Protocol of the Session on September 12, 2014

Dass eine solche Unterstützung durch die Landesregierung wichtig ist, zeigt der direkte Vergleich mit anderen EU-Ländern. Während der Zuwachs ökologisch bewirtschafteter Flächen in Deutschland zwischen 2004 und 2010 bei 29 % lag, haben Lettland und Litauen um fast 300 % zugelegt, Polen sogar um mehr als 500 %. Selbst Länder mit vergleichbaren Produktionskosten, wie zum Beispiel Frankreich und Österreich, scheiden mit einem Zuwachs von 60 % deutlich besser als wir ab.

Das ist verwunderlich, schließlich ist der deutsche Biomarkt nach den USA der zweitgrößte der Welt. Hier gilt es aufzuholen und von anderen EU-Ländern, wie beispielsweise Österreich, wo hochwertige Bioprodukte aus der Region zum Standardrepertoire der Supermärkte gehören, zu lernen. Biolandwirte leisten - das will ich hier noch einmal unterstreichen - einen besonders wichtigen Anteil und Beitrag zur Artenvielfalt. Es ist schön, wenn deutsche Konsumenten die Artenvielfalt in Polen und Tschechien fördern. Als Europas größter Biokonsument sollte uns allerdings auch daran gelegen sein, die einheimische Natur optimal zu behandeln. Das Engagement unserer Biolandwirte sollten wir deshalb - das ist auch unsere Position - ganz gezielt unterstützen. Deshalb begrüßen wir die vorliegenden Anträge, insbesondere die der koalitionstragenden Fraktionen. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Debatten um den ökologischen Landbau sind häufig davon geprägt, dass sie in Grundsatzdebatten abdriften, die sich dann sehr, sehr schnell verhärten. Dies ist durchaus bedauerlich, denn dies ist der falsche Weg, mit dem Thema umzugehen. Deshalb möchte ich das hier vorweg klarstellen: Beide Formen der Landwirtschaft, konventionelle wie ökologische, haben ihre Berechtigung.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Jetzt wurde hier eben gerade davon geredet, dass man sich zum Büttel der Grünen mache. Dazu möchte ich ganz klar sagen: Ökologischer Landbau ist keine grüne Erfindung.

(Beifall SSW, SPD und Dr. Heiner Garg [FDP] - Christopher Vogt [FDP]: Nicht ein- mal das haben die Grünen erfunden!)

Sie hat in unterschiedlicher Weise eine lange Tradition, die weit ins letzte Jahrhundert zurückreicht. Der Gedanke ist geprägt vom Wirtschaften im Einklang mit der Natur. Die nachhaltige und ganzheitliche Produktion von Lebensmitteln steht hier im Mittelpunkt, unter besonderer Berücksichtigung von Natur, Umwelt und Tierwohl. Die grundlegende Zielsetzung der ökologischen Landwirtschaft besteht darin, einen möglichst geschlossenen betrieblichen Nährstoffkreis zu erreichen.

Dieses soll unter anderem durch den Erhalt und die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, durch den Verzicht auf Pflanzenschutz mit chemisch-synthetischen Mitteln, die Anwendung mechanischer Unkrautbekämpfungsmaßnahmen, eine artgerechte Tierhaltung samt weitgehendem Verzicht auf Antibiotika erreicht werden. Und diese Liste lässt sich durchaus weiter fortführen.

Damit leisten die ökologisch wirtschaftenden Betriebe einen besonderen Beitrag zum Erhalt der natürlichen Ressourcen und schonen diese im besonderen Maße. Dieser positive Effekt hat entsprechende Auswirkungen auf den Bodenschutz, den Gewässerschutz, den Artenschutz und den Tierschutz. Aufgrund der besonders ressourcenschonenden und umweltverträglichen Wirtschaftsform, die sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert, erfüllt der Ökolandbau Aspekte, die über die reine Nahrungsmittelproduktion hinausgehen. Mittlerweile ist der gesellschaftliche Wille immer stärker geworden, Umweltaspekte in der Landwirtschaft zu berücksichtigen und zu fördern. Dies gilt übrigens

(Angelika Beer)

auch für die konventionelle landwirtschaftliche Förderung - Stichwort: Agrarumweltmaßnahmen. Der Umfang im ökologischen Landbau ist aber deutlich höher.

