Protocol of the Session on February 19, 2014

(Heiterkeit)

Im CDU-Antrag sollte unseres Erachtens das schleswig-holsteinische Interesse, beim Thema Fracking auf nationaler Ebene oder auf regionaler Ebene auch nein sagen zu können, ausdrücklich auch formuliert werden. Insoweit beschränke ich mich auf diese beiden Punkte. Auch hier ist für den Ausschuss noch Beratungsbedarf gegeben.

- Ich danke Ihnen für die freundliche Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat die Abgeordnete Angelika Beer.

Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde sowohl zum Arbeitsprogramm der Kommission als auch zu den vorliegenden Anträgen zur Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union reden. Zunächst einmal möchte ich aber die Schlussbemerkung des Kollegen Klug aufgreifen. Wenn er vielleicht kurz zuhören würde, wäre das für den Dialog im Parlament durchaus förderlich. - Danke schön.

Sie haben vorhin einen bizarren Streit erwähnt, an dem Sie nicht selbst teilgenommen haben. Dieser Streit war nicht bizarr. Vielmehr wurde eine Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung infrage gestellt. Wir hatten vereinbart, mit der Landesregierung zusammenzukommen, um interfraktionell wichtige Punkte für Schleswig-Holstein zu diskutieren und zu vereinbaren. Einen Tag vorher erreichte uns ein Antrag der Koalitionsfraktionen, mit dem diese Aufgabe vorweggenommen worden ist. Dies erfolgte ohne jegliche Absprache. Das war kein bizarrer Streit, sondern ein unsäglicher Affront, Kollege Klug.

Wir werden das auch noch weiter im Ausschuss diskutieren müssen. Es stellt sich nämlich die Frage, ob die Koalitionsfraktionen die Ministerin dadurch weiter brüskieren wollen, wenn sie so etwas wiederholen, oder ob wir zu einer interfraktionellen Arbeit im Ausschuss zurückkommen, wofür ich mich durchaus einsetze und wofür sich auch meine Fraktion einsetzt.

(Beifall PIRATEN)

Frau Abgeordnete Beer, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung der Frau Abgeordneten Poersch?

Nein. Ich erwarte, dass die SPD zumindest im dritten Redebeitrag hierzu Stellung bezieht. Eine Entschuldigung hier im Parlament hätte schon längst erfolgen sollen.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Aber sonst haben Sie keine Sorgen?)

- Doch, einige, Kollege Stegner.

Ich möchte jetzt auf das Thema Europa zu sprechen kommen. Zunächst einmal versuche ich, mit einem Missverständnis beziehungsweise mit einem Vorurteil aufzuräumen. Ich höre immer wieder: 2014, Programm der Europäischen Kommission, da passiert doch sowieso nichts. Das Europaparlament geht jetzt in den Wahlkampf. Die Kommissare verlieren entweder ihren Job, dann machen sie gar nichts mehr, oder sie suchen sich einen neuen Job. Dann sind sie auch nicht mehr ansprechbar.

Ich glaube, dass dieser Eindruck von Europa ein falscher Eindruck ist, dass während des Wahlkampfs und danach bis zum Spätsommer, bis die neue Kommission gewählt worden ist, nichts läuft. Die Europäische Union ist keineswegs eine „Lame Duck“ in diesem Zeitraum.

Wer Brüssel ein bisschen kennt, der weiß, dass in dieser Zeit die Apparate besonders heiß laufen, weil man sich nämlich freut, dass die Kontrollfunktionen weder durch das Parlament noch durch die Kommission wahrgenommen werden. Dieses Vakuum wird ausgenutzt. Das ist nicht immer im Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein. Umso mehr ist es wichtig, dass wir genau schauen, was passiert.

Das ist übrigens auch die Zeit, in der die Lobbyisten in Brüssel am fleißigsten sind, weil sie das Ge

(Dr. Ekkehard Klug)

fühl haben, dass sie ihre eigenen Interessen, die nicht immer die Interessen der Verbraucher beziehungsweise der Menschen sind, dann am besten manifestieren können.

