Protocol of the Session on December 12, 2014

Ich habe mich gemeldet, als der Kollege König zu Recht darauf hingewiesen hat, dass Menschen in Deutschland unzufrieden mit dem waren, was politisch passiert ist, und deshalb eine neue Partei gegründet haben. Es ist doch wunderbar, wenn sich Menschen politisch engagieren. Das finden wir ganz toll.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir können nach Gründung der PIRATEN trotzdem nicht feststellen, dass sich dadurch die Wahlbeteiligung signifikant verbessert hätte.

(Beifall)

Daran kann das nicht liegen. Das Gleiche gilt für die AfD. Auch die hat sich aufgrund von Protesten gegründet, die man nachvollziehen kann oder auch nicht, aber die Wahlbeteiligung hat sich trotzdem nicht signifikant verbessert.

In Deutschlands Osten, bei der letzten Landtagswahl in Thüringen, lag die Wahlbeteiligung unter 50 %, was möglicherweise, bedauerlicherweise dazu geführt hat, dass die Nichtdemokraten so gute Ergebnisse erzielt haben. Denn wenn die Demokraten nicht zu Hause geblieben wären, sondern alle gewählt hätten, wäre die Wahl wahrscheinlich anders ausgegangen, als das gegenwärtig zu sehen ist.

(Beifall)

Frau Kollegin Lange, es hat mich sehr begeistert, was Sie hier gesagt haben, weil es genau der Auf

(Simone Lange)

fassung entspricht, die wir haben: Fairness ist keine Einbahnstraße. Wir sind nicht die Christdemokraten, wir sind Liberale. Die Christdemokraten haben wahrscheinlich den Ansatz: Wenn Sie auf die linke Wange kriegen, halten sie auch noch die rechte hin.

(Heiterkeit)

Das machen wir selbstverständlich nicht. Ich will versuchen, dem Kollegen Stegner und Ihnen zu erklären, worin der signifikante Unterschied besteht, und was unfair war. Nicht im Hinblick auf die Landeszentrale für politische Bildung, da haben wir uns entsprechend verhalten, sondern bei einem Beamtenauswahlverfahren ist der Kollege Stegner öffentlich aufgetreten und hat erklärt, der aus 30 Bewerbern nach den Prinzipien der Bestenauslese ausgewählte Beamte habe die Befähigung gar nicht. Er hat gar nicht die Kompetenz dafür, so etwas zu erklären. Er hat es nicht gesagt, weil die Befähigung nicht festgestellt worden wäre, sie ist ja von dem dafür zuständigen Gremium festgestellt worden, sondern er hat jemanden öffentlich diskreditiert, nur weil der ein FDP-Parteibuch hat. Das nehmen wir schlicht und ergreifend nicht hin.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Wenn der Kollege Stegner nicht begreift, dass es sich hierbei nicht um einen Wahlakt handelt, sondern lediglich um die Zustimmung des Landtags, die übrigens in anderen Landtagen gar nicht erforderlich ist und die wir hier nur haben wegen der richterlichen Unabhängigkeit der Senatsmitglieder, wer nicht begreift, dass man mit Menschen öffentlich so nicht umgeht, dann tut es mir leid, dann können Sie von uns nicht erwarten, dass wir Fairness Ihnen gegenüber walten lassen, wo Sie sich selbst so unfair verhalten.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Herr Abgeordneter Kubicki, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Bitte schön.

Lieber Herr Kollege Kubicki, ich würde Sie darauf aufmerksam machen wollen, dass natürlich, wenn es

in unseren Gesetzen vorgesehen ist, dass der Landtag eine Entscheidung trifft, der Landtag kein Stempelautomat ist und nicht automatisch Dinge vollzieht, sondern er sich immer entscheiden kann. Das kann man im Gesetz ändern. Man kann darüber diskutieren, ob man das möchte, aber wenn der Landtag entscheidet, ist er immer auch frei zu entscheiden.

Das, was Sie gerade eben beklagen, ist die Reaktion - da mag man über die Wortwahl streiten - auf den Vorwurf gewesen, man habe sich im Hause nur deswegen so entschieden - übrigens zugespitzt auf meine Person -, weil es um ein bestimmtes Parteibuch ginge, was uns unliebsam sei. Das war der Vorwurf. Dagegen wird man sich verteidigen dürfen. Wir - die drei Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SSW - haben die Entscheidung getroffen, dass wir diesen Personalvorschlag hier im Landtag nicht wählen wollen. Das kann man schlecht finden, darüber kann man sich ärgern, aber wenn man das mit der Begründung kritisiert, dann - so finde ich - muss man sich gefallen lassen, dass man sich dagegen wehrt.

Zweitens, Herr Kollege Kubicki: Ich habe noch nie erlebt, dass Sie als Parlamentarier gesagt haben, das Parlament sei nicht frei in seiner Entscheidung. Wenn es eine Entscheidung zu treffen hat, kann die immer so oder so ausfallen. Sonst brauchen wir das Parlament nämlich nicht. Dann könnte das die Verwaltung selbst und allein erledigen.

