Protocol of the Session on July 9, 2014

In einer Zeit, in der mobile Kommunikation, die elektronische Speicherung von Daten und das Internet unverzichtbarer Bestandteil der privaten Lebensgestaltung geworden sind, beschäftigt die Sicherheit in der digitalen Welt vor allem die Bürgerinnen und Bürger. Welchen Nachholbedarf Recht und Politik hier gegenüber den technischen Möglichkeiten haben, können wir seit Monaten täglich den Nachrichten entnehmen.

Deshalb empfehlen wir, das Land durch ein Staatsziel zu verpflichten, den Schutz der digitalen Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Dieser Schutz umfasst die informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger gegenüber staatlichen und nicht staatlichen Beeinträchtigungen und die Vertraulichkeit und Integrität ihrer digitalen Kommunikation.

Die vorgeschlagene Verfassungsreform stärkt darüber hinaus die demokratische Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Wir empfehlen in großer Übereinstimmung, das Unterstützungsquorum für das Volksbegehren von 5 % aller

Stimmberechtigten, also 112.000, auf 80.000 Stimmberechtigte zu senken.

Volksentscheide über einfache Gesetze sollen bereits dann erfolgreich sein, wenn neben der Mehrheit der abgegebenen Stimmen auch die Zustimmung von mindestens 15 % - statt bisher 25 % - der Stimmberechtigten erreicht wird. - So die mehrheitliche Auffassung im Ausschuss.

Sollen direktdemokratische Beteiligungsmöglichkeiten ernst genommen werden, hält es der Ausschuss für geboten, die bisherigen Hürden zu senken und dabei sicherzustellen, dass das Volksbegehren beziehungsweise der Volksentscheid von einer hinreichenden Anzahl Stimmberechtigter getragen wird.

Eine besondere Form der Bürgerbeteiligung ist das Petitionswesen, speziell die Öffentliche Petition. In Zukunft sollen öffentliche Sitzungen des Petitionsausschusses grundsätzlich möglich sein, um die angemessene Behandlung insbesondere Öffentlicher Petitionen im Landtag zu gewährleisten; denn dies sind Petitionen, die in aller Regel von allgemeinem Interesse sind. Es wäre inkonsequent, solche Petitionen, die von mehreren Tausend Petenten unterstützt werden können, zwingend in nicht öffentlicher Sitzung des Petitionsausschusses zu behandeln. Zum Schutz eines jeden Petenten verbleibt es aber bei der Grundregel, dass der Petitionsausschuss Petitionen in nicht öffentlicher Sitzung behandelt.

Der Ausschuss empfiehlt ferner, den von den Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar gewählten Landtag weiter gegenüber der Landesregierung zu stärken. Gegenüber der weitreichenden Verfassungs- und Parlamentsreform des Jahres 1990 empfiehlt der Ausschuss kleinere, aber - wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat - notwendige Ergänzungen. So soll die Landesregierung künftig verpflichtet sein, auf Verlangen des Landtags ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Wahrung seiner Rechte anhängig zu machen.

Hintergrund ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur bundesrechtlichen Schuldenbremse, gegen deren Einführung der Landtag nicht selbst vor dem Bundesverfassungsgericht vorgehen konnte. Zum Schutz seiner landesverfassungsrechtlichen Befugnisse soll er daher die Landesregierung verpflichten können, ein Verfahren anhängig zu machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine bürgernahe und moderne Landesverfassung sollte auch soziale und kulturelle Herausforderungen aufgreifen. Wir

(Landtagspräsident Klaus Schlie)

empfehlen daher die Aufnahme eines alle Träger staatlicher Gewalt verpflichtenden Staatsziels Inklusion in die Landesverfassung. Das Land setzt sich danach für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung sowie ihre gleichberechtigte gesellschaftlichen Teilhabe ein.