Dieser Effekt ist auch bei der Nachfrage von ökologisch produzierten Lebensmitteln spürbar. Deutschland hat mit Abstand den größten Markt an Bio-Produkten in der EU und steht weltweit nach den USA an zweiter Stelle. Beim Bundeslandwirtschaftsministerium ist nachzulesen, dass der Gesamtumsatz an Lebensmitteln aus ökologischem Anbau in Deutschland bei rund 7,55 Milliarden € liegt. Dies ist ein Anteil von 3,7 % am Lebensmittelmarkt. Nach Einschätzung von Experten besteht hier ein deutliches Wachstumspotenzial. Der Verbraucher legt aber steigenden Wert auf eine ökologische Produktion, eine artgerechte Tierhaltung sowie auf Produkte aus regionaler Herkunft.

(Unruhe)

Meine Herren, können Sie bitte die interessanten Gespräche nach draußen verlegen? - Danke schön.

Es ist erfreulich, dass wir in Schleswig-Holstein eine Steigerung in der Ökoanbaufläche verzeichnen konnten. So gab es in 2013 - gegenüber dem Vorjahr - rund 5.000 ha mehr Anbaufläche. Dies entspricht einer Steigerung von circa 14 %. Aber immer noch macht der ökologische Landbau nur knapp 4 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche bei uns aus. Damit liegen wir immer noch weit unter dem Bundesdurchschnitt, der bei etwa 7 % liegt.

Aus diesem Grund sehen wir unseren Antrag als Beitrag, um den ökologischen Landbau in Schleswig-Holstein zu stärken. Es gab schließlich eine Zeit vor dieser Regierung, in der es der ökologische Landbau bei uns im Land extrem schwer hatte. Dieses machen wir genau anders.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mit der Strategie verfolgen wir auch das Ziel, die Rahmenbedingungen für den ökologischen Landbau zu verbessern. Wir wollen einen Weg aufzeigen, damit sich der ökologische Landbau in Schleswig-Holstein weiterentwickeln und ausweiten kann.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung hat nun der Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herr Dr. Robert Habeck.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir bitte, am Anfang einige interessanten Beiträge dieser Debatte aus Sicht der Landesregierung zu kommentieren. Herr Kumbartzky, Sie sagten, dass die Landesregierung immer wieder durch Verbote in den Markt eingreift. Das ist sicherlich bei einigen Fällen in der Vergangenheit der Fall gewesen. Dass Sie aber auch eine Förderung als Verbot begreifen, ist eine - wie ich finde - interessante Überlegung, zumal Sie auch aus der konventionellen Landwirtschaft immer Verbotspolitiken und Förderungen haben, zum Beispiel Milchtrockentürme, Gülleförderung und Wegebau. All das wäre nach Ihrer Sicht ein Eingriff in den Markt. Wenn dem nicht so ist, lege ich Wert darauf, dass eine Förderung des Ökolandbaus kein Angriff auf die konventionelle Landwirtschaft ist, sondern ein angebotsorientiertes System.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Zweitens. Es kann logisch nur so sein, wenn Sie sagen, mit diesen 7 % machten wir Planwirtschaft, griffen in den Markt ein, dass Sie umgekehrt die konventionelle Landwirtschaft bei 93 % beziehungsweise den Ökolandbau einfrieren wollen. Es ist Quatsch zu sagen, dass die Politik Ziellinien setzt und damit in den Markt eingreift. Gute Politik setzt sich Ziele. Wenn Sie sich ohne Ziele am Markt und in der Politik bewegen wollen, nehme ich das auch interessiert zur Kenntnis.

