Herr Kollege Dr. Stegner, Sie wollen ja von der kalten Progression nichts wissen. Es gibt Menschen bei Ihnen in der Partei, die bedeutender sind und die das anders sehen als Sie. Ich will schon sagen, wo der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist. Uns geht es nicht einzig und allein darum, möglichst viel Geld zur Verfügung zu haben, weil der Staat nach unserer Auffassung am besten weiß, wie es nachher ausgegeben wird, sondern wir als Union wollen alle Möglichkeiten nutzen, um das Geld den Bürgerinnen und Bürgern zurückzugeben. Deswegen sagen wir bewusst, nicht das gesamte Geld, nicht die gesamten 19 Milliarden € müssen zur Verfügung stehen; vielmehr haben wir auf dem Bundesparteitag beschlossen, dass wir das Geld, wenn wir im Laufe der Legislaturperiode die Möglichkeit dazu haben, über den Abbau der kalten Progression den Bürgerinnen und Bürgern zurückgeben. Das war immer die Position der CDU, die wir in dem Bereich vertreten haben.
Nun kann man sich hinstellen und - wie der Ministerpräsident - sagen, das sei ein Thema für Steuerästheten, oder - wie der Kollege Stegner, der zwei Beispiele dafür gefunden hat - sagen, dass die kalte Progression gar nicht so schlimm ist. Wenn Sie in diesen Einkommensgruppen verdienen und den ganzen Tag arbeiten, wenn Sie als Leistungsträger für dieses Land etwas tun und Ihnen dann von einer Gehaltserhöhung am Ende netto nichts übrig bleibt, dann merken Sie, was es bedeutet, wenn die kalte Progression Ihnen das wieder wegnimmt. Das ist der entscheidende Unterschied in unserem Antrag.
Von daher bitte ich Sie herzlich darum: Stimmen Sie dem CDU-Antrag zu und nicht Ihrem eigenen Antrag!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mithilfe des Soli ist es gelungen, den neuen Ländern eine faire Chance zu geben. Inzwischen sind weit über 200 Milliarden € an den Bund gegangen, um den Aufbau Ost zu finanzieren, und die Hilfe vor
Ort ist nicht zu übersehen. Schwerin, Rostock, Sachsen, die Ostseeküste, überall dort hat es große Schritte nach vorn gegeben. Aber es gibt nach wie vor auch noch Regionen mit Nachholbedarf, mit Strukturschwäche, mit Arbeitslosigkeit, dies allerdings nicht nur im Osten, sondern es ist nicht zu übersehen, dass wir auch im Westen zunehmend strukturschwache Regionen mit Nachholbedarf haben.
Gerade im Bereich Tourismus sieht man sehr gut, wie groß die Unterschiede sind. Ost und West stehen in Konkurrenz zueinander. Wer in SchleswigHolstein und auch an der Ostseeküste in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs ist, der sieht schnell, dass sich Schleswig-Holstein mächtig ins Zeug legen muss, um mit der Infrastruktur in Kühlungsborn oder Binz mitzuhalten.
Der Solidarpakt II für die Aufbauleistung in Ostdeutschland läuft 2019 aus, das wurde gesagt. Das ist ein guter Zeitpunkt, um die Finanzbeziehungen aller Bundesländer neu aufzustellen. Dazu passt auch, dass der Länderfinanzausgleich nur bis 2019 läuft, und dazu passt, dass auch die Entflechtungsmittel, insbesondere nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, 2019 auslaufen.
Wir haben schon seit 2011 eine Situation, in der Bundesfinanzminister Schäuble aus dem Soli mehr einnimmt, als er für die ostdeutschen Länder und für den Wiederaufbau ausgibt. Während die Einnahmen aus dem Soli steigen, sinken die Bundeszuweisungen an die neuen Länder stetig. Allein im nächsten Jahr, 2015, hat der Bund einen Profit von 8,8 Milliarden €. Da ist es dann auch ein bisschen einfacher, eine schwarze Null zu präsentieren, als es bei uns möglich wäre.
Dementsprechend, meine Damen und Herren, weil es weiter ansteigt - 2017 hat der Bund einseitig dann schon 11,7 Milliarden € Profit -, ist der Bund unruhig geworden, dass im Zusammenhang der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern auch über den Soli diskutiert wird.
Sie wissen, die Bund-Länder-Verhandlungen laufen seit Monaten. Alle Länder sind sich sehr einig, dass das Aufkommen des Soli - ich komme gleich zu den unterschiedlichen Möglichkeiten, wie man das Aufkommen erzielen kann - erhalten bleiben soll, und Länder wie Kommunen sollen zukünftig an einer finanziellen Besserstellung beteiligt werden. Den Kommunen ist schon zugesagt worden, dass sie bei der Eingliederungshilfe entlastet werden. Insofern geht es beim Soli insbesondere um eine Stärkung der Länder.
