Dementsprechend wäre es folgerichtig, einmal genau zu erfassen, wie viele Stunden Lehrerinnen und Lehrer tatsächlich arbeiten. Tatsächlich liegen aber bereits Erfahrungen mit der Arbeitszeiterfassung vor; die sind aber wenig ermutigend. Vor 15 Jahren beauftragte die Landesregierung Nordrhein-Westfalen eine Unternehmensberatung mit der Erfassung der Arbeitszeiten. Die Lehrerinnen und Lehrer erfassten dabei über einen festgelegten Zeitraum jedes Gespräch und jede Korrektur mittels einer Zeiterfassung.
Hat die Untersuchung Klarheit gebracht? Nein. Zum einen litten die Ergebnisse bereits im Vorwege daran, dass die Landesregierung die Untersuchung vor allem aus einem Grunde angeschoben hatte, nämlich um zu kürzen. Dementsprechend kritisierten viele bereits vor Ende der Studie zu Recht, dass unter solchen Vorzeichen wohl kaum von Unabhängigkeit die Rede sein könne. Die Untersuchung selbst verdeutlichte vor allem, wie individuell Lehrerinnen und Lehrer sind. Es gab Riesenunterschiede in der Stundenzahl, auch bei gleichem Schultyp und Fach. Die Studie zeigte eine enorme Bandbreite bei den Arbeitszeiten.
Sicherlich wirkt sich im Laufe des Berufslebens die Routine auch auf die Arbeitszeiten aus. Nach mehreren Jahren im Beruf kann man die Abläufe einfach besser einschätzen, sodass viele Dinge weniger Zeit in Anspruch nehmen als am Anfang.
Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass darüber hinaus persönliche Vorlieben und Verpflichtungen eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen. Ich möchte einmal ein Beispiel anführen. Die Korrekturzeiten verringern sich zum Beispiel erheblich, je nachdem, ob die Lehrkraft bei einer Klassenarbeit freie Antworten erwartet und dementsprechend bewertet oder ob sie zum Multiple-Choice-Verfahren greift.
Es lässt sich also festhalten, dass Arbeitszeiten individuell durchaus bestimmbar sind. Neben diesen individuellen Unterschieden gibt es handfeste struktu
relle Unterschiede, wie die Klassengröße, die sich auf die Arbeitszeiten auswirken. Je kleiner die Klassen, desto kleiner naturgemäß der Stapel der Klassenarbeiten. Wenn wir also Klassengrößen verringern, tun wir direkt etwas für die Entlastung der Lehrerinnen und Lehrer. Wenn wir Schulen mit mehreren Standorten haben, summieren sich die Wegezeiten. Ebenso wirken sich Veränderungen im administrativen Bereich unmittelbar aus, wenn Termine beispielsweise von der Schulsekretärin koordiniert werden. Wir sollten weiter versuchen, Tätigkeiten auszulagern, die von anderen Personen erledigt werden können. Das alles wissen wir übrigens auch ohne Arbeitszeiterhebung.
Ist eine Arbeitszeiterhebung also überhaupt der richtige Weg? Einerseits wollen wir, dass Lehrerinnen und Lehrer in der Schule vor allen Dingen mit den Schülerinnen und Schülern arbeiten. Andererseits belasten wir sie. Ich befürchte, dass die detaillierte Arbeitszeiterfassung zu einer Belastung werden könnte. Darüber sollten wir nachdenken. Letztlich bezweifle ich, dass eine Erhebung der Arbeitszeiten den Lehrkräften wirklich weiterhilft. Denn schließlich kennen wir bereits jetzt alle Faktoren, die zur Entlastung führen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Leistung unserer Lehrkräfte können wir nicht hoch genug schätzen. Ihre Kompetenz, ihr Engagement, ihre Leidenschaft sind Voraussetzung für den Erfolg von Schule. Die Anforderungen an den Beruf des Lehrers oder der Lehrerin werden immer größer. Das beobachten wir bereits seit Jahren, und wir beobachten das nicht nur, sondern wir handeln auch, indem wir zum Beispiel die Lehrer-Schüler-Relation systematisch verbessern. Wir handeln mit einem Bündel von Maßnahmen, mit Fort- und Weiterbildungsangeboten, Prävention und Gesundheitsmanagement, mit einer verbesserten Lehrkräftebildung, die wir mit dem Lehrkräftebildungsgesetz auf den Weg gebracht haben, mit einem Netzwerk von schulischen Unterstützungssystemen.
