Protocol of the Session on March 21, 2014

Wenn wir uns einer ehrlichen dezentralen Unterbringung nähern wollen, dann muss eine eventuell

(Angelika Beer)

abgrenzende Struktur unbedingt vermieden werden. Die Flüchtlinge und Asylbewerber müssen sichtbar sein; sichtbar im Sinne von Offenheit und Einbindung in ihre Umgebung. Zudem muss eine Infrastruktur vorhanden sein, die das Teilhaben am sozialen Leben erst möglich macht. Behörden, Ärzte, Institutionen und Organisationen müssen leicht zu erreichen sein.

Gleiches gilt für die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein. Auch sie sollten für den sogenannten Fremden erreichbar sein, denn schließlich geht es um die Partizipation von allen. So kann integrationsorientierte Unterbringung funktionieren; denn eines ist klar: Viele von denen, die kommen, werden auch längerfristig bleiben. Deshalb müssen wir die Flüchtlinge von Anfang an in unsere Gesellschaft integrieren. Es zeigt sich also, dass eine Unterbringung mehr ist als nur ein Dach über dem Kopf. Sie ist ein erster Schritt in die soziale Gemeinschaft. Flüchtlingspolitik ist mehr als das Zuweisen von Unterkünften, sie ist auch Integrationspolitik. Diese beiden Aspekte kann man nicht voneinander trennen, sie müssen gemeinsam getragen werden. Dazu haben wir uns im Koalitionsvertrag verpflichtet.

Die Landesregierung setzt diese Verpflichtung nun um. Eine solche Richtlinie stand in der Vergangenheit nicht immer auf der Tagesordnung, denn noch vor wenigen Jahren - im Jahr 2009 - war in der Vorbemerkung zu einer Großen Anfrage die Unterbringung in einer zentralen Unterkunft noch als alternativlos darstellt worden. Wir begrüßen daher ausdrücklich, dass die Landesregierung sich auf den Weg gemacht hat, die Leitlinie der rot-grün-blauen Koalition mit Leben zu füllen.

Ich möchte an die Kollegin Eka von Kalben anknüpfen: Der SSW wird sich in den Kreisen und in den Kommunen für die Flüchtlinge einsetzen.

Ich glaube, dass wir uns auch auf europäischer Ebene dafür einsetzen; denn gute Minderheitenpolitik ist gute Friedenspolitik.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen jetzt zu den Dreiminutenbeiträgen. Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Frau Abgeordnete Serpil Midyatli das Wort.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will Sie nicht lange aufhalten. Ich weiß auch gar nicht, ob mir das zusteht, denn Sie, Herr Innenminister, wurden gerade angesprochen.

Aber ich möchte doch einiges zu den Ausführungen von Frau Beer zu den Abschiebungen sagen. Wir alle haben uns hier dafür eingesetzt, dass wir mitten im tiefsten Winter die Menschen aus Mazedonien und Serbien nicht abschieben werden, obwohl sie hier kein Recht auf Asyl haben. Wir alle haben uns für ein Wintermoratorium eingesetzt. Genau um diese Flüchtlinge geht es jetzt.

Das war weder heimlich, noch geschah es hinter verschlossenen Türen, sondern das ist lange angekündigt. Wir haben diese Zeit genutzt, um zu sagen: Die Menschen haben zwar kein Recht auf Asyl, allerdings wollen wir sie nicht im Winter abschieben, damit sie dann nicht mitten auf der Straße landen. Diese große humanitäre Leistung haben wir gemeinsam auf den Weg gebracht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt FDP)

Ich weiß auch gar nicht, warum Sie sich hinstellen und so tun, als würden wir wahllos und unangekündigt Menschen mitten in der Nacht abschieben.

Zweitens. Es geht nicht darum, wer der beste Flüchtlingspolitiker oder die beste Flüchtlingspolitikerin ist und wer sich sozusagen ein Sternchen ans Revers heftet. Es gibt in diesem Land für jeden Einzelnen von uns genug zu tun. Wenn jeder in seinem eigenen Wahlkreis behilflich ist und unterstützt, mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern redet, mit den Gemeindevertretern spricht und sie darüber aufklärt, welche Organisationen es gibt, wer helfen oder unterstützen kann, wäre uns schon viel geholfen.

