Protocol of the Session on July 10, 2014

Frau Abgeordnete Franzen, gestatten Sie eine Bemerkung der Frau Abgeordneten Erdmann?

Aber gern doch.

Nur ganz kurz. Vielen Dank, Frau Franzen. - Ich habe eine Frage zu den Fortbildungskosten. Sie haben selber im Januar im Schulgesetz eine Fortbildungspflicht verankern wollen, hatten das aber nicht finanziell hinterlegt. Von welchen Kosten sind Sie damals ausgegangen?

(Jette Waldinger-Thiering)

- Ich habe mich hier gerade gar nicht zu Fortbildungskosten geäußert, Frau Erdmann. Insofern würde ich mit meinem Redebeitrag weitermachen. Selbstverständlich ist es allerdings so, Frau Erdmann: Wenn ich eine Fortbildung im Gesetz verankere auf Zuweisung des Schulleiters - wie es im Augenblick der Fall ist -, muss ich das auch finanziell entsprechend hinterlegen. Da spielt eine Rolle, was Herr Vogt gesagt hat: Wenn ich einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlege, muss ich auch über die Folgekosten reden. Es ist schön, dass Sie darauf hinweisen, dass auch die Fortbildungskosten nicht geklärt sind.

(Beifall CDU, FDP und Uli König [PIRA- TEN])

Wesentlich ist - ich bitte, das zu bedenken - Folgendes: Wir haben in unserem Land 146 Schulen mit Oberstufen. Dem stehen 800 Studenten gegenüber, die demnächst ein Referendariat und nicht nur das Praxissemester in Schleswig-Holstein machen wollen. Wie soll das geklärt werden? Wie sollen die studieren können? Hinzu kommt, dass wir in den nächsten Jahren 470 Referendariatsstellen streichen werden. Das sind prima Zukunftsaussichten für die Studierenden im Land.

Lassen Sie mich noch ein Wort zu der Frage des Praxissemesters und den Fahrtkosten sagen. Sie wollen 300.000 € zur Verfügung stellen. Wir haben 800 Studenten. Das sind bummelig 375 € pro Student. Eine Monatskarte von Flensburg nach Kiel kostet 289 €. Sie brauchen acht Wochen. Das sind zwei Monate. Da werden die 375 € vermutlich nicht ausreichen. Ich bitte, in die Akten zu gucken. Das Finanzministerium ist zu ganz anderen Zahlen gekommen.

(Wortmeldung Rasmus Andresen [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

- Ich möchte jetzt gern zu Ende kommen, weil meine Redezeit abläuft.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Nicht nur Rede- zeit!)

Herr Habersaat, Ihr Änderungspaket war ein Änderungspäckchen. Es hat nur redaktionelle Änderungen mit sich gebracht. Das ist logisch, weil Sie in der Diskussion bisher immer verweigert haben, Ihre Änderungsvorschläge so rechtzeitig vorzubringen, dass wir sie miteinander diskutieren können. Es ist absehbar, warum das der Fall ist. Deswegen plädiere auch ich hier noch einmal herzlich für eine dritte Lesung. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und FDP - Wortmeldung Ras- mus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Frau Abgeordnete, Sie hätten jetzt noch die Chance - - Nein.

Das Wort für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung und Wissenschaft, Frau Professor Dr. Waltraud Wende.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Lehrkräftebildungsgesetz, für das ich heute um Ihre Zustimmung werbe, fügen wir zusammen, was zusammengehört. Wir werden künftig Lehrkräfte qualifizieren, die zu unseren Schulstrukturen passen, Lehrkräfte für den Grundschulbereich, Lehrkräfte für die Sonderpädagogik und Sekundarlehrkräfte für den Unterricht an Gymnasien, an Gemeinschaftsschulen und an berufsbildenden Schulen. Dass wir diese Lehrkräfte in drei Städten, in Kiel, in Flensburg und in Lübeck, ausbilden, ist kein Effekt des heute debattierten Lehrkräftebildungsgesetzes, sondern regionalpolitisch motiviert und hat, wie wir eben gehört haben, eine Geschichte.

Wir haben in Schleswig-Holstein bereits seit vielen Jahren Studiengänge, die zum Lehrberuf qualifizieren und die sowohl in Lübeck wie in Flensburg wie in Kiel angeboten werden - eine Entscheidung, die nicht in unsere Regierungsverantwortung fällt, die wir aber weder ändern wollen noch ändern werden. In Lübeck werden aktuell Musiklehrkräfte für den Gymnasialbereich ausgebildet, in Kiel wird für die Lehrtätigkeit in Gymnasien und Berufsschulen qualifiziert, in Flensburg für die Lehrtätigkeit in Grundschulen, Gemeinschaftsschulen, Berufsschulen und Förderzentren.

