Protocol of the Session on November 12, 2014

(Beifall FDP und CDU)

Herr Ministerpräsident, an Erkenntnis mangelt es Ihnen ja grundsätzlich nicht. Sie haben in diesem Haus mehrfach erklärt, dass wir eine starke Wirtschaft im Land brauchen, dass wir unseren wirt

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

schaftlichen Rückstand gegenüber den anderen westdeutschen Flächenländern aufholen müssen, um auch sozialpolitisch nicht dauerhaft abgehängt zu werden. In Ihrer Regierungserklärung finden wir dazu übrigens kein einziges Wort.

Noch im vergangenen Jahr - am 29. Mai 2013 - erklärten Sie hierzu in diesem Hohen Haus feierlich ich zitiere -:

„Ziel dieser Regierung ist es, Schleswig-Holstein zu einem Land zu machen, das durch mehr nachhaltiges Wachstum auch mit anderen Ländern in Deutschland gleichzieht, das wirtschaftlich und sozial besser dasteht als heute, das damit auch seinen Haushalt besser konsolidieren kann als heute. Diesen Erfolg wollen wir, und diesen Erfolg braucht Schleswig-Holstein für eine gelingende Zukunft, weil ein Mehr an Wirtschaftskraft auch ein Mehr an sozialer Teilhabe ermöglicht.“

Mit anderen Worten: Sie haben damals angekündigt, es anders zu machen als die schleswig-holsteinische SPD der Vergangenheit, die seit 1990 - in immerhin 22 Jahren Regierungsbeteiligung - dafür gesorgt hat, dass Schleswig-Holstein wirtschaftspolitisch die rote Laterne fest in den Händen hält.

Was haben sie getan? Sie haben mit dem bürokratischen Gesetzestrio aus Mindestlohngesetz, Korruptionsregister und Tariftreuegesetz für die wirtschaftsfeindlichste Atmosphäre aller Bundesländer gesorgt.

(Beifall FDP und CDU)

Die Unternehmer im Land müssen es doch tatsächlich als Hohn empfinden, dass sie diese Gesetze heute auch noch als wirtschaftsfreundlich verkaufen.

Fakt ist: Sie haben die wirtschaftliche Situation in unserem Land nicht besser, Sie haben sie noch viel schlimmer gemacht. Sie haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren dafür gesorgt, dass die Wachstumslücke zwischen Schleswig-Holstein und dem Rest der Republik künftig größer und nicht kleiner wird. Sie rühmen sich heute eines Wachstums in 2013 von 3 % und vergessen dabei zu erklären, dass das nahezu ausschließlich etwas damit zu tun hat, dass Kriegswaffen exportiert und abgerechnet worden sind, U-Boote, die Herr Stegner nicht mehr bauen lassen will. Sie müssen sich da vielleicht einmal einigen, wie Sie demnächst Ihre Wachstumszahlen erreichen wollen.

Sie erklären heute, Sie hätten die meisten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse bundesweit geschaffen. Das stimmt. Wir haben aber auch den größten Niedriglohnsektor. Auch hier müssen Sie erklären, was das eine möglicherweise mit dem anderen zu tun hat und wie Sie, wenn Sie in dem einen Bereich etwas verschärfen, in dem anderen Bereich zu besseren Lösungen kommen wollen.

Ein weiteres Beispiel: In derselben Rede, damals im Mai 2013, kamen Sie auf die Infrastruktur in Schleswig-Holstein zu sprechen. Sie sagten - ich zitiere, Herr Präsident -:

„… wer Straßen kaputtspart, riskiert nicht nur, dass Amazon seine Pakete nicht mehr ausliefern kann. Damit würgen wir unsere gesamte Wirtschaft ab, wenn wir wie bisher unsere bestehende Infrastruktur verkommen lassen.“

Auch hier kündigten Sie an, es anders zu machen als Ihre sozialdemokratischen Vorgänger, die es innerhalb von 22 Jahren fast im Alleingang geschafft haben, über 50 % der Landesstraßen mehr oder weniger sanierungsbedürftig werden zu lassen.

Was macht Ihr Verkehrsminister? Er steckt nicht nur insgesamt viel zu wenig Geld in den Verkehrsetat. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bei den kommunalen Infrastrukturmaßnahmen schichtet Minister Meyer außerdem Bundesmittel in Höhe von fast 7,5 Millionen € zulasten des kommunalen Straßenbaus um. Ist das die Politik, die Sie bei der Sanierung unserer Straßen verfolgen?

