Protocol of the Session on September 11, 2014

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, der Tagesordnungspunkt schließt sich sehr gut an die vorangegangene Debatte an. Denn wir sind ja auch als Land verpflichtet, den Grund

stein für Akzeptanz und Toleranz zu legen. Da sind die Kinder und Jugendlichen die Basis, da helfen auch die Maßnahmen des Kinder- und Jugendaktionsplans.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich trage im Folgenden die Rede für meine Kollegin Marret Bohn vor.

Jugend ist eine eigenständige Phase im Leben. Sie wird als die Zeit zwischen dem 13. und dem 21. Lebensjahr definiert. Jugendliche sind raus aus den Kinderschuhen, aber noch nicht ganz erwachsen. Jugend ist eine prägende Zeit in der Identitätsbildung. In die Jugendzeit fallen Pubertät, das Ende der Schulzeit, der Beginn der beruflichen Ausbildung und die Abnabelung von den Eltern. Es ist jede Menge los in der Jugend.

Genau deswegen ist es richtig, dass die Jugend ein eigenständiges Kapitel im Kinder- und Jugendaktionsplan bekommt. Hierfür wirbt unser Antrag. Ich gehe davon aus, dass alle Fraktionen, auch die Opposition, dieses Ziel teilen. Wir alle wollen ein junges Schleswig-Holstein.

Der Kinder- und Jugendaktionsplan ist in Schleswig-Holstein eine Erfolgsgeschichte. Er wurde im Juni 2005 im Rahmen einer landesweiten Diskussion erstmalig vorgestellt. Ziel des Kinder- und Jugendaktionsplans ist es, Kinder-, Jugend- und Familienpolitik als Querschnittsaufgabe zu verankern. Das ist gelungen. Maßgeblich unter der Kinderund Jugendministerin Gitta Trauernicht hat der Dialog mit Kommunen, Wirtschaft, Verbänden und jugendrelevanten Gruppen begonnen. Politikfeld- und fachübergreifend sind gemeinsame Ideen entwickelt und die Kräfte gebündelt worden. Ministerin Kristin Alheit führt diesen Prozess engagiert weiter.

Der Kinder- und Jugendaktionsplan setzt sich aus sechs Handlungsfeldern zusammen. Dazu gehören gesundes Aufwachsen, Familien stärken, Kinder und Jugendliche schützen, chancengerechte Bildung gestalten, Beteiligung und bürgerschaftliches Engagement stärken, Jugendkultur und Jugendtourismus fördern. Die Projekte und Maßnahmen werden gemeinsam von den Kooperationspartnern entwickelt und Schritt für Schritt umgesetzt.

Die Gesellschaft verändert sich und mit ihr die Anforderungen an eine gute Kinder- und Jugendpolitik. Deshalb hat sich die Küstenkoalition in ihrer Koalitionsvereinbarung darauf verständigt, den

Kinderund Jugendaktionsplan weiterzuentwickeln.

Dabei sind uns Grünen zwei Bereiche besonders wichtig. Neue Medien sind die zentrale Entwicklung des 21. Jahrhunderts. Wer heute jugendlich ist, für den sind PC, Laptop, Tablet und Smartphone eine Selbstverständlichkeit, Suchmaschinen, Apps und YouTube gehören zum Alltag. Echtzeitkommunikation, soziale Netzwerke, facebook, Twitter und WhatsApp prägen die Kommunikation und das jugendliche Miteinander.

Daraus entstehen jede Menge Chancen, auch für die elektronische Partizipation. Aber es gibt genauso auch Gefahren und datenschutzrechtliche Probleme. Die Medienkompetenz spielt für Jugendliche eine ganz zentrale Rolle, und nicht allein für sie. Hier zahlt sich früh Beginnen aus. Medienkompetenz muss in der Kita beginnen, Eltern einbeziehen und sich über Schulen und Jugendarbeit fortsetzen.

