Protocol of the Session on May 16, 2014

schaffen, dort eine Vertretung des Landtags zu etablieren.

Aus aktuellem Anlass möchte ich gern etwas zur Kooperation mit Kaliningrad und den Duma-Vertretungen aus den nordwestrussischen Regionen sagen. Die Kooperationen mit diesen russischen Gebieten ist schon etwas Besonderes, weil es Kooperationen mit Partnern außerhalb der EU sind. Wir sollten uns bewusst sein, dass diese Regionen trotzdem zu Europa gehören. Europa ist mehr als die Europäische Union.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Wir fahren Sonntag mit dem Präsidenten an der Spitze zur jährlichen Plenumstagung des Parlamentsforums Südliche Ostsee nach Kaliningrad. Sie wissen alle, welche Regionen da vertreten sind.

Wir haben in Vorbereitung dieser Parlamentarierkonferenz natürlich auch über die Lage in der Ukraine und den russischen Regionen gesprochen. Wir sind uns als fachpolitische Sprecher aller Fraktionen einig, dass es gerade angesichts der jüngsten Entwicklungen umso wichtiger ist, die Kooperation mit den Regionen der Russischen Föderation fortzuführen, um den regionalen Austausch zu stärken und die parlamentarische Arbeit und die zivilgesellschaftlichen Akteure in diesen Regionen zu stärken.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das geplante Handels- und Investitionsschutzabkommen mit den Vereinigten Staaten ist im Bericht erwähnt. Ich möchte daran erinnern: Wir haben hier einen guten Landtagsbeschluss. Ich gehe davon aus, dass der Grundlage für das Verhalten der Landesregierung im Bundesrat ist. Vorher wird noch das CETA-Abkommen mit Kanada - wahrscheinlich in der Juni-Sitzung des Bundesrats anstehen.

Neben den bereits erwähnten Aktivitäten hat die Landesregierung im vergangenen Jahr auch die Programmierung der EU-Strukturfonds für die neue Förderperiode bewerkstelligt. Wir haben uns im Europaausschuss und in den betroffenen Fachausschüssen intensiv damit auseinandergesetzt. Diese Programme sind von großer Wichtigkeit für das, was hier im Land finanziert wird und gefördert werden kann. Viele Ziele der europäischen Ebene, viele Ziele der mittelfristigen Finanzplanung stimmen damit überein, was diese Koalition in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hat.

Wir werden 80 Millionen € aus dem Sozialfonds im Land verteilen können, 250 Millionen € aus dem Regionalfonds, 420 Millionen € aus dem Fonds für ländliche Entwicklung. Es gibt den Meeres- und Fischereifonds, die INTERREG-Programme, Connecting Europe für unterschiedliche Projekte in den Bereichen Bahn, Verkehr, Netze, und - das ist entscheidend - das ERASMUS-Programm ist erheblich aufgestockt worden und gibt uns die Möglichkeit, die Mobilität von Jugendlichen zu fördern.

Aber die Bedeutung der EU ist auch im Bereich der Gesetzgebung immens. Wir haben inzwischen viele Rechtsgebiete, Wettbewerb, Binnenmarkt, Verbraucherschutz, Datenschutz, Gewässerschutz und so weiter, die ihren Rechtsrahmen von der EU bekommen. Inzwischen setzt die EU einen Rechtsrahmen in fast 70 % der Gesetze und Verordnungen. Das schränkt uns regional und national an der einen oder anderen Stelle zwar ein, aber die nationale Ebene kann viele Dinge allein nicht mehr ausreichend regeln. Wenn ich an Datenschutz denke, wenn ich an Finanzaufsicht denke; wenn ich Bereiche wie den Verbraucherschutz sehe, den Umweltschutz, den Wasserschutz, dann haben wir seit Jahrzehnten einen starken europäischen Rechtsrahmen mit guten Richtlinien. Wir würden es in der Bundes- und Landespolitik nicht annähernd hinbekommen, uns lobbyistischen Interessen zu widersetzen und so einen starken Rechtsrahmen zu setzen, der auch bei uns im Land umgesetzt werden muss.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Existenz der Europäischen Union ist in vielerlei Hinsicht gut für unser Land. Sie ist aber so, wie sie jetzt ist, nicht perfekt. Das klang durch alle Reden, und dem wollen auch wir uns nicht verschließen. Es geht um das Zusammenspiel der verschiedenen europäischen Institutionen. Wir wollen hier zwar keine Institutionen-Runde machen, aber es ist durchaus angebracht, bei der Zusammenwirkung der Organe in den nächsten Verträgen die eine oder andere Nachbesserung einzufordern - auch wenn wir mit dem Lissaboner Vertrag seit 2009 ein erheblich demokratischeres Europa mit einem ausgesprochen starken Parlament haben.

