Protocol of the Session on September 27, 2012

(Rasmus Andresen)

im Landtag angestoßen oder beraten haben, nachdem eine gerichtliche Einzelfallentscheidung gefallen ist. Immer wieder geht es um die Neujustierung von Informationsfreiheit, Informationsbeschaffung und Informationsverwertung. So ist es auch mit der sogenannten Störerhaftung. In dieser Sache sind zwischenzeitlich mehr als 20 Urteile ergangen, die sich auch noch teilweise widersprechen. Die Situation ist derzeit deshalb völlig unübersichtlich.

(Beifall SSW)

Worum geht es? - Es geht darum, dass Rechteinhaber gegen Nutzer und deren vermeintliche illegale Downloads vorgehen, diese aber lediglich den freien Zugang zum Netz zur Verfügung stellen. Der eigentliche Täter, der sogenannte Störer, ist gar nicht zu ermitteln. Darum halten sich die Rechteinhaber auch an den WLAN-Betreiber, was allerdings nur für Privatpersonen gilt.

Die zahlreichen Gerichtsverfahren hatten anfangs eine ganze Menge mit der Unerfahrenheit zu tun, die viele Nutzer im Umgang mit der neuen Technik an den Tag legten. Der kabellose Zugang in der ganzen Wohnung oder im ganzen Haus ist schon etwas Feines. Allerdings war den wenigsten Nutzern zunächst klar, dass ein solches Netz nicht an der Haustür endet, sondern bis zum Nachbarn oder auf die Straße reichen kann. Den illegalen Downloadern war das jedoch ziemlich schnell klar. Sie nutzten unerkannt die freien Netze, um Lieder oder Filme herunterzuladen und manchmal auch, um Schlimmeres zu tun.

2010 ging es zum Beispiel dem Bundesgerichtshof um eine vergleichsweise kleine Summe, die eine Frau für einen illegalen Download zahlen sollte. Sie war jedoch zur Downloadzeit nachweislich gar nicht vor Ort, sondern im Urlaub, und konnte die entsprechende Urheberrechtsverletzung gar nicht begangen haben. Damit, dachte sie, wäre sie aus dem Schneider. Der Bundesgerichtshof sah das anders und legte den privaten Nutzern eine Haftung auf, und dieser konnten sie nur entgehen, wenn sie das Netz fachgerecht verschlüsselten.

Genau hier kritisieren die entsprechenden Fachverbände und Internetforen das Urteil als sachfremd.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Schließlich ist es gar nicht so einfach, das eigene Netz effektiv zu sichern. Im Netz kursieren massenhaft elektronische Schlüssel, die ein WLAN-Netz im Handumdrehen knacken und zugänglich machen

können, ohne dass man im Übrigen Spuren hinterlässt. Der private Nutzer steht dann da, ohne die Möglichkeit, beweisen zu können, die entsprechenden Inhalte gar nicht selbst heruntergeladen zu haben. So entstehen „Abmahn-Industrien“. Tatsächlich gibt es inzwischen mehrere Kanzleien, die sich auf die Abmahnung illegaler Downloads spezialisiert haben und jeden Tag Tausende Abmahnungen auf den Weg bringen.

Gleichwohl geht es in diesen Fragen insbesondere auch darum, welche Verantwortung wir für unser Tun und auch unser Nichttun haben. Dabei muss man sich nach unserer Auffassung am Grundsatz, dass Gleiches gleich zu behandeln ist, orientieren. Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein privater WLAN-Betreiber für sein offenes Netz haften und ein kommerzielles Internet-Café oder ein gastronomischer Betrieb mit freiem Netzzugang nicht haften muss. Meine Damen und Herren, diese Ungleichbehandlung muss aufhören.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN - Sven Krumbeck [PIRA- TEN]: Dann sind Sie wohl doch für die WLAN-Party!)

Es ist aber auch - das ist ganz wichtig - nicht nachvollziehbar, dass jeder Private, der etwas in Betrieb nimmt, nicht dafür haften muss, wenn er anderen dadurch Schaden zufügt. Insbesondere diese Frage ist in Bezug auf die Internetnutzung zu kompliziert, als dass man sie mit einem Satz in einer Rede allumfassend beantworten könnte. Wahrscheinlich erscheint mir, dass hier nicht nur die juristische Frage gestellt werden muss, sondern es sich hier insbesondere um eine technische Frage handelt. Darum gilt es, zunächst technische Lösungen zu entwickeln, die einen Ausgleich von Rechteinhabern die dürfen wir nicht vergessen - und Nutzern befördern. Wäre der Störer jederzeit identifizierbar oder auch nur die widerrechtliche Nutzung eines Netzes nachvollziehbar, dann wäre der WLAN-Betreiber beispielsweise außen vor.