Wir leben in einer globalisierten Welt. Alles hängt mit allem zusammen. Kriege und Konflikte lassen Menschen eine neue Heimat suchen. Der internationale Mangel an Fachkräften führt zu Arbeitsmigration. Via Internet macht es keinen Unterschied, wo ein Gesprächspartner sitzt, nebenan, in einer anderen Stadt oder in einem anderen Land.

Insofern ist es wichtig, den europäischen und den internationalen Jugendaustausch zu stärken. Wer selbstverständlich mit Menschen aus anderen Nationen und Kulturen in Kontakt ist, fremdelt nicht. Er oder sie lernt Vielfalt, Toleranz und Akzeptanz schätzen.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Interkulturelles Miteinander und seine spezifischen Lernprozesse sind die besten und wirksamsten Mit- tel gegen Fremdenhass, rechte Gesinnung und Dis- kriminierung. Ich freue mich auf einen neuen wich- tigen Schwerpunkt für den Kinder- und Jugendakti- onsplan. Deshalb finde ich es gut, dass zu unserem Entwurf Änderungsvorschläge vorliegen. Wir wol- len ein junges Schleswig-Holstein nicht überstül- pen, sondern gemeinsam mit den Jugendlichen ge- stalten. Wir werden alle Anträge gemeinsam in den Ausschuss überweisen. Ich freue mich auf die ge- meinsame Diskussion auf Augenhöhe mit der Ju- gend. - Vielen Dank. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

(Ines Strehlau)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Anita Klahn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kinder- und Jugendaktionsplan stößt - so wie ich das wahrnehme - fraktionsübergreifend auf Konsens. Auch ich kann Ihnen gleich zu Anfang sagen, dass wir allen drei Anträgen Positives abgewinnen können. Auch wir freuen uns auf die Beratung in den Ausschüssen. Ich beantrage an dieser Stelle bereits, alle Ausschüsse einzubeziehen, denn die Themenvielfalt dieser Anträge und der Kinder- und Jugendaktionsplan betrifft alle Ausschüsse.

Er ist 2005 ein verlässlicher Rahmenplan für die vielfältigen regionalen und überregionalen Anbieter von verschiedenen Aktionen geworden. Geht man durch das Land, hört man in diesem Zusammenhang immer wieder den Namen der damaligen Ministerin Frau Dr. Trauernicht, die sich dort ganz besonders eingesetzt hat.

Ich bin der festen Überzeugung, dass viele der damals angeschobenen Projekte heute nichts an Aktualität verloren haben. Nach wie vor müssen wir eine stark veränderte Lebensweise der Familien berücksichtigen. Wir müssen feststellen, dass Kinder in einer zunehmend medialisierten und vernetzten Welt leben und sich zurechtfinden müssen.

Anders als in unserer Kindheit haben Jugendliche heute nicht mehr die Freiräume, die wir hatten. Sie sind wesentlich stärker in einem strukturierten Alltag - Schule und Familie - eingebunden und werden fremdbestimmt, während wir uns nach sechs Stunden Unterricht dem elterlichen Haus durchaus entziehen konnten und unsere eigene Demokratisierung und Sozialisierung in Wald und Straße, im Freundeskreis, vis à vis erleben und erproben konnten. Das ist heute der große Unterschied.

Sie haben es eben ausgeführt, Frau Strehlau. Die Jugendlichen, die über Facebook, Twitter und Co. miteinander kommunizieren, haben nicht unbedingt den Gesichtsausdruck ihres Partners gegenüber und merken, ob ihre Äußerung verletzend war, ob sich zwar jemand freudig anhört, aber eigentlich todtraurig ist.

Auch die Debatte von heute Morgen zur Flüchtlingspolitik hatte mir aufgezeigt, wie wichtig es ist, unsere Jugendlichen stark an Demokratie- und Partizipationsprozesse heranzuführen. Die geringe

Wahlbeteiligung - der Kollege Neve hat das ausgeführt - ist erschreckend. Wir müssen uns fragen, woran es liegt.

