Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die Sitzung ist eröffnet. Auch wenn wir heute Nachmittag sehr lange tagen werden, brauchen wir nicht später anzufangen. Ich habe zum Glück die Parlamentarischen Geschäftsführer an meiner Seite. Die werden schon die richtigen Entscheidungen treffen.
Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich zur heutigen Plenardebatte. Bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Elmschenhagen in Kiel und Schülerinnen und Schüler des Berufsbildungszentrums Rendsburg-Eckernförde. - Seien Sie herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Es ist vereinbart worden, dass die FDP-Fraktion eine Redezeit von zehn Minuten hat. Alle anderen Fraktionen bleiben bei der Redezeit von fünf Minuten. Als antragstellende Fraktion hat die FDP-Fraktion zuerst das Wort. Nach meinen Aufzeichnungen spricht zunächst Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.
Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident, Ihre Aufzeichnungen sind zutreffend. Es mag etwas unüblich sein, aber lassen Sie mich zunächst etwas zu den Änderungs-, Ergänzungs- oder Ersetzungsanträgen sagen. Der Antrag der CDU-Fraktion nähert sich dem Thema aus ausgesprochen betriebs
wirtschaftlicher Sicht. Ich werde dazu im Verlauf meiner Rede etwas sagen. Das ist aus meiner Sicht eine vernünftige Ergänzung. Wir werden ohnehin die Überweisung an den Finanzausschuss, an den Gesundheits- und Sozialausschuss und an den Wissenschaftsausschuss beantragen. Sollte dieser Antrag als Ersetzungsantrag gedacht sein, dann müssten wir uns in der Tat noch einmal darüber verständigen, wie wir uns dem Thema nähern wollen.
Der Antrag der Piratenfraktion ist ausgesprochen interessant, weil er genau das Gleiche will wie der Antrag der FDP, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Sie wollen eine grundsätzliche Debatte über die Zukunft des Universitätsklinikums und die Voraussetzungen für eine prosperierende Zukunft unseres Universitätsklinikums führen. Diese Debatte will auch ich gleich führen. Wir haben dazu einen Vorschlag gemacht, den die Finanzministerin dankenswerterweise vor zwei Tagen schon aufgegriffen hat.
Ich glaube, dass wir uns im Ziel einig sind. Die finanzielle Situation des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein ist seit etwa einem Jahrzehnt Gegenstand von Debatten hier in diesem Landtag, weil sie prekär ist. Sie spitzt sich weiter zu. Dabei muss man ehrlicherweise feststellen, dass die dramatische wirtschaftliche Situation des Universitätsklinikums kein Einzelfall ist. Die Universitätsklinika in der Bundesrepublik leiden insgesamt an einer chronischen Unterfinanzierung, die sich im vergangenen Jahr - jedenfalls nach vorläufigen Jahresabschlusszahlen - auf 161 Milliarden € summiert hat. Das heißt, die deutsche Hochschulmedizin insgesamt ist chronisch unterfinanziert. Die bekannten Probleme der Klinikfinanzierung durch steigende Ausgaben für Personal, Arzneimittel und Energie, denen deutlich geringere Zahlungen der gesetzlichen Krankenkassen gegenüberstehen, betreffen alle Klinika.
Bedingt durch eine seit Jahrzehnten nicht auskömmliche Investitionskostenfinanzierung seitens der Länder übernehmen die Universitätsklinika eine ganze Reihe von Sonderaufgaben, die allesamt nicht oder kaum in der Vergütung für Universitätsklinika abgebildet sind. Zu den exklusiven Sonderausgaben der Universitätsklinika zählen beispielsweise das Betreiben von Hochschulambulanzen
oder ein Merkmal der medizinischen Versorgung, der Aufgabenverbund von Krankenversorgung, Forschung und Lehre. Im Rahmen dieses Aufgabenverbundes ermöglichen gerade Universitätsklinika die Überführung medizinischer Innovationen zum Beispiel bei Diagnostik und Therapie in die allgemeine Krankenversorgung. Überproportional erbringen Universitätsklinika eine Leistung bei den sogenannten Extremkostenfällen, bei der Notfallversorgung, bei seltenen Erkrankungen, beim Betreiben interdisziplinärer Zentren oder bei der Facharztweiterbildung.
