„Ich gehe davon aus, dass Sie - entsprechend gewissermaßen gemeindeutschem Hochschulrecht - in dem Wahlamt der Präsidentin Beamtin auf Zeit sind und dass Ihnen Ihre Universität eine Stelle vorhält, auf die Sie zurückgreifen können, wenn Sie - aus welchen Gründen auch immer - Ihr Wahlamt verlieren.“
„Also: nach dem Ruf in die Landesregierung treten Sie von Ihrem Wahlamt zurück; dadurch nehmen Sie zugleich die für Sie vorgehaltene Stelle als Hochschullehrerin ein. Mit Annahme des Ministeramtes ruhen die Rechte aus diesem Beamtenverhältnis; sie bleiben aber während der Dauer der Amtszeit erhalten. Nach Beendigung des Ministeramtes erklären Sie nach Ihrem Willen Ihre Rückkehrbereitschaft (oder wählen die kumulative Ru- hegeldvariante). Die Universität ist in diesem Zusammenhang kein eigenständiger Mitspieler der ‚eigene Rechte‘ geltend machen könnte.“
Wenn Sie eine Professur in Flensburg haben, dann kehren Sie nach Ausscheiden aus dem Amt als Bildungsministerin auch wieder auf diese Professur zurück. Wenn, dann - wenn nicht, dann nicht.
Herr Ministerpräsident, Sie haben in der Landtagssitzung vom 14. Mai 2014 und später noch einmal im Bildungsausschuss des Landtages erklärt, Frau Professor Wende habe an der Beschlussfassung „nicht mitgewirkt“. Bereits am 16. Mai 2014 hat die Hochschulleitung in ihrem Brief an die Mitarbeiter der Universität Flensburg erklärt:
„Der sehr ausgeprägte Wunsch nach der Ausfertigung der Absichtserklärung entsprang dem Bedürfnis nach beruflicher Absicherung und Unabhängigkeit der zukünftigen Ministerin.“
„Wir gingen natürlich davon aus, dass wir rechtens handelten und im unwahrscheinlichen Fall einer Realisierung die Absichtserklärung getragen hätte. Darin wurden wir bestärkt durch den von Prof. Dr. Waltraud Wende kommunizierten Verweis auf die Rechtsauskunft eines ausgewiesenen Bonner Verwaltungsjuristen.“
Und Sie sagen, Frau Wende habe nicht mitgewirkt? Sie hatte den Wunsch, sie hat Formulierungsvorschläge unterbreitet, ja, sie hat sich sogar über die Ausfertigung des Beschlusses Gedanken gemacht.
Sie hat erklärt, wer alles unterzeichnen soll, und sie hat das Präsidium und den Senatsvorsitzenden hinter die Fichte geführt.
Herr Ministerpräsident, Sie wissen als Jurist, dass der Empfängerhorizont maßgeblich ist. „Nicht mitwirken“ heißt, nicht beteiligt sein. Und Sie können sich auch nicht damit herausreden, Frau Kollegin von Kalben, Sie hätten eigentlich gemeint, sie habe an dem Beschluss nicht mitgewirkt, beschlossen worden sei das ja von anderen.
Herr Ministerpräsident, wenn Ihre Regierung einen Gesetzentwurf in den Landtag einbringt, dann beschließt der Landtag über das Gesetz, nicht die Regierung. Trotzdem käme niemand auf die Idee zu sagen, die Regierung hätte in dem Prozess nicht mitgewirkt.
Erschleichen eines ungesetzlichen Vorteils, objektive Täuschung der Entscheidungsgremien, eine mögliche Dienstpflichtverletzung des Kanzlers der Universität im Hinblick auf die rechtliche Prüfung des möglicherweise berechtigten Wunsches der Präsidentin nach einer Anschlussverwendung: Was wollen Sie eigentlich noch mehr für einen Anfangsverdacht?
Für alle hier sollte der Grundsatz gelten und auch nach außen vertreten werden, dass vor dem Gesetz alle gleich sind und nicht einige gleicher.
Wir werden das Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Kiel und ihre Abschlussverfügung abwarten müssen, aber eines sollte auch den Nichtjuristen klar sein: Die Staatsanwaltschaft hat aufgrund der öffentlichen Berichterstattung von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet! - und dabei die Aussagen der beteiligten Personen und den öffentlich bekannt gewordenen Akteninhalt einer sehr sorgfältigen Prüfung unterzogen, weil klar ist, dass bei Personen des öffentlichen Lebens die Prangerwirkung eines Ermittlungsverfahrens ungleich größer ist als für Menschen, die nicht im Blick der Öffentlichkeit stehen.
Aber ich sage Ihnen: Wenn der Inhalt der beschlagnahmten Akten und die Vernehmung der Zeugen nichts gravierend anderes ergeben - und woher soll das kommen -, dann kann und wird die Staatsanwaltschaft jedenfalls am Ende ihrer Ermittlungen nicht zu dem Ergebnis kommen können, der Tatverdacht bestehe nun nicht mehr.
Deshalb, Herr Ministerpräsident, ist Ihre Aussage umso unverständlicher, Sie würden an Ministerin Wende auch dann festhalten, wenn Anklage erhoben würde, ein Gericht - wegen der Bedeutung der Sache wohl das Landgericht - die Anklage zulassen und das Hauptverfahren eröffnen würde. Sie würden erst reagieren, wenn eine rechtskräftige Entscheidung vorliege.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Haltung müsste dann immer und überall gelten, auch bei schwersten Dienstvergehen oder Straftaten für jede Beamtin oder jeden Beamten unseres Landes
- und natürlich auch für jede Straftat, ob Besitz von Kinderpornografie bei Lehrern, Betrug, Unterschlagung, Untreue oder Bestechung und Bestechlichkeit. Sie setzen Maßstäbe, die für alle in gleicher Weise gelten müssen. Und ich frage Sie: Wollen Sie das wirklich ernsthaft tun?