Es geht ja darum, dass die neuen Probleme, die in der noch jungen digitalen Welt entstehen können, vernünftig gelöst werden und wir nicht von unseren Rechtsgrundsätzen abweichen. Auch darauf müssen wir achten, meine Damen und Herren.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu zählt dann auch, dass manchmal fahrlässiges Handeln nicht zu solch harten Konsequenzen führen darf, wie wir sie heute als völlig unangemessen empfinden, aber fahrlässiges Handeln auch

(Lars Harms)

nicht einfach konsequenzlos geschehen kann. Denn wir haben - wie gesagt - auch eine Verantwortung gegenüber denjenigen, die geistige Inhalte ins Netz stellen und nach meiner Auffassung ein Recht darauf haben, dass sie dieses entsprechend vergütet bekommen.

(Beifall SSW)

Meine Damen und Herren, gleichzeitig darf es aber nicht so sein, dass privatrechtlich handelnde Menschen völlig aus der Verantwortung für ihr fahrlässiges Tun entlassen werden. Deshalb ist eine saubere Trennung zwischen dem fahrlässigen Tun - hier ein offenes WLAN-Netz - und dem kriminellen Handeln - zum Beispiel illegale Downloads - nötig. Und das ist nicht nur eine juristische Frage, sondern auch eine technische Frage.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer? Ansonsten wäre Ihre Redezeit auch zu Ende. Nutzen Sie die Chance!

Die Chance nutze ich sehr gern; die hätte ich jedoch auch genutzt, wenn ich noch Redezeit gehabt hätte.

Es freut mich immer, wenn ich helfen kann. - Folgende Frage, Herr Kollege: Würden Sie mir zustimmen, dass, wenn es Ihnen um die Vergütung von Rechteinhabern, von Urheberrechtinhabern geht, eine solche Vergütung nicht nur durch Abmahnung sichergestellt werden kann, sondern zum Beispiel auch durch Pauschalvergütungen und Flatrate-Modelle?

- Selbstverständlich ist das so. Ich würde es sogar begrüßen, wenn wir eine Kultur-Flatrate hätten. Denn dann hätten wir viele Probleme im Netz nicht mehr, die wir jetzt schon haben.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber solange das nicht so ist - das ist ganz wichtig -, müssen wir uns am bestehenden System orientieren. Mir geht es nur darum, dass wir, wenn wir diese Diskussion um so viel Freiheit führen, nicht vergessen, dass es auch Menschen gibt, die von dem, was sie ins Internet stellen, auch leben und wir ihnen die Chance geben müssen, davon leben zu können.

Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen.

Wenn dann am Ende daraus eine Kultur wird - ich bin immer noch bei der Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Breyer, auch wenn er sich schon gesetzt hat -, dann wäre das etwas Gutes. Ich glaube, ein Pendant zu einem Telekommunikationsgesetz könnte, lieber Kollege Breyer, wirklich sehr hilfreich sein. Aber wie gesagt: Wir dürfen die Rechte der Urheber nicht vergessen. Wenn wir das beides in einer gesetzlichen Regelung verankern können, dann wären wir einen Schritt weiter. So sehe ich den Antrag der PIRATEN, und so sehe ich auch unsere Zustimmung zum Antrag der FDP. Das soll die Antwort zu Ihnen gewesen sein. - Vielen Dank, dass Sie mir knapp zwei Minuten geschenkt haben.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Bevor jetzt die Regierung zu Wort kommt, möchte ich Sie bitten, mit uns unseren ehemaligen Kollegen, Herrn Abgeordneten Andreas Beran, zu begrüßen, der unter den Zuschauern ist.

(Beifall)

Für die Landesregierung hat nun das Wort der Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie, Reinhard Meyer. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst ein Geständnis: Die Lektüre des mehrseitigen PIRATEN-Antrags hat mir schmerzlich vor Augen geführt, dass ich hinsichtlich des Internets zwar kein DAU, also ein dümmster anzunehmender User bin, wohl aber ein blutiger Laie. Ich könnte hier niemandem genau erklären, was „Web-Bugs“ oder „Hidden Identifiers“ sind.