Ein deutliches Signal setzt der Ausschuss mit seinen Empfehlungen zum Schulverfassungsrecht. Sind bereits jetzt der Schutz und die Förderung der nationalen dänischen Minderheit und der friesischen Volksgruppe allgemein in der Verfassung niedergelegt und in einigen einfachen Gesetzen ausgeprägt, soll die Verfassung nun konkreter werden. Das Schulwesen der nationalen dänischen Minderheit soll in der Verfassung verankert und institutionell gewährleistet werden.

Überwiegend empfiehlt der Ausschuss darüber hinaus, auch die Finanzierung der dänischen Schulen durch das Land in einer der Finanzierung der öffentlichen Schulen entsprechenden Höhe festzuschreiben. Die Finanzierung der anderen privaten Ersatzschulen überlässt der Sonderausschuss der künftigen einfachen Gesetzgebung. Eine Initiative, auch für diese Schulen eine Gleichstellung in der Verfassung zu erreichen, fand keine Mehrheit.

Mit seiner Empfehlung, den Friesisch- und Niederdeutschunterricht in öffentlichen Schulen zu schützen und zu fördern, setzt der Ausschuss ein deutliches Signal, die kulturelle und sprachliche Vielfalt im Land ernst zu nehmen, zu bewahren und dies an prominentester Stelle zum Ausdruck zu bringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in meinen einleitenden Worten habe ich Ihnen den Weg von der Landessatzung zu einer modernen Landesverfassung skizziert. Heute schlägt der Sonderausschuss nunmehr vor, dieser Landesverfassung gewissermaßen als Eingangsportal eine Präambel voranzustellen, durch die sich das Land neben universellen Werten wie Demokratie, Freiheit, Toleranz und Solidarität zu den historischen und kulturellen Grundlagen unseres Landes Schleswig-Holstein bekennt.

In der Empfehlung des Sonderausschusses für die Präambel fehlt das Bekenntnis zu der Verantwortung vor Gott und den Menschen. Letztlich hat sich im Sonderausschuss nach intensiver Diskussion - aus meiner Sicht: leider - für dieses Bekenntnis kein hinreichender Konsens herstellen lassen. Die Vermeidung des Gottesbezuges wurde mit der abnehmenden Religiosität der Gesellschaft und der religiösen Neutralität des Staates begründet, der ein Gottesbezug widerspräche.

Gestatten Sie mir die persönliche Bemerkung, dass es den Befürwortern des Gottesbezuges nicht darum geht, die Verfassung auf ein bestimmtes religiöses Bekenntnis festzulegen. Das Bekenntnis zu der Verantwortung vor Gott - nicht zu Gott - und den Menschen gesteht ein, dass weder Staaten noch Menschen aus sich heraus vollkommen sind, sondern ihrer immer sich erneuernden Rechtfertigung bedürfen.

Dies ist eine Absage an totalitäre Willkür und eine Zusage an Freiheit und Menschenrechte, die die vorgeschlagene Präambel betont, ohne aber deren Verwurzelung und die Letztverantwortung des Staates in den Blick zu nehmen. Steht dies im Vordergrund, kann das Bekenntnis zu der Verantwortung vor Gott und den Menschen sicherlich auch von nicht religiösen Menschen akzeptiert werden.

Ein letzter Gedanke dazu sei mir erlaubt: Ist ein echtes Bekenntnis zu den historischen und kulturellen Grundlagen des Landes ohne Bezug auf die rund 1.000-jährige Geschichte des Christentums und die 400 Jahre jüdischen Glaubens in unserem Land möglich?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich abschließend noch kurz auf zwei Punkte eingehen, auf die wir uns nicht verständigen konnten. Dies ist zum einen ein Staatsziel Wirtschaft und Arbeit, das - aus meiner Sicht - als Lebensgrundlage des Landes Schleswig-Holstein und als zusätzlicher Abwägungsgesichtspunkt in die Verfassung hätte aufgenommen werden können. Zum anderen die Aufnahme eines Rechts auf gute Verwaltung über die bereits geplanten Grundsätze einer bürgernahen Verwaltung hinaus, das nach Auffassung des Ausschusses letztlich keinen Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger ergäbe.

