Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen einen guten Morgen und darf Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen. - Ich eröffne die heutige Sitzung.
Bevor wir in die Debatte zu dem gesetzten Tagesordnungspunkt zur deutsch-dänischen Zusammenarbeit eintreten, darf ich Sie bitten, mit mir gemeinsam Gäste auf der Tribüne zu begrüßen: den Repräsentanten der Volksgruppe der deutschen Minderheit in Kopenhagen, Jan Diedrichsen, und die Minderheitenbeauftragte der Landesregierung, Renate Schnack. - Herzlich willkommen hier im Kieler Landtag!
Mit ihnen gemeinsam auf der Tribüne sitzen Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Schafflund. - Auch euch sage ich ein herzliches Willkommen hier im Landeshaus in Kiel!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Die deutsch-dänische Zusammenarbeit ist seit Langem eine feste Grundkonstante der schleswig-holsteinischen Landespolitik. Sie wird flankiert und ergänzt von einer gewachsenen Vielzahl grenzüberschreitender Zusammenarbeit auf zahlreichen Feldern und vielfältigen Ebenen. Aus Sicht der Landesregierung ist es jetzt an der Zeit, eine Neubestimmung ihrer eigenen deutsch-dänischen Zusammenarbeit vorzunehmen. Die Voraussetzungen dafür sind besser denn je. Wir können aufbauen auf den etablierten partnerschaftlichen Kooperationen mit den dänischen Nachbarregionen Süddänemark und Sjælland.
Mit dem neuen und größeren EU-Programm INTERREG Deutschland-Danmark können jetzt Projekte der Zusammenarbeit in einem Raum gefördert werden, der auf deutscher wie auf dänischer Seite
grob die Hälfte der Landesflächen umfasst, und mit der dänischen Regierung steht heute ein Partner bereit, der ein stetig steigendes Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit Schleswig-Holstein signalisiert.
Diese wirklich guten Voraussetzungen wollen, ja müssen wir im Interesse unseres Landes nutzen. Daher hat die Landesregierung erstmals in der Geschichte der Landespolitik Schleswig-Holsteins eine Rahmenkonzeption für die deutsch-dänische Zusammenarbeit erstellt. Mit diesem Plan setzen wir ein deutliches Zeichen für unsere Partner in Dänemark, dass die deutsch-dänische Zusammenarbeit ein Schwerpunkt dieser Regierung ist und bleiben wird.
Wir setzen damit aber auch ein Zeichen für die Wirtschaft, für die Wissenschaft, für die Bildung, für die Kultur und deren Verbände, für die Institutionen und Interessenvertretungen in unserem Land selbst, und wir setzen ein Zeichen für die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein. Wir zeigen auf, wie wir uns diese Zusammenarbeit vorstellen. Damit setzen wir nicht nur einen neuen Kurs, sondern ergänzen und unterstützen gleichzeitig die aktuelle Initiative der dänischen Regierung, die sich zielgerichtet für eine stärkere Kooperation mit Schleswig-Holstein engagiert.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung legt mit diesem Rahmenplan eine Konzeption vor, die von dem Leitgedanken einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zum beiderseitigen Vorteil getragen ist. Dieser Rahmenplan ist dabei kein statisches Instrument. Wir wollen ihn kontinuierlich weiterentwickeln und vertiefen.
Für die kommenden Jahre bestimmen wir klare Schwerpunkte. Wir wollen eine immer engere Verflechtung der Wirtschaftsräume. Dabei geht es uns insbesondere darum, starke Wirtschaftscluster grenzüberschreitend aufzustellen und um eine zunehmend engere Abstimmung von Infrastrukturplanungen, einen deutlich intensiveren deutsch-dänischen Austausch in Bildung und Forschung, mehr grenzüberschreitende Mobilität in Beruf und Alltag und um mehr grenzüberschreitendes kulturelles Miteinander mit sichtbaren Zeichen der kulturellen Zusammenarbeit. Daran wollen wir gezielt arbeiten. Dabei kommt den Minderheiten in der Grenzregion unverändert eine besondere Bedeutung zu.
