Innen- und sicherheitspolitisch geht es im Bund und bei uns hier in Schleswig-Holstein immer wieder um die Frage der polizeilichen Eingriffsbefugnisse oder, allgemeinverständlich gesagt: Was darf die Polizei? Was muss die Polizei dürfen? Und was darf die Polizei nicht?
Diese Fragen sind keinesfalls lästig. Sie müssen in einem demokratischen Rechtsstaat gestellt, diskutiert und verfassungskonform entschieden werden. Da bin ich ganz bei Ihnen, Herr Abgeordneter Kubicki.
Anders ist es aber mit Ihren immer wiederkehrenden stereotypen und reflexartigen Reaktionen auf berechtigte Hinweise der Polizei und anderer Sicherheitsfachleute auf instrumentelle Defizite und Schwachstellen bei der Bekämpfung der Kriminalität und Abwehr von Gefahren, deren Erscheinungsformen sich naturgemäß technisch rasant verändern.
Kaum ist die Forderung nach Bestandsdatenauskünften, Funkzellenabfragen oder Videoüberwachung und jetzt aktuell nach der Einrichtung von Gefahrengebieten erhoben, gibt es bereits die ersten Warnungen vor dem Überwachungsstaat, vor Missbrauch gesetzlicher Befugnisse durch die Polizei und vor einer vermeintlichen Einschränkung von Bürgerrechten. Was für eine verkehrte Welt!
In einer verkehrten Welt leben wir, weil viele selbsternannte Hüter von Rechtsstaat und Datenschutz so argumentieren, als gehe die Gefahr für die Freiheit der Bürger von der Polizei aus, also von einem in die Rechtspflege eingebundenen Organ des Rechtsstaats. Herr Dr. Breyer, auch wenn in Kapitel 1 der Anleitung für einen erfolgreichen Piraten steht: Misstraue und verdächtige stets die Polizei, nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Die Landespolizei Schleswig-Holstein hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Bürgerpolizei im besten Sinne des Wortes entwickelt.
Das Ansehen unserer Polizei bei den Menschen in diesem Land ist sehr hoch. Die Bürgerinnen und Bürger wissen: Die Landespolizei Schleswig-Holstein schützt sie durch verantwortungsvolles, mutiges und deeskalierendes Handeln. Ihr Vorgehen ist dabei jederzeit Ausdruck der Rechtsstaatlichkeit unserer Gesellschaft. Es ist daher in höchstem Maß ungerecht, gerade die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte der schleswig-holsteinischen Landespolizei permanent unter den Generalverdacht zu stellen, ihre Befugnisse und Instrumente missbräuchlich einzusetzen.
Unsere Polizei will vom Gesetzgeber nichts, was mit der Verfassung nicht im Einklang steht. Die Polizei erwartet lediglich, die Instrumente an die Hand zu bekommen, die sie zwingend braucht, um ihren Auftrag zu erfüllen. Der Auftrag heißt, die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger gegen die Feinde der Freiheit zu verteidigen. Die Polizei schützt Recht und Gesetz. Sie schafft erst jenen Raum an Sicherheit, in dem Menschen ihre Grundrechte ungestört in Anspruch nehmen können. Die Polizei ist Garant des Rechtsstaats und nicht dessen Gefährder.
Ich kämpfe für einen Paradigmenwechsel in einem Teil der öffentlichen Diskussion über Fragen der inneren Sicherheit: Während die Polizei stets aufs Neue begründen muss und auch begründen kann, warum diese oder jene Regelung zur Bekämpfung bestimmter Formen von Kriminalität erforderlich ist, können die notorischen Neinsager ihre teilweise abenteuerlichen Behauptungen so in den Raum stellen, ohne dass jemand nachfragt, ob diese Kritik tatsächlich der Sache gerecht wird. Der Paradigmenwechsel besteht darin, dass nicht mehr die Polizei allein begründungspflichtig ist. Auch diejenigen, die der Polizei oft seit Jahrzehnten gewährte Teile ihres Instrumentenkastens plötzlich streitig machen, müssen gezwungen werden, den Bürgern dieses Landes zu sagen, auf welche andere Weise Kriminalität in diesem Land bekämpft werden soll.
