Protocol of the Session on July 10, 2014

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Rasmus Andresen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sieben Jahre, nachdem das Schulgesetz in seiner Grundstruktur geändert wurde, ziehen wir beim Lehramt endlich nach. Und ja, dieser Weg war in den letzten Monaten steinig. Aber anders als die Vorgängerregierung waren wir bereit, ihn zu gehen. Und ähnlich wie damals, Herr Kollege Günther, zeichnen Sie sich vor allem dadurch aus, populistische Blockadehaltung zu betreiben. Kein Interesse an der Sache, keine eigenen Ideen - auch wieder in Ihrem Redebeitrag gerade eben -: Für eine erste Lesung reicht das vielleicht noch aus, aber wir befinden uns inzwischen in der zweiten, da müssten Sie auch endlich einmal liefern und nicht immer nur rummäkeln.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Was war zwischen der ersten und der zweiten?)

Unsere Koalition hat es hingegen gewagt, dieses schwierige und auch sehr sensible Thema aufgrund der unterschiedlichen Standorte anzugehen, auch wenn uns der Wind manchmal von vorn entgegengeweht ist.

Aber gehen wir einmal ein bisschen konkreter auf den Gesetzentwurf und den vorgelegten Entschließungsantrag ein. Die Notwendigkeit, die drei Phasen des Lehramts in einem Gesetz zusammenzufassen - Herr Kollege Habersaat hat das gerade auch

(Martin Habersaat)

erwähnt -, wurde in der Anhörung ausdrücklich gelobt.

In dem Verfahren gab es immer wieder den Wunsch - auch von der Opposition -, eine Expertenkommission einzurichten. Aber wie ernst meinen Sie es mit dieser Forderung eigentlich wirklich? Die Wahrheit ist nämlich, dass es bereits Expertenkommissionen zum Lehramt in anderen Bundesländern gegeben hat, übrigens auch unter der Beteiligung Kieler Bildungswissenschaftler. Ihr Votum ist ziemlich eindeutig: Unabhängig von der unterrichteten Schulart müssen Lehrkräfte in der Sekundarstufe auf das Abitur vorbereiten. Die Herausforderungen in der Schullandschaft drücken sich eben nicht durch ständig ändernde Schularten aus, sondern vor allem durch den Entwicklungsstand der Schüler. Die Expertenkommissionen kommen deshalb zu dem klaren Urteil, dass ein Lehramt für die Sekundarstufe die richtige Antwort für unser Bildungssystem ist. Wenn Sie, liebe schwarz-gelbe Opposition, aber auch die PIRATEN, immer wieder Expertenkommissionen fordern, dann müssen Sie sich die Frage gefallen lassen, warum Sie die bisherigen bildungswissenschaftlichen Ergebnisse für das zukünftige Lehramt, die es schon von Expertenkommissionen gibt, komplett ausblenden.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Die Uni Kiel hat auch keine Ah- nung, oder was!)

Aber - Herr Kollege Vogt - natürlich gibt es auch Kritikpunkte, die eine ernste Antwort verlangen, mit denen man sich ernsthaft auseinandersetzen muss.

(Volker Dornquast [CDU]: Dann machen Sie das doch!)

Ich kann hier nicht alle nennen, weil Sie sozusagen immer wieder neue Vorwürfe auf die Tagesordnung setzen, aber auf einige will ich eingehen. Ein beliebter Vorwurf ist beispielsweise der der Doppelstrukturen. Bei uns im Land gibt es nun einmal zwei - Herr Kollege Günther, nicht drei! - lehramtsbildende Universitäten und zwei weitere Hochschulen, an denen Lehramt gelehrt wird. So haben es nicht wir, sondern Vorgängerregierungen bis zurück in andere Jahrzehnte schon längst entschieden, ähnlich wie wir auch zwei Universitäten haben, wo Mediziner ausgebildet werden, und so, wie man auch an mehreren Hochschulen im Land BWL studieren kann. Wenn man also den Vorwurf der Doppelstrukturen schon anbringt, dann muss man ihn

auch für das gesamte Hochschulsystem grundsätzlich diskutieren und nicht einfach nur da Rosinen picken, wo man es gerade für am nötigsten hält.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Als Küstenkoalition standen und stehen wir vor dem Hintergrund vor der Herausforderung, die Expertenempfehlungen auf der einen Seite für eine gute Lehramtsstruktur mit unserer Hochschulstruktur auf der anderen Seite in Einklang zu bringen. Wir stehen zu den beiden Hochschulen, und wir glauben daran, dass durch die unterschiedlichen didaktischen und fachwissenschaftlichen Stärken der Kieler Christian-Albrechts-Universität und der Flensburger Universität eine qualitativ hochwertige Lehrkräftebildung entstehen kann. Wir nehmen das beste aus beiden Standorten.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Beide Hochschulen haben in der mündlichen Anhörung deutlich gemacht, dass der Sekundarlehrer für sie ein gangbarer Weg ist. Beide sind bereit, enger miteinander zu kooperieren.