Drittens. Es wurde von Herrn Rickers gesagt, ob es nicht irgendwann einmal gut sein soll und nicht zu viel Geld für den ökologischen Landbau gegeben wird. Er hatte die Idee einer Kappung beziehungsweise einer Degression aufgebracht. Darauf war Herr Voß ja schon eingegangen. Diese Forderung gab es bei der ersten Säule. Diese ist damals von der konventionellen Landwirtschaft und - wenn ich mich recht erinnere - auch von der CDU abgelehnt worden.

Der Unterschied zwischen der ersten Säule und der Ökoförderung, also den Geldern aus der zweiten Säule, ist, dass in der zweiten Säule die Gelder leis

(Flemming Meyer)

tungsbezogen ausgegeben werden, während in der ersten Säule die Gelder völlig unkonditioniert ausgeschüttet werden. Bei der zweiten Säule mit einer Degression beziehungsweise mit einer Kappung anzufangen, ist komplett falsch. Wenn die erste Säule eine Degression erfordert, kann man, wenn man Effizienz noch in der zweiten Säule erwirtschaften kann, noch darüber nachdenken. Das setzt aber auf jeden Fall voraus, dass die nicht konditionierten Leistungen, die Gelder, die einfach so ausgeschüttet werden, auf jeden Fall den Anfang machen und in die Degression gehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Viertens. Es wurde gesagt, und das bringt mich zu dem, was ich eigentlich sagen wollte, dass eine dauerhafte Subventionierung den ökologischen Landbau abhängig mache. Es wurde immer gesagt: Der Ökolandbau ist so teuer, wie weit kann das gehen, wie weit kann der Haushalt das noch vertragen?

Meine Damen und Herren, allein die Aussage, dass der Ökolandbau teurer ist, ist zunächst einmal eine unbewiesene Annahme. Es ist nämlich so, dass die externen Kosten, die die Landwirtschaft produziert, nicht im Preis, den die Bauern erhalten, berücksichtigt ist. Der Ökolandbau bekommt - das ist eine politische Begründung, warum wir ihn fördern - eine Förderung, weil er eine Maßnahme für gesellschaftliche Werte darstellt. Das tut die konventionelle Landwirtschaft in diesem Maße nicht. Die externen Kosten sind nicht beziffert, das ist beim Tierwohl greifbar. Was die normativen Werte, die die Gesellschaft laut und deutlich artikuliert, jedoch kosten, kann man überschlägig vielleicht schätzen, indem man berechnet, was das an Stroh, Platz und Produktpreisen ausmacht. Es ist aber auf jeden Fall so, dass dies nicht in den Preisen, die der Markt den Landwirten zahlt, eingerechnet ist. Beim ökologischen Landbau ist dies anders.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Rickers?

Gern.

Herr Minister, ich hoffe, Sie haben mich nicht falsch verstanden. Meine Aussage war bezogen auf den Haushalt in Schleswig-Holstein. Das kenne ich zur Genüge aus dem Wahlkampf zur letzten Landtagswahl aus dem Jahr 2012. Sie waren Fraktionsvorsitzender. Wir haben uns laufend gestritten, wie wir bei 1,2 Milliarden € Defizit

(Angelika Beer [PIRATEN]: Jetzt können Sie doch einmal aufhören zu streiten!)

- ich rede von der Vergangenheit - irgendwann dazu kommen sollten, den Haushalt hier in Schleswig-Holstein auszugleichen. Natürlich haben Sie jetzt das Glück der hohen Steuereinnahmen. Ich habe darauf hingewiesen, dass Sie vielleicht bei dem Erreichen des Jahres 2020 einer wie auch immer gearteten Verantwortung darüber werden nachdenken müssen, wie Sie das alles bezahlen wollen.

Ich habe nicht gesagt, dass das zu teuer ist. Ich habe nur zum Ausdruck gebracht, dass Sie es nicht werden bezahlen können. Das wird das große Problem sein. Wir haben aus dem beschriebenen Grund die Ökolandbauförderung auf null gesetzt.