Angesichts meiner Vorredner, die ja alle jünger waren als ich, sieht man auch ein wenig, dass das eine Generationenfrage ist.

(Zurufe)

(Lars Harms)

- Ja, Lars Harms ist auch noch fünf Jahre jünger als ich. Von daher ist das schon in Ordnung.

Aber wir sollten das nicht zur Generationenfrage erklären. Denn in der Tat erlaube ich mir, über dieses Thema zu sprechen, da es zweifelsohne auf die politische Bühne gehört und vor allen Dingen in den gesellschaftlichen Diskurs.

Denn unabhängig vom technischen Verständnisgrad jedes Einzelnen steht fest: Die Digitalisierung verändert die Welt, in der wir leben und arbeiten. Sie verändert auch die Antwort auf die Frage, wie wir heute und in Zukunft wirtschaften. Der Begriff des Arbeitsplatzes und auch der Begriff des Betriebs haben sich geändert. Alles, was man heute braucht, ist ein Internet-Zugang. Der Laptop ist längst zur Werkbank des 21. Jahrhunderts geworden.

(Beifall PIRATEN)

Diese Entwicklung, meine Damen und Herren, birgt zweifelsohne große wirtschaftliche Chancen. Wir sehen zum Beispiel auch in Schleswig-Holstein erfreulicherweise eine digitale Wirtschaft, die wächst. Inzwischen hat dieser Sektor laut einer IHK-Studie einen Anteil von 11 % an unserer Gesamtwirtschaft. Immer mehr Wertschöpfungsketten laufen entlang digitaler Linien.

Ich muss mich als Wirtschaftsminister unter anderem fragen lassen, wie wir hier Innovationen weiter stärken können. Übrigens auch durch die entsprechende Infrastruktur, Stichwort Breitbandausbau.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt SPD)

Meine Damen und Herren, als Verbraucherschutzminister liegt es mir aber auch am Herzen, einen vernünftigen Ausgleich der Interessen zunehmend verunsicherter Internetnutzer und einer zunehmend unüberschaubaren Zahl von Anbietern zu gewährleisten. Es gibt zudem Bereiche, in denen private Haushalte als auch Teile der Wirtschaft betroffen sind, etwa die Rechtsunsicherheit für die Betreiber offener WLAN-Zugänge im Zusammenhang mit dem Urheberrecht. Viele Hotels, Gaststätten oder Cafés, auch im Urlaubsland Schleswig-Holstein, bieten offene WLAN-Internetzugänge als Service am Kunden an und müssen im Falle eines Missbrauchs mit hohen Abmahngebühren rechnen. Insofern wird es Sie nicht verwundern, dass auch die Landesregierung der Auffassung ist, dass der Antrag der FDP-Fraktion in die richtige Richtung geht und vernünftig ist.

Der Bund muss hier dringend die Rechtslage prüfen und klären, inwieweit Haftungsbegrenzungen im Sinne des Telemediengesetzes möglich sind.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt SPD)

Dem Rechtsausschuss des Bundesrats liegt - das wurde schon gesagt - eine entsprechende Entschließung von Hamburg und Berlin vor, die aber noch verbessert werden kann. Ich fasse diesen Antrag auch als Aufforderung an die Landesregierung auf, dies in den Ausschüssen zum Ausdruck zu bringen.

(Beifall SPD, FDP und PIRATEN)

Meine Damen und Herren, der Antrag der PIRATEN ist komplexer und bedarf noch weiterer Diskussionen. Das wurde bereits gesagt. Hier ist viel in Bewegung, denn erst vor wenigen Wochen hat die EU-Kommission ihre neue Datenschutzverordnung vorgelegt. Die hitzige Debatte darum sollte zunächst einmal zu Ende geführt werden. Denn so wie es scheint, erreicht die Verordnung nicht einmal ansatzweise das Sicherheitsniveau, das wir im deutschen Datennetz bislang gewohnt sind.

(Beifall PIRATEN und vereinzelt SPD)

Um diese Sicherheitslücke zu schließen, sind sowohl der Bund, der nach wie vor die Novellierung des Telemediengesetzes blockiert, als auch die EU in der Pflicht. Auch hierzu gibt es bereits erste Initiativen im Bundesrat. Insofern lohnt es sich, diese Themen weiter im Innenausschuss des Landtags zu erörtern.