Ganz im Gegensatz zu Ländern wie den Vereinigten Staaten, den Niederlanden oder Großbritannien bleibt die Sonderrolle der Universitätsklinika in der medizinischen Versorgung in der Bundesrepublik komplett unberücksichtigt. Das hat mit zu der bedrohlichen wirtschaftlichen Situation des UKSH beigetragen. Frau Ministerin Heinold, deshalb ist die skizzierte Herangehensweise, die Sie gegenüber den „Kieler Nachrichten“ am 19. Juni 2014 dargelegt haben, vielversprechender als ein rein betriebswirtschaftlicher Ansatz. Frau Heinold, Sie haben dabei nach Prüfung der aufgelaufenen Verbindlichkeiten des UKSH eine Forderung der FDP aufgegriffen. Ich will mich nicht mit Ihnen darüber streiten, wer möglicherweise wann zuerst die Idee gehabt hat. Richtig ist, dass dies ein Baustein des Sanierungsprozesses des UKSH sein kann. Darüber freue ich mich ausdrücklich. Meine Fraktion würde Sie auf diesem Weg definitiv unterstützen, und zwar im Sinne einer erfolgreichen Sanierung des UKSH.
Dabei ist vollkommen klar, dass sich - sollte all dies erfolgreich sein - die bundespolitischen Rahmenbedingungen ändern müssen. Sie alle kennen es, wir haben mehrfach darüber diskutiert: Das ist die Frage der Landesbasisfallwerte. Das ist aber auch die Abbildung der Sonderrolle der Universitätsklinika im Vergütungssystem, zum Beispiel der viel diskutierte Systemzuschlag. Dass die Übernahme der Schulden beziehungsweise der aufgelaufenen Verbindlichkeiten durch das Land an konkrete Bedingungen geknüpft werden muss, ist - so glaube ich - selbstverständlich.
Ich vertrete die Auffassung, dass die klar formulierten betriebswirtschaftlichen Anforderungen oder Voraussetzungen, die etwa in dem CDU-Antrag sehr deutlich zum Tragen kommen, ganz klar als versorgungspolitische Voraussetzungen beziehungsweise versorgungspolitische Bedingungen formuliert werden müssen.
Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade die versorgungspolitischen Ziele, die Sonderrolle eines Universitätsklinikums im Gefüge des Gesundheitssystems, gerade die rechtfertigen einen staatlichen Eingriff, gerade die rechtfertigen im Zweifel auch, dass man Steuergelder in die Hand nimmt und dem Universitätsklinikum auf dem Weg zur Sanierung, zur Wirtschaftlichkeit verhilft,
wir, dieser Landtag und die Landesregierung. Das sage ich auch in Richtung Wissenschaftsministerin oder in Richtung Gesundheitsministerin. Es ist natürlich nicht die Aufgabe dieser Finanzministerin allein, eine klare Zielvorstellung zu formulieren, wie der zukünftige Auftrag und wie die Zukunft des UKSH im Rahmen der Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein aussehen soll.
Ich bin Ihnen, Frau Heinold, ausgesprochen dankbar, denn ich erwarte jetzt von der Wissenschaftsministerin und von der Sozial- und Gesundheitsministerin, dass sie sich ganz klar positionieren, welche Rolle das UKSH in Zukunft bei der Versorgung in Schleswig-Holstein spielen soll.