(Beifall FDP und CDU)

Mit anderen Worten: Sie, Herr Ministerpräsident, Sie und Ihre Regierung lassen die Infrastruktur in unserem Land verkommen, niemand anderes. Sie sorgen damit dafür, dass unsere Wirtschaft abgewürgt wird, niemand anderes. Auch die Reisen von Herrn Minister Meyer zu Speditionsunternehmen können nichts daran ändern, dass diese mittlerweile ihre Logistikzentren südlich von Schleswig-Holstein platzieren und nicht mehr in unserem Land. Damit verlagern Sie Wertschöpfung und Arbeitsplätze und belassen sie nicht in unserem Land.

(Beifall CDU)

Wenn Sie in Ihrer Rede heute den zentralen Wert von Investitionen hochhalten, dann müssen wir uns schon fragen, wo Sie waren, als der Haushaltsentwurf oder die Nachschiebeliste im Kabinett beschlossen wurden. Wenn Sie dabei gewesen wären, dann hätten Sie diesem Haushalt doch nicht zustim

(Wolfgang Kubicki)

men können. Und was die Investitionen in die Straßen betrifft, so wende ich mich ausdrücklich an Herrn Verkehrsminister Meyer: Langsam haben es die Menschen in Schleswig-Holstein satt, dass er die Schuld für den verkehrspolitischen Stillstand ständig bei anderen sucht. Andauernd hören wir: Die CDU, Herr Dobrindt, Berlin oder die Vorgängerregierungen seien daran schuld, dass es nicht vorangehe. Sein Zeigefinger muss ihm schon wehtun, so häufig weist er die Schuld von sich.

Fakt ist: Schleswig-Holstein hat derzeit kein einziges baureifes Projekt, das mit Bundesmitteln finanziert werden kann. Selbst wenn der Bund wollte, könnte er in Schleswig-Holstein kein Geld ausgeben. Deshalb fließen die Mittel nach Baden-Württemberg, nach Bayern, nach Nordrhein-Westfalen und anderswohin, weil diese Regierung bei der Planung und Baureifeherstellung versagt hat.

(Beifall FDP und CDU)

Wie lange wollen Sie sich noch beklagen, andere beschuldigen und sich wegducken? - Noch weitere zweieinhalb Jahre? Wer ist denn dann schuld? Ich sage Ihnen ganz deutlich: Je länger der Zustand andauert, dass Sie im Bereich der Verkehrspolitik keine Erfolge vorweisen können, umso weniger können Sie sich der Öffentlichkeit als der große Macher präsentieren. Das mühsam aufgebaute Image von Meyer als Macher bekommt immer mehr Schlagseite.

(Beifall FDP und CDU)

Der Landesrechnungshof hat in seiner jüngsten Stellungnahme zum Haushalt nur allzu deutlich gemacht, woran Schleswig-Holstein derzeit unter Torsten Albig krankt. Auf Seite 9 in Umdruck 18/3554 heißt es, und ich zitiere:

„Die Landesregierung hält sich bei der Veranschlagung der Ausgaben für die laufende Bauunterhaltung nicht einmal an ihre eigenen Vorgaben. Sie überrollt die bereits gekürzten Ansätze des Haushaltsjahres 2012, anstatt für 2015 die notwendigen Bauunterhaltungsmittel zur Verfügung zu stellen. Die Ausgaben für die Unterhaltung von Straßen und Gebäuden gehen gegenüber 2014 von 20,8 auf 20 Millionen € zurück. Folge unterlassener Instandhaltung sind zunehmende Grundinstandsetzungen, der weitere Verfall von Straßen und Gebäuden und damit eine zusätzliche Belastung künftiger Generationen …“

Herr Ministerpräsident, Sie tragen gemäß Artikel 29 der Landesverfassung Verantwortung für diese Politik.

(Beifall FDP und CDU)

Sie lasten den jungen Menschen durch die ausbleibenden Investitionen so viele Probleme auf, dass sie politisch nicht mehr handlungsfähig sein werden. Sie nehmen der jungen Generation in Schleswig-Holstein weitere Zukunftsperspektiven. Obwohl Sie wissen, dass die Investitionsquote viel zu niedrig ist, tun Sie nichts, um dieses Problem zu lösen. Diese Investitionsquote von 7,1 % ist das in einen Landeshaushalt gegossene Schulterzucken Ihrer Regierung. Es ist ein erschütterndes Dokument zukunftspolitischer Ignoranz.

(Beifall FDP und CDU)

Ich habe ja verstanden, dass wir schon fast dankbar dafür sein sollten, dass Sie den enormen Kraftakt geschafft haben, die Investitionsquote von 6,7 auf 7,1 % zu heben. Das ist immer noch der schlechteste Wert aller Zeiten in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen, und Sie feiern sich dafür. Erwarten Sie von den Menschen in der Bevölkerung hierfür wirklich ernsthaft Applaus?

