Jede Studie zeigt - das stelle ich gern zur Verfügung -, dass Frauen im Niedriglohnsektor insbesondere unter 8,50 € erheblich überproportional vertre
ten sind, und zwar mit dem mehr als doppelten Anteil. Das heißt, bei gleicher Arbeitszeit - unabhängig davon, ob Frauen mehr Teilzeitbeschäftigung haben - ist es einfach so: Wenn man einen gesetzlichen Mindestlohn einführt, profitieren davon Frauen überproportional. Es verringert die 22 %. Der Gap bei gleicher Arbeit und gleicher Stundenzahl beträgt 7 %. Beim Equal Pay Day haben wir zwei Dinge zu beachten, nämlich dass wir bei gleicher Qualifikation, gleicher Erfahrung, gleicher Arbeit eine Lohnspreizung von 7 % haben,
und dass wir, wenn alle Löhne betrachtet werden, eine Spreizung von 22 % haben. Das ebnet man ein. Das ist ein Punkt zum Thema Gleichstellung.
Der Mindestlohn betrifft gerade Branchen wie zum Beispiel das Gaststättengewerbe, in dem ein Frauenanteil von 80 % im Niedriglohnbereich arbeitet. Das mögen Sie als Effekt nicht haben wollen; er ist aber zum Glück da. Deshalb ist es ein Teil von Gleichstellung und ein Teil von Lohngleichheit. Man mag das wirtschaftspolitisch für verkehrt halten. Die FDP hatte wenigstens eine wirtschaftspolitische Analyse. Aber man kann nicht negieren, dass ein Mindestlohn die 22 % verringert. Wenn das das gemeinsame Ziel ist, ist der Mindestlohn ein wichtiger Baustein dafür. Arbeiteten Frauen und Männer alle 40 Stunden und die Frauen weiterhin hauptsächlich in den Sektoren, in denen es prekäre Beschäftigungsverhältnisse gibt, bliebe der Gap trotzdem erhalten.
Für die Landesregierung erteile ich das Wort dem Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie, Reinhard Meyer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der CDU segelt unter falschem Namen. Es wird versprochen, Bürokratiekosten zu senken. Dafür können Tariftreue, Mindestlohn und Korruptionsbekämpfung gern zurücktreten. Standardabsenkung auf Kosten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder eines fairen Wettbewerbs ist das - nichts anderes. Meine Damen und Herren, da ich kann nur sagen: So nicht!
Ich sage genauso deutlich ausdrücklich, dass die Landesregierung die Gesetze, die Sie in Ihrem Artikel 1 Absatz 1 bis 3 abschaffen wollen, ausdrücklich begrüßt.
Herr Callsen, ich weiß nicht, was meine vier CDUVorgänger so alles gemacht haben. Manches und vieles muss ich aufräumen.
Wenn es eine Urheberschaft für die Tariftreue geben sollte, fände ich das gut. Aber passen Sie auf, dass nicht morgen irgendwo in der Zeitung steht: CDU erwischt beim Arbeiterkampf.
(Heiterkeit SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Zuruf: Das war ein Witz! - Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)
- Das liegt wahrscheinlich daran, dass manche das Elfmeterschießen von gestern Nacht noch in den Knochen haben. Da muss man noch ein bisschen aufwachen. Das gilt für mich aber auch.
Ich will in dieser Debatte nur ganz kurz auf wenige Punkte eingehen, weil es wichtig ist, darauf hinzuweisen, warum wir ein Tariftreue- und Vergabegesetz brauchen. Wir diskutieren seit Jahren über das sogenannte billigste Angebot. Darüber ist die Wirtschaft in Schleswig-Holstein auch nicht besonders glücklich. Wir haben gesagt: Wir wollen Standards setzen - die setzen wir mit dem Tariftreueund Vergabegesetz -, damit wir bei der Vergabe öffentlicher Aufträge das beste Angebot bekommen. Das liegt im Interesse des Landes Schleswig-Holstein.