Ich will eines sagen: Auch wenn wir rechtlich den Begriff der Maximalversorgung in SchleswigHolstein nicht kennen und nicht definiert haben, weil wir beispielsweise kein Landeskrankenhausgesetz - jedenfalls bislang - haben, wo in manchen Ländern die Definition von Maximalregel oder Spezialversorgung explizit definiert ist, Maximalversorgung, liebe Kolleginnen und Kollegen, heißt für mich nicht maximal viele Hüften legen oder maximal viele Knieoperationen durchzuführen, sondern Maximalversorgung heißt für ein Universitätsklinikum, eine spezialisierte fachärztliche Versorgung auf allerhöchstem Niveau, sich im Zweifel auch im Bereich Forschung, Diagnostik und Therapie Krankheiten anzunehmen, die möglicherweise nur zwei oder drei Mal im Jahr auftreten. Das ist die originäre Aufgabe eines Universitätsklinikums
und nicht unbedingt die Ausweitung der Mengenkomponente, was natürlich wirtschaftlich notwendig ist. Das können andere aber auch.
Vor diesem Hintergrund haben wir am Anfang des Sanierungsprozesses nicht nur die Möglichkeit, sondern geradezu die Pflicht zu definieren: Wie stellen wir uns die Zukunft des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein vor: als echtes Universi
Ich möchte gern mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Diskussion nutzen, am liebsten in einer gemeinsamen Ausschusssitzung aller drei beteiligten Ausschüsse, weil ich schon glaube, dass es nicht nur darum geht, die finanziellen Voraussetzungen für den Sanierungsprozess festzuklopfen das wäre unter anderem natürlich die Aufgabe des Finanzausschusses -, sondern weil wir die Möglichkeiten und die Chancen nicht vertun sollten, die das Land hat, hier klare Bedingungen zu fordern, sodass im UKSH auch weiterhin medizinische Spitzenleistungen im Bereich von Forschung, Lehre, im Bereich von Diagnostik und Behandlung, am Ende des Sanierungsprozesses umgesetzt werden können. - Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die CDU-Fraktion habe ich jetzt zwei Wortmeldungen. Als erstes steht hier Daniel Günther, als zweites Tobias Koch. Wer möchte zuerst reden? Zuerst der Finanzexperte. Herr Abgeordneter Tobias Koch, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer kurzen historischen Einordnung beginnen, um zu verstehen, weshalb wir heute überhaupt über eine Übernahme der Schulden des UKSH sprechen müssen.
Als wir im Jahr 2005 nach 17 Jahren Regierungszeit von SPD und Grünen als Union wieder Regierungsverantwortung für Schleswig-Holstein übernommen haben, haben wir nicht nur einen überschuldeten und hochdefizitären Landeshaushalt vorgefunden. Wir mussten auch feststellen, dass SPD und Grüne um diesen Landeshaushalt herum eine ganze Reihe von Schattenhaushalten eingerichtet hatten. Da gab es einen Schattenhaushalt für die Schulden des Immobilienvermögens aus dem rot-grünen Immobiliendeal, Herr Stegner.
Es gab einen Schattenhaushalt für die Schulden an der Beteiligung der HSH Nordbank. Und bei der Krankenhausfinanzierung erhielten die Krankenhäuser unter Rot-Grün schon lange keine echten Zuschüsse mehr, sondern mussten im eigenen Na
men Kredite aufnehmen, für die das Land dann nur noch Zinsen zahlte, während sich die Krankenhäuser immer weiter verschuldeten.
(Zuruf Martin Habersaat [SPD] Mit all diesen Schattenhaushalten haben wir in un- serer Regierungszeit Schluss gemacht. Wir haben die Schulden wieder in den Landeshaushalt über- führt und weisen sie jetzt transparent mit den Lan- desschulden aus. Die Krankenhäuser bekommen heute wieder echte Zuschüsse statt bloße Krediter- mächtigungen. Ein Schattenhaushalt ist allerdings übrig geblieben, nämlich der Schattenhaushalt des UKSH mit seinen aufgelaufenen und stetig weiter ansteigenden Bi- lanzverlusten, denn seit Gründung zu rot-grüner Regierungszeit hat das UKSH in keinem einzigen Jahr schwarze Zahlen geschrieben. (Dr. Ralf Stegner [SPD]: Die hätten Sie mal holen sollen, dann hätten sie keine!)
