Protocol of the Session on August 24, 2012

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, Sie alle hier wiederzusehen und begrüße Sie zum letzten Sitzungstag unserer Tagung. Ich eröffne die Sitzung und möchte Sie bitten, mit mir gemeinsam zunächst einmal Mitglieder der Seniorengemeinschaft Lebensfreude Kiel sowie Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Schönberg auf der Tribüne zu begrüßen. - Herzlich willkommen im Landeshaus in Kiel!

(Beifall)

Darüber hinaus begrüße ich die Europaabgeordnete der SPD, Ulrike Rodust, ebenso herzlich in unserem Landesparlament.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 und 14 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster Glücksspieländerungs- staatsvertrag - Erster GlüÄndStV)

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 18/79

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/107

b) Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung glücksspielrechtlicher Gesetze

Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/104

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/108

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist offenbar nicht der Fall. Dann eröffne ich die Grundsatzberatung und erteile dem Innenminister Andreas Breitner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits vor der Wahl haben sich die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW eindeutig gegen das Glücksspielgesetz der CDU/FDPKoalition und für eine gemeinsame Linie mit den anderen 15 Ländern ausgesprochen. Insofern ist es konsequent, nach der Übernahme der Regierungsverantwortung nun dem programmatischen Wahlversprechen Taten folgen zu lassen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Als Verfassungsminister und für das Glücksspielrecht zuständiger Fachminister sehe ich meine Pflicht und Aufgabe in der heutigen Landtagsberatung darin, Ihnen die gegenwärtige Rechtslage und einen rechtssicheren Weg zum Ausstieg aus dem Glücksspielgesetz und zum Einstieg in den Staatsvertrag aus Sicht der Landesregierung darzustellen.

Das heißt im Einzelnen: Der bereits von 15 Ländern unterzeichnete Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag orientiert sich an Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union. Er hat zum Ziel, ein den Anforderungen des Unions- und Verfassungsrechts entsprechendes Glücksspielangebot in ganz Deutschland und damit eine bundeseinheitliche, kohärente und systematische Normgebung im Bereich des Glücksspielrechts zu schaffen.

Mit der Unterzeichnung haben die 15 Länder von einer vollständigen Neuregelung des Glücksspielrechts abgesehen und stattdessen die mit dem Glücksspielstaatsvertrag von 2008 geschaffene Regelung fortentwickelt. An den Zielen der Regulierung des Glücksspiels und den wichtigsten Instrumenten zu ihrer Durchsetzung wurde dabei grundsätzlich festgehalten. So wird das im Glücksspielstaatsvertrag verankerte staatliche Lotterie- und Wettmonopol erhalten. Bei Lotterien wird der Vertriebsweg über das Internet wieder geöffnet. Dies gilt auch für Pferdewetten.

Neu sind weiter Bestimmungen zur Regulierung der Spielhallen, um deren Zahl zu begrenzen und den Spieler- und Jugendschutz zu verbessern. Spieler- und Jugendschutzvorschriften gelten auch für Gaststätten und Wettannahmestellen der Buchmacher, soweit sie Geld- oder Warenspielgeräte mit Gewinnmöglichkeiten bereitstellen. Zudem sieht der Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag eine zeitlich befristete Erprobung eines Konzessionsmodells vor, wonach private Anbieter eine begrenzte Zahl von Konzessionen zum Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten erhalten können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie kann nun dieses Ziel auch hier in Schleswig-Holstein erreicht werden? - Natürlich ist es mit einer bloßen Aufhebung des Glücksspielgesetzes nicht getan, denn dann träte an die Stelle des Glücksspielgesetzes ein gesetzloser Zustand. Damit wären keine Glücksspiele mehr verboten. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Notwendig ist daher ein gut durchdachtes, vernünftiges und rechtsstaatliches Handeln.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zuruf Abgeordneter Wolfgang Kubicki [FDP])