Ein weiteres Argument in der Debatte ist das der Bedarfe. Schauen wir uns das doch auch einmal näher an. Wir planen in dem Gesetzentwurf keine Ausweitung der Studienplätze. Vielleicht muss man das noch einmal vorwegstellen. Aber wir können uns trotzdem die Zahlen einmal genauer anschauen. Da kann man feststellen, dass zwischen 2020 und 2030 rund 7.500 Lehrkräfte ersetzt werden müssen. Das sind jährlich 750. 750 Stellen auf circa 900 Masterabsolventen. Wenn man dann berücksichtigt, dass wir als Land ein Interesse daran haben sollten, nicht stellenscharf auszubilden, zum einen, weil die Studierenden durch die - übrigens auch von den Studierenden selbst gewünschte - Polyvalenz die Möglichkeit haben, sich später anders zu entscheiden, aber auch, weil wir Flexibilität aufgrund der unterschiedlichen Fächerkombinationen brauchen, dann sind die Zahlen nicht so dramatisch, wie Sie sie immer darstellen.

Außerdem - auch das hat der Kollege Habersaat erwähnt - sollten wir als Land auch weiterhin die Möglichkeit haben, zwischen Absolventen zu wählen, und nicht gezwungen sein, jeden Lehramtsabsolventen dann auch wirklich zu nehmen. Marktwirtschaft statt Planwirtschaft, damit vor allem die Besten bei uns in den Schulen landen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

(Rasmus Andresen)

Ein weiteres Argument sind die Kosten. Ich kann mich in fünf Jahren Parlamentszugehörigkeit nicht daran erinnern, dass bei einem Gesetz so intensiv über die Kosten beraten wurde. Als Haushaltspolitiker begrüße ich das auch. Zugegeben, ein fast nicht kalkulierbarer Kostenfaktor - auch das haben wir in dem Verfahren der letzten Monate festgestellt - wäre es gewesen, die naturwissenschaftlichen Fächer für die Oberstufe in Flensburg auszubauen. Diese Diskussion ist aber Vergangenheit. Chemie, Physik und Biologie werden zukünftig nicht für die gesamte Sekundarstufe in Flensburg angeboten. Von daher ist dieses Argument weg.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: War doch not- wendig, oder was?)

Durch festgelegte KMK-Standards für die Lehramtsstudiengänge und auch durch Kostenkalkulationen, die übrigens auch auf Stellungnahmen des Zentrums für Hochschulentwicklung basieren, also eigentlich Institute, mit denen Sie sonst immer politisch argumentieren -, hat das Wissenschaftsministerium detailliert vorgelegt, dass man für den strukturellen Ausbau in Flensburg 1 Million € benötigen wird. Das liegt noch deutlich unter dem Kostendeckel, den wir als finanzpolitisch verantwortungsbewusste Koalition bei 2 Millionen € eingezogen haben. Bei den Investitionskosten kommen weitere 1,1 Millionen € dazu. Die sollen unter anderem dafür verwendet werden, Sportlabore in Flensburg auszubauen und die Flensburger Bibliothek auf einen noch besseren Stand zu heben.

Das alles sind aus unserer Sicht sehr gut investierte Mittel, die das Studium in Flensburg insgesamt verbessern werden. Ich frage mich ausdrücklich, warum Sie so stark dagegen sind. Was haben Sie dagegen, dass man in einen wichtigen Hochschulstandort investiert?

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD Wir haben die Kosten im Blick, und wir haben einen Kostendeckel eingezogen. Aber gute Bil- dung gibt es halt nicht zum Nulltarif. Das haben Sie probiert, damit sind Sie gescheitert. Wir gehen des- halb einen anderen Weg. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

In diesem Zusammenhang ein, zwei Sätze zur Wirtschaftlichkeitsberechnung. Eine Wirtschaftlichkeitsberechnung ist eine wichtige Sache. Wir haben die Diskussion im Finanzausschuss

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

- leider ohne Sie, Herr Kollege Kubicki - das letzte Mal angefangen. Wir haben dort auch festgestellt, dass diese Diskussion komplizierter ist als einfach in Excel-Tabellen Kostenanalyse zu betreiben. Die Kosten müssen klar sein, keine Frage. Aber Wirtschaftlichkeit in Bildungsfragen oder von mir aus auch im Sozialbereich zu erreichen, ist etwas komplizierter, als das, was Sie jetzt fordern. Deshalb müssen wir das grundsätzlich weiter im Finanzausschuss diskutieren. Dazu, Wirtschaftlichkeit lediglich in Excel-Tabellen zu betrachten, will ich den Kollegen Harms zitieren. Der sagt oft interessante Sachen.

