Protocol of the Session on February 20, 2014

Wir debattieren darüber, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene für eine Entfristung einer bis Ende 2016 festgesetzten Steuer einsetzen soll. Das an sich klingt schon ein bisschen merkwürdig. Aber es geht noch weiter. Die Steuer, die entfristet werden soll, liegt momentan noch vor Gericht. Es ist also noch gar nicht geklärt, ob die Steuer Bestand haben wird. Der Rechtsstreit wird noch länger dauern, geht eventuell sogar bis vor den Europäischen Gerichtshof. Ich halte es daher für vollkommen verfrüht, jetzt schon, während diese Steuer noch vor Gericht liegt, eine Verlängerung anzustoßen. Sie machen wieder einmal den zweiten Schritt vor dem ersten.

Ich kann aber schon verstehen, warum Sie darauf bestanden haben, dass wir heute darüber debattieren. Denn das ist in der Tat der einzige Antrag der Regierungskoalition, den wir heute behandeln. Das zeigt Ihre Ideenlosigkeit.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP], Volker Dornquast [CDU] und Peter Lehnert [CDU])

(Olaf Schulze)

Dabei ist diese Debatte über die Kernbrennstoffsteuer wirklich ein reiner Nebenkriegsschauplatz. Denn ich denke, im Zuge dieses Atomausstiegs sind erst einmal ganz andere Debatten vonnöten. Wir müssen den Fokus auf andere Dinge lenken. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten auch einmal Antworten, gerade Antworten der Landesregierung.

(Sandra Redmann [SPD]: Morgen steht nicht ein einziger Antrag von euch auf der Tages- ordnung! - Weitere Zurufe SPD)

- Und wie viele von uns standen heute drauf?

(Zuruf Sandra Redmann [SPD])

- Sandra, gestern waren von Ihnen auch keine dabei.

(Zurufe SPD)

- Morgen ist einer dabei. Entschuldigung. Klar, morgen ist einer dabei.

(Zurufe SPD)

Herr Abgeordneter, das geht alles von Ihrer Redezeit ab. Bitte, fahren Sie fort.

(Unruhe)

Damit habe ich überhaupt kein Problem. Das ist alles eingeplant.

(Heiterkeit)

Ich möchte aber trotzdem bald zum Ende kommen. Ich war gerade dabei, noch einmal zu erwähnen, welche dringenden Fragen wir beim Thema Atomenergie wirklich haben. Wir alle wollen den Ausstieg, wir alle sind dafür. Deshalb sollten wir den Fokus darauf legen: Wie geht es mit dem Rückbau der Kernkraftwerke weiter? Was ist mit der Endlagerung?

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP] und Peter Lehnert [CDU])

Was macht die Endlagersuche? Was ist mit der Zwischenlagerung? Was ist mit den Sellafield-Castoren, kommen sie nach Brunsbüttel, kommen sie nach Brokdorf, kommen sie nach Krümmel?

(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Was habe ich mir noch aufgeschrieben? - Genau. Was ist mit der Endlagerung von mittel- und schwachradioaktiven Abfällen? Gerade gestern ha

ben wir das Thema mit den Fässern in Brunsbüttel gehabt. Auch da erwarten wir Antworten der Landesregierung, und es gibt Initiativen, die wir unbedingt anstoßen sollten. Hier sollten Sie vielleicht Ihre Regierung auch noch einmal pieksen und sagen: Kümmern Sie sich doch endlich auch einmal darum, dass Schacht Konrad endlich fertig wird, dass die Endlagersuche für die stark radioaktiven Abfälle endlich fertiggestellt wird.

(Zuruf Olaf Schulze [SPD])

Das sind die ganz entscheidenden Themen rund um die Kernenergie. Die Kernbrennstoffsteuer ist es definitiv nicht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Für die Fraktion der PIRATEN hat Frau Abgeordnete Angelika Beer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Mitglied der Piratenpartei, die den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomenergie fordert, bin ich selbstverständlich dafür, dass die Kernbrennstoffsteuer auch in Zukunft erhoben wird.

(Beifall PIRATEN, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir sind allerdings ebenso der Meinung, dass es wichtig ist, Recht und Ordnung zu respektieren und Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts daher auch nicht vorzugreifen.

(Beifall PIRATEN)

Aus diesem Grund liegt Ihnen unser Änderungsantrag mit einer juristisch einwandfreien Verlängerung der Kernbrennstoffsteuer vor.

