Protocol of the Session on May 15, 2014

Das Europäische Parlament hat die pauschale Massenüberwachung durch die nationale Sicherheitsbehörde der USA zuletzt im März per Entschließung kritisiert. Vorher hatte das Parlament die US-Massenüberwachungsprogramme genau ein halbes Jahr lang untersucht. Auszugsweise sind die Befunde auch im Antrag zitiert. Die Sachlage ist klar. Die USA spähen aus, und die Europäer wollen sich das nicht gefallen lassen. Sie wollen, dass das aufhört und die Bürgerrechte der europäischen Bürgerinnen und Bürger respektiert werden. Es besteht allerdings Dissens bei der Wahl der Mittel. Grundsätzlich ist der Hebel, den der Antrag vorschlägt, falsch.

Erstens sind wir als Landtag nicht für die Außenpolitik zuständig. Zweitens ist das Beschwerdeverfahren über die Artikel des Internationalen Bürgerpakts kompliziert, und drittens wird das Ansinnen in Berlin keine Mehrheit finden. Die Bundesregierung hat zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass sie gegenüber dem Bündnispartner USA Sanktionen wegen der Massenausspähung aussprechen will.

(Zuruf: Das sollten sie aber!)

Das wäre schließlich die letzte Konsequenz. Denn wenn man brüllt, muss man hinterher auch irgendwann die Konsequenzen ziehen.

Viertens - und das ist der entscheidende Punkt steht die Wirkungslosigkeit einer Beschwerde außer Zweifel. Die USA haben durch ihre Politik nicht erkennen lassen, dass sie die Massenüberwachung einstellen oder einschränken werden. Die Supermacht lässt sich weder von Staatsbesuchen noch von unseren Appellen erweichen. Sollte es tatsächlich zu einer völkerrechtlichen Beschwerde Deutschlands gegen die USA kommen, könnte bereits eine umfangreiche Antwort seitens der USA

(Dr. Ekkehard Klug)

das Verfahren beenden. Auch das dokumentiert die Wirkungslosigkeit einer solchen Maßnahme.

Was tatsächlich von allergrößter Dringlichkeit ist, ist das schnelle Ende der Überwachungsmaßnahmen. Solange E-Mails massenhaft ohne Anlass nach Wörtern gescannt und monatelang gespeichert werden, ohne dass Empfänger oder Absender informiert werden, wird deutsches Recht verletzt. Das muss aufhören, darin sind wir uns auch einig.

Schleswig-Holstein sollte das EU-Parlament in dem Vorhaben unterstützen, erst nach Ende der Massenüberwachung die Freihandelsverhandlungen mit den USA fortzusetzen.

(Beifall Uli König [PIRATEN] und Dr. Pa- trick Breyer [PIRATEN])

Das EU-Parlament nutzt dabei die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen als effektives Druckmittel, denn die USA sind stark an gemeinsamen Standards mit Europa interessiert, um ihre Exporte zu verbessern. Das Parlament hat klargemacht: Wenn die USA das Ausspähen nicht beendet, werden die Verhandlungen auf Eis gelegt - so zumindest die Entschließung, die mit großer Mehrheit vom Europaparlament angenommen wurde.

Allerdings zeigen sich die europäischen Regierungen, darunter auch die deutsche Regierung, davon ziemlich unbeeindruckt. Schon nächste Woche treffen sich für die nächste Verhandlungsrunde in Washington Vertreter Europas und aus den USA. Genau das ist der eigentliche Fehler. Die USA werden sich von Klagen, Beschwerden oder Resolutionen nicht beeindrucken lassen. Das Einzige, bei dem Amerikaner wirklich nachdenklich werden, sind wirtschaftliche Probleme, die sich aus ihrem Handeln ergeben könnten. Zeitgleich mit dem Freihandelsabkommen sollte man also auch zu vertraglichen Regelungen bezüglich der Überwachungsmaßnahmen kommen. Darüber hinaus muss man den US-Amerikanern auch deutlich machen, dass es andere und bessere Maßnahmen gibt, um Terrorismus und Verbrechen zu bekämpfen. Hier sollte man sicherlich zusammenarbeiten, um so flächendeckende Überwachungsmaßnahmen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern obsolet zu machen.