Es gibt vier Möglichkeiten, wenn man sich denn anders als die FDP - darauf verständigt, das Aufkommen zu erhalten. Ich sage einmal: Diejenigen, die vor der Wahl gesagt haben, dass sie den Soli erhalten wollen, sind wieder im Bundestag, diejenigen, die gesagt haben, sie wollen den Soli abschaffen, sind nicht mehr im Bundestag.
- So schlicht ist es leider manchmal, Herr Kubicki. Auch ich selbst leide manchmal unter diesen sehr einfachen Botschaften. Aber an dieser Stelle muss sie einmal gesagt sein.
Es gibt vier Möglichkeiten, den Soli zu erhalten und anders zu verteilen. Die erste ist ein Altschuldentilgungsfonds, verfassungsrechtlich neu begründet, nach wie vor mein Lieblingsmodell. Er ist generationengerecht, würde Schleswig-Holstein sehr helfen, denn weniger Schulden sind weniger Zinsen. Damit hätten wir auch eine reale Perspektive, tatsächlich in 40, 50 Jahren unsere Schulden abzubauen.
Die zweite Möglichkeit ist eine andere Fondslösung, beispielsweise ein Infrastrukturfonds. Auch dies könnte verfassungsrechtlich neu begründet werden. Auch dies würde Schleswig-Holstein erheblich entlasten. Wenn wir 200 Millionen bis 250 Millionen € jährlich für den Erhalt, die Sanierung unserer Infrastruktur bekommen würden, würden wir einen großen Schritt vorankommen.
Frau Ministerin, es ist ein bisschen spät, aber lieber spät als gar nicht. Stimmen Sie mit mir überein, dass die beiden Parteien, die für Steuererhöhungen eingetreten sind, nämlich SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ein herausragend gutes Bundestagswahlergebnis eingefahren haben?
Es ist so, Herr Kubicki, die, die Steuermindereinnahmen wollten, sind rausgeflogen, die, die Steuermehreinnahmen wollten, haben nicht so gut abgeschnitten, und die, die wie die CDU irgendwo dazwischen waren, haben den Profit gemacht.
Es gab hier den Vorwurf, wir würden Mittel zweckentfremden, und deshalb wüssten sie nicht so richtig, ob man nun Schleswig-Holstein neue Mittel geben sollte. Ich verweise noch einmal - ich glaube, es ist gestern schon gesagt worden - auf die Seite des Bundesfinanzministeriums. Dort steht zu den BAföG-Mitteln Folgendes. Schäuble - ich wüsste jetzt nicht, dass unser Bundesfinanzminister nicht die Wahrheit sagt; es handelt sich um die Pressemitteilung vom 27. Mai 2014 - und die Länder haben sich darauf verständigt: Die Länder werden die frei werdenden Mittel zur Finanzierung von Bildungsaufgaben im Bereich Schule und Hochschule einsetzen. - Wir sind also vertragstreu.
- Ja, die Länder sind frei und werden das für Schule und Hochschule einsetzen. - Das heißt, es war völlig klar, dass die Länder frei sind und je nach Bedarf entscheiden. In unserem Föderalismus finde ich es auch richtig, dass wir diese Freiheit haben, weil es in den Ländern in dem, was zwingend zu tun ist, Unterschiede gibt.
Die dritte Möglichkeit für den Soli ist, dass er in die Einkommen- und Körperschaftsteuer eingegliedert wird. Da könnte es notwendig sein, eine Tarifangleichung zu machen, damit zum Schluss keiner mehr bezahlt als jetzt. Da liegen die Schätzungen zwischen 1 Milliarde bis 2 Milliarden €. Es könnte dabei auch vereinbart werden, dass die kalte Progression abgebaut wird. Da gibt es Schätzungen zwischen 2 Milliarden und 3 Milliarden €. An diesen Summen sehen Sie schon, dass wir die Zahlen sehr sorgfältig prüfen müssen, damit zum Schluss tatsächlich bei den Ländern etwas hängen bleibt. Es gibt auch eine Möglichkeit, den Soli einfach als zweite Komponente der Einkommensteuer neu begründet, neu aufgesetzt mitlaufen zu lassen. Auch dies wäre eine Möglichkeit.
Die vierte Möglichkeit wäre, dass man den Solidaritätszuschlag einfach so lässt, wie er ist. Da teile
ich aber die Einschätzung derjenigen, die sagen, dass dies verfassungsmäßig durchaus problematisch sein könnte.