(Beifall Martin Habersaat [SPD] und Lars Harms [SSW])

Der Kollege Harms hat vollkommen zu Recht festgestellt, wenn es nur um eine Wirtschaftlichkeitsberechnung gehe, dann müsse man das Lehramt in Zukunft komplett in Flensburg stattfinden lassen. Das kann man doch nicht ernsthaft wollen.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Wir Grüne hatten in der Anhörung aber auch andere Fragezeichen. Das ist heute zum Teil schon deutlich geworden. Wir wollten beispielsweise prüfen, ob es sinnvoll sein kann, obwohl Bildungswissenschaftler uns das Gegenteil empfohlen haben, auch weiterhin in Mangelfächern für die Sekundarstufe I auszubilden. Wir freuen uns sehr, dass es uns gemeinsam in der Koalition und auch durch Verhandlungen des Staatssekretärs Fischer mit den Hochschulen gelungen ist, für Mangelfächer auch weiterhin in Flensburg auszubilden. Das ist ein gutes Zeichen. Wir glauben, dass es gut zu den Bedarfen passt, die wir im Land beim Lehramt haben.

Wir glauben, dass das Praxissemester, Herr Kollege Günther, in der Tat ein Herzstück ist. Es muss auch gut gemacht sein. Die Kritik daran in den Anhörungen bezog sich nicht grundsätzlich auf das Praxissemester, sondern bezog sich darauf, dass es gut umgesetzt sein muss. Auch deshalb haben wir in diesem Bereich nachgebessert. Wir haben uns als Koalition dazu durchgerungen und werden das auch über den Haushalt absichern, dass die Fahrtkosten für die Studierenden im Praxissemester vollständig übernommen werden, auch wenn man vielleicht mit dem Pkw fahren muss, weil die ÖPNV-Anbindung des Praktikumortes nicht gut ist.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Einen Satz kurz zu den Entlastungsstunden für die Lehrkräfte, die Studierende betreuen. Da ist es aus

(Rasmus Andresen)

unserer Sicht so, dass man berücksichtigen muss klar, man kann immer sagen, mehr ist immer wünschenswert, aber auch da sind wir in einem engen haushalterischen Rahmen -, dass die Lehrkräfte die 0,5 Wochenstunden nicht nur für die Zeit bekommen, in der die Studierenden an der Schule sind, sondern sie die auch länger zur Verfügung haben, nämlich über das Schuljahr. Wenn man darüber hinaus berücksichtigt, dass man mehrere Studierende in einem Pool an großen Schulen sammeln kann, sodass die Ausbildung dann gleichzeitig von mehreren stattfindet, dann ist auch das Thema der Entlastungsstunden eines, bei dem wir sagen können, es ist ein guter Start, und es ist richtig, diesen Weg zu gehen.

Herr Abgeordneter, Ihre 10 Minuten sind um.

Die 10 Minuten sind um. Ich probiere, den letzten Satz zu formulieren. Vielen Dank.

Ein wichtiger Aspekt ist der Zeitplan. Da gab es unterschiedliche Meinungen. Die CAU wollte schieben, die Uni Flensburg wollte, dass wir heute unbedingt verabschieden. Beides kann man nicht erfüllen. Wir haben im Gesetzentwurf aber berücksichtigt, dass es ein Gremium geben wird, das das Lehramt weiter ausarbeiten wird. Ein gutes Lehramt ist eine Daueraufgabe. Das endet nicht mit diesem Tag. Aber mit der Verabschiedung des Gesetzes wollen wir Ruhe in die Schulen und in die Hochschulen bringen. Ich freue mich über dieses Gesetz und bin froh darüber, dass wir es gleich verabschieden werden. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Christopher Vogt.

Vielen Dank. - Lieber Herr Landtagspräsident! Bei der ohne Frage notwendigen Reform der Lehrerausbildung gibt es, meine Damen und Herren, natürlich nach wie vor grundsätzliche Differenzen. Wir wollen die Lehramtsstudiengänge an die bestehenden Schulstrukturen anpassen. Sie behaupten das für sich zwar auch, gehen in Wahrheit mit Ihrem

Modell aber deutlich über die bestehenden Schulstrukturen hinaus und wollen damit offenbar bereits auf Teufel komm raus die nächste Schulstrukturreform vorbereiten. Das sollten wir am heutigen Tage nicht vergessen. Das ist eigentlich das, was Sie mit diesem Gesetz machen wollen.

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen immer nur sagen, gerade Ihnen, Frau Kollegin Erdmann: Hände weg vom Gymnasium, hören Sie auf, Stück für Stück das Gymnasium als eigenständige Schulform anzuschießen!

(Beifall FDP und CDU)

Frau Kollegin, das hat nichts mit Kaiserreich oder 50er-Jahre oder solchen Dingen zu tun, die Sie uns dann immer aufs Brot schmieren, das hat etwas mit Pragmatismus und Anerkennung von Realitäten zu tun, dass diese Schulform gewünscht ist.

(Beifall FDP und CDU)

Ich könnte es mir auch so einfach machen und sagen, ja, Ihr Vorbild ist offenbar die Polytechnische Oberschule der DDR. So etwas mache ich nicht. Solche Diskussionen stoßen die Leute ab. Lassen Sie uns in Zukunft einfach ein wenig ernsthafter über diese Dinge diskutieren.

(Beifall FDP und CDU)