Protocol of the Session on February 21, 2014

Ganz so schlimm ist es bei uns zum Glück nicht, aber junge Menschen haben manchmal trotzdem mit vielen staatlichen Anlaufstellen zu tun.

Die Idee, jungen Menschen den Übergang von der Schule in den Beruf zu erleichtern, indem Beratung und Begleitung gebündelt werden, ist nicht neu. Eine Reihe von Städten hat schon frühzeitig Jugendberufsagenturen aufgebaut, in denen die Agentur für Arbeit, das Jobcenter und die jeweilige Stadt zusammenarbeiten. Die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz hat beispielsweise eine solche Agentur schon 2008 eingerichtet.

Mit der Gründung von Jugendberufsagenturen in Hamburg vor zwei Jahren wurde das erste Mal eine solche Struktur auf der Ebene eines ganzen Bundeslandes geschaffen. Das heißt nun nicht, dass die arbeitsuchenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Hamburg alle zu ein und demselben Büro pilgern müssen, um sich dort stundenlang die Beine in den Bauch zu stehen. Auch Hamburg hat ja nicht eine große römische Präfektur. Die Jugendberufsagenturen sind vielmehr in jedem Bezirke präsent, seit Dezember 2013 auch in Bergedorf.

Nach nur anderthalb Jahren ihrer Tätigkeit kann man noch kein abschließendes Urteil fällen, inwieweit dieses Modell optimierungsfähig ist. Die personelle Enge trifft Hamburg genauso wie Schleswig-Holstein.

Doch schon jetzt zeigt sich, dass der Weg richtig ist. Es werden nahezu alle Jugendlichen erreicht. Auch die Zahlen sprechen für sich: 2012 haben nur 25 % der Schulabgänger von Stadtteilschulen sofort einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen, 2013 waren es bereits 39 %.

Die Frage, die wir uns gestellt haben, ist, inwieweit das Hamburger Modell auf uns übertragbar ist. In Hamburg gibt es nun einmal die Aufgabentrennung zwischen Land und Kommune und damit auch die Frage der Konnexität nicht. Klar ist doch, egal ob Stadt- oder Flächenland: Anlaufstellen müssen dezentral organisiert werden. Wir haben mit unserem Antrag vom Mai vergangenen Jahres nicht nur die Übertragbarkeit überprüfen lassen, sondern auch die Frage, inwieweit erfolgreich evaluierte

(Minister Reinhard Meyer)

Elemente bei uns umgesetzt und genutzt werden können.

Ich danke dem Arbeitsministerium deshalb für seinen ausführlichen Bericht, der uns noch einmal die vielfältigen Instrumente des Übergangs von der Schule in den Beruf darstellt. Der Bericht zeigt unter anderem: Das „Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt“ hat sich seit nunmehr sieben Jahren bewährt. Die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen einschließlich der Regionalen Berufsbildungszentren, die Jugendhilfe einschließlich der Schulsozialarbeit, die Jobcenter und Arbeitsagenturen arbeiten bereits in den kreisfreien Städten und Kreisen in unterschiedlichen Formen mit unterschiedlicher Verdichtung zusammen.

Das ist zum Teil noch ausbaufähig, und man kann allen Akteuren nur raten, die erfolgreichen Bemühungen in anderen Bundesländern genau unter die Lupe zu nehmen, denn das Rad muss ja nicht in jedem Landkreis neu erfunden werden. So können zum Beispiel Kooperationsverträge geschlossen werden. Mit mehr Kooperation vor Ort und dem Ansatz einer One-Stop-Agency, also einem Anlaufpunkt für die jungen Menschen, können schon bald die ersten Jugendberufsagenturen vor Ort eingerichtet werden - wenn es denn gewollt ist.

Deshalb wünsche ich mir, dass wir hier gemeinsam - Land, Kommunen und Bundesagentur - in einen Dialog treten und die Idee der Jugendberufsagenturen weiter nach vorn tragen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir müssen dafür sorgen, dass alle staatlichen Akteure im Sinne der Jugendlichen zusammenkommen. Lassen sie uns anfangen und erfolgreiche Ansätze weiter ausbauen. Denn junge Menschen brauchen keine hundert Wegweiser oder einen Behördendschungel. Sie brauchen niedrigschwellige, gebündelte Angebote, aktiven Support und Hilfen aus einer Hand - und wenn nötig, natürlich auch den Passierschein A 38.

(Beifall SPD und Sven Krumbeck [PIRA- TEN])

Ich bitte darum, den Bericht der Landesregierung federführend in den Wirtschaftsausschuss und mitberatend in den Bildungsausschuss zu überweisen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Hans Hinrich Neve das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Ziel muss es sein, jungen Menschen den Übergang von Schule in Ausbildung und von der Ausbildung in den Beruf zu erleichtern. Gerade einen Beruf zu erlernen und eine zufriedenstellende Arbeit zu finden, ist von hoher Bedeutung für die junge Generation. Ihr Leben selbstverantwortlich gestalten - das wollen und das sollen auch viele. Leider aber klappt der direkte Übergang von Schule in Ausbildung nicht immer. Genauso gehen uns im nächsten Abschnitt von Ausbildung zum Beruf einige verloren. Das darf nicht sein.