Meine Damen und Herren, warum sind wir in Schleswig-Holstein gemeinsam mit den anderen Ländern dafür, dass das Aufkommen des Soli erhalten bleibt? Es wurde gesagt, wir haben 27 Milliarden € Schulden, 34 Milliarden € Pensionsverpflichtungen, circa 5 Milliarden € Investitionsstau. Wir haben die Schuldenbremse, und wir haben Nachholbedarf im Bildungsbereich. Weil ich eine Vertreterin eines funktionierenden Staatswesens bin, sage ich für die Landesregierung, dass wir es richtig finden, das Aufkommen zu erhalten. Wir wollen einen Staat, der Sicherheit bietet, wir wollen einen Staat, der Chancengleichheit bietet, wir wollen einen Staat, der Kinderbetreuung, Schulen, gute Hochschulen und Krankenhäuser finanziert.
Deshalb - auch wenn wir bei den Anträgen jetzt unterschiedlich abstimmen, Herr Koch - will ich in der Sache schon deutlich machen, dass es mich freut, dass sich die CDU an dieser Stelle dazu bekennt, das Aufkommen des Soli zu behalten, weil wir damit eine sehr große Geschlossenheit haben, gegenüber dem Bund stark aufzutreten. Es wird nämlich darauf ankommen, dass sich Herr Schäuble nachher nicht darüber freut, was in seiner Tasche ist, und die Länder in die Röhre gucken. Also lassen Sie uns trotz unterschiedlicher Abstimmungen über die Anträge in Berlin gemeinsam stark auftreten, dann wird es etwas, und dann stärken wir auch unser Land und unsere Kommunen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren, das große Privileg der ehemaligen Kollegin Heinold als Ministerin ist, so lange reden zu können, wie sie möchte. Davon hat sie in diesem Fall Gebrauch gemacht und ihre Redezeit, die wir vereinbart hatten, um dreieinhalb Minuten überzogen. Ich teile Ihnen dies mit, weil Sie nun die Gelegenheit haben, diese Redezeit für sich selbst auch zu nutzen. - Ich sehe aber im Moment nicht, dass jemand davon Gebrauch machen möchte. Dann schließe ich die Beratung, weil keine weiteren Wortmeldungen vorliegen.
Es ist beantragt worden - jedenfalls entnehme ich das der Debatte -, dass in der Sache abgestimmt werden soll. Ich schlage Ihnen deshalb vor, abweichend von der Geschäftsordnung die vorliegenden
Änderungsanträge zu selbstständigen Anträgen zu erklären. - Widerspruch sehe ich nicht. Dann werden wir so verfahren.
Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 18/2530, abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Kollegen der Fraktion der FDP. Wer lehnt diesen Antrag ab? - Das sind die Abgeordneten von CDU, Piratenfraktion, SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. - Enthaltungen sehe ich nicht. Dann ist dieser gegen die Stimmen der FDP Antrag abgelehnt.
Ich lasse dann über den Antrag der Fraktion der CDU abstimmen, Drucksache 18/2564. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der CDU-Fraktion. Wer lehnt diesen Antrag ab? - Das sind die Abgeordneten von FDP, Piratenfraktion, SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD. Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist dieser Antrag gegen die Stimmen der CDU mehrheitlich abgelehnt.
Schließlich lasse ich über den Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/2563, abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW sowie einige Abgeordnete der Piratenfraktion, zwei anwesende Abgeordnete der Piratenfraktion. - Wer lehnt diesen Antrag ab? - Das sind der Kollege Breyer von der Piratenfraktion sowie die Mitglieder der FDP-Fraktion. Wer enthält sich? - Herr Koch, es geht um den Antrag der regierungstragenden Fraktionen.
Dann wiederholen wir die Abstimmung, damit das seine Korrektheit hat. Wir machen das noch einmal. Wir sind jetzt im Abstimmungsverfahren, und zwar bei der Abstimmung über den Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 18/2563. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Kolleginnen und Kollegen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie zwei Abgeordnete der Piratenfraktion. Wer diesen Antrag ablehnen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzei
chen. - Das sind der Kollege Breyer von der Piratenfraktion sowie die Fraktionen von CDU und FDP. - Enthaltungen sehe ich keine. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich angenommen.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich noch zwei Gäste auf der Tribüne begrüßen, die sicherlich wegen dieses Tagesordnungspunkts gekommen sind. Das ist zum einen Dr. Paarmann, der Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege, und Alexander Blazek, der Geschäftsführer des Vereins Haus & Grund. Herzlich willkommen Ihnen beiden auf der Tribüne des Landeshauses!