Es gibt keinen Artikel null im Grundgesetz, der das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als alles überwölbendes Grundrecht festschreibt. Es gibt in der Gesellschaft kein absolutes Recht einzelner, überall und zu jeder Zeit von polizeilichem Handeln unbehelligt zu bleiben.
Nein, ich lasse keine Zwischenfragen zu. - Zum Glück, sage ich. Es wäre ja noch schöner, wenn es so wäre, und zwar für Kriminelle. Soziale Teilhabe ohne soziale Bindung ist undenkbar. Die hohen Güter der Freiheit und der informationellen Selbstbestimmung können nicht absolut gelten. Das wäre nämlich die Freiheit der Starken und der Rücksichtslosen. Schrankenlos gewährte Freiheit aber schlägt in ihr Gegenteil um, sie verkommt zu einer
Oder einfacher gesagt: Das wäre eine Welt der Piraten, und zwar jener, die bis heute immer noch auf Teilen der Weltmeere ihr Unwesen treiben. Selbstverständlich habe ich nur die gemeint. - Vielen Dank.
Zu einem Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Dr. Patrick Breyer von der Piratenfraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was wir heute hier hören mussten, insbesondere das, was der Herr Innenminister hier gesagt hat, setzte dem die Krone auf, ist kompletter Irrsinn.
Herr Breitner, Sie haben sich mit dem, was Sie gesagt haben, komplett vom Grundgesetz und den zugrundeliegenden Gedanken verabschiedet. Herr Jefferson, der ehemalige US-Präsident hat gesagt: Misstrauen lässt uns Sicherungsvorschriften in die Verfassung aufnehmen. Der Grundgedanke der Verfassung und der Grundrechte ist die Erfahrung, die man mit einem Missbrauch staatlicher Gewalt gemacht hat. Sie sind begründungspflichtig, wenn Sie unsere Grundrechte einschränken wollen. Wir müssen doch nicht erklären, warum wir Ermächtigungen aufheben wollen. Sie stellen die Sache auf den Kopf.
Ja, wir wollen Gefahrenabwehr. Es geht uns aber um die Abwehr tatsächlicher Gefahren und nicht von Ihnen vorgestellter Gefahren. Deshalb brauchen wir diese Befugnis zu Gefahrengebieten nicht.
- Schauen Sie sich diese Karte an. Ist das ein begrenztes Gebiet? Das ist ein Gebiet, bei dem kaum noch etwas von Schleswig-Holstein übrig ist, das kein Gebiet für eine anlasslose Sicht- und Anhaltekontrolle ist. Das ist kein begrenztes Gebiet. Es ist keine Beleidigung von Polizeibeamten, wenn wir sagen: Der Gesetzgeber hat ein schlechtes und falsches Gesetz gemacht, das verfassungswidrig und untauglich ist. Sie reden von der Polizei. Die Wahrheit ist doch, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten in Deutschland Polizeistellen abgebaut worden sind. Bei der Polizei wurden Tausende von Stellen abgebaut. Gleichzeitig haben Sie die Überwachungsbefugnisse immer weiter ausgebaut. Sicherheit ist für uns PIRATEN eben auch Sicherheit vor willkürlichen Kontrollen ohne Anlass. Das gehört für uns auch zur Sicherheit.
Ich rede sehr gern mit der Polizeidirektion Ratzeburg. Ich lese auch ihre Anordnungen. Ich sage aber: Allein, dass bei zufälligen Kontrollen irgendein Beifang gefunden wird, rechtfertigt es nicht, beliebige Bürger anzuhalten und zu kontrollieren. Sonst könnten wir der Polizei auch jederzeit erlauben, unsere Wohnungen zu stürmen und Razzien durchzuführen. Ich bin sicher, dabei würden sie fündig werden und zum Beispiel Drogen finden. Das wollen wir nicht. Wir wollen keine Sicherheit durch ständige Polizeikontrollen bei uns.