Bevor also vor Gericht gezogen wird - was ja auch im echten Leben nicht immer sinnvoll ist -, sollte man auf gemeinsame Strategien zur Terrorismusbekämpfung hinarbeiten, die Massenüberwachungen unnötig machen. Gleichzeitig sollte man zum Freihandelsabkommen deutlich machen, dass dies nur kommen kann, wenn das gegenseitige Vertrauen wiederhergestellt ist.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten König?

Sehr gern.

Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Lieber Kollege Harms, wenn Ihnen jemand Unrecht tut, würden Sie sich dann nicht auch beschweren, selbst wenn Sie der Meinung sind, dass es wahrscheinlich keine Wirkung haben wird? Oder würden Sie einfach sagen: „Ich sage jetzt nichts, denn das bringt ja eh nichts“?

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Lieber Kollege König, das hängt davon ab, wie meine eigene Situation aussieht. Wenn mir die Beschwerde nichts bringt, bringt es mir auch nichts, irgendwo vor Gericht zu ziehen und dort Recht zu bekommen, wenn der, über den man sich beschwert, sein Handeln nicht ändert. Wenn mir also jemand Unrecht tut, ziehe ich vor Gericht, wenn ich Erfolgschancen habe. Wenn ich keine Erfolgschancen habe, dann belege ich ihn mit einer Sanktion oder mit einem Mittel, das ihn dazu zwingt, sein Verhalten zu ändern. Das ist im privaten Leben manchmal dadurch möglich, dass man den Kontakt abbricht. Es kann auch sein, dass man möglicherweise versucht, den anderen in anderer Art und Weise mit einer Handlung, die vielleicht nicht ganz so freundlich ist, anzugehen, um etwas bei ihm zu bewegen. Das ist ganz davon abhängig, wie die jeweilige Situation aussieht. Danach verhalte ich mich in meinem privaten Leben auch. Mir ist auch schon einmal Unrecht getan worden.

(Peter Eichstädt [SPD]: Hört, hört! - Christo- pher Vogt [FDP]: Was? Benennen Sie Ross und Reiter!)

Trotzdem, lieber Kollege König, bin ich bisher in meinem Leben relativ selten vor Gericht gewesen. Es gibt ganz, ganz wenige Situationen, in denen man das einfach tun muss, weil es nicht anders geht, bestimmte Dinge zu regeln.

Aber in dieser Frage habe ich immer deutlich gemacht, dass es einfach nichts bringt. Das zeigt

(Lars Harms)

schon allein die rechtliche Konsequenz, die daraus resultiert, wenn man gewinnt. Die wäre nur die Tatsache, dass sich die USA dann dazu äußern müssten. Das wäre mir zu wenig.

Wenn ich die US-Amerikaner wirklich zu einem anderen Handeln zwingen will, dann muss ich das mit etwas tun, was ihnen weh tut. Das ist bei den Amerikanern immer das Portemonnaie. Wenn man da rangeht, wenn man sie da zu etwas zwingt, dann sind sie auch bereit, Verträge zu unterzeichnen, dann sind sie auch bereit, möglicherweise ihr Handeln zu ändern.

(Lachen Christopher Vogt [FDP])

Das erreiche ich nicht dadurch, dass ich einfach nur ein Gerichtsverfahren anstrebe, mit dem ich sie am Ende nur dazu bringen könnte, dass sie sich dazu auch einmal äußern. Das ändert ihr Handeln nicht.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Vielen Dank. - Jetzt kommt ein Dreiminutenbeitrag des Abgeordneten Dr. Breyer von der Piratenfraktion. - Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern etwas zu den Gegenargumenten von Kai Dolgner zu unserem Antrag sagen. Diese lassen sich erstens in dem Argument zusammenfassen, „Das bringt doch eh nichts“, und zweitens: „Wir verletzen selbst doch auch Menschenrechte, dagegen sollten wir erst einmal etwas tun“.

Zum ersten Argument, das würde nichts bringen, kann ich nur sagen: Wir müssen natürlich alle Möglichkeiten ausschöpfen und alle Punkte der Resolution des Europaparlaments umsetzen. Wir dürfen sie nicht gegeneinander ausspielen. Wer sagt, eine Beschwerde Deutschlands vor dem UN-Menschenrechtsausschuss gegen die USA bringe nichts, verkennt doch völlig, was das für ein politisches Signal wäre.