Die neue Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen mit dem SSW wollen dazu eine Reihe von Gesetzen der Vorgängerregierung ändern und dabei zugleich europarechtliche Vorgaben beachten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wenn wir das Glücksspielgesetz aufheben wollen, bedarf es gleichzeitig eins zu eins - nicht zwei zu eins - der Zustimmung und Ratifizierung des Glücksspieländerungsstaatsvertrags, der Aufhebung des Glücksspielgesetzes, dem Erlass eines Landesgesetzes zur Ausführung des Glücksspieländerungsstaatsvertrages für eine gute glücksspielrechtliche Aufsicht und der Änderung des Spielbankengesetzes. Gut wäre darüber hinaus eine Änderung des Spielhallengesetzes, weil uns der Glücksspielstaatsvertrag auch hier zur Anpassung drängt.

Die Landesregierung ist bereits tätig geworden und hat als Erstes die Zustimmung des Ministerpräsidenten zum Glücksspieländerungsstaatsvertrag durch ein Zustimmungsgesetz vorgelegt. Die Zustimmung zu einem Staatsvertrag ist verfassungsrechtlich klar eine Aufgabe in der Kompetenz des Ministerpräsidenten. Anschließend erteilt der Landtag seine Zustimmung. Der Landtag hat mit der Vorlage der weiteren Gesetze ebenfalls seine Handlungsfähigkeit bewiesen. Möglich ist daher heute die Beratung des gesamten Gesetzespakets.

Eine wichtige Rolle im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens spielen die europarechtlichen Vorgaben. So ist die Zustimmung zum Glücksspielstaatsvertrag ebenso notifizierungspflichtig wie die Aufhebung des Glücksspielgesetzes.

(Beifall Abgeordnete Hans-Jörn Arp [CDU] und Tobias Koch [CDU])

Zudem beinhaltet dieses Verfahren entsprechend den Vorgaben der EU-Kommission Stillhaltefristen. Stillhaltefrist bedeutet, dass neue gesetzliche Vorgaben erst nach Ablauf des Notifizierungsverfahrens umgesetzt werden dürfen. Solange ist die Landesregierung selbstverständlich an Recht und Gesetz gebunden, das heißt, dass es zu weiteren Genehmigungen kommen kann. Die Glücksspielanbieter haben einen Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn die Erteilungsvoraussetzungen vorliegen. Das heißt auch, dass die bereits erfolgten Glücksspielgenehmigungen für die erteilte Laufzeit ihre Gültigkeit behalten. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir haben den Hinweis bekommen und selbst die Auffassung vertreten, dass jetzt für die erste antragstellende Fraktion gesprochen werden darf. Sie können sich aber von mir aus gern einigen, es anders zu machen.

(Zurufe)

- Dazu wird es vermutlich noch im Laufe des Vormittags Gelegenheit geben. - Okay, dann hat nun Herr Abgeordneter Dr. Stegner von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben über die Glückspielfrage bereits lang und ausführlich hier im Parlament, in den Ausschüssen und auch in den Medien gestritten. Die die neue Landesregierung tragenden Fraktionen haben dabei nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir den Irrweg, den Schwarz-Gelb hier unbedingt einschlagen wollte und entgegen dem Rat der Opposition und aller 15 anderen Länder leider eingeschlagen hat, für falsch halten. Wir werden das korrigieren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es geht bei dieser Frage nicht primär um Moral, schon gar nicht darum, Menschen ihren Spaß zu verderben. Vielmehr geht es um den Einfluss einer milliardenschweren Lobby auf Politik und Parlament, um Spielsucht und organisierte Kriminalität.

Lassen Sie mich zu Beginn eines glasklar feststellen: Alle europarechtlichen, administrativen und parlamentarischen Schwierigkeiten, die Sie der Re

(Minister Andreas Breitner)

gierung und dem Parlament bei diesem Thema eingebrockt haben, werden diese Koalition nicht auseinanderdividieren. Natürlich muss und wird der Innenminister nach Recht und Gesetz handeln. Er hat unsere volle Unterstützung dabei. Wir werden in der Koalition die Probleme lösen müssen, für die Sie allein verantwortlich sind.