Wir stützen die schulische Arbeit, indem wir Schule als einen Ort umbauen, der sich durch Multiprofessionalität auszeichnet. Dem lehrenden Personal wird nicht lehrendes Personal an die Seite gestellt, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, Schulpsychologinnen und Schulpsychologen und zukünftig auch Schulassistentinnen und Schulassistenten. Jeder Euro, den wir in diese schulischen Unterstützungssysteme investieren, ist ein gut angelegter Euro.
Aber Geld auszugeben für eine empirische Datenerhebung, wäre das sinnvoll? Wir wissen längst, dass ein großer Teil der Arbeit unserer Lehrkräfte unsichtbare Arbeitszeit ist: Die Vor- und Nachbereitung der Unterrichtsstunden, Korrekturarbeiten, Konferenzen und zeitintensive Beratungsgespräche, Schulentwicklung und Fortbildung. All das wird in der Öffentlichkeit häufig nicht wahrgenommen. Dass diese Situation für viele engagierte Lehrer zutiefst frustrierend ist, können wir nachvollziehen. Aber wäre eine wissenschaftliche Erhebung über die tatsächliche Arbeitszeit die Lösung?
Wir wissen doch längst, dass die Belastung von Lehrkräften enorm ist, und wir wissen ebenfalls, dass der Bedarf an Vorbereitungen, an Arbeitsstunden für Korrekturen, an Konferenzen, Elterngesprächen je nach Lehrkraft, je nach Fächerkombination, je nach Schulart, je nach Größe der Schule und sogar je nach regionalem Einzugsbereich ganz unterschiedlich ist.
Was also könnten wir durch eine Datenerhebung Neues erfahren, und vor allem, welche Konsequenzen könnten wir daraus ziehen? Ganz nebenbei: Lehrkräfte zu beobachten und/oder zu befragen, um so verallgemeinerbare, vorgeblich objektive Erkenntnisse über den tatsächlichen Arbeitsaufwand unserer Lehrkräfte zu erhalten, wäre nicht eine Doktorarbeit, sondern ein wissenschaftliches Großprojekt, deren Finanzrahmen allenfalls die DFG oder die VW-Stiftung schultern könnten, mit Sicherheit aber nicht das MBW.
Das soziale Umfeld einer Schule, die Zusammenarbeit im Kollegium, die individuellen Fächerkombinationen einer Lehrkraft, ihr individuelles Engagement, ihre individuelle Belastbarkeit; all dies und vieles mehr sind Variablen, die generalisierbaren Aussagen zur Arbeitszeit und zur individuellen Belastung von Lehrkräften entgegenstehen. Sicher wä
re, dass ein solches Großprojekt enorme Finanzmittel erfordern würde; Finanzmittel, die wir nicht haben. Hätten wir sie, dann würden wir sie lieber in die Unterrichtsversorgung und nicht in teure Großforschungsprojekte investieren, zumal mir unklar ist, mit welchem Ziel die Erhebung durchgeführt werden soll. Eine Umstellung der Arbeitszeit auf eine neue Systematik wäre nicht nur mit einem enormen Aufwand in den Schulen verbunden. Fraglich wäre auch, ob eine neue Systematik bei der Berechnung und bei der Zuteilung von Arbeitszeiten zu mehr Lehrerzufriedenheit führen würde.
