Protocol of the Session on July 10, 2014

Vor einigen Wochen schließlich habe ich die Sachsenwaldschule in Reinbek besucht. Das ist das Gymnasium, an dem ich mein Referendariat absolviert habe. Derzeit laufen dort die Vorbereitungen zur Feier des 90-jährigen Bestehens dieser Schule mit Lehrern, Schülern und Ehemaligen. Mit der Schulleitungsrunde und dem Personalrat ging es einen ganzen Vormittag lang um verschiedene Themenfelder der Bildungspolitik. Ich räume ein: In der einen oder anderen Sachfrage gab es unterschiedliche Meinungen. Aber immer war klar: Es geht uns allen um die bestmögliche Entwicklung unserer Kinder.

Dies waren vier Schlaglichter auf ein sich wandelndes Bildungswesen in Schleswig-Holstein, vier Schlaglichter auf einen der wichtigsten und sinnvollsten Berufe, den eine Gesellschaft zu vergeben hat. Lehrerinnen und Lehrer bereiten kommende Generationen darauf vor, Verantwortung zu übernehmen. Und was kann es Wichtigeres geben?

Wenn nun die Lehrerbildung Gegenstand der öffentlichen Debatte wird, und zwar in einer großen Breite, wie wir das in den letzten Wochen erlebt haben, wenn nun die Hochschulen anfangen, zu erkennen und herauszuarbeiten, was Lehrerbildung eigentlich für den Kern und den Bestand einer Hochschule bedeutet, dann ist dies umso besser.

Der Bildungsausschuss hat am vergangenen Donnerstag dem Änderungspaket der Koalitionsfraktionen zum Lehrkräftebildungsgesetz zugestimmt. Bis zum Schluss wurden Änderungswünsche und Anregungen aufgenommen. Nach einem mehrstündigen Ringen an einem Sonntagnachmittag - das verrate ich, damit Sie nicht wieder Akteneinsicht nehmen müssen - haben wir uns sogar darauf verständigt, das Wort „allgemeinbildend“ in zwei Wörtern zu schreiben, weil das im Schulgesetz genauso geregelt ist. Wir schreiben also „allgemein bildend“.

Allerdings konnten wir nicht alle Wünsche und Anregungen aufnehmen - natürlich nicht. Nicht jeder begrüßt überhaupt grundsätzlich, dass es Wandel im Bildungswesen gibt. Manch einer mag auch finden, dass das deutsche Bildungswesen in der Kaiserzeit seinen Zenit eigentlich schon erreicht hatte. Ich glaube: Die besten Jahre kommen erst noch.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

„Auf die Lehrkräfte kommt es an.“ Das ist auf den ersten Blick nur eine Binsenweisheit; auf den zweiten Blick jedoch ist es ein mehrfach belegtes Forschungsergebnis, unter anderem durch die vielfach zitierte Studie von Herrn Hattie belegt. Und auf den dritten Blick ist „Auf die Lehrkräfte kommt es an“ der Titel des Workshops 2 bei der ersten Bildungskonferenz dieser Landesregierung, die 2012 mit ihrem groß angelegten Bildungsdialog begonnen hat und die bereits 2012 in diesem Workshop Punkte der Lehrerbildung diskutiert hat. Schon damals ging es um eine Ausweitung der praktischen Anteile der Ausbildung, schon damals ging es um das Zusammenwirken von Schulen, IQSH und Hochschulen, und schon damals ging es strittig - das räume ich ein - um die Frage, ob nun Stufen-, Schulart- oder andere Lehrerinnen und Lehrer die richtigen sind.