Für die CDU-Fraktion ist die Bündelung unterschiedlicher Beratungsdienste unter dem Dach der Jugendberufsagenturen ein guter Weg, um das Beratungsangebot für die Schulabsolventen effektiver und insgesamt den Prozess auch verwaltungsseitig wirtschaftlicher zu gestalten. Die Jugendberufsagentur ist nicht nur sozial- und arbeitsmarktpolitisch ein wichtiger Weg, es darf uns auf dem Weg ins Berufsleben keiner verloren gehen, es darf auch keiner vergessen werden.

(Beifall CDU, FDP und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Danke schön.

Ökonomisch betrachtet wird es zunehmend wichtig, dass der Industrieund Wirtschaftsstandort Deutschland als rohstoffarmes Land, das wir nun einmal sind, das humane Kapital, das wir haben, möglichst umfassend und damit auch zum Wohle aller Menschen ausschöpft.

(Beifall CDU)

Deshalb ist es aus meiner Sicht für Schleswig-Holstein noch viel wichtiger, schon heute die Strukturen dafür zu schaffen, unser Land mittel- und langfristig zukunftsfähig zu machen. Alle vorhandenen Erwerbspotenziale müssen umfassend ausgeschöpft werden. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gewinnt dieser Aspekt noch mehr an Bedeutung.

Meine Damen und Herren, in der Sache sind wir grundsätzlich einer Meinung. Es gibt zwar schon heute eine ganze Anzahl von Hilfsangeboten von vielen Beteiligten, jedes Angebot für sich ist auch sehr sinnvoll, und trotzdem ist es am Ende sehr un

(Tobias von Pein)

übersichtlich, wenig miteinander verzahnt und auch für die Jugendlichen manchmal schwer zu durchblicken.

Wenn Schwierigkeiten wie mangelnde Schulleistungen, persönliche oder familiäre Probleme zusammenkommen, haben die Hilfesuchenden die Wahl zwischen mindestens vier verschiedenen Stellen, bei denen sie Hilfe finden - oder auch nicht -, je nach Rechtslage, wer gerade zuständig ist. Aber alle vier Institutionen arbeiten nach eigenen Regeln, für jeweils eigene Zielgruppen und an unterschiedlichen Orten. Schon dadurch ist Frust und zum Teil auch Nicht-Wiederkommen vorprogrammiert. Das darf nicht sein.

Jugendberufsagenturen können also dazu beitragen, dass jungen Menschen ein erfolgreicher Übergang von Schule in eine Ausbildung und von einer Ausbildung in eine berufliche Tätigkeit gelingt. Die Idee der Jugendberufsagenturen ist nicht neu. Die Grundidee stammt von Unternehmern aus dem Hamburger Netzwerk der Initiative für Beschäftigung. In Kooperation von mittlerweile über 70 Unternehmen in der Metropolregion Hamburg wurde vor 15 Jahren der Grundstein für das heutige Modell gelegt. Die Berufsorientierung an Schulen zu verbessern sowie die Übergänge in eine ungeförderte betriebliche Ausbildung direkt im Anschluss an den Abschluss zu erhöhen, den Einstieg in das Berufsleben zu erleichtern und die Chancen junger Menschen am Arbeitsmarkt und damit auf ein eigenverantwortliches Leben zu verbessern, war der Antrieb der Hamburger Unternehmer. Profitiert haben Handel, Handwerk, Gewerbe und Industrie, weil sie im Anschluss an die Ausbildung über gut ausgebildete Fachkräfte verfügten.

In unseren Kreisen und kreisfreien Städten müssen die Arbeitsagentur und das Jobcenter sowie die Schulämter und Jugendämter rechtskreisübergreifend miteinander zusammenarbeiten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den jeweiligen Kommunen müssen vor Ort und unter einem Dach dafür sorgen, dass alle Jugendlichen auch wissen, wohin ihre berufliche Reise geht. Aus den Jugendämtern kennen wir verschiedene Modelle, verschiedene Verfahren, wie man rechtskreisübergreifende Fallkonferenzen macht, wie man abgestimmt vorgeht. Diese sind teilweise erfolgreich, teilweise geht es auch so weit, dass dort, wo Einladungen ausgesprochen werden, auch von den Jugendämtern Hausbesuche mit anderen erfolgen, um keinen verloren gehen zu lassen. Das ist aber ein Fullservice der staatlichen Stellen, der nicht überall üblich ist,

aber den man auch durchaus hier mit in Betracht ziehen kann.

Die Jugendberufsagenturen sollen sowohl den einzelnen Abiturienten beraten, als auch Jugendliche mit schwierigen Voraussetzungen beim Sprung von Schule in die Ausbildung unterstützen. Aber für uns ist nicht nur wichtig, dass nur die staatlichen Stellen ihre Dienste bündeln, der Schulterschluss muss auch mit den Wirtschaftsverbänden und den Gewerkschaften erfolgen.