Zum Schluss will ich hervorheben, dass das Experiment der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Verfassungsdiskussion ein gutes war und die Sacharbeit des Ausschusses befördert hat. Ich möchte mich bei den ständigen Beratern des Ausschusses, Frau Professor Brosius-Gersdorf, Frau Professor Sacksofsky und Herrn Professor SchmidtJortzig, für ihre wissenschaftliche Expertise bedanken.

(Beifall)

Den Sachverständigen und angehörten Verbänden danke ich für ihre konstruktive Unterstützung und Mitarbeit. Den Bürgerinnen und Bürgern danke ich für ihr aktives Engagement.

(Landtagspräsident Klaus Schlie)

Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung waren auf vielfältige Weise ebenfalls an der Arbeit beteiligt. Auch Ihnen gilt mein besonderer Dank. Mein Dank für die gute Zusammenarbeit und Vorbereitung geht insbesondere an die Landtagsverwaltung.

Und ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen im Sonderausschuss für die konzentrierte und konstruktive Zusammenarbeit. Wir haben trotz zum Teil erheblicher inhaltlicher Auffassungsunterschiede gut zusammengearbeitet und heute einen Entwurf vorgelegt, der sich - wie ich finde - sehen lassen kann. - Vielen Dank und herzlichen Dank auch an Sie, Herr Präsident, für die Großzügigkeit.

Ich danke dem Herrn Landtagspräsidenten. - Wortmeldungen zum Bericht sehe ich nicht. Dann kommen wir jetzt zur Aussprache. Für die CDU-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Johannes Callsen, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Landesverfassung ist das zentrale Fundament unserer Demokratie. Sie gibt den Rahmen vor, in dem wir uns bewegen als Parlamentarier, als Bürgerin und Bürger. Eine demokratische Verfassung sichert Freiheiten und setzt dort Grenzen, wo die Freiheit des Einzelnen beschnitten wird. Eine demokratische Verfassung regelt das Zusammenspiel zwischen den Verfassungsorganen, sie gibt Rechte und Pflichten vor. Als demokratisches Fundament muss sie beständig und dauerhaft sein, aber eben auch immer den aktuellen Anforderungen entsprechen. Aus gutem Grund sind darum die Hürden für eine Verfassungsänderung so hoch gesetzt.

Wenn dieser Landtag heute über eine neue Landesverfassung berät, dann ist dies ein Schritt, der wohlbedacht sein muss. Es muss ein Schritt sein, der unser demokratisches Fundament am Ende stärkt. Es gab und gibt gute Gründe für den Landtag, dass er sich den Auftrag gegeben hat, diese Verfassungsreform auf den Weg zu bringen.

Ich danke an dieser Stelle allen Mitgliedern des Sonderausschusses, die dort mitgearbeitet haben, den Beratern, den vielen Mitarbeitern im Hintergrund, die uns einen Bericht vorgelegt haben, auf deren Basis wir jetzt diskutieren und die Reform der Landesverfassung beschließen können. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall)

Selbst Bismarck, der ganz gewiss kein verdächtigter Freund parlamentarischer Demokratie war, hat einmal gesagt: Keine Verfassung kann ohne Kompromiss existieren. Auch der heutige Verfassungsentwurf ist ein Kompromiss. Wir haben in den letzten Monaten - gerade die Arbeitsgruppe - über viele Einzelheiten und Inhalte gerungen; der Präsident hat es erwähnt.

Auch wenn der Verfassungsausschuss mehrheitlich zu einem anderen Ergebnis gekommen ist, sage ich für die CDU-Landtagsfraktion sehr klar: Die Aufnahme des Gottesbezugs in unsere schleswig-holsteinische Verfassung würde diesem Land und dem Schleswig-Holsteinischen Landtag gut zu Gesicht stehen.