Es ist gut, die Debatte zum Glückspielgesetz in diesem Hause jedenfalls jetzt wieder mit dem Wissen führen zu können, dass wir endlich wieder auf einen seriösen Weg zurückkehren. Wir wollen zurück in den Kreis der 15 anderen Bundesländer.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Im Gegensatz zu Ihnen halten wir nämlich diese Solidargemeinschaft nicht nur in Schleswig-Holstein, in Europa, sondern auch im Länderkreis für sinnvoll. Wir teilen nicht die anmaßende Haltung selbsterklärter Superjuristen und ihrer Gehilfen, die andere Rechtsmeinungen in Staatskanzleien von München bis Magdeburg, von Mainz bis Hannover hier im Haus mit dem Begriff „Glücksspiel-Talibane“ diffamiert haben. Das ist übrigens eine Rechtssicht, die sich offenbar auf die Beratung von solchen juristischen Kapazitäten wie den wegen Steuerhinterziehung vorbestraften Boris Becker und den ehemaligen Geschäftsführer von Bayer Leverkusen, Rainer Calmund, stützt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die ehemalige schwarz-gelbe Landesregierung hat diese Solidargemeinschaft vorgeblich wegen einer juristischen Sondermeinung verlassen, die kein anderes Land teilt, die aber offenbar bei Schickeria-Veranstaltungen auf Malta oder Sylt gut angekommen ist.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Was Sie in diesem Zusammenhang an Lobbyismus zugelassen haben, ist für mich eine in diesem Parlament beispiellose Grenzüberschreitung, deren Niveaulosigkeit ich als Parlamentskollege nur mit dem bezeichnen kann, was man neudeutsch „Fremdschämen“ nennt. Ich wundere mich, Herr Kollege Callsen, dass anständige Konservative in Ihrer Fraktion so etwas zugelassen haben. Darüber wundere ich mich wirklich sehr.

Dass ausgerechnet Sie der von der Ländergemeinschaft beauftragten und von Ihren Parteifreunden geführten hessischen Landesregierung bei der Beschäftigung einer Anwaltskanzlei ein Geschmäckle

vorwerfen - muss man ja wohl so verstehen, dass Sie Rechtsbruch unterstellen oder zumindest für möglich halten -, ist in dem eben geschilderten Kontext schon sehr bemerkenswert.

Geradezu abenteuerlich aber ist Ihre andere Argumentationskette, nach der Sie angeblich nur erlauben würden, was Sie ohnehin nicht verhindern könnten. Konsequent verfolgen Sie die gleiche Linie bei der Nichtbekämpfung von millionenschwerer, bankgestützter Steuerhinterziehung. Interessanterweise hören wir eine ganz andere Argumentation, wenn es um Drogenpolitik geht. Nein, das ist scheinheilig, und das wissen Sie nur zu gut.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen endlich wieder hin zu einem ordentlich regulierten, natürlich europarechtskonformen Glücksspielmarkt - einem Markt, in dem der Spielerschutz vorn steht und der kein Einfallstor für Geldwäsche und andere illegale Geschäfte ist. Es ist doch klar, dass, falls das Online-Pokern überall in der Republik verboten bliebe, aber Dank Ihrer Mithilfe in Schleswig-Holstein mit Staatslizenz erlaubt würde, wir zum deutschen El Dorado der Geldwäscher absteigen würden. Sie haben nämlich für den legalen Anker gesorgt, mit dem sich illegales Geld dann ganz bequem waschen lässt. Jeder LKA- oder BKA-Experte kann bestätigen, dass Online-Pokern außerhalb von Spielhallen einer der risikoärmsten Wege der Geldwäsche ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist das Thema, über das wir hier zu reden haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es ist schon bezeichnend, dass Sie es für nötig halten, einen in den USA geschlossenen zivilrechtlichen Vergleich von „Pokerstars“ zu bejubeln, obwohl doch das strafrechtliche Verfahren gegen den Gründer von „Pokerstars“, Isai Scheinberg, der unter anderem wegen Geldwäsche und Bankbetrug angeklagt ist, noch läuft, Verdächtige hinter Gittern sind beziehungsweise per Haftbefehl international gesucht werden.