Protocol of the Session on January 24, 2014

Netzausbau in Schleswig-Holstein voranbringen

Änderungsantrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 18/1514

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit dem Antrag zu a) wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen. Ich erteile dann das Wort für die Landesregierung dem Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Dr. Robert Habeck.

(Ministerin Kristin Alheit)

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! So sinnvoll und notwendig die Energiewende ist, sie stellt aber auch einen starken Eingriff in die Landschaft und die Natur dar. Neben allen Wertschöpfungschancen und Möglichkeiten, die wir auch in Schleswig-Holstein nutzen wollen - wir sprachen am Mittwoch darüber -, stellt die Energiewende auch ein enormes Konfliktpotenzial dar. Bei allem Dafürsein, bei aller Haltung, die Energiewende in Schleswig-Holstein voranbringen zu wollen, bei allem Stolz, den das Land aufbringt, Vorreiter und Spitze der Energiewende zu sein, und bei allem Bemühen, das uns an dieser Stelle eint, sind wir alle gut beraten, die Konflikte nicht zu verschweigen oder zu verheimlichen, sondern offen anzusprechen, um hierzu gute Lösungen zu finden.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Diese Konflikte betreffen alle Bereiche, die im ländlichen Raum anzutreffen sind. Das sind Konflikte mit der Landwirtschaft, mit dem Naturschutz, mit dem Artenschutz und selbstverständlich auch mit den Menschen, die im ländlichen Raum leben. Deswegen ist die Politik, sind die Vorhabenträger, sind wir alle gefragt, alle Entscheidungen gut, nachvollziehbar und transparent zu begründen.

Wir haben es an der Westküste erlebt bei dem Versuch, aus den alten Gräben herauszukommen. In dem Maße, in dem Informationen nachvollziehbar und diskutierbar werden, in dem Maße sind nicht alle begeistert, aber in dem Maße schwindet Widerstand, der sich dann nicht mehr auf Unwissen stützen kann. Daran sollten wir uns alle halten. Daran sollten wir weiter arbeiten.

Wenn wir uns die Netzinfrastruktur in SchleswigHolstein anschauen, so müssen wir insgesamt sagen, dass wir diese Debatte - wie eigentlich alle Debatten der vergangenen Jahre zu diesem Theama eigentlich zehn Jahre zu spät führen. Wir - „wir“ sind in diesem Fall die Netzbetreiber - haben beim Netzausbau kostbare Zeit verloren. Zudem haben wir vor allem an der Westküste Probleme mit der Einspeisung gehabt. Wir sind dabei - die Vorgängerregierung hat hierzu bereits das Fundament gelegt -, diese Probleme abzuarbeiten. Wir sind sehr schnell dabei, diese Probleme abzuarbeiten.

(Beifall Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Sehr schnell heißt, dass wir es hinbekommen werden, in diesem Jahrzehnt - bis 2017, bis 2018 - die größten Infrastrukturvorhaben aufs Gleis gesetzt zu haben. Das ist sportlich. Das ist fast Weltrekord.

Daraus ergibt sich aber auch ein Zielkonflikt. Schnell zu sein, energisch voranzugehen, die Energiewende voranzutreiben und Menschen mitzunehmen, transparent zu sein, die Konflikte auch auszuhalten, das scheint sich zu widersprechen. Wir haben aber auch die Erfahrung gesammelt, dass sich das nicht widersprechen muss, dass die Menschen sehr wohl bereit sind, auch unbequeme Entscheidungen zumindest zu akzeptieren - Begeisterung erwarte ich dabei von niemandem -, wenn sie nachvollziehbar dargestellt werden und wenn vor allem ihre Anregungen und ihre Kritik ernst genommen werden. Das macht Projekte besser.

Nun zum Netzausbau in der Sache. Es gibt vier verschiedene Projekte, zwischen denen zu unterscheiden ist.

Erstens. Es ist die Mittelachse, die verstärkt werden muss, und zwar von Dänemark runter bis über die Elbe, von Kassoe nach Dollern. Dort wird gebaut. Wir sind mitten in der Umsetzung der Projekte. Auch dort wird über Abschnitte geredet. Im Wesentlichen wird dort aber bereits gearbeitet.