Heute nun findet ein fast zweijähriger Diskussionsund Gesetzgebungsprozess vermutlich sein Ende. Tatsächlich dauert dieser Diskussionsprozess sogar schon viel länger. 2007 wurde das Schulgesetz für Schleswig-Holstein nachhaltig und bedeutsam geändert. Eigentlich hätte da schon eine entsprechende Konsequenz gezogen werden müssen. In der letzten Legislaturperiode gab es einen Antrag der Grünen für ein neues Lehrkräftebildungsgesetz oder überhaupt für eines. Und nun, im Jahre 2014, sind wir erstmals dabei, in Schleswig-Holstein alle drei Phasen der Lehrkräftebildung gemeinsam zu regeln: Studium, Referendariat, Fort- und Weiterbildung, alles in einem Gesetz, und Lehrerbildung, weil diese wichtig ist, aus einem Guss.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir werden in Schleswig-Holstein künftig Lehrerinnen und Lehrer für Grundschulen, für Sekundarschulen, also Gemeinschaftsschulen und Gymnasien, für Berufliche Schulen und für Sonderpädagogik ausbilden.

Kritik am Sekundarlehrer kommt vor allen von denen, die sich das dreigliedrige Schulsystem zurückwünschen. Jetzt mal frei von Zorn und Eifer: Die Idee, man müsse Schülerinnen und Schüler nur

(Martin Habersaat)

gut genug sortieren und dann jeder gut genug sortierten Gruppe die richtigen Lehrer an die Seite stellen, das ist nicht unser Bild von Schule.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir wollen Schulen und Lehrerinnen und Lehrer, die jede Schülerin und jeden Schüler bestmöglich individuell fördern, die jede Schülerin und jeden Schüler zum bestmöglichen Abschluss führen und die gerade alle Schülerinnen und Schüler in ihrer Unterschiedlichkeit wahrnehmen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, und da ist die Aufgabenbeschreibung für Gymnasien und Gemeinschaftsschulen zunächst einmal dieselbe. An Gymnasien können Lehrerinnen und Lehrer von jeher von der Sexta bis zur Prima, also von Klasse fünf bis dreizehn beziehungsweise zwölf, Schülerinnen und Schüler ausbilden. Das gilt für den ganzen Zeitraum, Klassenstufe fünf bis dreizehn oder fünf bis zwölf, und nie hat sich jemand beklagt, dass das nicht machbar sei, es könne keine Alleskönner geben und und und. Warum soll das dann nicht auch an der Gemeinschaftsschule möglich sein, meine Damen und Herren?

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Die Expertenkommission Lehrerbildung für das Land Berlin, neun angesehene Bildungsforscher unter der Leitung von Professor Jürgen Baumert, vormals auch Professor an der CAU, schrieb zu den Herausforderungen an den zwei Schularten nach der Grundschule:

,,Hinsichtlich der fachlichen Durchdringung der Unterrichtsstoffe und des fachdidaktischen Handlungsrepertoires werden durchaus vergleichbare Kompetenzanforderungen gestellt. In der Regel sind die fachdidaktischen Herausforderungen im nichtgymnasialen Bereich sogar noch größer.

… Es ist ein Irrtum zu glauben, dass fachdidaktisches Wissen und Können im unteren Leistungsbereich durch allgemeines pädagogisches Können ersetzt werden könnte.“

- So ist es!

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Jette Waldinger-Thier- ing [SSW])

Große Zustimmung gab es im Anhörungsverfahren für das neue Praxissemester. Im Interesse der Studierenden konnte die Frage der Fahrtkosten gut gelöst werden.

Zu weiteren Umsetzungsfragen sei erwähnt: In anderen Bundesländern klappt es, in der Universität Flensburg klappt es beim ersten Durchlauf auch wir hörten, dass bei knapp 400 Praxissemesterteilnehmern bei zweien nicht der Erst- oder Zweitwunsch erfüllt werden konnte -, und, meine Damen und Herren, ich bin zuversichtlich, wenn es überall anders klappt, dann wird es auch in Kiel klappen.

