Protocol of the Session on September 10, 2014

(Beifall CDU und FDP)

Frau Heinold, darüber hinaus bedient sich das Land an Bundesmitteln, die der Bund extra für die Kommunen bereitgestellt hat: 37 Millionen € bei der Eingliederungshilfe und 36 Millionen € bei der Grundsicherung. Damit verweigern Sie den Kommunen die vom Bund beabsichtigte Entlastung. Deshalb ist es kein Wunder, dass die Kommunen auf der Zinne sind und mit Klage drohen.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Statt den Kommunen das Geld aus der Tasche zu ziehen, meine Damen und Herren von der Koalition, sollten Sie besser eine Reform des FAG auf den Weg bringen, die Kreise und kreisfreie Städte so aufstellt, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können. Natürlich muss den Finanzproblemen der kreisfreien Städte Rechnung getragen werden, aber nicht dadurch, dass man den ländlichen Raum zum Verlierer macht. Damit spalten Sie das Land Schleswig-Holstein.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Und was macht der Ministerpräsident dieses Landes? Der Ministerpräsident versteckt sich lieber hinter seinen Visionen; denn er hat keine eigenen Lösungsansätze für die Zukunft des Landes. Wenn er welche präsentiert, dann sind sie nicht ausgegoren. Ich erinnere nur an seine Vorschläge zur Beamtenbesoldung und an seine Albig-Maut.

Nicht einmal in Ihrer Koalition im Landtag hatten Sie für diese Vorschläge eine Mehrheit. Da stehen Sie übrigens ähnlich allein auf weiter Flur wie bei Ihrer Bleiberechtsgarantie für Frau Wende bis zu

(Johannes Callsen)

einem Gerichtsurteil. Innerhalb von zwei Jahren haben Sie weder den persönlichen noch den politischen Willen gezeigt, etwas für die Zukunft Ihres Lieblingslandes zu tun.

Meine Damen und Herren, weniger Investitionen, keine Akzente für die Bildung, mehr Bürokratie das sind die Schwerpunkte von SPD, Grünen und SSW in diesem Haushalt. Diese Landesregierung hat keine Zukunft, denn bei dieser Landesregierung findet Zukunft für Schleswig-Holstein schlichtweg nicht statt. - Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die jährlichen Haushaltsberatungen geben uns die Gelegenheit, im Parlament über ein ganzes Bündel von politischen Maßnahmen zu debattieren. Gleichzeitig wird deutlich, was Koalition und Opposition antreibt - mehr oder weniger -: Die Küstenkoalition hält an dem Kurs fest, zu dem wir uns bereits im Koalitionsvertrag verpflichtet haben. Wir wollen die Konsolidierung des Landeshaushalts weiterführen, damit Schleswig-Holstein zum Ende dieses Jahrzehnts keine neuen Schulden mehr aufnehmen muss. Dies kann und wird aber nicht bedeuten, dass wir unsere Handlungsfähigkeit aufgeben oder auf notwendige Schwerpunkte verzichten. Es bleibt dabei: Wir wollen die Zukunft unseres Landes gestalten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Richtig ist, dass niedrige Zinsen und eine gute konjunkturelle Lage uns die Arbeit gegenwärtig erleichtern. Das kann und wird sich aber auch ändern, wie wir alle wissen. Auch darauf sind wir dank unserer vorsorgenden Finanzpolitik gut vorbereitet. Übermut wäre allerdings fehl am Platze. Deshalb gilt es, auch weiterhin alle Ausgaben gründlich abzuwägen. Die Schwerpunkte Bildung, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit bleiben die Basis unserer rot-grün-blauen Haushaltspolitik.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Messlatte, die wir dabei an unsere Entscheidungen anlegen, ist hoch. Sie heißt Gerechtigkeit. Mir

ist bewusst, dass sich hinter dem Begriff der Gerechtigkeit ein kompliziertes Geflecht unterschiedlicher Definitionen und moralischer Ansichten verbirgt. Die Frage, „Was ist gerecht?“, wurde in der Geschichte zurückgehend bis auf Platon und Aristoteles vielfach diskutiert und hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Sie bestimmt als moralische Leitidee unser Handeln und ist Teil nahezu jeder politischen Debatte. Was genau gerecht ist, bleibt dabei oft umstritten. Das ist verständlich, denn der Anspruch könnte kaum höher sein. Cicero hat formuliert: „Nichts, dem die Gerechtigkeit mangelt, kann moralisch richtig sein.“