Wir brauchen ein Initiativrecht des Parlaments für Gesetze. Die Rechte des Parlaments müssen gestärkt werden. Das Parlament soll zum Beispiel ein Rückholrecht bei Richtlinien und Verordnungen haben. Wenn die Kommission, wenn die Ratsgremien nicht das umsetzen, was politischer Wille war, dann muss es ein stärkeres Rückholrecht geben.

(Bernd Voß)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wir Grüne sagen deshalb auch: Europa muss sich weiterentwickeln, muss solidarischer, transparenter und demokratischer werden. Ein Europa der Hinterzimmer, der allmächtigen Entscheidungen, der Gipfel der Regierungschefs und Regierungschefinnen, ist das, was wir nicht wollen und was auch viele Menschen europamüde macht.

Ich freue mich, dass wir heute, gut eine Woche vor den Wahlen zum Europäischen Parlament, einen Wahlaufruf beschließen werden. Der Ausgang der Europawahlen ist von entscheidender Bedeutung für die politische Entwicklung der Europäischen Union, aber auch für unser Land. Jeder Nichtwähler, jede Nichtwählerin stärkt die Euroskeptiker und Rechtspopulisten im Europäischen Parlament. Europa braucht ein Parlament, das in der Lage ist, sinnvolle politische Mehrheiten und konstruktive Beschlüsse zustande zu bringen. Alles andere schwächt die Demokratie in Europa.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Gerade die Stärke des Europäischen Parlaments ist es, dass über nationale Grenzen, über Ländergrenzen und Parteigrenzen hinweg immer wieder kluge Lösungen gefunden werden. Wenn uns weisgemacht werden soll, mit 700 Änderungsanträgen bekomme man nichts zustande - die Realität der letzten fünf Jahre hat gezeigt, dass wir starke, gute Beschlüsse des Europäischen Parlaments bekommen haben. Weil uns diese Einschätzung zwischen allen Fraktionen eint, darum unser gemeinsamer Antrag.

Darüber hinaus ist es aber auch wichtig, das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich empfehle, den einen oder anderen Blick in die Wahlprogramme der Parteien zur Europawahl zu werfen. Da werden Sie Unterschiede feststellen. Das fängt damit an - Stichwort Ukraine, Stichwort baltische Länder -, wie stark Europa in seinen Mitgliedsländern durchsetzt, dass wir eine vernünftige Minderheitenpolitik bekommen, um Krisenprävention zu machen, auch in den Ländern, mit denen wir eng zusammenarbeiten, und nicht nur auf den Binnenmarkt zu schielen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich weise auf die unterschiedlichen Zielsetzungen der Parteien hin, bei der Klima- und Energiepolitik. Ich stelle fest, dass Deutschland, Frau Merkel vorne an, in der Klimapolitik sehr viele Entscheidungen hintenherum wieder einsammelt. Es gibt Unterschiede in der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Wir sehen, dass es große Defizite bei den Menschenrechten gibt. Die Zustände und Arbeit der Grenzagentur Frontex wird von Menschenrechtsorganisationen an den Pranger gestellt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Unterschiedliche Auffassungen haben die Parteien zur Frage des sozialen Europas. Wir Grüne wollen soziale Grundrechte in Europa stärken, grenzüberschreitend eine gute Gesundheitsversorgung, eine gute soziale Basisversorgung, Arbeitnehmerrechte stärken, die Rechte von kleinen Unternehmen stärken, den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt ausbauen, gerade im deutsch-dänischen Raum, im polnisch-mecklenburgischen Raum ist das für die Menschen von unmittelbarer Bedeutung.

Unterschiedliche Auffassungen haben wir zum Umfang der Maßnahmen zur Bekämpfung besonders der Jugendarbeitslosigkeit, und ich sage auch zur Verhinderung des Brain Drain in großen Teilen der Europäischen Union. Ich denke, dazu haben wir im Landtag noch Anträge vorliegen, das werden wir noch intensiv beraten, wie vielschichtig dieses Thema ist.

Wir haben unterschiedliche Auffassungen zur Umsetzung eines starken gemeinsamen Rechtsrahmens in der Finanz-, Wirtschafts- und Steuerpolitik sowie unterschiedliche Auffassungen beim TTIP. Wir wollen diesen schleichenden Staatsstreich nicht, nicht in unseren Parlamenten, nicht in den Parlamenten anderer europäischer Länder und auch nicht in den Parlamenten der Vereinigten Staaten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Wir wollen, dass die demokratischen Rechte erhalten bleiben. Wir kämpfen an dieser Stelle wirklich für die kulturellen Werte Europas.

