Vielen Dank. - Bevor wir weitermachen, bitte ich Sie, mit mir gemeinsam Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Elmschenhagen auf der Tribüne zu begrüßen. - Herzlich willkommen euch und Ihnen hier im Kieler Landtag!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der PIRATEN enthält viele Buchstaben und erstaunlicherweise auch Dinge, die sich widersprechen. Da ist in der Begründung davon die Rede, dass der Begriff „erhebliche Straftaten“ überhaupt nicht definiert sei und dieser Begriff somit für § 180 Absatz 3 Landesverwaltungsgesetz nicht herangezogen werden dürfe. Ich zitiere aus der Begründung der PIRATEN:
„Das Gesetz bestimmt nicht, was unter ‚Straftaten von erheblicher Bedeutung‘ … zu verstehen sein soll.“
Ja, obwohl ich bisher noch nichts Böses gesagt habe, aber gut, gern, auch wenn er noch gar nicht weiß, was ich will.
Ich darf im Sinne der Gefahrenabwehr vorbeugend auf Folgendes hinweisen: Wie in unserem Gesetzentwurf ausgeführt, hat ein Landesverfassungsgerichtsurteil zu den sogenannten verdachtslosen Anhalte- und Sichtkontrollen gesagt, wenn deren Voraussetzungen definiert werden, müsse ein genauer Straftatenkatalog festgesetzt werden, und zwar deswegen, weil diese Befugnis so weit und anlasslos sei, während die Befugnis für Kontrollen an gefährlichen Orten, wo konkret Straftaten begangen werden, nicht so weit reiche, dass jedermann in einem gesamten Gebiet verdachtslos kontrolliert werden dürfe. So erklärt sich, dass man im einen Fall einen präziseren Straftatenkatalog braucht als im anderen Fall. Wären Sie bereit, den Unterschied zur Kenntnis zu nehmen?
Nein, das wäre ich nicht. Wenn Sie mich ausreden lassen würden, würden Sie feststellen, dass Sie einmal sagen, dass der Begriff der erheblichen Straftaten nicht definiert sei, ihn danach allerdings für den nächsten § 181 nutzen wollen. Wie das zusammenhängt, werden Sie gleich hören, wenn ich meine Rede vortragen kann. Dann können wir uns danach darüber unterhalten, wie die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung dazu ist. Auch darauf werde ich gleich eingehen. Dann haben wir intellektuell das Niveau erreicht, auf dem wir uns über die entsprechenden Inhalte unterhalten können.
„Das Gesetz bestimmt nicht, was unter ‚Straftaten von erheblicher Bedeutung, … zu verstehen sein soll.“
Aber gleichzeitig fordern die PIRATEN die Aufnahme genau dieses Begriffes, der erheblichen Straftat, in § 181 Landesverwaltungsgesetz, um hier die ortsbezogenen Kontrollrechte einzuschränken. Zitat dazu aus der Begründung des Gesetzentwurfs der PIRATEN:
„Die Änderung bewirkt eine Einschränkung der ortsbezogenen Kontrollrechte auf jene Fälle, in denen Tatsachen den Schluss auf die Verabredung, Vorbereitung oder Verübung von Straftaten von erheblicher Bedeutung zulassen...“
Dann zitieren Sie das Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen. Da fragt man sich dann schon, was das Ganze soll. Entweder schränkt die Bestimmung Maßnahmen ein - wovon ich ausgehe -, dann gilt § 180 Absatz 3 derzeit nur unter sehr guten Einschränkungen - was gut wäre, wo wir uns einig wären -, oder aber er tut es nicht, dann aber macht der zweite Vorschlag keinen Sinn, weil er keine Veränderung herbeiführt.
