Protocol of the Session on October 9, 2014

Sie sind mit Ihrer Abstimmung fertig, gut. - Wer dem Antrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 18/2370, seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Das sind die Kolleginnen und Kollegen der FDP- und der CDU-Fraktion. Enthaltungen? - Gibt es nicht, weil nur nach Jastimmen gefragt wird. Vielen Dank. Es tut mir leid, dass das jetzt etwas durcheinander gegangen ist. Damit ist der Antrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW mit Mehrheit angenommen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Bevor wir fortfahren, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam die neue Staatssekretärin des Innenministeriums, Frau Manuela Söller-Winkler, im Landtag zu begrüßen. - Frau Staatssekretärin, herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Karenzzeit für Ministerinnen und Minister

(Minister Reinhard Meyer)

Gesetzentwurf der Fraktion der PIRATEN Drucksache 18/2334

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Abgeordneten Patrick Breyer von der Piratenfraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Nach einer Umfrage im Auftrag der EU-Kommission kritisieren in keinem anderen Land Europas wie in Deutschland so viele Menschen einen übermäßigen Einfluss der Wirtschaft auf die Politik. Den Menschen drängt sich leider zunehmend der Eindruck auf: Wer Geld hat, kann sich politischen Einfluss erkaufen - durch bezahlte Lobbyisten, durch Parteispenden, durch Sponsoring von Parteitagen, durch Nebenbeschäftigung von Abgeordneten oder indem sogar ganze Gesetzentwürfe vorgefertigt werden.

Wir PIRATEN haben bereits eine Initiative zur Veröffentlichung wirtschaftlicher Interessen von Abgeordneten und einen Antrag zur Offenlegung von Gesetzgebungsoutsourcing gestellt. Beide Initiativen sind von den Koalitionsfraktionen bisher leider verschleppt worden.

Besonders virulent aber ist die Gefahr von Interessenkonflikten, wenn Spitzenpolitiker für viel Geld in Wirtschaftskonzerne überwechseln, die sie zuvor im Interesse der Allgemeinheit regulieren sollten. So etwa der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der sich als Bundeskanzler für eine Ostseepipeline starkmachte und dann zu Gazprom wechselte, oder der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), der als Bundesinnenminister die Zwangserhebung biometrischer Merkmale in Pässen forcierte und dann in der Biometriebranche wirtschaftlich aktiv war.

Der vielleicht krasseste Fall ist jetzt der ehemalige Innenminister von Schleswig-Holstein, Herr Breitner, der zunächst für den Wohnungsbau zuständig war und jetzt in einen Verband der Wohnungswirtschaft wechseln will.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Bemerkung des Abgeordneten Klug?

Gern.

Herr Kollege Breyer, würden Sie den Wechsel früherer Minister in Bereiche im öffentlichen Dienst, für die sie vorher in ihrem Ministeramt selber zuständig gewesen sind, gleichgewichten mit einem Wechsel in die Privatwirtschaft?

- Können Sie ein Beispiel dafür nennen?

- Wenn der Wechsel in eine öffentlich-rechtliche Institution, beispielsweise vom Wissenschaftsminister in das Amt eines Universitätspräsidenten erfolgt. Das hat es in der Vergangenheit in anderen Bundesländern gegeben.

- Herr Kollege Dr. Klug, wenn Sie unseren Gesetzentwurf gelesen haben, werden Sie festgestellt haben, dass wir auch dafür eintreten, dass Verträge von Ministern offengelegt werden, die vorsehen, dass nach ihrer Amtszeit eine andere Beschäftigung fortgesetzt wird. Es kann wie bei der ehemaligen Wissenschaftsministerin durchaus der Fall sein, dass man ein Rückkehrrecht vereinbart hat. Auch das kann Interessenverflechtungen oder Interessenkollisionen begründen und sollte deswegen offengelegt werden.

Dass Minister und Staatssekretäre im Moment nahtlos die Seiten wechseln und sozusagen für Lobbyismus im Amt noch fürstlich belohnt werden können, gefährdet das Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit und Gemeinwohlorientierung ihrer Amtsführung noch während der Amtszeit. Deswegen muss die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft blockiert werden.