Ich will ganz grundsätzlich sagen, dass wir PIRATEN in allen europäischen Ländern dafür streiten werden, dass antieuropäische Kampagnen von Europagegnern, von Rechtspopulisten und von Rechtsextremisten verhindert werden. Wir werden mit den Bürgerinnen und Bürgern zusammen diskutieren und Wege suchen, wie wir Europa demokratischer gestalten können und welche Gefahren es zu verhindern gilt. Wir werden zum Beispiel auch dafür streiten, dass die Energiewende nicht an Deutschlands Grenzen haltmacht, dass sie sozial und mit der Umwelt vereinbar vollzogen wird. Außerdem werden wir dafür streiten, dass die Etablierung von Fracking am Widerstand der Menschen scheitert.

(Beifall PIRATEN)

Ich will noch etwas zur Energiewende sagen, die unser aller Aufgabe in Schleswig-Holstein ist. Heute Morgen haben wir von der weiteren Lagerung von Atommüllfässern in Brunsbüttel gehört: Leck. Viel zu lange gelagert. Keine Entsorgungsmöglichkeit. - Wir haben die Gefahr der Atomenergie immer falsch eingeschätzt. Nun müssen wir mit diesen Altlasten umgehen. Das ist auch eine Nachricht für die europäischen Staaten, die sagen: Eure Energiewende ist uns vollkommen egal. Wir setzen auf Atomkraft. - Ich sage das auch kurz vor dem Jahrestag von Fukushima und Tschernobyl.

Das Programm der EU-Kommission liest sich in der Tat etwas leidenschaftslos. Es ist aber unsere Aufgabe, dieses Programm mit Leben zu erfüllen. Wir können dies zum Beispiel mit dem Ausschuss der Regionen erreichen, in den wir als Landtag eine Vertreterin entsandt haben. Wir können dies erreichen mit den Menschen, die europäische Bürgerinitiativen anstrengen, um ihre Grundrechte in Europa umzusetzen, auch wenn es darum geht, Minderheitenrechte zu manifestieren und in der gesamten Europäischen Union anzuerkennen. Das ist das Feld, auf dem wir zusammen mit den Kollegen tätig werden wollen.

Ich muss sagen: Es ist auch gut - und das ist das Positive an Europa -, dass es so etwas wie einen Wuchs von Brüsseler Graswurzeln gibt. In dieser Woche fand in Brüssel ein Treffen des slowakischen Vizepräsidenten der EU-Kommission und von 25 Vertretern von Verbänden aus 13 Ländern statt. Diese haben ihm symbolisch 1.680.172 Unter

schriften übergeben. Das ist die Initiative „Right to Water“. Ich habe diese Initiative unterstützt, und viele Kollegen haben diese Initiative sicherlich auch unterstützt. Damit haben wir erreicht, dass die Privatisierung von Wasser vom Tisch ist. Das ist ein Erfolg der Bürgerinnen und Bürger. So wird die Demokratie in Europa gestärkt.

(Beifall PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Initiativen der Kommission gehört unter anderem ein Rahmen für die sichere Gewinnung von nichtkonventionellem Kohlenwasserstoff. Gemeint damit ist Fracking. Es verwundert nicht, dass wir diese Initiative vor dem Hintergrund unserer PIRATEN-Initiativen hier im Landtag für besonders bedeutsam halten. Allein die Tatsache, dass Fracking heute wirtschaftlich betrieben werden kann, zeigt, wie dramatisch es um unsere restlichen Energieträger steht. Es werden Förderverfahren eingesetzt, deren langfristige Auswirkungen kaum bekannt sind. Wir kennen Katastrophenszenarien, sodass wir aufgrund eines gesunden Menschenverstandes sagen, dass wir die Fördermethode Fracking zum Schutz der Menschen und der Umwelt grundsätzlich ablehnen.

(Beifall PIRATEN)

Es ist leider so, dass die Kommission schon eine Richtung vorgegeben hat. Die sichere Gewinnung unkonventioneller Kohlenwasserstoffe will sie durchaus ermöglichen. Das heißt, dass wir letztlich wahrscheinlich vor die Entscheidung gestellt werden, ob wir das als Mitgliedstaaten der Europäischen Union wollen oder nicht wollen.