- Das ist eine sehr angenehme Frage, weil die Gelder in aller erster Linie aus der Umschichtung von der ersten in die zweite Säule kommen. Das ist auch eine Maßnahme, die von der CDU immer bekämpft wurde. Das heißt, der Haushalt wird, wenn man zusätzlich in Betracht zieht, dass viele Umweltagrarmaßnahmen mit 75 % vonseiten der EU gefördert werden, überhaupt nicht in dem Maß belastet, wie Sie das hier unterstellen. Es sind Umverteilungsmaßnahmen, und es sind Gelder, die im Ökolandbau einer gesellschaftlich Werte folgenden Landwirtschaft zugute kommen. Das ist zugegebenermaßen so. Es ist aber falsch, dass der Haushalt dadurch über die Maßen belastet wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Frage des Herrn Abgeordneten Rickers?

Gerne.

(Minister Dr. Robert Habeck)

Sie wissen genau, dass bei geschätzten 70.000 ha, die Sie erreichen wollen, 7 % - die Zahlen sind genannt worden - bei 250 € circa 10 Millionen € als Gesamtsumme herauskommen, wovon 20 % das Land zahlt. So weit zur Information.

- Das ist richtig. Trotzdem blendet die Debatte, die Sie anstoßen, aus, dass der Ökolandbau einen gesellschaftlichen Wert artikuliert. Das ist so, eindeutig. Um es konkret zu sagen, und damit komme ich wieder zu meiner Rede zurück, nenne ich ein paar Zahlen: Europaweit wird geschätzt, dass der Beitrag zur Bekämpfung des Nitrateintrages in der Landwirtschaft ergriffen werden, den Gewinn, der durch die erhöhte Düngung in der konventionellen Landwirtschaft erzielt wird, wieder „aufgefressen“ wird. Diese negative Bilanz ist größer als der Gewinn, der durch die überhöhte Düngung in der Landwirtschaft erzielt wird.

Die Food Agriculture Organisation United Nations hat festgestellt, dass die konventionelle Landwirtschaft wahrscheinlich auf gleichem Niveau Erträge erwirtschaftet wie der Ökolandbau - auf gleichem Niveau -, wenn man alle Kosten, die Zerstörung von Böden, die Verlagerung von Produktionseinheiten mitrechnen würde. Das kann ich selbstverständlich für Schleswig-Holstein so nicht behaupten, ich weiß aber, dass wir in Schleswig-Holstein in der konventionellen Landwirtschaft Nitratüberhänge haben, die sich bei Marktfruchtbetrieben auf 72,9 kg/ha summieren. Diese sind sozusagen zu viel. Der Stickstoffüberschuss beim Ökolandbau beträgt nur 9 kg/ha. Bei der Milchviehwirtschaft sind es 31 kg im Ökolandbau und 116 kg in der konventionellen Landwirtschaft.

Daran kann man leicht erkennen - das sieht man ja auch an den ganzen Vertragsnaturschutzmaßnahmen und den Programmen, die wir auflegen -, dass die Maßnahmen, die wir als Land ergreifen müssen, um diese Überhänge wieder aus der Natur zu entfernen, sehr wohl zu berechnen sind. Insofern ist das eine interessante Debatte. Ich bin gespannt, wohin sie uns führt.

Der Ökolandbau und die Förderung des Ökolandbaus befinden sich in einem schwierigen politischen Milieu. Das wissen alle, die sich damit auskennen. Je stärker der Markt ist, je geringer die Gewinnmargen sind, umso schwieriger ist es, Menschen zur Umstellung auf Ökolandbau zu bewegen. Wir haben einen harten Markt. Wir haben einen sehr stabilen und hohen Weizenpreis, der jetzt erst kurzfristig nachgegeben hat. Wir haben in Schleswig-Holstein eine extreme Flächenknappheit

durch politische Fördermaßnahmen. Dies betrifft in diesem Fall das EEG. Pachtpreise und Kaufpreise sind enorm in die Höhe geschnellt.

Vor diesem Hintergrund muss natürlich jeder Landwirt, der umstellt, seine Kosten und Erlöse gegenrechnen. Es ist also eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, in einem derart angespannten Markt zu versuchen, dass Betriebe zunächst einmal weniger intensiv wirtschaften, um dann die gesellschaftlichen Leistungen zu erzielen, die der ökologische Landbau mit sich bringt.