Wir wollen ein Europa, eine Europäische Union der Jugend, der Bildung, des beruflichen Austauschs, des kulturellen Austauschs und eine europaweite Zusammenarbeit in der Mobilität. Ich denke, gerade das ERASMUS-Programm und die vielen Initiativen, die in dem Bereich laufen, stärken das, was sich entwickelt und was sich für die nächste Generation entwickelt, dass es eine Selbstverständlich

(Bernd Voß)

keit ist, überall in Europa arbeiten zu können, überall in Europa seine Verwandten und Freunde zu haben und überall in Europa auch stolz zu sein auf die Kultur, aus der man kommt.

Wir stehen, und wir kämpfen für die europäische Wertegemeinschaft, die letztlich stark ist durch die vielfältigen Kulturen der unterschiedlichen europäischen Regionen. Europa wächst letztlich von unten. Stärken wir mit der Wahl zum Europäischen Parlament am 25. Mai 2014 ein Europa des grünen Wachstums, ein soziales Europa der Freiheit und der Sicherheit!

Schleswig-Holstein in einem demokratischen Europa - ich kann nur sagen: Das passt doch so richtig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die demnächst stattfindenden Europawahlen sind eine enorme Chance für die Bürger, politische Mitbestimmung wahrzunehmen, die Chance, die eigene Meinung in der Europapolitik durch die Stimmabgabe zum Ausdruck zu bringen, die politischen Entwicklungen in der EU in den kommenden Jahren mit zu beeinflussen.

Das Europaparlament ist, das hat es in den letzten Jahren, wie ich finde, eindrucksvoll unter Beweis gestellt, der Anwalt der Bürger, auch gegen manchmal zu bürokratische Aktionen aus den Reihen der EU-Kommission. Wenn seine Rechte weiter gestärkt werden, wofür wir Liberale uns einsetzen, dann wird es auch aus dem Europäischen Parlament heraus noch mehr Initiativen geben, einiges der Kritik, die manche EU-Bürger an der politischen Aktivität der Kommission haben, abzuwenden. Das europäische Parlament zu stärken, ist deshalb für die Zukunft ein ganz wichtiger Ansatzpunkt.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Wolfgang Dudda [PI- RATEN])

Es ist ganz sicherlich nicht zielführend, wenn jetzt im politischen Raum über eine Wahlpflicht zum Europäischen Parlament diskutiert wird.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und vereinzelt SPD)

Ich finde es gut, dass alle demokratischen Parteien die Vertreter Schleswig-Holsteins und Norddeutschlands - im Europäischen Parlament diese Idee abgelehnt haben, denn die Einführung einer solchen Wahlpflicht käme in der Tat einer Bankrotterklärung der Demokratie in Europa gleich

(Beifall FDP, PIRATEN, vereinzelt CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und hätte, davon bin ich fest überzeugt, eher den gegenteiligen Effekt. Sie würde sich als politischer Bumerang auswirken.

Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass etwa die Kollegin Ulrike Rodust, die ich ansonsten sehr schätze, ihre Ablehnung noch etwas deutlicher zum Ausdruck gebracht hätte. Die Formulierung, die wir heute in den „Kieler Nachrichten“ lesen können, es wäre ihr lieber, wenn wir die Menschen auch ohne Wahlpflicht überzeugen könnten, ist mir einfach zu defensiv.

(Beifall FDP, PIRATEN und Wolfgang Baasch [SPD])

Das hätte man sehr viel klarer zum Ausdruck bringen können; denn das impliziert ja die Möglichkeit, dass dann, wenn wir die Menschen nicht überzeugen können, die Wahlpflicht als letztes Mittel möglicherweise doch infrage kommt.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Wir teilen Ihre Auf- fassung!)

- Herr Kollege Stegner, die Formulierung ist zumindest unglücklich. Vielleicht können Sie mir insofern auch zustimmen.

Die europäische Integration ist die einzige wirksame Antwort der europäischen Staaten auf den Prozess der Globalisierung. Nur gemeinsam wird man heute noch in der Welt gehört, kann mitreden und auf der Weltbühne mitbestimmen. Einzeln für sich genommen werden selbst die größeren europäischen Staaten zum Spielball einer Politik, die dann andere bestimmen. Das ist aus meiner Sicht das zentrale Argument, auch mit der Vertiefung der Europäischen Union, der Stärkung der Integration weiterzugehen und etwa eine Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik der europäischen Staaten wirkungsvoller zu gestalten, als wir das zuletzt in der Ukraine-Krise - bis zum heutigen Tag - erlebt haben. Da gibt es Defizite in der Europapolitik, an denen alle Mitgliedsländer und auch das Europäi