Sie hatten ja auch schon einmal eine andere Haltung, genauso wie der Kollege Dr. Stegner, als Sie bei der Causa Wulff im Zusammenhang mit der Aufnahme von Ermittlungen erklärten, Wulff zertrümmere die letzte Achtung der Bürger vor den Politikern, die Leute wendeten sich angewidert von jeder Art von Politik ab, und Sie erklärten wörtlich:
„Der Schaden, den Christian Wulff der Demokratie und der gesamten politischen Klasse zufügt, ist enorm. Das Amt des Bundespräsidenten wird nie wieder das sein, was es mal war.“
„Jetzt ist der Rubikon überschritten, jetzt ist ein Rücktritt Christian Wulffs unvermeidlich... Nun sollte Christian Wulff dem Land und sich einen letzten Dienst erweisen und zurücktreten.“
Ich möchte in diesem Zusammenhang nur an die Äußerungen auch des Kollegen Dr. Stegner im Zusammenhang mit den Fällen Schavan, von und zu Guttenberg, Pofalla, von Klaeden und anderen erinnern, in denen immer wieder Wert darauf gelegt worden ist, zwischen persönlicher Schuld und politischer Verantwortung zu unterscheiden. Ich weiß nicht, ob sich einige noch daran erinnern, dass er
sich darüber beschwert hat, dass die Universität Lübeck Frau Professor Dr. Schavan einen Ehrendoktorgrad verleihen wollte und das als unmoralisch tituliert hat.
Und auch das Verhalten der bayerischen SPD im Fall Haderthauer lässt je nicht den Eindruck zurück, die Sozialdemokraten - jedenfalls die schleswigholsteinischen - würden ihren neu formulierten Maßstäben bundesweit Geltung verschaffen oder verschaffen können.
Herr Ministerpräsident, der Fall Wende ist jetzt auch ein Fall Torsten Albig. Die Glaubwürdigkeit von Frau Professor Wende ist ruiniert - das könnte uns als Opposition eigentlich egal sein; im Gegenteil Herr Dr. Stegner: Sie können solange daran festhalten, wie Sie wollen. Die Menschen draußen diskutieren das in einer unglaublichen Breite. Ich bin sicher, das wird auch die entsprechenden Konsequenzen haben.
Aber wer sich so verhalten hat, und wer in der Öffentlichkeit als Ministerin erklärt - nicht als Waltraud Wende -, es werde sich herausstellen, dass schon die Annahme des Anfangsverdachtes falsch war und sie deshalb gehalten sei, weiter für gerechte Bildungschancen in Schleswig-Holstein zu sorgen, der hat jede Achtung verspielt.
Sie sollten damit aufhören, durch unzutreffende Erklärungen den Sachverhalt verschleiern zu wollen. Und Sie sollten nicht glauben, dass durch martialische Auftritte mit erheblichen Angriffen auf die Oppositionsfraktionen die Menschen in SchleswigHolstein zu täuschen sind. Jemand, der sich einen ungesetzlichen Vorteil erschlichen hat, ist jedenfalls ungeachtet jeder strafrechtlichen Relevanz als Bildungsministerin nicht mehr tragbar.
Sie mögen glauben, die Empörung über diesen Vorgang werde sich legen. Sie haben es ja in einem NDR-Interview auch so ausgedrückt: Stünden wir unmittelbar vor Wahlen, Sie würden möglicherweise anders entscheiden, aber gewählt werde ja erst 2017.
Auch das ist eine bemerkenswerte Haltung. Aber glauben Sie nicht, dass bis zum Jahre 2017 alles vergessen sein wird. Die Sache wird Ihr Kabinett, die Sache wird das Parlament, die Sache wird die Öffentlichkeit noch über einen längeren Zeitraum beschäftigen, wenn Sie nicht jetzt im Interesse des Ansehens der Politik, im Interesse des Ansehens Ih
Dass Frau Professor Dr. Wende die innere Kraft zur Einsicht fehlt, ist ein persönliches Problem. Dass Sie Frau Professor Wende sehr wertschätzen und möglicherweise auch ein Stück Mitverantwortung fühlen, ehrt Sie. Das darf Sie aber nicht am Handeln hindern. - Herzlichen Dank.
Für die Fraktion der PIRATEN hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Torge Schmidt, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir stehen hier heute auf Antrag von CDU und FDP. Die Verantwortung dafür liegt aber klar nicht bei der Opposition. Die Verantwortung dafür liegt beim Ministerpräsidenten. Wir PIRATEN unterstützen den vorgelegten Antrag von CDU und FDP nicht. Unser eigener Antrag mag auf den ersten Blick ähnlich erscheinen. Das ist er auch, aber die feinen Grautöne sind wichtig. Wir sind uns bewusst, dass diese Grautöne von vielen nicht mehr wahrgenommen wurden und werden, und hier nehmen wir uns selbst nicht aus.
Diese 24. Sitzung des Landtages, diese Sondersitzung, findet im Stadium eines laufenden juristischen Prozesses statt, in den sich jede Einmischung vonseiten der Politik verbietet.