Ja, Frau Kollegin Lange, uns fällt noch einiges ein, was man abschaffen und ändern müsste. Wir wollen nämlich ein Freiheitspaket, das alle unnützen und exzessiven Befugnisse der letzten Jahre abschafft, die im Zuge des Antiterrorwahns eingeführt worden sind. Wir haben ein Sicherheitskonzept, das können Sie in unserem Wahlprogramm nachlesen. Wir wollen wegen des historischen Erbes an unseren Freiheitsrechten und im Sinne der effizienten Polizeiarbeit auf verdachtslose und massenhafte Datenüberwachung und Kontrollmaßnahmen verzichten und uns stattdessen auf das konzentrieren, was funktioniert, nämlich auf gezielte Maßnahmen.
Zum Instrumentenkasten kann ich nur sagen: In Nordrhein-Westfalen gab es dieses Instrument der Polizei noch nie. Das Bundesverfassungsgericht hat
Ihren Instrumentenkasten sowieso schon zusammengestutzt und die verfassungswidrige Befugnis zum Kfz-Markenabgleich aus dem Instrumentenkasten gestrichen. Der damalige Innenminister Lothar Hay hat dazu zutreffend gesagt, das KennzeichenScanning habe sich als ein ungeeignetes Instrument zur Gefahrenabwehr erwiesen, es binde Personal, das an anderen Stellen sinnvoller für operative Polizeiarbeit eingesetzt werden könne. Genauso ist es mit den Gefahrgebieten.
Mein letzter Satz dazu: Sollten Sie nicht dazu bereit sein, im Gesetzgebungsverfahren diesen Sonderrechtszonen ein Ende zu setzen, bieten wir allen Fraktionen, den Grünen und auch der FDP-Fraktion, ausdrücklich an, dieses Gesetz vom Verfassungsgericht überprüfen zu lassen. Ich glaube, es wird vor unseren Grundrechten keinen Bestand haben.
Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Stegner von der SPDFraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürger müssen immer besonders gerechtfertigt werden. Je tiefer der Eingriff, umso höher muss die Hürde sein. Das ist die Maxime, die wir - so glaube ich - hier in diesem Hause alle miteinander teilen. Zum Rechtsstaat gehört übrigens auch, dass sich Polizisten dann, wenn sie sich fehlverhalten, dafür - wie in jedem anderen Bereich auch - zu rechtfertigen haben. Gelegentlich, wie zum Beispiel bei der Aufarbeitung der unseligen Mordserie der NSU, merken wir, dass es nötig ist, parlamentarische Kontrollen zu verstärken oder andere Prozesse einzuhalten. All das ist unbestritten.
Im Übrigen haben wir gerade in Schleswig-Holstein gemerkt, warum das eigentlich so ist, was der Herr Innenminister zu Recht festgestellt hat, nämlich dass wir eine Bürgerpolizei haben, die ein gu
tes Ansehen hat. Warum hat sie ein gutes Ansehen? - Sie hat dieses gute Ansehen, weil wir genau diese Grundsätze zugrunde gelegt und sie so entwickelt haben, und zwar bei dem, was mit den Führungskräften geschieht und auch in der Frage, wie man damit insgesamt umgeht. Jetzt hier in einer Art und Weise aufzutreten, als seien ausgerechnet die PIRATEN die Hüter der Freiheit, die anderen erklären müssten, was Freiheit ist, weise ich zurück. Das ist lachhaft, das ist anmaßend.
Lernen Sie einmal parlamentarische Gebräuchlichkeiten. Mit denen tun Sie sich - wie man hier manchmal merken kann - schwer. Es ist ausgesprochen anmaßend, wie Sie hier auftreten. Ich finde, dass muss man sich von demokratischen Parteien nicht bieten lassen, die sehr wohl wissen, dass die Freiheitsrechte zu achten sind.
Ich rede von seinem Tonfall und von den Dingen, die hier vorgeworfen werden, nämlich der Innenminister verletzt hier die Grundrechte. Das ist Quatsch, das ist großer Unsinn. Das müssen wir uns hier nicht bieten lassen.