Protocol of the Session on April 9, 2014

Lieber Kollege Kubicki, ein zweiter Preistreiber ist in Bezug auf die Windenergie die Tatsache, dass windschwache Standorte im Süden weiterhin vergleichsweise hohe Vergütungen bekommen sollen. Das ist ein Problem. Natürlich gönne ich es den

süddeutschen Ländern, dass auch sie sich an der Energiewende beteiligen können. Allerdings führt das unter ökonomischen Gesichtspunkten zu einer Schieflage. Denn im Süden werden Dinge gefördert, die im Norden preiswerter zu haben wären. An diesem Punkt muss man vielleicht noch einmal nachsteuern.

Ein wichtiger Punkt in den Verhandlungen und für mich aus schleswig-holsteinischer Sicht der entscheidende Punkt ist, dass wir weiterhin Bürgerwindparks ermöglichen müssen. Wir müssen erreichen, dass die geplanten Ausschreibungen nicht für Windparks gelten, die auch von Bürgern selber betrieben werden können. Möglicherweise können dazu Grundlagen geschaffen werden, die sich an den Flächen, am Ertrag oder auch an der Anzahl der Anlagen orientieren, sodass man sagen kann: Bestimmte Bereiche sind von den Ausschreibungen ausgenommen, damit Bürgerwindparks, die insbesondere in Schleswig-Holstein ein Erfolgsmodell sind, weiterhin eine Chance haben. Denn mit diesen Windparks wird gerade bei uns in der Region Wirtschaftskraft generiert.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich werde zum Schluss kommen. Meine Damen und Herren, diese Bürgerwindparks sollten wir erhalten.

Die Zwischenziele sind erreicht. Die schleswig-holsteinische Wirtschaft wird unterstützt. Wir haben eine nachhaltige Energiewende gesichert und Perspektiven für Arbeitsplätze und die Wirtschaft hier in der Region. Das hat der Ministerpräsident hervorragend gemacht.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die Landesregierung hat Ministerpräsident Torsten Albig.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beschlussfassung der Bundesregierung zum EEG vom gestrigen Tage ist eine gute. Sie ist auf der Basis intensiver Verhandlungen entstanden, die alle Länder, alle gesellschaftlichen

(Lars Harms)

Gruppierungen, in den letzten Monaten geführt haben. Daran haben die meisten von uns teilgenommen. Beteiligt waren grüne Minister, schwarze und rote Ministerpräsidenten und wahrscheinlich auch Parteivorsitzende. In keiner Äußerung, lieber Herr Callsen, lesen Sie, dass das nur ein Ministerpräsident war. Ich versichere Ihnen, auch Sie waren daran beteiligt. Ich danke Ihnen herzlich. - Nein, auch die haben das nicht gesagt. Wir alle im Norden haben das miteinander geschafft. Meinen Sie nicht, dass wir es irgendwann einmal der staunenden Öffentlichkeit erklären können - so eine ganze kurze Sekunde lang -: Wir haben tatsächlich etwas gemeinsam geschafft. Wir halten das eine Sekunde aus, und der nächste Satz lautet nicht: Irgendwie war es doch nicht so toll, Herr Ministerpräsident. Glauben Sie, irgendetwas bricht Ihnen aus der Krone, wenn wir das miteinander verkünden?

(Zuruf CDU)

- Er muss ja nicht, aber Sie könnten schon.

(Beifall und Heiterkeit SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Die Debatten, auch mit der Frau Bundeskanzlerin, waren extrem konstruktiv, auch wenn sie in vielen Positionen eine andere Meinung vertritt als ich. Das, was die Nord-CDU genauso wie die NordSPD dazu beigetragen hat, hilft.

Bei dem Projekt stellen wir fest: Ja, es gibt ziemlich viele unterschiedliche Positionen. Es gibt Länder, die haben Biomasse, die kämpfen für Biomasse. Es gibt Länder, die haben Braunkohle, die kämpfen für Braunkohle. Es gibt Länder, die sind mehr mittelständisch, die kämpfen für den Mittelstand. Es gibt Länder, die sind mehr großindustriell, die kämpfen für Großindustrie. Trotzdem ist es uns gestern gelungen, bei einem nicht zustimmungspflichtigen Gesetz, das Verfahren bis zum Kabinettsbeschluss voranzubringen, einen Kompromiss auszuarbeiten, der von allen 16 Ländern getragen wird. Alle 16 Länder haben erklärt, dass sie wegen dieses Gesetzes den Vermittlungsausschuss nicht anrufen werden. Alle Länder haben die Idealposition, die sie durchsetzen würden, wenn sie die absolute Mehrheit sowohl im föderalen System des Bundesrats als auch der Bundesregierung hätten, hintangestellt. Die Möglichkeit, die eigene Idealposition durchzusetzen, wird es so schnell nicht geben. Daher werden wir Kompromisse erzielen müssen.

