Protocol of the Session on February 19, 2014

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Marlies Fritzen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was ist das für ein Parlamentsverständnis? - Dr. Ralf Steg- ner [SPD]: Das war die erste gute Rede heu- te!)

Sehr geehrter Herr Stegner, dem stimme ich zu.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es interessant, wie wir zu dieser Aktuellen Stunde kommen, in der wir über Dinge diskutieren, die eigentlich erst in der Zukunft liegen.

Immer dann, wenn öffentliche Belange - dies ist der Denkmalschutz - mit Partikularinteressen verknüpft werden - dies sind Interessen von Eigentümerinnen und Eigentümern, die legitim sind -, dann haben wir es mit einer schwierigen Abwägung zu tun. Mir ist dies bekannt aufgrund von Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem Naturschutz- und Artenschutzrecht immer wieder ergeben. Das Ziel muss es sein, nicht nur gegenseitiges Verständnis zu entwickeln, sondern auch in schwierigen Fällen

(Beate Raudies)

Kompromisse zu erzielen. Ich glaube, dass wir diesbezüglich in letzter Zeit vielleicht das eine oder andere Defizit festgestellt haben. Ich glaube aber auch, dass eine neue Kommunikationsstrategie helfen kann, gute Lösungen zu finden.

Meine Damen und Herren, eines darf aber nicht sein. Die wirtschaftlichen Interessen Einzelner dürfen nicht über das Gemeinwohl gestellt werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu sind wir alle als Abgeordnete verpflichtet. Außerdem spricht das Grundgesetz von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums.

Worüber reden wir also im Moment? Wir reden über das schwarz-gelbe - oder besser gesagt: über das gelb-schwarze - Denkmalschutzgesetz. In der vergangenen Debatte hat Herr Stegner es als „Denkmalschutzverhinderungsgesetz“ tituliert.

(Zuruf SPD)

- Denkschutz wäre auch nicht unpassend und täte manchem gut.

Dieses Gesetz ist die rechtliche Grundlage der derzeitigen Konflikte. Wir haben es mit einem immensen Rückstau bei der Erfassung und Inventarisation des kulturellen Erbes in Schleswig-Holstein zu tun. Das hat aber nichts mit Eintragungsverfahren zu tun, sondern das hat damit zu tun, dass wir diese Arbeit über Jahrzehnte hinweg nicht erledigt haben. Deswegen wurden sieben Fachkräfte befristet eingestellt, die diesen Rückstau aufarbeiten sollen.

Meine Damen und Herren, unabhängig von der gesetzlichen Grundlage hilft dies Gemeinden und Landesplanern, Planungssicherheit zu erzielen, weil man nicht erst dann, wenn irgendetwas vorgenommen werden soll und wenn Denkmalschutzvorbehalte in irgendeinem Verfahren festgeschrieben wurden, den Denkmalschutz auf den Plan rufen und heranziehen muss, sondern weil dann von vornherein klar ist, wo es ein schützenswertes Gut gibt, das wir bei Planungen im Vorhinein berücksichtigen müssen. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass dies endlich nachgeholt wird.

Zu den möglicherweise 16.000 Denkmälern ist schon einiges gesagt worden. Herr Arp hat von 200 Denkmälern in Glückstadt gesprochen. Die Denkmalliste des Kreises Steinburg sieht knapp 100 einfache Denkmäler für die Stadt Glückstadt vor. Wir wissen noch nicht, ob diese alle zu besonderen Kulturdenkmälern erhoben werden. Genau das soll in diesem Verfahren geprüft werden. Herr Kubicki, deshalb kann ich auch nicht erkennen,

dass dies der Panikmache dienen solle. Vielmehr würde ich sagen: Das Ganze ist populistisch und in hohem Maße unseriös.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das derzeit gültige Gesetz ist in der Fachwelt zerrissen worden. Es hat uns bundesweit Hohn und Spott eingebracht. Ich erinnere nur an die sogenannte 65er-Regelung. Danach hebt ein mehr oder weniger kluger Minister - es tut mir leid, Herr Kollege Klug, dass ich das jetzt so sagen muss - den Daumen rauf oder runter bei einem Objekt, das 64 Jahre und 364 Tage alt ist. Wenn er lange genug ausschläft und das Objekt noch einen Tag älter wird, dann hat er dieses Recht nicht mehr.

Meine Damen und Herren, das hat nichts mit Fachlichkeit zu tun. Vielmehr wird vollkommen willkürlich entschieden. Weniger Schutz und weniger Recht gehen überhaupt nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Schließlich reden wir über ein ungelegtes Ei, weil noch gar kein Gesetzentwurf vorliegt. Die Ministerin hat auf verschiedenen Regionalkonferenzen über Eckpunkte und Zielsetzungen eines noch zu erarbeitenden Gesetzentwurfs gesprochen. Mir ist durchaus bekannt, dass es in diesem Zusammenhang auch kritische Diskussionen gab. Ich habe aber auch wahrgenommen, dass ein sehr vernünftiger Diskurs über die Sache stattgefunden hat, aber nicht das, was Sie mit dieser Aktuellen Stunde veranstalten.

Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit dem Wertverlust von Immobilien würde ich sehr gern eine Debatte darüber führen, wie es um die Wertentwicklung eines Hauses bestellt ist, an dessen Gartenzaun die A 20 entlangführt, oder um die Wertentwicklung eines Hauses in einem Bäderort, das durch den Lärm von Güterzügen einer ganz anderen Lärmemission ausgesetzt ist, wenn mit der festen Fehmarnbelt-Querung die Hinterlandanbindung gebaut wird. Darüber führen Sie interessanterweise überhaupt keine Debatte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Die Erkenntnis dieser Aktuellen Stunde ist also: Die FDP spielt sich als Robin Hood der Partikularinteressen auf. Das ist nichts Neues. Die CDU diffamiert den Erhalt des kulturellen Erbes. Das ist neu. Die CDU war schon einmal weiter. Außerdem reden wir über zwei ungeschriebene Gesetze, zum

(Marlies Fritzen)

einen über die Novelle, von der hier die Rede ist. Zum anderen ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass derjenige, der mit dem Finger auf andere zeigt, gleichzeitig mit drei Fingern auf sich selbst verweist. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat der Abgeordnete Sven Krumbeck.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Liberalen hier im Haus möchten - denkwürdig genug - über Kultur reden, genauer: über den Denkmalschutz.

(Heiterkeit PIRATEN)

Sie möchten über eine Kultursparte reden, die in Schleswig-Holstein eine wechselvolle Geschichte hat: mal ganz oben, mal - seien wir ehrlich -, ausgerechnet zu Zeiten eines liberalen Kulturministers, ganz unten und seit langer Zeit auf dem Tiefpunkt.

Ich möchte zunächst einen Blick über den Tellerrand hinaus werfen, und zwar über andere Bundesländer hinaus in die Schweiz.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

In der Schweiz gibt es Leitlinien zum Denkmalschutz. Darin heißt es sehr anschaulich:

„Der Mensch hat ein Grundbedürfnis nach Erinnerung. Sie stützt sich wesentlich auf Orte und Objekte.“

Damit treffen diese Leitlinien, die in der Präambel genannt wurden, den Kern des Denkmalschutzes und beschreiben seinen unbedingten Wert. Nun fragt die FDP mit ihrer Aktuellen Stunde heute nicht nach diesem Kern. Sie wischt kulturelle Bedeutung, Erinnerung und Unwiederbringlichkeit vom Tisch und fragt nach Markt- und Beleihungswerten von Immobilien. Das ist typisch für die Liberalen. Darin sind Sie verlässlich. Immer dann, wenn es um Kohle geht, melden Sie sich zu Wort.

(Beifall PIRATEN)

Außerdem ersparen Sie sich jegliche Abwägung, auch eine Abwägung der immateriellen Werte, die in einem direkten Zusammenhang zu den materiellen Werten stehen, wenn es um den Denkmalschutz geht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das Tolle ist, dass Sie immer das Geld anderer Leute aus- geben!)

Leider, leider ist die FDP damit nicht allein. Da bekommt sie Rückendeckung von so manchem Tageblatt, das ebenfalls das Bild vom Schreckgespenst des Denkmalschutzes malt. Ich nenne das populistisch; denn eine sachliche Diskussion wird so schon ausgeschlossen, bevor der Gesetzentwurf in die Debatte geht.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Da wird mit Angst Politik gemacht. Mich persönlich stößt das ab. Ich kann damit schlecht umgehen. Die CDU hingegen hat damit weniger Probleme. Sie hakt sich da einfach einmal ein, weil es offenbar gut ist, die populistische Sau durchs Dorf zu jagen, solange diese noch Fahrt hat.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN und SPD)

Dabei war es vor wenigen Jahren eine Große Koalition unter Führung eines christdemokratischen Ministerpräsidenten, der hier an dieser Stelle sagte: Wir vereinfachen und straffen die Vorschriften zur Eintragung von Kulturdenkmälern, weg vom konstitutiven Verfahren, hin zum nachrichtlichen Eintragungsverfahren. - Leider fiel der Gesetzentwurf von Peter Harry Carstensen damals der Diskontinuität zum Opfer. Sonst hätten wir schon ein modernes Denkmalschutzgesetz, das mit dem der anderen Bundesländer mithalten kann.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN, SPD und SSW)

Schade, dass auch Carstensens Erben dies völlig aus dem Blick verlieren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist genau wie beim Glücksspiel!)

Jetzt versucht es Frau Ministerin Spoorendonk nach den traurigen Zeiten noch einmal mit genau der gleichen Zielsetzung. Ich sage ganz deutlich: Ich finde so manches, was Frau Spoorendonk macht, handwerklich nicht gut. Da habe ich viel zu kritisieren. Aber an dieser Stelle - das meine ich ganz ehrlich - sage ich: Danke, Anke!

(Beifall PIRATEN, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dass das Denkmalschutzgesetz jetzt so angepackt wird, ist richtig, überfällig und zu begrüßen.