Das Bundesverfassungsgericht - da sind wir in dieser Liga - hat im Übrigen am 14. Dezember 2000 eine Definition vorgenommen. Hiernach sind Straftaten von besonderer Bedeutung insbesondere Verbrechen sowie schwerwiegende Vergehen, für die allgemein folgende drei Kriterien herangezogen werden: Die Tat muss mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein, also mit einem Strafrahmen von mindestens drei Jahren versehen sein, sie muss den Rechtsfrieden empfindlich stören, und sie muss dazu geeignet sein, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Dann macht das Bundesverfassungsgericht noch eine Einschränkung: Maßgebend ist nicht eine abstrakte, sondern eine konkrete Betrachtung nach Art und Schwere der Tat im Einzelfall. Es gibt also durchaus eine Einzelfallbetrachtung.
Das sind erhebliche Einschränkungen für die Durchführung von Sichtkontrollen von Fahrzeugen. Vor dem Hintergrund der Abwägung von Grundrechten schließen wir uns der Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes an. Damit hat der SSW hier eine andere Auffassung als die PIRATEN, die diese Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts anscheinend nicht teilen.
Im Übrigen will ich auch darauf hinweisen, dass diese Rechtsauffassung schon mehrfach in die Gesetzgebung des Bundes eingeflossen ist, sodass man auch hier sagen kann, dass die Rechtsetzung dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts schon lange
nachvollzogen hat - nur eben die PIRATEN nicht. § 180 Absatz 3 ersatzlos zu streichen, ist somit auch aus Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht keine Option.
Allerdings stellt sich schon die Frage, ob die breite Bevölkerung noch besser über staatliche Maßnahmen in diesem Bereich informiert werden sollte. Grundsätzlich könnte man darüber diskutieren, ob es angebracht wäre, nach Beendigung der Maßnahme die Bevölkerung über die Maßnahme zu informieren. So könnte man gewährleisten, dass auch landesweit über die Einrichtung und den zeitlichen Umfang von solchen Maßnahmen informiert würde. Dies könnte zumindest eine Einschätzung darüber ermöglichen - sie ist derzeit nämlich noch nicht möglich -, wie intensiv und mit welchen Begründungen solche Maßnahmen durchgeführt werden. Das wissen wir nämlich alle noch nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass eine nachträgliche Information zu einer erhöhten Transparenz beitragen könnte. Erst wenn man diese Transparenz hat, ist man in der Lage, inhaltlich darüber zu diskutieren, ob bestimmte Maßnahmen zu bestimmten Zeitpunkten mit bestimmten Begründungen sinnvoll waren.
Noch ein letztes Wort zum Vorschlag der PIRATEN zu § 181 LVwG. Dort geht es um die Identitätsfeststellung von Personen an verdächtigen Orten. Dieser Paragraf bezieht sich nicht nur auf § 180 Absatz 3 LVwG, also die Kontrollen aufgrund von Gefahrengebieten, sondern auch auf alle anderen Bestimmungen. Dabei geht es allgemein um die Gefahrenabwehr. Stichwort ist hier § 164 StGB. Wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür sprechen, dass eine Straftat geplant wird, dann sollen Personen laut PIRATEN die Angabe der Identität verweigern können mit dem Hinweis, dass die mögliche Straftat keine erhebliche Straftat sei. Denn das ist die Einschränkung, die die PIRATEN neu für die Zulassung einer Identitätsfeststellung an verdächtigen Orten einführen wollen. Ich habe Bedenken, ob diese Beschränkung a) für die Polizei praktikabel ist und ob b) die Rechte potentieller Opfer noch geschützt sind.
Es gibt nämlich auch Straftaten unterhalb der Erheblichkeit, bei denen Bürger vor Straftaten geschützt werden müssen. Das wird in diesem Paragrafen geregelt. Bei dieser Frage zwischen einzelnen Straftaten unterscheiden zu wollen, ist - glaube ich - sehr schwierig. Deshalb sehen wir diesen Vorschlag kritisch. Es geht ja gerade darum, mit solchen Maßnahmen Straftaten aller Art zu verhindern. Sie müssen demjenigen, der mit einer Straftat
bedroht ist, die unterhalb der erheblichen Bedeutung liegt, erklären, warum dieser Person nicht geholfen werden soll, wenn sie von einer Straftat bedroht ist, anderen Personen jedoch, die einer Straftat von erheblicher Bedeutung ausgesetzt sind, aber schon.