Mit diesem Rahmenplan wollen wir also kein funktionierendes Feld und kein bestehendes Forum der deutsch-dänischen Zusammenarbeit infrage stellen, aber wir sagen klar und deutlich, wo wir Schwerpunkte setzen, was wir anstreben und welche Schritte wir uns als Erstes vorgenommen haben; auch als Angebot an Partner in Dänemark und Deutschland, hieran mitzuwirken.
Unser Leitgedanke dabei ist: Faktisch ist Schleswig-Holstein ein Teil des europäischen Nordens. Das müssten wir stärker sichtbar machen und zum Vorteil Schleswig-Holsteins nutzbringend einsetzen. Das ist ein Ziel, das unserem Nachbarn Dänemark gleichfalls von Nutzen ist.
Der Rahmenplan zielt daher auf eine neue Qualität der deutsch-dänischen Zusammenarbeit des Landes. Neu daran ist auch, dass eine Landesregierung nicht nur Wünsche an eine deutsch-dänischen Zusammenarbeit hat, sondern an deren Umsetzung arbeitet, nicht einfach zusammensammelt, was ohnehin an Projekten läuft, sondern sich Schwerpunkte setzt und diese auch in den Dialog mit der dänischen Regierung einbringt, nicht länger nur diesseitig denkt, sondern mit den Interessen unseres Landes im Gepäck selbstständig mit dänischen Partnern konkrete Vorhaben und Kooperationen anstrebt und anschiebt, also das beiderseitige Bedenken der schleswig-holsteinisch-dänischen Zusammenarbeit.
Neu daran ist die Funktion des vorliegenden Rahmenplans. Wir bekennen uns klar zu einem Prozess, mit dem wir die Zusammenarbeit ausbauen und intensivieren wollen. Wir benennen klar, dass wir dafür die uns zur Verfügung stehenden Foren und Kulissen der schleswig-holsteinisch-dänischen Zusammenarbeit strategisch - und teilweise neu - definieren wollen. Die Frage dabei muss sein: Was können wir mit wem am besten erreichen?
Das heißt konkret: Noch immer ist die Idee in Schleswig-Holstein verbreitet, dass Ernährungswirtschaft in Jütland stark ist. Wir aber wissen, dass Zusammenarbeit in diesem Bereich am besten mit Seeland und rund um Kopenhagen gelingen kann.
Oder: Alle sprechen über die Öresund-Region, wenn es um Boom-Regionen in Dänemark geht. Wir aber wissen, dass das Städteband rund um Aarhus oder das Dreiecksgebiet zwischen Kolding, Vejle und Fredericia genauso wirtschaftsstarke Regionen sind.
Und: Wir sagen deutlich, dass diese Zusammenarbeit dort, wo es in unserer Macht steht, professionell ausgestaltet sein muss, zum Beispiel durch ein
Meine Damen und Herren, die Kernvorgaben, die wir uns gegeben haben, sind also deutlich: Wir konzentrieren uns auf Themen, in denen eine Zusammenarbeit mit Dänemark einen Mehrwert für Schleswig-Holstein erwarten lässt. Das ist das Neue: Wir wollen die politische Zusammenarbeit mit der dänischen Regierung stärken. Auch die Signale der dänischen Regierung sind eindeutig. In den Gesprächen, die Ministerpräsident Torsten Albig und ich in den vergangenen Monaten mit beinahe der gesamten dänischen Ministerriege unter Staatsministerin Helle Thorning-Schmidt geführt haben, wurde immer deutlich gemacht: Schleswig-Holstein soll als Brückenbauer nach ganz Deutschland hinein dienen.
Wir als Landesregierung wiederum haben in diesen Gesprächen immer wieder betont: Schleswig-Holstein versteht sich als einer der ersten Ansprechpartner für Beziehungen und Kooperationsinteressen aus Dänemark nach Deutschland hinein und umgekehrt.
Welche Ziele wollen wir nun zuerst anpacken? Mit der dänischen Regierung sind wir uns einig, dass wir mit den Themenbereichen Arbeitsmarkt, bei der Mobilität für Grenzpendler, berufliche Bildung, beim Aufbau von neuen gemeinsamen Berufsausbildungsgängen, Verkehrs- und Infrastruktur, Fehmarnbelt-Querung und Jütland-Achse sowie Forschung und Hochschulen, nämlich bei der Entwicklung gemeinsamer deutsch-dänischer Studiengänge und Forschungsprojekte unsere Zusammenarbeit konkret beginnen wollen. Zum Teil sind wir auch schon dabei.