Gerechtigkeit, wie ich sie im Folgenden verstehe, gründet in der gleichen Würde eines jeden Menschen, meint nicht vollständige Gleichheit, aber doch gleiche Freiheit und gleiche Lebenschancen aller Menschen. Daraus folgt für uns, dass es um Teilhabe geht, die wir zu gewährleisten haben. Wir dürfen Menschen nicht abschreiben. Gerechtigkeit ist und bleibt Maßstab und Kompass für unsere Arbeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es wird Sie daher nicht überraschen, dass der Schwerpunkt der Küstenkoalition auch im Haushaltsentwurf 2015 die Bildung bleibt. Gerechtigkeit kann es nur dann geben, wenn alle Kinder den Zugang zu guter Bildung erhalten, wenn wir keines zurücklassen und wenn auch lebenslanges Lernen kein Lippenbekenntnis bleibt.

Wir haben im Nachtragshaushalt für das Jahr 2014 weitreichende Beschlüsse gefasst, in erster Linie im Bereich der Lehrerstellen. Da mögen Sie noch so verwegene Ist-Wasserstände herbeirechnen. Am Ende dieser Legislaturperiode wird jedes Kind den Unterschied zwischen dem von Ihnen beschlossenen Kahlschlag bei den Lehrerstellen und unseren Haushaltsentscheidungen ausrechnen können. Die Formel ist einfach: Schwarz-Gelb wollte 0 % der Stellen erhalten, die aus dem Schülerrückgang rechnerisch wegfallen. Wir haben 50 % versprochen und erhalten sogar 75 %. Das ist der Unterschied, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der Haushaltsentwurf 2015 setzt unseren Kurs konsequent fort. Die Ausgaben des Landes für die Betriebskosten von Kindertagesstätten steigen weiter an, so wie wir es gemeinsam mit den Kommunen vereinbart haben. Im Jahre 2015 werden 20 Millionen € zusätzlich bereitgestellt.

(Johannes Callsen)

Ein Schwerpunkt im Haushaltsentwurf ist die Schulsozialarbeit. Die Mittel steigen von 4,6 Millionen auf 7,8 Millionen €. Das ist ein gewaltiger Sprung nach vorn, der den Schulen helfen wird.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Die Vereinbarungen auf Bundesebene, die uns von der Mitfinanzierung der Förderung der Schüler und Studierenden nach BAföG entlasten, schaffen zusätzliche Freiräume, die wir eins zu eins im Bildungsbereich belassen. Über die Verwendung dieser Mittel haben wir in diesem Haus bereits debattiert. Langfristig werden sie für Lehrerstellen und Inklusion gut eingesetzt. Die Mittel aus Berlin kommen übrigens nicht aus heiterem Himmel oder weil Herr Schäuble nicht mehr wusste, wohin mit seinen Haushaltsmitteln. Sie kommen, weil wir das in intensiven und schließlich in erfolgreichen Verhandlungen mit der Union durchgesetzt haben. Wir haben das gemacht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD)

Darüber hinaus haben sich Union und SPD im Bund auf die Wiederherstellung der Kooperationsfähigkeit von Bund und Ländern zunächst im Hochschul- und Wissenschaftsbereich verständigt. Die Koalitionsfraktionen in Kiel halten weiter daran fest, dass das Kooperationsverbot für alle Bildungsbereiche aufgehoben werden muss, damit wir endlich die Kraftanstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen hinbekommen. Leider sorgt die CSU dafür, dass Günter Grass recht hat, wenn er sagt: „Der Fortschritt ist eine Schnecke“. - Wir werden also noch ein bisschen warten müssen.

Schließlich das Beispiel kulturelle Jugend-Bildung: Hier nehmen wir eine weitere schwarz-gelbe Kürzung zurück und erhöhen den Zuschuss um 22.000 €.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Sommer 2014 scheint die Welt aus den Fugen zu geraten: 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs und 75 Jahre nach dem Überfall von NaziDeutschland auf Polen zu Beginn des Zweiten Weltkriegs belasten überall auf der Welt furchtbare Krisen und gewaltsame Konflikte das Zusammenleben der Menschen. Wir leben lange in einem Europa des Friedens. Diesen zu bewahren, bleibt eine wichtige Aufgabe, denn nichts bleibt von selbst und auf ewig einfach so. Darum geht es auch in Schleswig-Holstein und nicht um militärische Tabubrüche. Solche Reden von Frau von der Leyen kann ich überhaupt nicht begreifen.