Wir wissen, dass der demografische Wandel auch vor dem Bildungswesen nicht haltmacht und dass manche Fachkräfte schwer zu finden sein werden. Was wir allerdings nicht wollen, ist Planwirtschaft im Hochschulwesen. Wir wollen nicht, dass uns ein Gremium sagt, wie viele Germanisten wir in Schleswig-Holstein eigentlich brauchen, um dann entsprechend viele Studienplätze an den Hochschulen zur Verfügung zu stellen. Wir wollen nicht, dass für 100 offene Stellen 2020 100 Lehrerinnen und Lehrer passgenau ausgebildet werden - mit Jobgarantie. Denn erstens wollen nicht alle Absolventen hinterher Lehrer werden, zweitens wollen sie das nicht alle in Schleswig-Holstein, und drittens wollen wir unseren Schulen nach Möglichkeit die Auswahl ermöglichen.

(Zuruf Daniel Günther [CDU])

Und viertens wollen wir auch den Austausch mit anderen Bundesländern.

Selbstverständlich ist unsere Ausbildung KMKkompatibel.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt sechs Lehramtstypen der KMK. Es gibt den Grundsatzbeschluss, alle akkreditierten Studiengänge und alle Ausbildungen gegenseitig anzuerkennen. Und es gibt keinen einzigen Hinweis darauf, dass das nicht anerkannt würde. Ich verstehe nicht, warum Sie da Panik schüren, wo keine Panik zu schüren ist.

(Beifall SPD, Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jette Waldinger- Thiering [SSW])

Meine Damen und Herren, ich halte es für eine groteske Idee, Lehrerinnen und Lehrer absichtlich schlecht auszubilden, damit ich sie hinterher schlecht bezahlen kann.

(Martin Habersaat)

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Wolfgang Ku- bicki [FDP])

- Herr Kubicki, die FDP hat dazu eigene Vorschläge, zu denen komme ich noch.

Hier kommen wir nahtlos zur Frage der Besoldung. Die Frage der Besoldung war in dem Moment neu zu regeln, in dem die letzte Landesregierung die Umstellung aller Studiengänge in Flensburg auf zehn Semester, 300 ECTS, beschlossen hat. In dem Moment waren alle Lehramtsstudiengänge gleichwertig. Es gab eigentlich kein Argument mehr, Absolventen unterschiedlich zu bezahlen.

Wieso nun die Opposition - da ist es die FDP - darauf kommt, man müsse Grundschullehrer und Gemeinschaftsschullehrer schlechter und kürzer ausbilden als die anderen, nur um ein Argument zu haben, sie schlechter zu bezahlen,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Unsinn!)

- das kann doch niemand anders bezeichnen als völligen Unsinn, lieber Herr Kollege Kubicki.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Allerdings hat die FDP wenigstens einen Vorschlag gemacht. Sie sagen wenigstens: Grundschullehrer acht Semester, Gemeinschaftsschullehrer neun Semester, Gymnasiallehrer zehn Semester, dann können wir sie unterschiedlich bezahlen, dann haben wir wenigstens eine Begründung, um hinterher an vielen Stellen Geld zu sparen. Das ist ein konstruktiver Vorschlag, wenn aus meiner Sicht auch ein falscher.

(Christopher Vogt [FDP]: Bisher waren es sieben!)

Die CDU hat sich betrüblicherweise gegen konstruktive Beiträge entschieden. Sie haben sich dazu entschieden, die Ideenfindung unserer Landeregierung zu diskreditieren; Sie haben sich für eine persönliche Schmutzkampagne gegen unsere Bildungsministerin entschieden; Sie haben sich dazu entschieden, Tippfehler der inhaltlichen Beratung vorzuziehen, ansonsten aber auf jeden eigenen Vorschlag verzichtet.

(Vereinzelter Beifall SPD - Widerspruch CDU)

Die Lehrerbildung in Flensburg und Kiel, die Parallelstruktur, ist eine Entscheidung aus dem Jahr 1946. Wie können Sie sich heute hier hinstellen und die Schaffung von Doppelstrukturen kritisieren?

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter, bei aller Großzügigkeit, was die 10 Minuten angeht, diese sind nun lange vorbei.

Herr Landtagspräsident, ich halte fest: Wir können für die Lehrerausbildung viel tun, auch für die Zukunft des Landes Schleswig-Holstein. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Großzügigkeit.

(Anhaltender Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Rasmus Andresen.