(Beifall PIRATEN)

Wenn die Bundesregierung erstmals sagen würde: „Wir lassen euch nicht so weitermachen und reden nur ein bißchen mit euch“, sondern sagen würde: „Das ist eine Verletzung der Menschenrechte, und wir ziehen euch vor den zuständigen Ausschuss“, wäre das ein massives Signal. Das würde natürlich den Druck auf die USA massiv erhöhen.

Ich kann nur sagen, andere Staaten, zum Beispiel Brasilien, sind sehr viel mutiger, und wir brauchen dieses Signal.

Im Übrigen haben Sie aus unserer Sicht auch nichts Überzeugendes zum zweiten Punkt im Antrag gesagt. Großbritannien vor dem Menschengerichtshof zu verklagen, ist ein wirksames Instrument. Großbritannien setzt diese Urteile um. Sie sind schon einmal verklagt worden, weil ihre Geheimdienste immer wieder über die Stränge schlagen. Deshalb müssen wir das auch machen.

(Beifall PIRATEN)

Zum Vorschlag von Burkhard Peters, über die EU zu gehen, kann ich nur sagen: Das bringt überhaupt nichts, weil die EU für die Geheimdienste der nationalen Mitgliedstaaten nicht zuständig ist. Deshalb geht das nicht. Das hat auch der Präsident des Anwaltvereins, Herr Ewer, neulich in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ festgestellt. Vielleicht haben Sie das gelesen.

Zum zweiten Argument, wir verletzten doch selbst die Menschenrechte. Da muss ich - so weh mir das auch tut - tatsächlich unsere Geheimdienste einmal in Schutz nehmen. Unsere Geheimdienste nehmen nämlich keine Totalregistrierung aller unserer Kommunikation, mit wem wir telefonieren und was wir sprechen, also von Telekommmunikationsinhalten, vor. Wer das, was wir hier in Deutschland machen, mit dem gleichsetzt, was die NSA macht, der verharmlost die Praktiken der NSA. Das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall PIRATEN und Jürgen Weber [SPD])

Natürlich ist es richtig, dass es auch bei uns massiv verfassungswidrige Überwachungsgesetze gibt, oft übrigens mitgetragen von der SPD, die vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden. Aber gegen diese Gesetze klagen wir auch. Das heißt ja nicht, dass wir nicht auch gegen die menschenrechtswidrigen Praktiken anderer Staaten vorgehen müssen. Noch einmal: Wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um die Massenüberwachung zu stoppen, bei uns genauso wie im Ausland. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Kai Dolgner das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag.

(Lars Harms)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Letzten, was der Kollege Dr. Breyer gesagt hat: Erstens. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat von sich aus - das ist das Gremium, das den Vertrag überwacht und das von uns getragen wird -, also alle 168 Staaten, haben die Praxis der USA schon verurteilt. Wenn das ein geringeres Signal sein soll, als wenn nur Deutschland eine Beschwerde einreicht, dann ist das ihre persönliche Einschätzung.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Der UN-Menschenrechtsausschuss ist das Gremium des Vertrages.

(Wortmeldung Dr. Patrick Breyer [PIRA- TEN])

- Können wir die Uhr anhalten?

Er hat kein Mikrofon, die Technik funktioniert nicht. Wir halten die Uhr erst einmal an. - Ich habe Sie überhaupt noch nicht gefragt, ob Sie eine Zwischenbemerkung zulassen wollen. Aber offensichtlich lassen Sie sie zu. - Herr Dr. Breyer, Sie haben das Wort.

(Zurufe)

Lieber Kollege Kai Dolgner, würden Sie mir zustimmen, dass sich der UN-Menschenrechtsausschuss in seinem Bericht, den Sie ansprechen, nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die Massenüberwachung der NSA Menschenrechte verletzt, sondern sich lediglich besorgt gezeigt und Empfehlungen ausgesprochen hat, jedoch keinesfalls geprüft hat, ob diese Praxis gegen den Pakt über bürgerliche und politische Rechte verstößt?