Mir geht es nicht darum zu sagen, dass ich im ganzen Norden unterwegs sei und helfen würde. Ich habe nie behauptet, dass ich die Einzige gewesen bin. Das werde ich auch nie tun. - Ich hoffe auf Ihre Unterstützung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Piratenfraktion hat Frau Abgeordnete Angelika Beer das Wort.

(Jette Waldinger-Thiering)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eben nicht die SPD-Sprecherin aufgefordert, Stellung zu nehmen, sondern den Minister.

Ich stelle fest, dass es einen massiven Unterschied gibt. Dazu stehe ich. Wir PIRATEN lehnen jede Nacht- und Nebelaktion und jede Sammelabschiebeaktion ab - egal woher diese Menschen kommen.

(Lebhafter Beifall PIRATEN)

Sie haben ein Recht darauf, menschenwürdig dorthin zurückzukehren, wohin sie müssen, wenn sie nicht das Recht bekommen hierzubleiben.

(Serpil Midyatli [SPD]: Nacht- und Nebelak- tion?)

- Schon wieder diese Rechthaberei. Hör doch mal auf!

(Zurufe SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen. Auch das ist der Unterschied: Die Große Koalition in Berlin verhandelt mit der SPD - unterstützt aus Schleswig-Holstein. Sie hat sich darauf geeinigt, in einige Balkanländer abzuschieben. Drei Länder sind im Koalitionsvertrag der Großen Koalition benannt. Für mich ist es absurd, Abschiebeländer überhaupt in einem Koalitionsvertrag zu benennen. Innenminister Breitner hat das kritisiert. Das finde ich gut. Allerdings hat er nur kritisiert, dass aus drei nicht fünf Länder werden dürfen.

Wir wollen null Länder. Es sollen keine Länder aufgeführt werden, in die abgeschoben wird. Denn wir wissen, wie schnell sich innenpolitische Situationen verändern können.

Das, verehrte Kollegin Midyatli, macht den Unterschied aus. Das ist auch gut so. Denn die Menschen brauchen eine Stimme in diesem Haus.

(Beifall PIRATEN - Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn das nicht selbstgerecht ist! - Weitere Zurufe)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich dem Vorsitzenden der FDP-Fraktion, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde den letzten Beitrag der Kollegin Beer wirklich erschütternd.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Frau Kollegin Beer, er ist vielleicht nur damit zu erklären, dass weder Sie noch Ihre Trümmertruppe dem Landtag Schleswig-Holstein in den letzten Jahren und Jahrzehnten angehört haben. Denn wir können auf eine Sache in Schleswig-Holstein stolz sein - völlig abgesehen von den Kontroversen, die wir sonst haben -: In Fragen der Asyl- und Flüchtlingspolitik haben wir mit allen Beteiligten in diesem Hohen Hause einen Konsens erzielt, bei dem die Menschen im Mittelpunkt standen.

(Serpil Midyatli [SPD]: Ja, genau!)

Teilweise ging das hart an die Grenze des bestehenden Rechts, manchmal sogar darüber hinaus, weil es uns wichtig war, menschenwürdige Verhältnisse für die zu schaffen, die zu uns kommen, und dafür Sorge zu tragen, dass sie sich in unserem Lande wohlfühlen.

Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, es bedürfe der PIRATEN, damit diese Menschen eine Stimme in diesem Parlament bekommen,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Huh!)

kann ich Ihnen sicher sagen: Die Menschen, die Sie meinen, wollen Ihre Stimme nicht. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. - Ich schließe die Beratung.

Es wurde beantragt, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 18/1543, dem Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Dann ist die Überweisung einstimmig so beschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Sammeldrucksache. Ich rufe die Sammeldrucksache auf:

Sammeldrucksache über Vorlagen gemäß § 63 Abs. 1 a der Geschäftsordnung des SchleswigHolsteinischen Landtags

Drucksache 18/1696

Voraussetzung für die Abstimmung ist, dass kein Abgeordneter und keine Abgeordnete widerspricht. - Das ist offenbar nicht der Fall.

Wer mit der Übernahme der Empfehlungen entsprechend der Sammeldrucksache 18/1696 einverstanden ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Damit hat der Landtag die Empfehlungen einstimmig bestätigt.

Zum Höhepunkt und Abschluss der Tagung übergebe ich jetzt an den Landtagspräsidenten Klaus Schlie.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich Sie auf die April-Tagung hinweisen.

Ich rufe jetzt erneut Tagesordnungspunkt 11 auf:

Vereidigung der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Schleswig-Holsteinischen Landesverfassungsgerichts