Auch die Frage der Rechtssicherheit wäre mit zu bedenken. Wir haben es eben schon gehört: In Hamburg hat die Umstellung auf ein anderes Arbeitszeitmodell nicht nur erhebliche Ressourcen verschlungen, sie hat, und das ist viel wichtiger, keine höhere Zufriedenheit der Lehrkräfte zur Folge gehabt.
Meine Damen und Herren, wir sind momentan dabei, die Qualität unserer Unterrichtsversorgung zu verbessern. Das ist eine Aufgabe, die auf Jahre angelegt ist. Qualitätsverbesserung ist nicht nur ein Gewinn für Schülerinnen und Schüler. Sie bedeutet mittelfristig auch etwas für die Lehrkräfte, nämlich eine Arbeitsentlastung. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, ich schließe die Beratung und komme zur Abstimmung.
Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Drucksache 18/2259, abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das sind die Kolleginnen und Kollegen der CDU, der FDP sowie der Piratenfraktion. Wer lehnt diesen Änderungsantrag ab? - Das sind die Abgeordneten der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie die Abgeordneten des SSW. Wer enthält sich der Stimme? - Niemand. Damit ist dieser Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt.
Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag Drucksache 18/2104 abzulehnen. Wer der Ausschussempfehlung folgen und so beschließen will, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. - Das sind die Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Abgeordneten des
SSW. Wer die Ausschussempfehlung ablehnt, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der FDP-Fraktion und der Piratenfraktion. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind die Abgeordneten der CDU-Fraktion. Damit ist die Ausschussempfehlung mehrheitlich mit den Stimmen der regierungstragenden Fraktionen angenommen.
Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Einrichtung eines Registers zum Schutz fairen Wettbewerbs GRfW
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatungen und erteile Herrn Abgeordneten Christopher Vogt von der FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuletzt wurde in diesem Hohen Haus von allen Seiten mit großer Selbstverständlichkeit betont und klargestellt, dass die Unschuldsvermutung nicht nur ein wertvolles Gut, sondern ein elementares Merkmal eines funktionierenden Rechtsstaates sei. Sie müsse demnach logischerweise für jeden gelten, solange keine rechtskräftigen Urteile beziehungsweise Entscheidungen vorliegen.
Ganz besonders die Vertreter der geschätzten rotgrün-blauen Koalition haben dies angemahnt, sodass Unbeteiligte den Eindruck haben mussten, als hätte man dies hier nie anders gesehen und vertreten. So ist es aber leider nicht: Wer die Unschuldsvermutung für sich und seine eigenen Leute zu Recht in Anspruch nimmt, muss sie auch anderen Menschen zugestehen. Bei der Koalition hapert es an dieser Stelle jedoch gewaltig, wenn man sich deren jüngste Gesetzgebung anschaut. Es ist wenig überzeugend, die Unschuldsvermutung individuell beziehungsweise tagesaktuell anzuführen und nur dann zu verteidigen, wenn man selbst oder Leute aus den eigenen Reihen betroffen sind.
- Nur zu, keine falsche Scheu. - Es ist noch gar nicht lange her, da wurde mit Koalitionsmehrheit das sogenannte Korruptionsregistergesetz beschlossen und gemeinsam mit Hamburg eingerich
tet. Unternehmen, denen man ein Fehlverhalten, also bestimmte Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, nachweisen kann, können nun mit diesem Instrument zeitweise von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden.
- Kollege Harms, jetzt kommt die Stelle für Sie: Das kann mitunter extrem negative Folgen für die betroffenen Unternehmen und die Jobs ihrer Angestellten haben. Daher sollte man meinen, dass man bei der Gesetzgebung sehr sensibel und genau mit der Unschuldsvermutung umgegangen ist. Wie alle hier wissen, war dies aber leider nicht der Fall. Die Unschuldsvermutung wird in dem Gesetz ganz bewusst ausgehebelt. In § 2 Absatz 3 ist unter den Punkten drei und vier davon die Rede, dass es in Einzelfällen für eine Eintragung in das Register ausreichen kann, dass - so steht es dort - kein vernünftiger Zweifel an einem Fehlverhalten vorliegt, was auch immer das sein soll.