Das, was in den Anträgen steht, ist ein wichtiger Schritt, Jugendliche an Demokratie, an Prozesse und an Beteiligung heranzuführen. Insofern ist es damals richtig gewesen, § 47 f in die Gemeindeordnung aufzunehmen. Sie sagen, Sie wollen das flächendeckend einführen. Das hört sich für mich ein bisschen so an, als wollten Sie eine zwangsweise Umsetzung. Was passiert denn in den Orten, in denen man keinen Kinder- und Jugendbeirat hinbekommt? Will man der Kommune verbieten, einen Spielplatz zu errichten? Wie soll das dort ein? An dieser Stelle widerspricht es meinem liberalen Grundverständnis, Zwang einzuführen, während wir gleichzeitig sagen, wir wollen Menschen dazu bringen, sich aus persönlichem Interesse einzubringen und sich für etwas einzusetzen.

(Beifall FDP)

Frau Abgeordnete Klahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten von Pein?

Zwischenbemerkung oder -frage - genau weiß ich das noch nicht. - Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass in der Gemeindeordnung durchaus formuliert ist, dass alle Kommunen SchleswigHolsteins verpflichtet sind, angemessene Beteiligungsmöglichkeiten zu finden. Dazu haben wir uns erhofft, dass es auch andere Möglichkeiten - außer den Jugendbeiräten vor Ort - gibt und sich das durchaus noch in der Diskussion befindet. Wir alle müssen anstoßen, dass das mehr eingefordert wird und auch andere Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen werden. Stimmen Sie mir zu, dass wir mit der Diskussion noch lange nicht am Ende sind?

- Ich bin Ihnen dankbar für die Nachfrage, weil ich damit die Möglichkeit habe, noch ein bisschen detaillierter darauf einzugehen. Wenn Sie formulieren, Sie wollten anschieben, dass das stärker genutzt wird, haben Sie mich an Ihrer Seite. Ich habe Ihren Text aber so verstanden, dass Sie es zu einer

Verpflichtung, einer Muss-Bestimmung, machen wollen.

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Das ist Bestand- teil der Gemeindeordnung!)

- Er hat es eben völlig korrekt formuliert: angemessen zu beteiligen. Der Antrag ist in einer Form formuliert, dass Sie, wenn es mangels Interesses von Jugendlichen, wenn sie also keine Gruppe zusammenbekommen, nicht funktioniert, regulierend eingreifen wollen. Ich weiß, wovon ich rede; ich bin lange genug in der Kommunalpolitik und in diese Prozesse eingebunden gewesen. Was wollen Sie mit den Kommunen machen, die trotzdem für die Jugendlichen etwas tun wollen, auch wenn sie nicht genügend Jugendliche für eine Beteiligung zusammenbekommen? Was ist dann? Wir werden im Ausschuss drüber diskutieren,

(Birgit Herdejürgen [SPD]: Das scheint nötig zu sein!)

wie stark Sie dort eingrenzend, regulierend tätig werden wollen. So, wie der Antrag jetzt formuliert ist, fordert er alle auf, Jugendliche angemessen einzubinden.

(Demonstrativer Beifall Birgit Herdejürgen [SPD])

Aber es gibt keinerlei erkennbare Sanktionen. Ich lese aus Ihrer Formulierung und Ihrem Antrag, dass das droht. Lediglich darauf habe ich hingewiesen. Ich freue mich, wenn wir im Ausschuss darüber diskutieren können.

Ich wünschte mir auch, dass wir den Bereich des Kinderschutzes thematisierten. Wir haben bei Inobhutnahmen in der Vergangenheit gesehen, dass es dort immer noch Schwachstellen gibt. Ich wünschte mir, dass wir die Zahl der Pflegefamilien, die Zahl der Betreuer, die in den Jugendhilfeeinrichtungen in den Kommunen sind, verstärken könnten und die Kommunen dafür auch das Geld hätten.

