Protocol of the Session on May 15, 2014

die Diskussionen erforderlich machten. Im gleichen Atemzug hat sie aber gesagt, eine enge Zusammenarbeit der Geheimdienste sei völlig unverzichtbar. Das US-Handelsabkommen TTIP werde natürlich weiter verhandelt. Jetzt ist auch noch bekannt geworden, dass sogar die Einladung von Edward Snowden vor unseren Untersuchungsausschuss abgelehnt wird, weil das ja die Beziehungen zu den USA gefährden könnte - ganz zu schweigen von einem Aufenthaltsrecht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was für ein jämmerliches Bild geben wir hier eigentlich ab? Wir sind doch nicht der Büttel der USA, und Menschenrechte sind doch keine Meinungsverschiedenheit, sondern geltendes Recht. Das, was die USA hier an Massenüberwachung machen, was Großbritannien macht und andere Geheimdienste machen, ist doch eine Verletzung unserer Souveränität und internationaler Menschenrechtsabkommen, sehr verehrte Damen und Herren.

(Beifall PIRATEN)

Stellen Sie sich einmal vor, Ihr Haus wird verwanzt und abgehört. Sie rufen die Polizei zu Hilfe. Die kommt und sagt dann: „Wir gehen mal zum Täter hin und sagen, wir müssen mal reden.“ Das ist alles. Es wäre doch völlig unvorstellbar, dass bei uns auf eine Rechtsverletzung so reagiert wird: Man lässt weiter gewähren und redet miteinander.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Jahr nach Bekanntwerden dieser skandalösen Massenüberwachung ist die Zeit der Worte vorbei, und jetzt müssen wir Taten sehen. Die USA und Großbritannien müssen zur Rechenschaft gezogen werden für ihre maßlose und, wie ich finde, auch unverschämte Bespitzelung wahlloser Bürger.

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

(Beifall PIRATEN)

Das Europäische Parlament hat im März mit den Stimmen aller Parteien, aller hier auch im Landtag vertretenen Parteien mit Ausnahme des SSW die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, bei der UNO Beschwerde gegen diese maßlose Massenüberwachung einzureichen. Diesen guten Beschluss gilt es jetzt hier bei uns umzusetzen.

(Beifall PIRATEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Und dann durchzusetzen!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, diese Beschwerde ist erforderlich, um endlich die gefährliche Behauptung der USA zu widerlegen, außerhalb ihres Staatsgebietes hätten wir überhaupt keine Menschenrechte und eine Totalregistrierung unserer Kommunikation sei gar kein Eingriff in unsere Privatsphäre. Damit verteidigen ernsthaft die USA ihre Praxis. Dazu kann ich nur sagen: Wer sein Recht nicht wahrt, der gibt es auf. Deswegen erwarten die Menschen zu Recht von uns, dass wir ihre Rechte verteidigen und durchsetzen.

(Beifall PIRATEN)

Ich füge hinzu: Wir müssen auch Edward Snowden, dessen mutige und selbstlose Enthüllungen uns diesen Widerstand überhaupt erst ermöglicht haben, einen sicheren Aufenthalt bei uns in Deutschland gewähren; denn wer wegen der Aufdeckung schwerster Menschenrechtsverletzungen verfolgt wird, der muss bei uns hier willkommen sein.

(Beifall PIRATEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Europa gilt das Recht. Wir sind ein Rechtsstaat, und Recht braucht Unrecht nicht zu weichen. Das sollten wir auch allen klarmachen.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Axel Bernstein das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich einmal versuche, den Antrag, den die PIRATEN hier gestellt haben, in einem Satz zusammenzufassen, dann könnte dieser so lauten: Die PIRATEN beantragen, der Landtagspräsident möge einen Beschluss des Landtags an die Bundesregierung übermitteln, in dem der Landtag die Bundesregierung auffordert, entsprechend der Entschließung des Europäischen Parlaments gegen die USA und Großbritannien ein zwischenstaatliches Beschwerdeverfahren einzuleiten.

Man spürt die Nervosität in Washington und London ja bereits.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Schlie ist schon von Gewicht! - Heiterkeit)

Sie haben in der Sache natürlich insofern durchaus recht, was das Verhalten der angelsächsischen Nachrichtendienste -

(Unruhe)

Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Ich würde gerne mitlachen. Ich habe es akustisch nicht mitbekommen.

Sie haben ja durchaus recht, dass das Verhalten der angelsächsischen Nachrichtendienste für uns nicht tolerabel ist. Das Europäische Parlament hat dies und weitere wichtige Punkte in seiner Entschließung ja auch deutlich zum Ausdruck gebracht.

Die Reaktion bei unseren Partnern in Washington auf die Forderungen des Europäischen Parlaments und auch auf die Forderungen von Bundestag und Bundesregierung ist bislang wahrlich nicht ausreichend. Ich sage an dieser Stelle trotzdem sehr bewusst: die Reaktion unserer Partner. Das aus unserer Sicht maßlose Sammeln von Daten durch Sicherheitsorgane der USA entspringt einem gefühlten Bedarf an Selbstverteidigung seit dem 11. September 2001. Eines kann es nicht verändern: Die USA sind nach wie vor der natürliche Partner Europas, dessen demokratische Werte und dessen wirtschaftliche Interessen uns nach wie vor so nahe sind wie die keiner anderen nennenswerten Macht.

