrise zu tun. Wenn die Justiz so wäre, wie der Oppositionsführer sie hier beschrieben hat, dann würde ich mir Sorgen um Schleswig-Holstein machen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zweitens geht es um die Frage, ob die Meinungsfreiheit, die in unserem Grundgesetz in Artikel 5 geregelt ist, auch für Richterinnen und Richter gilt. Ist Kritik also erlaubt? Darf der Präsident des Bundesverfassungsgerichts den Bundesinnenminister scharf kritisieren, weil dieser von der Notwendigkeit neuer Sicherheitsgesetze gesprochen hat? Es hat dem Bundesinnenminister, Herrn de Maizière, überhaupt nicht gefallen, dass er das getan hat; das hat er auch öffentlich geäußert. Ja, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts darf das. Er hat das getan. Er darf das. Das muss einem nicht gefallen: Meinungsfreiheit.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Durften Richter wie der von mir sehr wenig geschätzte frühere Amtsrichter Herr Schill oder, um jemanden von der anderen Seite zu nehmen, Herr Neškovic oder andere Richter sich immer wieder sehr deutlich und kritisch mit den Justizbehörden und der Regierung auseinandersetzen? Ja, sie durften das. Demokratie ist übrigens stark und hält Meinungsfreiheit aus. Früher waren Liberale übrigens der Meinung, dass sie das dürfen. Die Liberalen von früher waren der Meinung, dass Meinungsfreiheit etwas Wichtiges ist. Weil Sie, Herr Kollege, dazwischenrufen, will ich das nur einmal sagen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Dürfen sie das also? - Ja. Wenn sie also Kritik üben dürfen, dann - das würde mir mein Logikverständnis sagen - muss das irgendwie auch für positive

(Daniel Günther)

Wortmeldungen gelten. Das muss auch gelten, wenn jemand sagt: „Ich finde das, was der andere tut, richtig“, oder: „Ich finde unberechtigte Kritik falsch und möchte etwas dagegen tun“, gerade bei der zum Teil unflätigen, persönlichen Kritik, weit jenseits von dem Vorgang in der Justizvollzugsanstalt in Lübeck: Frau Spoorendonk sei komplett unfähig, inkompetent und so weiter. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Fachleute, die sich dazu geäußert haben, waren, was diese Frage angeht, offenbar anderer Meinung als Herr Kubicki und Co. Sie sind übrigens auch anderer Meinung als die Regierungskoalition hier im Hause meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Fraktionsvorsitzender, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Breyer?

Nein, darauf möchte ich gern verzichten. Das bringt uns selten weiter.

Ich will ganz deutlich sagen, dass diese persönlichen, diffamierenden Äußerungen mit der Absicht getätigt werden, die Justizministerin madig zu machen, zum Beispiel, weil sie keine Juristin ist. Wir hatten übrigens auch schon andere Justizminister in diesem Hause, die nicht Juristen waren, Gerd Walter und Uwe Döring zum Beispiel. Das ist eine Form der Kritik, die ich hier in ganz deutlicher Form für die Regierungskoalition zurückweisen möchte.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich weise diese Kritik in jeder Form zurück. Sie ist unanständig, und sie ist falsch.

Unsere Justizministerin hat in der Justiz einen guten Ruf, übrigens gerade deswegen, weil sie das Verfassungsverständnis hat, das sie hier zum Ausdruck gebracht hat, das nach den dunklen Jahren in Schleswig-Holstein mit einer neuen Verfassung 1990 hier gemeinschaftlich geschaffen worden ist. Dazu hat sich Anke Spoorendonk bekannt. Damit hat sie ausdrücklich recht. Auch weil sie ein so liberales Verständnis von unserem Rechtsstaat und von unserer Verfassung hat, genießt sie ein hohes Ansehen in diesem Lande.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn man die Frage: „Darf man das?“, mit Ja beantwortet hat, kann man die Frage stellen: „Ist es klug, sich so einzulassen, oder ist das nicht klug?“ Da kann man zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen. In der Tat gab es eine differenzierte Diskussion in der Richterschaft darüber, ob das klug ist. Manche sind zu dem Ergebnis gekommen - da würde ich unterm Strich auch landen -, dass die gute Absicht im Zweifelsfall politisch nicht nützlich ist. Man braucht gar nicht das Niveau der Opposition, um zu sagen, dass das nicht nützlich ist. Das ist vermutlich das Ende: Das war gut gemeint, hat am Ende aber eine politische Debatte ausgelöst, die uns nicht hilft. Das kann man hier feststellen, ohne dahinter gleich einen Skandal zu vermuten. Klug oder unklug? Sie werden das wissen: Wenn man über 50 ist, stellt man fest, dass man mal Tage hat, an denen man klug handelt, und mal Tage, an denen man weniger klug handelt. Fast jeder, der arbeitet, tut gelegentlich auch Dinge, die vielleicht nicht klug sind. Aber sie sind deswegen nicht verboten, nicht skandalös und nicht geeignet, hier eine Staatskrise herbeizureden. Man sollte auch nicht versuchen, sie uns einzureden.

Ich will noch etwas sagen: Der Herr Oppositionsführer hat sich gestern hingestellt und gesagt, das sei eine parteipolitische Einflussnahme gewesen. Ich habe es wörtlich gehört: eine parteipolitische Einflussnahme. Wer nun die handelnden Akteure betrachtet, der kann nun wirklich nicht zu der Schlussfolgerung gelangen, dass das einseitig parteipolitisch motiviert gewesen sei. Also, ich komme nicht zu diesem Verständnis.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Also nicht einmal das stimmt.