Ich weise darauf hin, dass die CDU/FDP-Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode einige Verbesserungen durch Fallzahlbegrenzung und durch das Mitwandern der Akten der Kinder erreicht hat, dass das Bildungs- und Teilhabepaket eingeführt wurde, dass Jugendliche damit einen wichtigen Baustein zur Begrenzung von Ausgrenzung und Benachteiligung erfahren.

Spannend finde ich, dass man sich in 2005 noch sehr lobend über die Mehrgenerationenhäuser als einen wichtigen Bestandteil geäußert hat. Davon

merke ich bei der aktuellen Landes- und Bundesregierung sehr wenig. Ich wünsche mir, dass wir im Rahmen der weiteren Diskussionen dazu kommen, dass auch sie noch bedacht werden können.

Wir werden eine ganze Menge Punkte haben, über die wir diskutieren müssen, und ich freue mich auf die weiteren Beratungen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Dudda.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich den Kollegen von der SPD und den Grünen für die Signale danken, die gekommen sind, dass wir das gemeinsam beraten können, dass wir eigentlich die gleichen Ziele haben und gar nicht weit auseinander sind. Auch der Antrag der CDU beinhaltet Dinge, an die ich vorher nicht gedacht habe. Von daher freue ich mich auf die konkreten und wahrscheinlich sehr konstruktiven Beratungen im Ausschuss. Auch ich beantrage Ausschussüberweisung.

Trotzdem gibt es einen kleinen Unterschied. Ich habe es dem Kollegen von Pein auf dem Weg hierher schon gesagt. Wir sehen es ein wenig anders. Zwar einen uns die Ziele, uns fehlen aber die Grundlagen. Dazu möchte ich Folgendes ausführen: Wir bemühen uns alle seit Jahren, den Ansprüchen von Kindern und Jugendlichen immer besser gerecht zu werden, sie zu schützen, sie zur Mitbestimmung einzuladen, ihnen Freiräume und gleichzeitig Sicherheit zu geben, ihnen Chancengerechtigkeit einzuräumen und Wahlmöglichkeiten zu geben. Das alles ist gut. Wirklich niemand hier im Haus wird das wohl bestreiten.

Die politische Teilhabeoffensive - ich habe das Wort ein wenig in Leichte Sprache gefasst -, die auch Gegenstand des weiterzuführenden Plans ist, war - ich erinnere gern daran - eigentlich eine Initiative von uns PIRATEN. Wir nannten es damals schlicht Aktionsplan politische Jugendbildung. Man hielt uns vonseiten der Koalition entgegen, dass man für den Beschluss, so etwas umzusetzen, keine Informations- und Erkenntnisbasis habe. Dem Beschluss wurde ein Bericht vorgeschaltet. Das ist rückblickend auch gut gewesen. Trotz dieser Grundlage wollen sie auf den Kinder- und Jugendaktionsplan verzichten. Sie fordern einen neuen Be

(Anita Klahn)

richt mit der von Ihnen skizzierten Schwerpunktsetzung zur 32. Sitzung ein.

Ich hätte gern vorher etwas aus der Bilanz dazu; denn es ist schlecht, die Fortführung von etwas zu beschließen, das nur unzureichend evaluiert wurde und dessen Bilanz wir tatsächlich nicht kennen. Dass wir zu diesem Bereich wirklich noch Informationsbedarf haben, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen und zitiere dazu aus einem Antrag der Grünen-Fraktion aus dem Jahre 2006:

„Die gesetzliche Verankerung der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der schleswig-holsteinischen Gemeindeordnung findet bundesweit Beachtung und ist ein Meilenstein in der Jugendpolitik in SchleswigHolstein und für die weitere Beteiligungsstruktur unverzichtbar“.