Schleswig-Holstein und Dänemark haben viele und enge Bezüge zueinander. Aber gerade in den eben genannten Zielgebieten ist eine noch intensivere Kooperation geradezu zwangsläufig absehbar.
Dänemarks einzige Landgrenze dockt an Schleswig-Holstein an. Demnächst führt mit der festen Fehmarnbelt-Querung eine neue wichtige Achse für Skandinavien nach Kontinentaleuropa ebenfalls durch unser Land.
Für Dänemark ist Deutschland der wichtigste Handelspartner, noch vor Schweden. Und umgekehrt ist Dänemark für Schleswig-Holstein regelmäßig ebenfalls Handelspartner Nummer eins und verbindet die Handels- und Verkehrsströme auf JütlandRoute ebenso wie auf der absehbar an Bedeutung noch zunehmenden Fehmarnbelt-Achse bis hinauf nach Kopenhagen und Malmö.
Vergessen wir in diesem Zusammenhang nicht, dass unabhängig von den bilateralen Wirtschaftsdaten volle 80 % aller dänischen Importe durch Schleswig-Holstein über unsere Straßen, Brücken und Schienen rollen.
Das alles zusammen wird sich noch tiefgreifender als bisher auch auf die von uns ausgewählten konkreten Arbeitszielfelder auswirken, zumal wir in Schleswig-Holstein wie in Dänemark spätestens ab 2030 die umfänglichen Folgen des demografischen Wandels im Hinblick auf die soziale Versorgung der Älteren zu bewältigen haben, auf die jetzt schon existierende Behebung von Engpässen auf dem Fachkräftemarkt. Dies wollen wir in die Landesentwicklungsstrategie 2030 aufnehmen. Neu dabei ist auch, dass wir hier Dänemark als Entwicklungspartner gewinnen wollen.
Gemeinsam stehen wir daher, gesellschaftlich und wirtschaftspolitisch betrachtet, vor denselben Herausforderungen und müssen dafür Lösungsansätze finden. In diesem Kontext können wir in Kooperation viel voneinander lernen und von unserem Wissen gegenseitig profitieren. Eine Zusammenarbeit auf diesem Gebiet bietet sich geradezu an. So können wir im Bereich der Versorgung im Alter Stichwort: Life-Science - von unserem nördlichen Nachbarn einiges abschauen.
Der stark ausgeprägten und modernen Innovationsund Gründerkultur in Dänemark stehen in Schleswig-Holstein Stärken in den Bereichen Produktion, Normierung und Zulassung neuer Produkte und Dienstleistungen gegenüber. Mit grenzübergreifendem Transfer von Erfahrung, also Best Practice, können wir davon gemeinsam profitieren. Ein Projektantrag hierfür mit unserem Cluster LifeScience Nord ist in Vorbereitung.
Ebenso bietet sich das gemeinsame Ausschöpfen von wirtschaftlichen Potenzialen an, etwa im Ernährungsgewerbe oder wenn es um maritime Wirtschaft, Life-Science, erneuerbare Energien, Tourismus und Logistik geht oder aber um Kultur und Kreativwirtschaft. In all diesen Bereichen sind Schleswig-Holstein und Dänemark gut aufgestellt.
Ich will ein Beispiel näher beschreiben, wie diese Kooperation funktionieren kann, nämlich im Bereich der regenerativen Energien bei Wind und Offshore, speziell bei der Energieeffizienz und Leistungselektronik. Hier haben Studien nachgewiesen, dass sich Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen beiderseits der Grenze gegenseitig befruchten und wir somit gemeinsam eine der führenden Regionen in diesem Bereich sind. Wir selbst
haben nur noch nicht erkannt, dass wir uns durch ein Zusammenwirken unserer Cluster beiderseits der Grenze weltweit wesentlich stärker behaupten können.
Deshalb streben wir als Erstes die Vorhaben einer gemeinsamen Cluster-Kooperation im Energiebereich an. Ein Projektantrag hierfür liegt bei INTERREG A schon vor. Eine solche gemeinsame deutsch-dänische Cluster-Kooperation könnte dann auch als Vorbild für die Bereiche Lebensmittelwirtschaft, Kultur und Kreativwirtschaft und Logistik dienen. Auch dies sind Bereiche, in denen wir gemeinsam stark sind und die wir als nächstes anschieben wollen.