(Beifall Wolfgang Kubicki [FDP] und Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Gerade deshalb halte ich es für wichtig, im Rahmen unserer Europapolitik europäische Jugendprojekte zu finanzieren. Begegnungen junger Menschen heute über Grenzen hinweg beugen Spannungen, Krisen und Konflikten vor und sind besser als jedes Waffensystem.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN, SSW und Wolfgang Kubicki [FDP])

Warum sage ich das in diesem Landtag? - Weil das Ostseejugendforum von Landtag, Landesjugendring und der Europa-Union ein voller Erfolg war und 2015 fortgeführt wird. Wir wollen der Jugend im Ostseeraum Sitz und Stimme auf der Ostseeparlamentarierkonferenz geben, und wir werden einen Antrag auf finanzielle Unterstützung der Arbeit des Ostseejugendsekretariats stellen, das die ostseeweite Jugendzusammenarbeit koordiniert, wertvolle Arbeit für die Beteiligung von Jugendlichen an der Ostseekooperation leistet und aus unserer Sicht weiter leisten soll. Ich freue mich, dass in dieser Frage in diesem Haus Einigkeit besteht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Grenzüberschreitendes Verständnis füreinander ist für ein gerechtes Zusammenleben ebenso unverzichtbar wie das Bewusstsein vom Reichtum der Vielfalt im eigenen Land. Der Haushaltsentwurf zeigt deutlich den Stellenwert, den die Minderheitenpolitik für diese Landesregierung wieder hat. Angesichts einer aktuellen Studie über die Einstellungen gegenüber Sinti und Roma in der Bevölkerung möchte ich darauf besonders aufmerksam machen. Mit der zusätzlichen Förderung für die Beratung für Sinti und Roma wollen wir die erfolgreiche Arbeit der Erziehungshelferinnen und -helfer unterstützen. Das ist auch ein Zeichen gegen Intoleranz und jene Menschenfeindlichkeit, mit der Rechtsparteien und Rechtspopulisten gerade wieder in Wahlkämpfen auf die Straßen ziehen, um Menschen Angst zu machen. Wir werden da gemeinsam aufpassen müssen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Vielfalt zeichnet auch die schleswig-holsteinische Wirtschaft aus. Von ihrem Wachstum sollen die Menschen in unserem Land profitieren. Das ist nur gerecht, denn sie leistet gute Arbeit.

(Dr. Ralf Stegner)

In dieser Tagung bringt die FDP erneut einen Gesetzentwurf gegen unser Register zum Schutz fairen Wettbewerbs ein. Unser wirtschaftspolitischer Sprecher wird sich zu gegebener Zeit damit befassen. Nur so viel: Für uns gehört mehr zu erfolgreicher Wirtschaftspolitik als das Recht des Stärkeren und die Zwänge des Markts. Das Antikorruptionsregister, die Mitbestimmung, der Mindestlohn, die Tariftreue - das ist gute Wirtschaftspolitik, weil es gute Arbeit ist.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Über das Landesprogramm Arbeit wollen wir mehr in Beschäftigung und Fachkräftesicherung, mehr für soziale Inklusion, mehr in Armutsbekämpfung, mehr in Bildung und mehr in lebenslanges Lernen investieren. Deutschland und auch Schleswig-Holstein werden keine Zukunft haben als Niedriglohnland, als Land der prekären Arbeitsverhältnisse, als Land der Dumpinglöhne und Aufstocker. Unser Land hat Zukunft, wenn gute Produkte und Dienstleistungen auch gut bezahlt werden, wenn Steuern und Beiträge fließen statt Sozialtransfers. Das ist gute Zukunft für Schleswig-Holstein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Gute Wirtschaftspolitik ist eine Politik mit Wachstumsprognose, guter Arbeit, starker Exportbilanz, blühender Binnenkonjunktur und Investitionen in Bildung und Infrastruktur.

Unser Verkehrsminister Reinhard Meyer hat in diesem Jahr einen Straßenzustandsbericht vorgelegt. Reflexartig kritisiert die Opposition die Investitionsentscheidungen der Parlamentsmehrheit und Regierung. Ich möchte Ihnen deutlich sagen: Minister Meyer hat die Straßen nicht kaputt gemacht. - Ich weiß gar nicht, ob er einen Lkw-Führerschein hat.

(Heiterkeit)

Er hat sich allerdings die Mühe gemacht, den Zustand der Straßen zu beschreiben.

Wenn man diese Analyse schon früher vorgenommen hätte, wäre womöglich manche intuitive Förderentscheidung in Vergangenheit anders ausgefallen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])