Diese Regelung ist willkürlich, und Willkür hat mit fairem Wettbewerb nichts zu tun. Die FDPFraktion hat mehrfach deutlich gemacht, dass wir dieses Instrument des Registers generell für fragwürdig halten. Schon kleinere Verfehlungen einzelner Verantwortlicher können erhebliche Konsequenzen für ein gesamtes Unternehmen haben.
Es ist zudem gemeinsam mit dem Vergabegesetz der fatale Eindruck entstanden, dass die Landesregierung gemeinsam mit den sie tragenden Fraktionen und Parteien unsere mittelständisch geprägte Wirtschaft unter Generalverdacht stellen will. Dies wurde von den Koalitionären natürlich zurückgewiesen. Herr Dr. Tietze, es wurde angeführt, man wolle lediglich die Spreu vom Weizen trennen und fairen Wettbewerb gewährleisten. Wie dies unter Aushebelung der Unschuldsvermutung geschehen soll, ist jedoch bis heute Ihr Geheimnis geblieben.
Sie haben nichts daraus gelernt. Vielleicht hören wir gleich, dass sich dies mittlerweile geändert hat. Nun soll dieses fragwürdige Instrument Hamburgs und Schleswig-Holsteins nach dem Willen der Landesregierung bundesweit eingeführt werden, obwohl es auf Bundesebene bereits ein ähnliches Register gibt. Seit Juni gibt es eine entsprechende Absichtserklärung der Justizministerkonferenz. Wenn man sich dies anschaut, wird in dem Beschluss die Unschuldsvermutung thematisiert. Es gibt hierzu einen Prüfauftrag. Prüfaufträge erteilt man immer dann, wenn man Gesichtswahrung betreiben will,
sich aber eigentlich überhaupt nicht einig ist. Es soll also geprüft werden, ob auch nicht rechtskräftig festgestellte Straftaten und Ordnungswidrigkeiten Berücksichtigung finden sollen. Man war sich in diesem Punkt also nicht einig, was immerhin zeigt, dass einige Justizminister in dieser Republik noch wissen, was die Unschuldsvermutung ist. Dies zeigt, dass sie Ihnen auch wichtig ist.
Meine Damen und Herren, Sie haben die massive Kritik der Opposition und der angehörten Verbände und Institutionen ignoriert. Ich erinnere daran, dass sich das Landeskriminalamt bei der Anhörung damals entsprechend eingebracht hat. All das haben Sie vom Tisch gewischt, nämlich die Kritik an dieser Schwarzen Liste. Sie haben auch die grundsätzlichen Bedenken ignoriert. Ich hatte darauf hingewiesen: An anderen Stellen ist Ihnen die Unschuldsvermutung deutlich wichtiger. Sie sollten sich hier schleunigst korrigieren. Wir geben Ihnen dazu heute die Gelegenheit. Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal: Es kann nicht sein, dass für viele Unternehmen im Land, für die kleinen Mittelständler, strengere Kriterien gelten als für Mitglieder dieser Landesregierung. Ich freue mich auf eine sehr konstruktive Debatte und auf die Beratungen im Ausschuss. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, bitte ich Sie, gemeinsam mit mir Gäste der FDP Brunsbüttel und der Wählerinitiative Graue Panther Brunsbüttel auf der Tribüne zu begrüßen. Herzlich willkommen hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag in Kiel!
Wir fahren in der Debatte fort. Für die CDU-Fraktion rufe ich Frau Heike Franzen auf. Ist das richtig? - Sie sind nicht Heike Franzen, sondern Hartmut Hamerich, wie ich wohl weiß, da wir beide aus Stockelsdorf kommen. Herr Kollege, Sie haben das Wort. Hier ist aus welchem Grund auch immer die Kollegin Heike Franzen vermerkt.
Ich gebe mir Mühe. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Korruption schadet dem fairen Wettbewerb.