Ich erinnere Sie an eine Aussage Ihres ehemaligen Chefs Peer Steinbrück, der hier im Hohen Haus sagte - ich war schon hier im Haus dabei, der Kollege Stegner war nur als verbeamteter Mitarbeiter des Sozialministeriums dabei -: Eine Investitionsquote von weniger als 10 % ist ein Verbrechen an der Zukunft unseres Landes.

(Beifall FDP und CDU - Zuruf Dr. Heiner Garg [FDP]: Recht hat er!)

Steinbrück war ein kluger Mann. Sein Sprecher schein von ihm nichts gelernt zu haben.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr Landesstraßenzustandsbericht hat es glasklar offenbart: Weil wir in den vergangenen 24 Jahren 280 Millionen € zu wenig in die Landesstraßen investiert haben, haben wir jetzt einen Schaden von 900 Millionen €. Das sagte der Bericht der Landesregierung. Hätten wir die verhältnismäßig geringe Summe von 11,6 Millionen € pro Jahr eingesetzt, so hätten wir also fast 1 Milliarde € gespart. Durch diese Unterlassungen, die wir überwiegend den Sozialdemokraten und den Grünen dieses Landes anlasten müssen, haben wir unsere Kinder dazu verurteilt, dreifach zu bezahlen.

(Beifall FDP und CDU)

(Wolfgang Kubicki)

Wer in Sonntagsreden ständig über Nachhaltigkeit spricht, aber im praktischen Regierungshandeln Zukunftschancen für die jungen Menschen abbaut, der redet nur von Zukunft, der handelt aber nicht zukunftsgerecht. Wer aber eine derart klaffende Lücke zwischen Ankündigung und Tat entstehen lässt, ist - und das finde ich wirklich - als Ministerpräsident für Schleswig-Holstein ungeeignet.

(Beifall FDP und CDU)

Wir haben schon mit der Einbringung des Landeshaushalts erkennen können, dass dem Ministerpräsidenten die eigene Repräsentation deutlich wichtiger ist als zukunftsgerichtete Investitionen. Eine Steigerungsrate von 60 % ist nicht wenig. Vor diesem Hintergrund drängt sich immer mehr der Eindruck auf, dass das Leben in der Staatskanzlei offenbar manch einen dazu verleitet, Wirklichkeit nur noch in homöopathischen Dosen zu genießen. Wer die Welt nur aus seinem ganz persönlichen Blickwinkel betrachtet, der fasst Kritik an seiner Amtsführung auch als Majestätsbeleidigung auf.

So waren die Beamtendemonstrationen gegen die Besoldungspläne dieser Regierung im Frühjahr 2013 ein Akt der Illoyalität. Das ist für einen Sozialdemokraten, der einmal für Streikrechte gekämpft hat und dafür, dass Menschen ihre Interessen offen benennen können, der für Meinungsfreiheit eingetreten ist, schon ein bemerkenswerter Zungenschlag.

(Beifall FDP, CDU und Angelika Beer [PI- RATEN])

Plakate, auf denen Kritik an den Lehrerbildungsplänen geübt wurde, waren dumm und töricht. Die Kritik der Opposition in der Causa Wende war Geschrei und Gekläff. Herr Ministerpräsident, so redet jemand, der seine geschichtliche Bedeutung gnadenlos überschätzt. Das ist meine Lebenserfahrung. So redet nur jemand, der die Eignung für das Amt des Ministerpräsidenten nicht hat.

(Beifall FDP, CDU und Angelika Beer [PI- RATEN])

Dass diese drei rhetorischen Entgleisungen keine lässlichen Sünden waren, zeigte sich nicht zuletzt bei der Diskussion über den neuen Ressortzuschnitt im Bereich Wissenschaft. Ein Beispiel: Im „Schleswig-Holstein Magazin“ vom 19. September dieses Jahres sagte der Ministerpräsident zum Thema Ressortzuschnitt Folgendes, was man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen muss:

„Nein, die Entscheidung ist richtig. Und viele, die sich dort jetzt kritisch äußern, denen

ist, glaube ich, noch gar nicht ganz bewusst, wie denn eigentlich eine Hochschulabteilung funktioniert, wie sie arbeitet, wie die Zusammenhänge sind. Und das muss man noch ein bisschen stärker erklären.“

Wir lernen: Es sind nicht die Entscheidungen des Ministerpräsidenten, die vielleicht an der einen oder anderen Stelle problematisch sein könnten. Es ist ausschließlich die Unfähigkeit der anderen, die Genialität des Ministerpräsidenten überhaupt zu verstehen.