Wenn wir gucken, was wir miteinander erreicht haben, dann ist das nicht so schlecht. Gemessen an dem Referentenentwurf ist das nicht so schlecht. Wir haben erreicht, dass es keinen Deckel gibt, der

Onshore-Wind in Schleswig-Holstein, im Norden, so deckelt, dass der Bereich nicht mehr ausgebaut werden kann. Es ist ein großer Erfolg, dass wir uns da gemeinsam durchgesetzt haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dadurch, dass wir Repowering rausgezogen haben und die Bundesregierung das gegen heftigen Widerstand in den Debatten jetzt mitträgt, haben wir sichergestellt, dass wir unsere Ausbauziele in Schleswig-Holstein, die Richtung 9 GW im Jahr 2020 gehen, erreichen können. Wir können sie erreichen.

Es ist ein Erfolg, dass wir das Referenzertragsmodell gegenüber dem Referentenentwurf so angepasst haben, dass es sowohl bei der Dauer der Vergütungszeit als auch bei der Höhe der Vergütung bis zu einem Wert von ungefähr 130 % besser ist als das Modell, das die Bundesregierung vorgelegt hat. Es ist für unsere Windmüller besser. Es hilft zwar auch denen, die einen 70-%-Standort haben, wir brauchen in Deutschland aber auch 70-%Standorte.

Eine Debatte, wir sind im Norden und allein in der Welt, ist nicht durchsetzbar. Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben auch Interesse an dieser Energie. Es ist mir allemal lieber, sie nutzen diese Energie als Kohle, Gas oder irgendetwas anderes. Es ist sinnvoll, sie dabei zu unterstützen. Die Entwicklungszyklen in diesem Bereich sind so, dass wir auch dort zu einer effizienten Windenergie kommen. Das hilft auch uns, denn wir sind an den 100-%-Standorten besser.

Es war ein Erfolg, dass die Bundesregierung davon Abstand genommen hat, dass sie schon in diesem Gesetz eine fixe Ausschreibungsvorstellung formulieren wollte. Sie wollte es mit Berufung auf Brüssel tun. Sie hat davon Abstand genommen. Wir werden in Brüssel damit auch Erfolg haben. Wir werden erst einmal im Bereich der Photovoltaik lernen. Wir schauen uns an, was das bedeutet, und dann übertragen wir das bis 2017 in ein neues Regime. Wir bekämpfen gar nicht die Ausschreibungslogik. Wir glauben, dass darüber auch Preiseffekte erzielt werden können. Es ist gut, wenn wir lernen und dann die Schlussfolgerungen für Windenergie ziehen, insbesondere - auch hier sagt die Bundesregierung etwas, was sie vorher nicht gesagt hat - unter der besonderen Berücksichtigung von Bürgerwindparks. Wenn wir das gegeneinander abwägen, ist es ein Erfolg, den wir erzielt haben.

(Ministerpräsident Torsten Albig)

Wir waren in manchen Dingen auch nicht erfolgreich. Es gab bei der Bundesregierung, weder beim SPD-Wirtschaftsminister noch bei der CDU-Bundeskanzlerin, bei der Frage der Übergangsregelung keine Bewegung, obwohl diese keinerlei EEG-Auswirkung hat. 0,006 Cent wären die Auswirkungen gewesen. Da waren wir nicht erfolgreich. Ich bitte Sie herzlich, wo immer Sie die Frau Bundeskanzlerin treffen, berichten Sie ihr, dass Sie es genauso sehen wie der Ministerpräsident und dass sie ihm wirklich glauben kann: es kostet nichts. Frau Bundeskanzlerin, Sie können das machen.

Das, was wir an Streitverfahren vor Verwaltungsgerichten in Deutschland haben, wird teurer sein als das, was wir EEG-mäßig einsparen. Es wäre schön, wenn wir das noch gemeinsam hinkriegen könnten. Die Bundestagsabgeordneten, die dafür stehen, und Sie sind herzlich aufgefordert, dafür zu werben, dass der letzte noch fehlende Punkt EEG-mäßig irrelevant ist. Dann haben wir eine runde Sache, für die wir uns gegenseitig ein wenig - man muss ja nicht übertreiben - feiern. Typisch norddeutsch könnten wir sagen: Es war ja nicht so schlecht. Jedenfalls sagen es mir die Unternehmen in diesem Land, dass es nicht so schlecht war und dass sie sich freuen, dass wir uns im Norden gemeinsam dafür eingesetzt haben. Es ist auch für den Verbraucher gut. Das, was wir an Wind-Onshore in das System hineingegeben haben, hat eine Wirkung von 0,03 Cent je Kilowattstunde. Hätten wir das nicht bekommen, wären die Folgen für die Verbraucher größer gewesen.