Mein Appell geht noch einmal an alle: Lasst uns das verhindern! Wir haben in Schleswig-Holstein am kommenden Freitag die Gelegenheit, einen nächsten Schritt zu gehen, indem alle Kollegen unserem Gesetzentwurf und unserem Antrag zustimmen, die auf ein Moratorium zum Fracking abzielen. Das ist Europapolitik im Schleswig-Holsteinischen Landtag.

(Beifall PIRATEN)

Zum Datenschutz möchte ich noch sagen, dass wir dringend eine gesamteuropäische Harmonisierung brauchen. Wir brauchen Instrumente und ein Datenschutzrecht. Die Bürger einer digitalen Gesellschaft - auch bei uns im Norden - haben ein Recht darauf, sich schützen zu können und dass dies europaweit standardisiert wird.

Nun zur Jugendarbeitslosigkeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht selbstverständlich, dass es dieses EU-Programm gegen Jugendarbeits

(Angelika Beer)

losigkeit gibt. Es war die Sorge und die Erkenntnis in der Europäischen Union und in der Kommission, dass eine soziale Spaltung in Europa droht angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von 23 % in der Europäischen Union. Die anderen Zahlen haben Herr Klug und andere bereits genannt.

Wir müssen diese soziale Spaltung verhindern und versuchen, Wege zu finden, wie wir allen Ländern helfen können. Wir PIRATEN wollen ein freizügiges Europa. Wir lehnen es daher ab, nur 500 Spanier herauszupicken und damit gleichzeitig die anderen Jugendlichen - egal wo in Europa - auszugrenzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sehen wir als eine Diskriminierung an. Insofern werden wir dem CDU-Antrag nicht zustimmen.

Ich möchte zum Schluss noch einmal den Ausschuss der Regionen erwähnen. Es geht nicht nur um Gelder und um Programme, mit denen man die Probleme Europas lösen will. Das wird nicht funktionieren. Der Ausschuss der Regionen hat bei einer Umfrage festgestellt, dass europaweit 61 % der Bürger besorgt sind aufgrund einer steigenden Arbeitslosigkeit und dass 32 % besorgt sind wegen der wirtschaftlichen Lage und Entwicklung. Wir müssen den Mut haben zu schauen, ob der Druck auf einige Mitgliedstaaten richtig war, ihre Wirtschaft zu knebeln und Instrumente einzuführen, ohne dass die sozialen Lasten in den Ländern aufgefangen werden können.

Wenn wir diese Frage nicht stellen und uns nur an das Programm der Kommission halten, dann werden wir es nicht schaffen, dass die Jugendarbeitslosigkeit beseitigt oder verringert wird, sondern wir werden damit strukturelle Fehlentscheidungen in der Europäischen Union absegnen. Das ist genau das, was wir verhindern wollen.

Da lande ich dann auch wieder bei den Rattenfängern, die genau diese Probleme instrumentalisieren, um Fremdenhass, Ausländerfeindlichkeit und antieuropäische Gedanken in Deutschland und auch darüber hinaus zu verankern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist es wichtig, dass wir den Streit aus dem Ausschuss und dem gemeinsamen Gremium beiseitelegen. Wie gesagt, ich erwarte jetzt von der SPD eine Stellungnahme zu der Aushebelung der gemeinsamen Vereinbarung. Ich möchte nämlich wissen, ob sie noch gilt oder nicht. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW hat die Frau Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrter Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir über die EU sprechen, dann dreht sich das Ganze allzu oft um die Krise, um Bürokratie, um krumme Gurken und Lakritzpfeifen. Eine Debatte, in der wir uns mit dem beschäftigen, was wir eigentlich von und mit der EU wollen, wird allzu oft links liegen gelassen. Doch genau so eine Debatte brauchen wir jetzt; denn in nur wenigen Monaten stehen die nächsten Wahlen an. Wir müssen daher eine Diskussion anregen, mit der sich die EU-Bürger wieder identifizieren können.