Meine Damen und Herren, von Vorteil für die wirtschaftliche Zusammenarbeit und dieser Cluster-Kooperation ist es, dass auf schleswig-holsteinischer wie auf dänischer Seite ausgeprägte mittelständische Wirtschaftsstrukturen bestehen. Die Anforderungen an eine qualifizierte Ausbildung ähneln sich. Sie können sich gegenseitig ergänzen. Doch dafür müssen wir - ich habe es schon angedeutet auch gute gemeinsame Rahmenbedingungen schaffen; denn die Wirtschaft stellt hier berechtigte Anforderungen an die Politik, und zwar in den Bereichen Infrastruktur, Hochschulen und Ausbildung. Im Klartext: Es geht um Logistikoptimierung und Fachkräfteentwicklung. Auch hier können wir voneinander profitieren, direkt wie indirekt, und wir tun es bereits.
Zur Infrastruktur: Unsere dänischen und skandinavischen Nachbarn sind abhängig von einer funktionierenden Infrastruktur bei uns. Deshalb sind Projekte und Vorhaben wie der Ausbau der A 7, der Ersatzbau für die Rader Hochbrücke, die angestrebte A 20 oder die feste Fehmarnbelt-Querung nicht nur wichtig für Schleswig-Holstein. Sie binden den europäischen Norden zusammen und sind unverzichtbar für die dänische Wirtschaft. Kopenhagen macht dies auch gegenüber Berlin deutlich. Dieser essenziell europapolitische Aspekt stärkt auch unsere Position gegenüber Berlin, wenn es um die Aufteilung begrenzter Infrastrukturmittel geht.
Im Hochschulbereich ergänzen wir uns ebenfalls. Die dänische Regierung hat neue Vorgaben für vorrangige Studiengänge in Dänemark erstellt, die unter Umständen bestehende deutsch-dänische Studiengänge beeinträchtigen könnten. Umso mehr freut es mich, dass ich vor 14 Tagen mit der dänischen Wissenschaftsministerin verabreden konnte, dass beide Regierungen gemeinsam relevante Akteure im Hochschulbereich wie aus der interessierten Wirtschaft möglichst rasch zu einem gemeinsa
men Dialog einladen wollen, um neue Wege für die Weiterentwicklung deutsch-dänischer Studiengänge zu finden. Dies kann auch ein Beitrag werden, um im aufkommenden Standortwettbewerb um die Köpfe von morgen und übermorgen gemeinsame Stärken zu entwickeln.
Im Bereich berufliche Bildung unterstützen wir die Initiative der IHK Flensburg, Auszubildenden aus Dänemark einen Ausbildungsplatz gleich hinter der Grenze anzubieten. Nicht zuletzt deshalb, weil es in Dänemark an Praktikumsplätzen mangelt, werden Auszubildende - also die Fachkräfte von morgen für die Unternehmen in unserem Land Mangelware werden. In der Perspektive sollen erste Ansätze für völlig neue deutsch-dänische Ausbildungslehrgänge entwickelt werden, die trotz der völlig unterschiedlichen Berufsausbildungssysteme in Deutschland und Dänemark und anderen praktischen Problemen den Zugang zu beiden Arbeitsmärkten diesseits und jenseits der Grenze ermöglichen sollen.
Meine Damen und Herren, unsere Zusammenarbeit wird und darf nicht auf den umfassenden Bereich der Ökonomie begrenzt sein. Wir müssen auch unseren Bürgerinnen und Bürgern das für sie Positive dieser Zusammenarbeit erfahrbar machen. Das tun und wollen wir. Ich will hier nur wenige konkrete Maßnahmen und Perspektiven aufzeigen.
Mehr organisierter Studierendenaustausch mit dänischen Hochschulen schafft attraktive Angebote in der unmittelbaren Nachbarschaft statt in einer weiter entfernten europäischen Nachbarschaft.
Die noch junge Initiative der IHK Flensburg im Bereich beruflicher Bildung wird, perspektivisch weitergedacht, einen deutlich einfacheren Zugang zum benachbarten dänischen Arbeitsmarkt ermöglichen.