Bei dem, was Sie in der Tabelle im „Spiegel“ gelesen haben - die die allermeisten leider nicht gelesen haben können, weil sie schon nicht gelesen haben, dass dies keine Hochrechnung für einen Preis ist, sondern ein Modell, es stellt dar, was wäre, wenn der Strompreis an der Börse immer gleichbliebe, nämlich so niedrig wie heute, und was maximale Risikoszenarien, die in der Tabelle zum Teil falsch ausgewiesen sind, sein könnten -, stellen Sie fest, dass wir selbst bis 2020 - und die Tabellen, die wir diskutiert haben, gehen darüber hinaus - nicht über 7 Cent hinauskommen. Wir erreichen also eine dramatische Verbesserung des Ausbaus an erneuerbaren Energien und halten die Kostenentwicklung unter 7 Cent. Das ist ein großartiger Erfolg, den alle Beteiligten an diesem Projekt erzielt haben.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Von daher freue ich mich, dass ich das für Sie mitverhandeln durfte, dass wir im Norden einiges erreicht haben und dass unsere Geschlossenheit dort

Eindruck gemacht hat. Darum ging es. Das war die Aufgabe. Die Aufgabe ist erfüllt. - Danke.

(Anhaltender Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Sehr geehrte Damen und Herren, damit ist der erste Teil der Aktuellen Stunde beendet.

Ich rufe den zweiten Teil auf:

Aktuelle Stunde Teil 2: Konsequenzen für Schleswig-Holstein aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs über die EU-Richtlinie zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung

Antrag der Fraktion der PIRATEN

Für die Fraktion der PIRATEN erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Patrick Breyer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Europäische Gerichtshof hat gestern ein wegweisendes Urteil über die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gefällt.

(Beifall PIRATEN)

Er hat die EU-Vorgaben zur verdachtslosen Sammlung von Informationen über jedes Telefonat, über jede SMS, jede E-Mail, jede Internetverbindung in Europa für unvereinbar mit unseren Grundrechten und für insgesamt ungültig erklärt. Damit war der gestrige Tag eine Stern- und Feierstunde, nicht nur für uns PIRATEN und viele Bürgerrechtler, die seit Jahren gegen diese Vorratsdatenspeicherung kämpfen, sondern auch für diesen Landtag, der sich ganz klar dagegen ausgesprochen hat, und vor allem für die Menschen in unserem Land.

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt FDP)

Der Gerichtshof hat uns ins Stammbuch geschrieben, die Vorratsdatenspeicherung erzeuge bei den Betroffenen das Gefühl, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung sei. Eine Vorratsdatenspeicherung greife in die Grundrechte praktisch der gesamten europäischen Bevölkerung ein. Erfasst würden sämtliche Personen, elektronische Kommunikationsmittel und Verkehrsdaten selbst dann, wenn keinerlei Anhaltspunkte dafür bestünden, dass ihr Verhalten in einem auch nur

(Ministerpräsident Torsten Albig)

entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte.

Das ist eine klare Absage an Massenüberwachung à la NSA. Der Europäische Gerichtshof hat aus Edward Snowden und seinen Enthüllungen gelernt. Das ist gut so.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Wolfgang Kubicki [FDP])

Der Gerichtshof kritisiert, die Vorratsdatenspeicherung sei nicht beschränkt auf die Daten eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten Personenkreises, der in irgendeiner Weise in eine schwere Straftat verwickelt sein könnte.

Wenn diese Worte, dieses Urteil von Innenminister Breitner mit den Worten kommentiert wird, der Weg für eine Vorratsdatenspeicherung bleibe grundsätzlich frei, dann hat er sich komplett von der Lebenswirklichkeit und den politischen Zielen dieser Landesregierung abgekoppelt.

(Beifall PIRATEN, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Herr Innenminister, wenn sich der von Ihnen unterzeichnete Koalitionsvertrag gegen jede Form der Vorratsdatenspeicherung ausspricht, wenn der Landtag sie mit verfassungsändernder Mehrheit ablehnt, wenn zwei Drittel der Bevölkerung sie nicht wollen, wenn das Bundesverfassungsgericht das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung kippt, wenn der Europäische Gerichtshof die EU-Richtlinie kippt, was braucht es noch, um auch Sie zur Einsicht zu bewegen?

(Beifall PIRATEN und FDP)

Warten Sie noch darauf, dass auch der Seegerichtshof in Hamburg so entscheidet oder das Amtsgericht Rendsburg vielleicht?