Alles in allem sehen Sie, dass der Vorschlag - milde formuliert - nicht zielführend ist. Wir werden ihn natürlich im Ausschuss beraten. Ich glaube, es ist so wie üblicherweise bei den PIRATEN: Es ist gut gemeint, man will etwas Gutes für die Bürger tun, aber das, was wir auf dem Papier stehen haben, ist in sich nicht konkludent und enthält schwere Fehler.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der aktuelle Antrag der Piratenfraktion, deren öffentliche Äußerungen aus der Vergangenheit und Gegenwart und ihre destruktive Dauerkritik an nahezu allem und jedem, was die Polizei in diesem Land in Anwendung geltenden Rechts tut, wirft für mich die Frage nach dem Grundverständnis von Polizeiarbeit in einem kleinen Teil dieses Parlamentes auf - oder, Herr Dr. Breyer, wenn ich Sie angucke, nur in einem bestimmten kleinen Teil des Parlamentes.
Polizei wird dabei nicht als Garant, sondern als latente Bedrohung der Freiheit angesehen. Hört man Ihren Argumenten zu, dann sind es nicht Einbrecher, Vergewaltiger, gewalttätige Rocker und andere Kriminelle, die die Sicherheit der Bürger gefährden. Es ist stattdessen die Polizei, die nur ein Ziel hat: die Freiheit von Menschen zu beschränken.
Man könnte meinen, die 6.600 Schutz- und Kriminalpolizisten in diesem Land beginnen jeden Tag ihren Dienst mit der Überlegung, wen man denn heute wieder einmal überwachen, festnehmen und einschüchtern könnte.
Wenn ich den Antrag der PIRATEN lese, dann frage ich mich: Wollen Sie nur noch eine Notrufpolizei, die darauf wartet, dass ein Bürger über die Rufnummer 110 um Hilfe bittet, weil er in Gefahr ist, eine Gefahr, in die er vielleicht gar nicht erst gekommen wäre, wenn die Polizei rechtzeitig Gefahrenabwehr betrieben hätte?
Wollen Sie eine Polizei, die so lange wartet, bis eine Straftat erst begangen wurde? Wollen Sie eine Polizei, Herr Dr. Breyer, die auf Gefahrenabwehr verzichtet?
Ich bin sicher, dass Sie beides wollen, eine Polizei, die Straftäter ermittelt und Gefahren verhindert. Wenn Sie das aber wollen, dann geben Sie Ihre Absicht auf, der Polizei in diesem Land die Instrumente aus der Hand zu nehmen, die sie braucht, um die Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung zu erfüllen - wie Videoüberwachung, Funkzellenabfrage, Handyortung oder eben Gefahrengebiete.
Hören Sie damit auf, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, in diesem Land SchleswigHolstein seien Polizeibeamte vor allem mit den Zielen unterwegs, Menschen wahllos anzuhalten, wahllos zu kontrollieren und wahllos zu diskriminieren.
Sie haben für Ihre Thesen der missbräuchlichen Verwendung von Ermächtigungsgrundlagen keine Beweise, nicht einmal Indizien. Sie arbeiten mit Unterstellungen, Verdächtigungen und pauschalen Behauptungen.
Ich lasse keine Fragen zu, Frau Präsidentin. - Nicht die Eingriffsbefugnisse der Polizei sind unverhältnismäßig, politische Forderungen wie in diesem Antrag sind maßlos und grundlos.
Nicht die PIRATEN sind der Maßstab oder die „letzte Instanz“, die über Recht oder Unrecht entscheidet. Das sind bei uns in Deutschland die Verfassungsgerichte.