Wir machen damit - dazu bekenne ich mich ausdrücklich - eine positive Form von Regulierung. Wir wollen zugunsten des Gemeinwohls steuernd eingreifen. Wir legen nämlich Wert darauf, dass wir beim Einsatz von Arbeitskräften sozialverträgliche Arbeitsbedingungen haben. Wir legen Wert darauf, dass die angebotenen Leistungen hochwertig, nachhaltig und gemeinwohlorientiert sind. Wir legen Wert darauf, dass wir in Sachen Umweltschutz, in Sachen Gleichstellung, in Sachen Antidiskriminierung als öffentliche Hand Verantwortung tragen
und dass wir mit gutem Beispiel vorangehen. Das kostet an der einen oder anderen Stelle; das gebe ich zu.
Bei den 3,8 Millionen € an die Kommunen handelt es sich um eine Schätzung. Wir werden das evaluieren. Ich persönlich glaube nicht, dass die 3,8 Millionen € wirklich benötigt werden. Wir stehen aber auch hier zu unserer Verantwortung, wenn wir das gemeinsam mit den Kommunen flächendeckend in Schleswig-Holstein machen wollen.
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Christopher Vogt [FDP]: Es wur- de behauptet, es sei notwendig!)
Ich komme zum Register zum Schutz fairen Wettbewerbs. Worüber reden wir? Wir reden darüber, dass wir gesetzestreue, zuverlässige Unternehmen, die rechtschaffen arbeiten, mit diesem Register ein Stück weit schützen wollen,
und zwar bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Jeder, der Aufträge vergibt, soll wissen, wer sich nicht an die Regeln hält. Deswegen gibt es dieses Register. Es ist übrigens sehr unbürokratisch zusammen mit Hamburg im Aufbau begriffen. Ist es denn ein Zufall, dass die Justizministerkonferenz der Länder in ihrem jüngsten Beschluss genau dieses Modell Hamburg und Schleswig-Holstein als Vorbild für eine bundesweite Regelung genommen hat? Sie können sehen: Auch hier geht SchleswigHolstein wieder voran.
Eine ganz kurze Bemerkung zum Mindestlohn, meine Damen und Herren. Ich will noch drei Argumente nennen. Wir brauchen das Thema Mindestlohn. Wir reden über gute Arbeit. Wir reden über Fachkräfte in der Zukunft. Wir reden über junge Menschen, denen wir in Schleswig-Holstein einen vernünftigen, mit guter Arbeit ausgestatteten Arbeitsplatz bieten wollen. Deswegen ist das Thema wichtig. Wir reden natürlich auch über die Kaufkraft, die dadurch erzielt wird. Das ist an anderer Stelle bereits gesagt worden.
Ich wiederhole wirtschaftspolitisch Folgendes: Ich glaube nicht, dass ein Geschäftsmodell, das dauerhaft auf einen Lohn unterhalb von 8,50 € oder 9,18 € aufbaut, dauerhaft Erfolg haben wird. Allein deswegen brauchen wir den Mindestlohn.
Zum Abschluss, meine Damen und Herren von der CDU: Ich hätte mich gefreut, wenn man bei Artikel 4 nicht auf die VOB von 2009, sondern auf die aktuelle von 2012 zurückgegriffen hätte,
wenn man schon etwas ändern will. Da kann ich nur sagen: Das ist handwerklich kein Meisterbrief, den Sie an dieser Stelle haben. Aber vielleicht ist das auch nur eine Petitesse.
Das Fazit der Landesregierung in dieser Debatte ist klar: Wir wollen an den bestehenden Gesetzen nichts ändern. Sie sind richtig und wichtig. Ich bin fest davon überzeugt: Sie werden sich bewähren. Vielen Dank.
Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 18/2086 dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Damit ist dies einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam eine weitere Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Marion-Dönhoff-Gymnasiums in Mölln zu begrüßen. - Herzlich willkommen hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Die Debatte heute Morgen verfolgt ebenfalls die Landesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ruth Kastner. - Herzlich willkommen auch dir, liebe Ruth!
Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/2122
b) Lehrereinstellungsbedarf und Lehrereinstellungsangebote sowie Lehrerausbildungskapazitäten an den lehrerbildenden Universitäten in Schleswig-Holstein
Ich erteile zunächst der Berichterstatterin des Bildungsausschusses, der Frau Abgeordneten Anke Erdmann, das Wort.