Kommen wir zunächst zur rechtlichen Frage - die ist hier strittig, aber das macht ja nichts -, also dazu, ob die Brennelementesteuer zulässig ist. Zu denjenigen, die das bezweifeln, gehört der Rechtswissenschaftler Ulrich Battis von der Humboldt-Universität in Berlin. Er vertritt die Auffassung, dass die Bundesregierung bei der Brennelementesteuer sehr schlechte Karten habe. Zu einem ähnlichen Schluss kommen die Finanzgerichte Hamburg und München, die der Meinung sind, dass der Bund nicht einfach eine Steuer neu erfinden könne. Anders herum sagt das Finanzgericht Baden-Württemberg

(Oliver Kumbartzky)

in Stuttgart, dass die vom Bund erhobene Steuer verfassungsgemäß und europarechtskonform sei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie das Rennen ausgeht, das wissen wir nicht, das ist völlig offen.

(Zuruf Olaf Schulze [SPD])

Es ist deshalb durchaus richtig, Herr Kollege, dass man sich jetzt schon einmal überlegt, was man macht, wenn es in Karlsruhe grünes Licht gibt. Es wäre allerdings etwas ruppig, den Richtern in Karlsruhe das Signal zu senden, dass ihr Urteil kein Gewicht hat.

(Zuruf Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Wichtig ist mir heute, dass wir das Problem adressieren und allen an der Entscheidung Beteiligten in Erinnerung rufen, welche gesellschaftliche Verantwortung wir alle zusammen tragen. In diesem Zusammenhang erinnere ich gern daran, wann und warum die Idee der Brennelementesteuer salonfähig wurde: Das ist hier erwähnt worden, das war im Jahr 2010, als bekannt wurde, wie teuer die Sanierung der Asse werden könnte sowie die Erkenntnis reifte, dass vermutlich der Steuerzahler die Kosten zu tragen hat.

Genau bei dieser Argumentation möchte ich bleiben und erklären, warum wir eine Kernbrennstoffsteuer über das Jahr 2016 hinaus brauchen. Das ist jetzt nicht mehr die rechtliche, sondern die politische Begründung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Atomenergie und das wissen wir alle - hat nicht abschätzbare Folgekosten. Werfen wir einfach nur einmal einen Blick auf die Halbwertszeit. Dies scheint bei manchen in Vergessenheit geraten zu sein. Für Plutonium 239 sind es 24.000 Jahre, für Uran 235 bereits 700 Millionen Jahre. Uran 238 wird auch dann noch strahlen, wenn es die Erde möglicherweise gar nicht mehr geben wird. Wenn wir ehrlich sind, müssten wir bei der Finanzierung des Atomproblems im Grunde von „Ewigkeitskosten“ reden und nicht nur geringe Beträge vergleichen und über sie streiten.

(Beifall PIRATEN und Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen bin ich der Meinung, dass wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten und dann, soweit möglich, die Verlängerung der Brennelementesteuer ernsthaft ins Auge fassen müssen. Dann werden Sie da

bei unsere Unterstützung hier im Landtag bekommen. - Danke für die Aufmerksamkeit

(Beifall PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Beschluss von SchwarzGelb, die Laufzeit für Atomkraftwerke zu verlängern, wurde seinerzeit auch die Kernbrennstoffsteuer ausgehandelt. Es ging nach dem Motto: Geb ich dir, gibst du mir. Mit der Laufzeitverlängerung wurde quasi ein Scheck in dreistelliger Milliardenhöhe an die Energiekonzerne ausgestellt. Im Gegenzug bekommt der Bund Steuereinnahmen für jedes Brennelement, das im AKW gebraucht wird. Nach Schätzungen betragen die Steuereinnahmen seit 2011 rund 3,5 Milliarden €. Unter dem Strich ist das immer noch ein sattes Geschäft für die Energiekonzerne.

Vorgesehen ist, die Steuereinnahmen aus der Kernbrennstoffsteuer vor allem für die Sanierung des Atomlagers Asse zu nutzen. Angesichts der Tatsache, dass die Asse völlig marode und einsturzgefährdet ist, ist das eine logische Konsequenz. Denn die geschätzten Kosten für die Sanierung belaufen sich auf 4 bis 6 Milliarden €, am Ende wird es wahrscheinlich wesentlich mehr.

Nun gibt es mittlerweile wieder den Beschluss, die Laufzeitverlängerung aufzuheben. Das bedeutet, dass das letzte deutsche AKW 2022 vom Netz geht. Die Kernbrennstoffsteuer ist jedoch befristet bis 2016. So war das Gesetz von Anfang an angelegt. Das passt aber nicht zusammen. Für uns als SSW muss die Brennelementesteuer ganz klar an die Laufzeit gekoppelt sein.

(Beifall Uli König [PIRATEN])

Die Kernbrennstoffsteuer ist eine Verbrauchssteuer, auch wenn dies von den Energiekonzernen angezweifelt wird. Solange die Atomkraftwerke betrieben werden und Kernbrennstoff zur Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wird, muss auch eine Steuer dafür erhoben werden.