So sehr ich es ablehne, die berechtigte Kritik an den USA für einen stumpfen, alten Antiamerikanismus

(Dr. Patrick Breyer)

zu missbrauchen, so sehr lehne ich es auch ab, naiv zu glauben, dass die USA unseren Vorstellungen folgen, weil wir ganz nett sind und in einem Glashaus an der Förde sitzen. In der Diskussion um Rechte und Methoden von Nachrichtendiensten stehen wir nicht auf Augenhöhe.

Das kann man einfach hinnehmen. Dann kann man auch, wie die PIRATEN es tun, die Abschaffung deutscher und europäischer Dienste fordern oder mehr Transparenz von Geheimdiensten erwarten. Wir halten es allerdings für vollkommen falsch und verantwortungslos, wenn wir uns als größtes Land in der Europäischen Union sehenden Auges ins internationale Abseits stellen.

Wenn man nicht nur seiner Entrüstung Ausdruck verleihen möchte, sondern tatsächlich etwas ändern will, kommt man an ein paar harten Wahrheiten nicht vorbei. Niemand nimmt uns ernst, wenn wir die Methoden von Nachrichtendiensten verurteilen, auf deren Aufklärungsergebnisse wir selbst immer wieder angewiesen sind. Es läge also an uns, den Nachweis zu erbringen, dass man die nötigen sicherheitsrelevanten Informationen auch gewinnen kann, ohne dabei gleich die ganze Welt abzuhören. Wollen wir das? Können wir das?

An dieser Stelle bleibt auch die Entschließung des Europäischen Parlaments schwach. Es zeigt nämlich keine Alternative auf, wie man die nötige nachrichtendienstliche Fähigkeit selbst erwerben könnte. Genau das müsste man, wenn man den Methoden der US-Dienste glaubwürdig entgegentreten wollte. Die Schaffung einer europaweiten Abwehr wurde im Europäischen Parlament jedoch knapp abgelehnt.

Herr Abgeordneter Dr. Bernstein, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer?

Ja, gern.

Bitte schön.

Herr Kollege Bernstein, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie die verdachtslose, massenhafte Bespitzelung von uns allen durch die USA kritisieren, aber sagen, wir seien auf die Ergebnisse dieser Menschenrechtsverletzung

angewiesen? Habe ich das richtig verstanden?

Ich habe ausgeführt, dass wir immer wieder auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse aus den USA angewiesen sind und diese gern nutzen, wenn es um Terrorabwehr geht - wobei ich nicht im Einzelnen beurteilen kann, ob sie nach unserem Recht durch illegale Methoden zustande gekommen sind oder nicht. Das wird wahrscheinlich keiner von uns nachvollziehen können. Es bringt nichts, jemanden für seine Methoden zu kritisieren, wenn man gleichzeitig darauf angewiesen ist und immer wieder etwas von ihm will.

(Uli König [PIRATEN]: Sind wir doch gar nicht!)

- Ihre Einschätzung teile ich nicht.

Politik ist - frei nach Bismarck - die Kunst des Möglichen. Für uns alle ist es unbefriedigend, dem Treiben ausländischer Geheimdienste mehr oder weniger machtlos zuzuschauen.

Die Praktiken der USA wurden durch Herrn Snowden besonders in den Fokus gerückt. Die Praktiken anderer Geheimdienste aus nicht demokratischen Staaten, die objektiv eine wesentlich größere Bedrohung für unsere Sicherheit und Wirtschaft darstellen, geraten darüber schnell in Vergessenheit. Wenn wir aber nicht nur empört zuschauen wollen, müssen wir uns entscheiden, eigene Fähigkeiten aufzubauen und zu stärken. Sind Sie dazu bereit? Moralische Entrüstung und fruchtloses Lamentieren als Politikersatz sollten wir uns schenken.

(Beifall CDU)

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Kai Dolgner das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Entschließung des Europäischen Parlaments enthält 135 Punkte zu den Konsequenzen aus der NSA-Affäre. Leider hat sich die Piratenfraktion ausgerechnet einen der schwächsten und wirkungslosesten herausgesucht: das zwischenstaatliche Beschwerdeverfahren des UN-Zivilpakts, dem interessanterweise auch anerkannte Grundrechtsexperten wie Usbekistan, Syrien und sogar Nordkorea angehören.

(Dr. Axel Bernstein)

(Vereinzelter Beifall SPD)

Wie läuft das Artikel-41-Beschwerdeverfahren ab? Herr Breyer, Sie haben ein bisschen suggeriert, was es gar nicht liefern kann. Wenn sich die Vertragsstaaten nicht einig werden, dann gibt es nach ein bis zwei Jahren eine wirklich scharfe Sanktion: Der zuständige UN-Menschenrechtsausschuss macht einen Bericht - kein Urteil oder so etwas. Das mag übrigens auch erklären, dass Nordkorea kein Problem damit hatte, dem Pakt beizutreten.

(Vereinzelter Beifall SPD und SSW)

In diesem speziellen Fall brauchen wir gar nicht so lange zu warten, denn der UNO-Menschenrechtsausschuss, der das im Zweifelsfall am Ende des Beschwerdeverfahrens klärt, hat bereits am 26. März von sich aus die Praxis der NSA scharf verurteilt, und zwar ganz in Ihrem und auch unserem Sinne.