Herr Kollege Dr. Stegner, ich stimme Ihnen zu, dass das Parlament frei entscheiden kann. Daran habe ich auch überhaupt keine Kritik geübt. Ich will nur erklären: Sie behaupten, es sei ein Wahlakt, und es ist kein Wahlakt. Das Parlament kann nicht mehr auswählen. Es kann nur zustimmen oder ablehnen.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Es kann zustim- men oder ablehnen!)

- Ja, das verstehe ich, Frau Herdejürgen. Machen Sie nur so weiter. Das verstehe ich. Aber dass der Kollege Stegner sich hinstellt und einem Beamten, der in einem Auswahlverfahren nach Bestenauslese entsprechend ausgewählt worden ist, und zwar nicht nur von der Präsidentin allein, sondern vom Senat insgesamt, vom Personalrat, von der Gleich

(Wolfgang Kubicki)

stellungsbeauftragten, öffentlich die Befähigung abspricht - das haben Sie getan -, finde ich unverantwortlich.

(Beifall FDP, CDU und PIRATEN)

Stellen Sie sich einmal vor, wir würden bei jedem Abteilungsleiter, der berufen wird, sagen: Der Mann ist eine völlige Flasche oder die Frau ist eine völlige Flasche und bekommt den Job nur, weil sie in der SPD ist. - Da würden Sie doch auch sagen: Was für eine Unverschämtheit, dass wir im parlamentarischen Raum und draußen so miteinander umgehen. - Wenn Sie diesen Unterschied nicht begreifen - noch einmal: Wahlakt für Beauftragte ist etwas völlig anderes, Beamtenernennung ist etwas völlig anderes -, wenn Sie nicht begreifen, dass Sie hier einen Rubikon überschritten haben, dann tut es mir wirklich leid, dann kann Ihnen auch niemand mehr helfen. - Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall FDP, CDU und PIRA- TEN)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Axel Bernstein das Wort.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Hinweis mit der linken und rechten Backe gibt fast Anlass zu einer Erwiderung,

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Wange! Backe ist etwas anderes!)

aber ich belasse es bei den Nehmerqualitäten der Union.

Ich gehe noch einmal auf Ihre Ausführungen, Frau Kollegin, zum Thema Pairing ein. Ich erinnere mich noch sehr gut an die vergangene Legislaturperiode, in der wir eine vergleichbare Situation hatten, dass nämlich eine demokratisch gewählte Mehrheit mit einer Stimme Mehrheit hier im Haus regiert hat. Ich erinnere mich sehr gut, wie ich als Parlamentarischer Geschäftsführer in vielen Einzelfällen bei den Oppositionsfraktionen antanzen durfte, um im Einzelfall zu verhandeln, ob ein Kollege gepairt wird oder nicht. Wenn wir bisher zwischen Ihnen und der FDP und zwischen uns und den Grünen das Verfahren hatten, dass wir generell gepairt haben, dann ist das nichts anderes als ein Entgegenkommen der Opposition.

(Beifall CDU, FDP und PIRATEN)

Es ist Ihre Aufgabe, eine Einstimmenmehrheit sicherzustellen. Wenn das nicht gelingt, dann muss man im Einzelfall darüber sprechen, wenn Sie hier trotzdem eine Mehrheit haben wollen, wie man das geregelt bekommt.

Herr Abgeordneter Dr. Bernstein, erlauben Sie eine Zwischenbemerkung der Frau Abgeordneten Herdejürgen?

Bitte schön.

Kollege Bernstein, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass es zwischen der SPD und der FDP in der Vergangenheit immer ein generelles Pairingabkommen gegeben hat, dass also diese Einzelfalllösung auf uns mitnichten zutrifft?

Ich habe eben als ehemaliger Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion gesprochen und auf die Einzelfälle hingewiesen, in denen ich bei den regierungstragenden Fraktionen angekommen bin, damit Kolleginnen und Kollegen, die beispielsweise aufgrund sehr persönlicher Vorfälle im familiären Umkreis nicht an einer Sitzung teilnehmen konnten, dann auch tatsächlich abwesend sein konnten. Das ist nicht immer gelungen. Das hat mit Fairness auch nicht viel zu tun gehabt.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Gestatten Sie eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Herdejürgen?

Bitte schön.

Würden Sie sich dann möglicherweise auch so weit erinnern,

(Wolfgang Kubicki)

dass wir aus einem ganz bestimmten Grund ein Pairingabkommen mit der FDP hatten, nämlich weil die CDU in vorvergangenen Legislaturperioden ein generelles Pairingabkommen mit der SPD verweigert hat?

Ich will Ihnen darauf antworten, dass es bei dem bleibt, was ich eingangs gesagt habe: Es gibt keinen Anspruch auf ein Pairing. Wenn jemand in der Mehrheit fehlt, muss die Mehrheit das regeln.