Herr Kollege Dr. Stegner, diese Schulden des UKSH sind Schulden des Landes Schleswig-Holstein. Das UKSH ist hundertprozentige Tochter des Landes. Das Land steht im Rahmen der Gewährträgerhaftung für diese Schulden vollständig ein. Ich glaube, niemand in diesem Hause kann ernsthaft davon ausgehen, dass es dem UKSH jemals gelingen wird, diese Schulden aus eigener Kraft, also aus zukünftig zu erwirtschaftenden Gewinnen, selbst wieder abzutragen. Deshalb ist die Auflösung auch dieses Schattenhaushaltes, die Überführung der Schulden in den Landeshaushalt, prinzipiell richtig.
Dennoch gab es zur gemeinsamen Regierungszeit von CDU und FDP einen guten Grund, diesen Schattenhaushalt bislang nicht aufzulösen. Ich kann mich auch an keine entsprechende Forderung der FDP aus unserer gemeinsamen Regierungszeit erinnern. Denn was würde sich dadurch aktuell kurzfristig für das UKSH ändern? Nichts. Das UKSH würde auch im kommenden Jahr erneut rote Zahlen ausweisen, und anstelle eines Befreiungsschlags hätte eine solche Schuldenübernahme eher den Charakter einer Lizenz, weitere Schulden zu machen. Wir würden die Schulden jetzt auf Null glattstellen, und würden dann möglicherweise in vier, fünf Jahren über einen erneut aufgelaufenen Schuldenberg von 200 Millionen € die exakt gleiche Diskussion führen, wie wir sie heute in diesem Hause führen.
Deshalb, meine Damen und Herren, muss die vordringliche politische Priorität darauf ausgerichtet sein, das UKSH aus den roten Zahlen zu führen.
Dazu haben wir in unserer Regierungszeit die bauliche Sanierung des UKSH auf den Weg gebracht, und diese gilt es jetzt umzusetzen. Genau deshalb kämpfen wir alle gemeinsam seit Langem dafür, dass eine ausreichende Finanzierung unseres Universitätsklinikums mit angemessenen Basisfallwerten erfolgt. Und genau deshalb bleibt auch das UKSH aufgefordert, bei den eigenen Anstrengungen zur Reduzierung des Defizits nicht nachzulassen.
Deswegen sagen wir als CDU-Fraktion Ja zu einer Übernahme der Schulden, nämlich dann, wenn das Ziel eines strukturell ausgeglichenen Ergebnisses auch beim UKSH erreicht ist, wenn das UKSH schwarze Zahlen schreibt. Fairerweise sollte man dabei auf das operative Ergebnis abstellen, die Zinsen für die aufgelaufenen Schulden herausrechnen; denn gegen die stetig wachsenden Zinslasten wird auch das UKSH nicht anarbeiten können. Außerdem muss sichergestellt werden, das eine schwarze Null kein Einmalergebnis ist, sondern dass das UKSH anschließend dauerhaft wirtschaftlich arbeitet und kein erneuter Marsch in die Verschuldung stattfindet. Ein negatives Eigenkapital des UKSH darf es dann in Zukunft nicht mehr geben.
Insofern ist unser Änderungsantrag in der Forderung deckungsgleich mit dem Antrag der FDP, nämlich eine Schuldenübernahme durch das Land unter den gerade genannten Bedingungen zu prüfen. Auch ich habe mich gefreut, dem Bericht der „Kieler Nachrichten“ über das Interview der Ministerin am vergangenen Donnerstag entnehmen zu können, das sich auch unsere Vorstellungen nahezu hundertprozentig damit decken. Heute konnten wir in den „Kieler Nachrichten“ wiederum lesen, das auch Professor Scholz, also die Führungsspitze des UKSH, davon ausgeht, dass eine Schuldenübernahme nicht sofort, das heißt zum jetzigen Zeitpunkt erfolgt, sondern dass für 2017 eine schwarze Null in der Prognose des UKSH vorhanden ist. Wenn dieses Ziel erreicht ist, wäre genau der richtige Zeitpunkt gekommen, eine Schuldenübernahme vorzunehmen. Das wäre auch der Anreiz für alle Beteiligten, diesen Weg gemeinsam bis zum Jahr 2017 zu gehen.