Sicherlich erscheinen nicht alle Schwerpunkte aus Brüssel für jedermann von gleicher Bedeutung. In den vorliegenden Anträgen zum Arbeitsprogramm haben sich die Fraktionen und Abgeordneten hier im Haus nun auf die Schwerpunkte geeinigt, die aus schleswig-holsteinischer Sicht besonderer Beachtung bedürfen.

Beachtung gilt daher dem festgeschriebenen Willen, die fortbestehenden Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern zu verringern. In keinem anderen europäischen Land ist der Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern so ausgeprägt wie in Deutschland. Das ist das Fazit einer OECD-Studie zu diesem Thema, ein Thema also, das uns alle angeht. Die Europäische Kommission will die Mitgliedstaaten tatkräftig unterstützen, um diesem Phänomen entgegenzuwirken, und zudem eine geeignete Vorgehensweise aufzeigen.

Ein anderer Schwerpunkt in puncto Arbeitsmarktpolitik sind die Hürden und Hindernisse, wenn es um Mobilität von Arbeitskräften geht, eine Angelegenheit, die nicht nur die Kommission als wichtig erachtet, sondern die auch für uns in SchleswigHolstein eine große Rolle spielt. Die Kommission will in diesem Fall den Stein ins Rollen bringen. Hierzu gehört ein vermehrt proaktives Handeln im Zusammenhang mit der Mobilität von Arbeitskräften innerhalb der Europäischen Union. Dazu gehören auch die Arbeitnehmerrechte sowie die Vereinbarkeit der sozialen Sicherungsysteme. Dabei geht es keineswegs um eine Angleichung, sondern vielmehr um eine Vereinfachung im Umgang der Sozialsysteme bei Migrationsfällen.

(Angelika Beer)

Zu einem vernünftigen Mobilitätsprogramm von Arbeitskräften gehört aber ebenso die Bekämpfung von Schwarzarbeit und Steuerbetrug. Diese Aufgabe kann nur über die nationalen Grenzen hinweg in Gemeinsamkeit gelingen. Nur ein funktionierender Steuer- und Finanzsektor kann den Weg für Wachstum und Arbeitsplätze frei machen.

Für uns als Land zwischen Nord- und Ostsee spielt der Seeverkehr natürlich eine bedeutende Rolle. Nachdem man sich im vergangenen Jahr darum bemüht hat, die komplexe Bürokratie zu minimieren, steht nun die Sicherheit und Gefahrenabwehr im internationalen Seeverkehr im Fokus. Dabei entwickelt die Kommission in Zusammenarbeit mit Frau Ashton ein Strategiekonzept, das sowohl die interne als auch die externe Sicherheit im Seeverkehr stärken soll.

Wieder nimmt sich die Kommission eine allgemeine Prüfung des europäischen Systems der Finanzaufsicht und -regulierung vor, was für uns ins Schleswig-Holstein von Bedeutung ist, da die Banken und Sparkassen in unserem Land sich nach diesen neuen Steuerungssystemen richten müssen. Die Etablierung der sogenannten neuen Generation der Europäischen Finanzaufsicht wird nicht einmal eben innerhalb von zwölf Monaten auf die Beine gestellt werden können. Nichtsdestotrotz hat man auf europäischer Ebene schon vieles umgesetzt und damit die Konsequenz aus der Finanzkrise gezogen.

Nun hält die Europäische Kommission in ihrem Arbeitsprogramm erstmals fest, dass sich nach fünf Jahren Wirtschaftskrise die Anzeichen für einen Aufschwung in der EU mehren, einen Aufschwung, von dem bisher nur wenige etwas haben. Viele Mitgliedstaaten müssen weiter unter Hochdruck arbeiten, um Reformen durchzusetzen und ihre Krise zu überwinden. Einige Mitgliedstaaten müssen härtere und auch längere Kämpfe ausstehen als andere. Viele EU-Bürger, genau wie ihre Regierungen auch, sind trotz Aufschwungs andernorts in ihrem Alltag gelähmt von Sparzwang und Stagnation.