Gestatten Sie mir eine Bemerkung zur Situation in Flensburg. Auch wenn wir die Lehrkräftebildung nicht reformierten und alles beim Alten beließen, müssten wir in Flensburg investieren und dort die fachwissenschaftliche Expertise erhöhen.

Bildungsexperten von internationalem Rang - da entschuldige ich mich jetzt bei Herrn Dr. Kipp; er ist Physiker und kein Bildungsexperte - wie der Kieler Jürgen Baumert und Olaf Köller, deren Rat wir zuvor eingeholt haben, vertreten die - wie ich finde - überzeugende Auffassung, dass auch bei

(Heike Franzen)

Lehrkräften, die ausschließlich im Sekundarbereich I eingesetzt werden, die fachwissenschaftliche Expertise eine zentrale Gelingensbedingung für erfolgreichen Unterricht ist.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das aber hätte in jedem Fall eine fachwissenschaftliche Nachsteuerung beziehungsweise Stärkung in Flensburg zur Folge; denn dort hat man über lange Zeit das Augenmerk einseitig auf die Fachdidaktik gelegt. Heute weiß man - den Herren Köller und Baumert sowie der empirischen Bildungsforschung sei Dank -, dass dies eine kurzsichtige, die Gelingensbedingungen von Lernprozessen simplifizierende Fehlsteuerung war, weil nämlich der unterrichtliche Erfolg einer Lehrkraft, und zwar vollkommen egal, ob sie im Sekundarbereich I oder in der Sekundarstufe II, in einer Hauptschule oder in einem Gymnasium eingesetzt ist, auf das Engste nicht nur mit deren pädagogisch-didaktischer, sondern auch mit deren fachwissenschaftlicher Kompetenz korreliert.

Zukünftige Lehrkräfte müssen zu doppelten Experten qualifiziert werden, zu Spezialisten in ihrem Unterrichtsfach und zu didaktisch-pädagogisch versierten Managern von Unterrichtsprozessen. Beides sind die zwei Seiten einer Medaille. Genau an dieser Voraussetzungsbedingung haben wir die Reform unserer Lehrkräftebildung orientiert mit der Folge, dass in Flensburg die fachwissenschaftlichen und in Kiel die pädagogisch-didaktischen Anteile des Studiums gestärkt werden sollen.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die in den vergangenen Wochen immer wieder strapazierte, mit den Ängsten der Menschen spielende Rede von Gewinnern und Verlierern der Reform geht dabei vollkommen, aber auch vollkommen am Thema vorbei;

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Daniel Günther [CDU]: Wir haben nie von Gewinnern gesprochen!)

denn beide Hochschulen sind weder Gewinner noch Verlierer, sondern beide Hochschulen werden gleichermaßen auf die von Bildungsforschern definierten Standards guter Lehrkräftebildung verpflichtet.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es gibt damit bei den Hochschulen auch keine Verlierer der Reform. Gewinner allerdings gibt es in

der Tat sehr viele, nämlich die Schülerinnen und Schüler in unseren Schulen, und zwar unabhängig davon, ob die Schüler und Schülerinnen in Grundschulen, in Gemeinschaftsschulen mit oder ohne Oberstufe gehen, ob sie Gymnasien oder berufliche Schulen besuchen.

Was ist unser bildungspolitisches Ziel? Ziel ist: Wir wollen mehr Chancengerechtigkeit. Wir wollen, dass jedes Kind unabhängig von der Zufälligkeit des Unterstützungspotenzials eines Elternhauses in seinen individuellen Fähigkeiten gefördert und gefordert wird.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Mit dem Gesetz stellen wir sicher, dass unsere Lehrkräfte auf diese anspruchsvolle Aufgabe bestmöglich vorbereitet werden, fachwissenschaftlich orientiert am Niveau des alten gymnasialen Lehramtsstudiums und zugleich ausgerüstet mit hohen pädagogisch-didaktischen, berufsfeldbezogenen Kompetenzen.

Aus diesem Grund werden wir mehr Praxiselemente und mehr Berufsfeldbezug in unsere Lehrkräfteausbildung implementieren. Zusätzlich zu den man höre - Orientierungs- und Fachpraktika in der Bachelor-Phase, die uns genauso wichtig sind wie das Praxissemester, über das wir jetzt monatelang diskutiert haben, wird es ein ganzes Praxissemester in der Master-Phase geben. Zudem werden die Themenfelder Heterogenität, Inklusion, Deutsch als Zweitsprache und Medienkompetenz als verbindliche Studienbestandteile gesetzlich verankert. Damit sind wir in Schleswig-Holstein Avantgarde. Wir erfüllen als eines der ersten Bundesländer die Vorgaben der KMK. Die Verbindung von Theorie und Praxis, von Wissenschaft und Berufsfeldbezug ist das zentrale Qualitätsmerkmal guter Ausbildung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Nur dann, wenn sich Lehramtsstudierende frühzeitig in der Lehrerrolle ausprobieren können - dafür benötigen sie nicht das Praxissemester, sondern die Orientierungspraktika und die Fachpraktika im Bachelor-Bereich -, können sie frühzeitig überprüfen, ob der Lehrberuf der richtige für sie ist.