Kommen Sie langsam zum Schluss.

Wir möchten den Bericht der Landesregierung, für den ich Ihnen, Herr Minister, noch einmal ganz herzlich danke, dem Ausschuss überweisen, um insbesondere die detaillierte Ausgestaltung der Jugendberufsagenturen zu besprechen. Es wurde schon gesagt, dass das Hamburger Modell nicht eins zu eins übertragbar ist. Insofern sind hier noch einige Fragen zu klären, die wir gemeinsam im Ausschuss behandeln wollen. Aber wir wissen, dass der Teufel im Detail steckt. Wir sehen auch, dass Jugendliche hier im Land drei Ministerien zugeordnet sind, das ist das Sozialministerium, das Bildungsministerium und das Wirtschaftsministerium. Hier muss ich leider feststellen, egal von welcher Couleur die Regierung gerade ist,

Nichts mehr feststellen, formulieren Sie bitte einen Schlusssatz!

- dass die Apparate und die Ministerien nicht gut zusammenarbeiten. Auch hieran müssen wir arbeiten, dass hier mehr miteinander gesprochen wird. Ich danke für die Aufmerksamkeit und bitte um Ausschussüberweisung.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Ines Strehlau das Wort.

(Hans Hinrich Neve)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass Bewegung in den Übergang von Schule zu Beruf hineinkommt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das ist auch bitter nötig. Wir haben zwar keine Jugendarbeitslosigkeit wie in Südeuropa, aber trotzdem können wir uns nicht zurücklehnen - im Gegenteil. Die aktuellen Zahlen sind besorgniserregend und unterstreichen den Handlungsbedarf auch in Schleswig-Holstein. Das Bundesinstitut für berufliche Bildung hat für das laufende Ausbildungsjahr festgestellt, dass zum Start des Ausbildungsjahres in Schleswig-Holstein mehr als 1.200 Ausbildungsstellen weniger angeboten wurden als im Vorjahr. Das ist ein Rückgang um 5,7 %. Bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen gibt es ein ähnliches Bild. Bei der Ausbildungsplatznachfrage jedoch haben wir nur ein Minus von gut 550 Jugendlichen.

Erschreckend finde ich den Anstieg der Zahlen der unversorgten Bewerberinnen und Bewerber. Hier ist die Zahl um 22,4 % auf mehr als 3.600 Jugendliche angestiegen. Hinzu kommen bei uns die etwa 6.500 Jugendlichen in Übergangsmaßnahmen an den Beruflichen Schulen oder bei den Weiterbildungsträgern. Das heißt: Gut ein Drittel aller jugendlichen Schulabgängerinnen und Schulabgänger gehen nicht direkt in eine Ausbildung. Das ist eindeutig zu viel.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Martin Habersaat [SPD])

Diese Zahlen zeigen für mich zwei Dinge: Erstens. Wir als Land müssen gemeinsam mit der Wirtschaft daran arbeiten, wieder mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Zweitens. Wir brauchen eine Koordinierung, ein gemeinsames Konzept aller Beteiligten und eine enge Zusammenarbeit, um mehr Jugendliche direkt in Ausbildung zu bringen.

Damit sind wir beim Bericht der Landesregierung zur Einrichtung von Jugendberufsagenturen. Vielen Dank an die Ministerien für die Erstellung. Jugendberufsagenturen haben genau diese enge Zusammenarbeit über Rechtskreise hinweg, also über die Sozialgesetzbücher hinweg zum Ziel. Sie sind ein gutes Instrument, um einen guten Start in das Berufsleben zu unterstützen. Die Jugendlichen stehen im Zentrum. Die verantwortlichen Institutionen wie Jobcenter, Agentur für Arbeit, die Stadt und die Schulen arbeiten unter einem Dach zusammen, um

ihnen die bestmögliche Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf zu gewähren. Dazu gehören auch eine Begleitung schon in den letzten Jahren an den allgemeinbildenden Schulen und eine intensivere Berufsorientierung.

In Hamburg sind die ersten Erfolge da, Tobias von Pein hat schon die Steigerung von 25 auf 39 % der Schulabgängerinnen und Schulabgänger genannt, die direkt im Anschluss an die Schule eine Ausbildung begonnen haben.

Die Idee der Jugendberufsagentur nimmt auch in Schleswig-Holstein Fahrt auf, verstärkt sicherlich durch das Ziel im Koalitionsvertrag der Großen Koalition, flächendeckend Jugendberufsagenturen einzurichten.

Der Bericht zeigt, dass es auch in Schleswig-Holstein bereits in vielen Städten und Kreisen eine Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure gibt, auch rechtskreisübergreifend. Auch die Agentur für Arbeit, die wir unbedingt brauchen, bringt sich vor Ort ein. All das macht Mut, und wir sollten dies als Land unbedingt weiter voranbringen.

Die Landesregierung hat sich auch auf den Weg gemacht.