(Beifall CDU)

Dafür gibt es viele Gründe. Erstens. Wir haben in unserer deutschen Geschichte leidvoll erleben müssen, wie Diktaturen Macht auf schreckliche Weise missbraucht und versucht haben, selber Gott zu spielen. Die vier Worte „in Verantwortung vor Gott“ erinnern an die Begrenztheit und Fehlbarkeit menschlichen Handelns. Sie sind auch eine Mahnung daran, dass über allem eine höhere Instanz steht, der gegenüber wir mit unserem Handeln eine besondere Verantwortung tragen. Dabei ist es gleich, welche Religion dieser Gott hat. Es geht bei diesen vier Worten nicht um eine Verantwortung für die eine und gegen die andere Religionsgemeinschaft, es geht auch nicht darum, eine Religionsgemeinschaft über alle andere zu stellen. Nein, es geht uns einzig und allein um die Verantwortung, die wir alle gemeinsam gegenüber einer höheren Instanz - und jeder hat seinen Glauben - haben.

(Beifall CDU, Bernd Heinemann [SPD], Re- gina Poersch [SPD], Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. An- dreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zweitens. Die Mehrheit der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner eint der Glaube an Gott. Das Argument, der Gottesbezug sei heute nicht mehr zeitgemäß, kann ich angesichts von 70 bis 80 % Gläubigen in unserer Gesellschaft absolut nicht nachvollziehen. Im Übrigen bleibt die Freiheit jedes Einzelnen, sich für oder gegen eine Religion zu entscheiden, von der Aufnahme des Gottesbezugs in die Verfassung völlig unberührt.

Drittens. Bei den Anhörungen haben auch andere Religionsgemeinschaften keine Bedenken gegen die Aufnahme eines Gottesbezugs angemeldet. Dar

(Landtagspräsident Klaus Schlie)

um verstehe ich die Bedenken, die hier bisher geäußert worden sind, nicht.

Ich werbe an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal dafür, den Gottesbezug in unsere Landesverfassung aufzunehmen.

(Beifall CDU und vereinzelt SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir werden als CDU-Fraktion in großer Geschlossenheit einen Änderungsantrag dazu - so ist es ja vereinbart - vorlegen.

Die CDU tritt ganz klar für den Gottesbezug ein, aber wir werden dieser Verfassung unsere Zustimmung am Ende natürlich nicht verweigern.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn es sind viele Punkt aufgenommen worden, die auch wir durchaus begrüßen. Ich will einige Beispiele nennen. In dem digitalen Zeitalter, in dem wir leben, ist es natürlich folgerichtig, die digitale Teilhabe auch in die Verfassung aufzunehmen. In Zeiten von E-Mail und Internet muss jeder Bürger das Recht haben, den Austausch mit Behörden und Gerichten auch elektronisch zu führen. Wenn es in der Verfassung heißt, niemand darf wegen der Art des Zugangs benachteiligt werden, so ist das absolut zu begrüßen.

Mit den vielen neuen Möglichkeiten aber, die die digitalen Medien unserer Gesellschaft eröffnet haben, kamen auch negative Begleiterscheinungen, gerade mit Blick auf die Privatsphäre. Diese zu schützen ist eben auch eine zentrale Aufgabe des Staates. Deswegen ist es richtig, mit Artikel 15 die digitale Privatsphäre auch unter den besonderen Schutz der Landesverfassung zu stellen.

Die Aufnahme der Inklusion in die Landesverfassung ist ein wichtiges Signal. Wir setzen uns für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung und für ihre gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe ein. Das ist im Übrigen nicht nur ein Auftrag für dieses Parlament, für die Regierung, für die Politik, sondern das ist ein Auftrag für die gesamte Gesellschaft in Schleswig-Holstein.

Wir haben in diesem Landtag immer wieder über den Abbau von Bürokratie diskutiert. Gerade wir als CDU haben dieses Thema immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt, weil wir die Bürokratie auf das Nötigste reduzieren wollen. Ich freue mich, dass dieser Grundsatz auch in der neuen Landesverfassung aufgenommen werden soll. Die Verwaltung muss bürgernah, effizient und wirtschaftlich gestal

tet werden. Das sorgt für Transparenz und spart Kosten. Deswegen haben wir hier eine gute Formulierung bekommen,