Unser Gesetzentwurf zur Einführung einer Karenzzeit soll deswegen ein dreijähriges Verbot von Ministerwechsel in die Privatwirtschaft einführen, von dem nur der Landtag als unabhängige Stelle in einem transparenten Verfahren Ausnahmen beschließen kann.

(Unruhe)

Über das üppige Übergangsgeld sind die Minister ohnehin mehr als gut abgesichert. Herr Kollege Kubicki, der Schutz des Vertrauens in die Demokratie und in die Integrität ihrer Amtsführung muss uns an dieser Stelle auch etwas wert sein.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Unser Gesetzentwurf verhindert außerdem, dass sich Staatssekretäre von der bestehenden Karenzzeitregelung, die es jetzt schon gibt, durch Verzicht auf Ansprüche freikaufen können. Vor allem sollen Minister nach unserem Gesetzentwurf endlich auch

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

öffentlich Rechenschaft über ihre wirtschaftlichen Interessen in Form von Nebentätigkeiten, von Kapitalbeteiligungen, von Nachfolgetätigkeiten oder Rückkehrrechten abzulegen haben, wie sie etwa im Fall Wende der Öffentlichkeit lange Zeit verschwiegen worden sind.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung nicht des Abgeordneten Kubicki, sondern des Abgeordneten Lars Harms?

Das tue ich.

Herr Kollege Breyer, ich möchte gern eine Erklärung von Ihnen haben. Da das Ministergesetz vorsieht, dass das Übergangsgeld nur für zwei Jahre gezahlt wird, und Ihr Gesetzentwurf vorsieht, dass man als Exminister drei Jahre lang nicht mehr arbeiten gehen darf, können Sie mir sagen, wovon ein Minister im verbleibenden dritten Jahr leben soll? Soll er Sozialhilfe beantragen, oder was soll er dann machen?

(Unruhe)

- Herr Kollege Lars Harms, wenn Sie unseren Gesetzentwurf durchgelesen haben, werden Sie feststellen, dass es uns um die Vermeidung von Interessenkollisionen geht. Das heißt, jeder Minister hat die freie Wahl, was er nach dem Ende seiner Amtszeit tun möchte, es sei denn, er will genau in die Branche wechseln, in der er vorher im öffentlichen Auftrag tätig gewesen ist.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Das heißt, jeder Minister kann frei in die Wirtschaft wechseln, kann selbstständig tätig werden, völlig unbenommen. Nach unserem Gesetzentwurf entscheidet der Landtag darüber, ob durch die beabsichtigte Nachfolgetätigkeit eine Interessenkollision auftritt oder nicht.

Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Abgeordneten Harms?

Das heißt im konkreten Fall, dass einem Arzt, der an einem privaten

Klinikum beschäftigt ist und danach Gesundheitsminister wird, die Arbeit an seinem ehemaligen privaten Klinikum verboten und ihm damit seine Existenzgrundlage entzogen wird, jedenfalls zumindest für ein Jahr?

- Jede Person, die ein Ministeramt übernimmt und hier auch schwört - wie gestern -, es im öffentlichen Interesse zum Wohl der Allgemeinheit auszuüben,

(Lars Harms [SSW]: Das macht er sowieso!)

weiß nach unserem Gesetzentwurf, dass sie sich darauf einlässt, in diesem Bereich innerhalb von drei Jahren nach dem Ende der Amtszeit nicht tätig werden zu können.

(Lars Harms [SSW]: Hartz IV!)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Bemerkung?

(Zurufe - Unruhe)

- Kolleginnen und Kollegen, hey!

(Heiterkeit)

Es gibt diverse Möglichkeiten, sich ordnungsgemäß zu Wort zu melden und eine Zwischenfrage zu stellen oder -bemerkung machen zu können. Es ist schwierig, wenn dann von den Plätzen selbst auch noch dauernd dazwischengeredet wird. Deshalb möchte ich Sie bitten, von diesen Möglichkeiten, die wir vereinbart haben, Gebrauch zu machen.

Ich frage den Abgeordneten Breyer, ob er eine Bemerkung oder Zwischenfrage des Abgeordneten Habersaat gestattet.

Dann hat Herr Habersaat jetzt das Wort.

Herr Kollege, es kommt ja nicht selten vor, dass Ministerinnen und Minister aufgrund der Qualifikation, die sie in einem bestimmten Bereich haben, für dieses Ministeramt ausgewählt werden.