Eine gerade eben von der Universität des Saarlandes veröffentlichte Studie von Julia Karbach zum Burnout bei Lehramtsstudierenden hat für mich Überraschendes deutlich werden lassen. Fast die Hälfte aller Lehramtsstudierenden gehört zur Burnout-Risikogruppe. Lehramtsstudierende haben

(Ministerin Dr. Waltraud Wende)

so die Studie - signifikant geringere Stressbewältigungsstrategien als andere Studierende. Lehramtsstudierende wählen - so die Studie - den Studiengang häufig, weil sie glauben, dass das Studium im Bereich Lehramt einfacher wäre als ein anderes Studium. Lehramtsstudierende - so die Studie - legen sehr großen Wert darauf, dass sie später verbeamtet werden und die Sicherheit des Beamtentums haben. Menschen, die nicht für ihre Arbeit brennen, die nicht für die Arbeit mit jungen Menschen brennen, sondern in erster Linie die Sicherheit des Beamtentums gesucht haben, können - so ein Ergebnis der Studie den extremen Belastungen des Schulalltags wenig entgegensetzen. Die Wahrscheinlichkeit für ein Burnout steigt an.

Frühzeitige Praktika helfen, berufliche Fehlentscheidungen frühzeitig zu korrigieren. Vor allem aber ermöglichen Praktika und der damit verbundene Berufsfeldbezug die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis. Ziel dabei ist: Praxis erprobt Theorie, Theorie reflektiert Praxis.

Gestatten Sie mir mit Blick auf die Praktika eine Bemerkung. Die in den vergangenen Wochen und gerade eben auch wieder so ausführlich geführte Diskussion um den Ort des Praktikums - darf ein Praktikum an einer Schule ohne Oberstufe gemacht werden? - geht meines Erachtens am Thema vollkommen vorbei; denn nicht der Unterricht in der Oberstufe, sondern vor allen Dingen der Unterricht in der Mittelstufe ist die entscheidende Herausforderung, die Lehrkräfte sehr schnell an die Grenzen ihrer pädagogisch-didaktischen Kompetenzen und damit an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit führen kann.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Aus diesem Grund gilt: Die Praktika sind grundsätzlich an allen Schulen möglich.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ach was!)

Dabei ist vollkommen egal, ob sie eine Oberstufe haben oder nicht. Es sollte lediglich sichergestellt sein, dass jeder Studierende seine Praktika in zumindest zwei unterschiedlichen Schularten absolviert. Dabei ist es alles andere als ein Malus, wenn eine zukünftige Sekundarlehrkraft eines der vorgeschriebenen Praktika in der Grundschule absolviert; vielmehr ist es ein Bonus.

Da das Praxissemester ein Herzstück der neuen Ausbildung ist, werden den Studierenden die ihnen im Rahmen des Praxissemesters entstehenden Fahrtkosten vom Land ersetzt.

(Zuruf)

- Wenn Sie auch noch den Modus gern wissen möchten: Wir erstatten die Praxissemesterfahrtkosten orientiert an den Preisen im öffentlichen Personennahverkehr, unabhängig davon, ob die Studierenden das Auto, den Bus oder die Bahn benutzen.

Gestatten Sie mir noch ein paar abschließende Bemerkungen zu den Fächern, die zukünftig in Kiel und in Flensburg studiert werden können. Gestatten Sie mir diese Bemerkungen auch, wenn das Fächerangebot mit dem Gesetz, das wir heute debattieren, nicht zur Entscheidung steht. Die Ängste, die in den vergangenen Wochen aus ganz unterschiedlichen Motiven geschürt wurden, nehme ich zum Anlass, hierzu Stellung zu beziehen.

Für die CAU gilt: Hier werden alle Fächer erhalten bleiben. Außerdem werden keine personellen Ressourcen von Kiel nach Flensburg verschoben. Hinzu kommt: Für die Fächer Physik, Biologie, Chemie und Geografie, die in Flensburg lediglich auf dem Niveau der Sekundarstufe I studiert werden können, werden in Kiel Aufbau- beziehungsweise Weiterbildungsmaßnahmen angeboten. Damit können die Sekundarstufenlehrkräfte anschließend entscheiden, ob sie eine solche Weiterbildung machen wollen oder auch nicht.