Zweitens. An der Westküste haben wir das dringendste Problem. Dort sind bereits jetzt 4.400 Megawatt installiert, und die Leitungen reichen hinten und vorne nicht aus. Sie wissen wahrscheinlich, dass die Leitung in vier Abschnitten geplant und planfestgestellt wird. Der erste Abschnitt befindet sich bereits in der Planfeststellung. Wir erwarten die Unterlagen für den zweiten Abschnitt in Kürze. Die problematischen Teile - die Abschnitte von Heide nach Husum und von Husum nach Niebüll werden in den nächsten Jahren eingehen. Sie werden immer nach 20 Monaten planfestgestellt werden, sodass sich das Netz vom Jahr 2015 an im realen Aufbau befindet. Anfang des Jahres 2018 soll es komplett stehen. Wir werden aber immer schon direkt von den Einspeisepunkten aus direkt den Abfluss von Strom aus Schleswig-Holstein organisieren können.

Drittens. Nord.Link. Die Verbindung nach Norwegen soll ebenfalls 2018 stehen. Wir haben gestern das Realisierungsabkommen mit TenneT unterzeichnet. Das ist ein anspruchsvolles Projekt, weil wir durch die höchste Schutzklasse, die wir im Naturschutzrecht haben, hindurchgehen müssen mit einem Kabel, das weitaus größer ist als ein Offshore-Kabel. Ich glaube, dass wir es hinbekommen

werden, bis zum Sommer die Planfeststellung zu erreichen. Dann muss Norwegen die Investitionsentscheidung treffen, und dann wird bis 2018 gebaut werden.

(Beifall Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Viertens. Sued.Link. Das betrifft den Strom, der aus Schleswig-Holstein, aus dem Norden heraus letztlich die Atomkraftwerke - wenn es nach mir geht auch die Kohlekraftwerke - ersetzen soll. Das wird von einer Bundesbehörde planfestgestellt. Schleswig-Holstein arbeitet zu. TenneT ist dabei, die Öffentlichkeit zu beteiligen. Hierfür müsste bis Ende des Jahrzehnts die Bauleistung erbracht werden. So sind die Planungen.

Ich glaube - das sage ich mit ein wenig patriotischem Stolz -, wenn sich die Planer an dem orientieren, was wir an der Westküste gemacht haben, dann schafft man das auch. Dort ist aber sicherlich der größte Widerstand zu erwarten.

Fünftens. Ostholstein. Das ist sicherlich der Auslöser für diese Debatte. Bitte erlauben Sir mir, kurz darauf einzugehen. Auch in Ostholstein ist das Netz heute schon voll. Wenn wir einen weiteren Ausbau der Windenergie in Ostholstein wollen - das wollen wir, auch gegen viele Widerstände; ich nenne nur das Beispiel der Flugsicherung -, dann müssen wir etwas beim Netz tun. Das ist natürlich Gegenstand von vielen Berechnungen gewesen. Diese Berechnungen haben jüngst ergeben, dass der Ausbau auf eine 380-kV-Ebene der günstigste, der eingriffärmste und der dauerhafteste ist. Mit diesem Ausbaubeschluss, der jetzt in den Bundesnetzplan eingearbeitet wird, verbindet sich genau das, was ich am Anfang gesagt habe, nämlich die Pflicht dieser Regierung, der Vorhabenträger, in der Region klarzustellen, auf welcher Datenbasis, mit welcher Begründung und bei der Abwägung welcher Alternativen dieser Beschluss zustande kam.

Deshalb werden wir jetzt einen Plan vorlegen, der sich an das anlehnt, was wir an der Westküste gemacht haben. Marlies Fritzen hat genau das gefordert. Selbstverständlich soll das genauso sein. Es steht nicht ein ganz so großer Zeitdruck wie an der Westküste dahinter. Deswegen ist die Frage, ob wir ein formales Raumordnungsverfahren durchführen oder nicht, offen. Das müssen wir einfach schauen. Das ist ein komplizierter Raum. Das ist viel komplizierter als an der Westküste. Es stellt sich die Frage, ob wir dieses Verfahren durchführen oder nicht durchführen. Gleichwohl sieht sich die Regierung in der Pflicht, genau zu begründen, was sie tut,

warum sie das tut und ob andere Alternativen denkbar sind. Das ist selbstverständlich und hiermit auch zugesagt.

Unter dem Strich glaube ich, dass wir es hinbekommen, den Ausbau der Windenergie und den Ausbau des Netzes so voranzubringen, dass die Menge an abgeschaltetem Strom trotz des enormen Zubaus, den wir im Land organisieren, nicht stark ansteigen wird, möglicherweise gar nicht größer wird. In den vergangenen eineinhalb Jahren ist die Hoffnung gewachsen, dass das so kommt.

Ich möchte schließen mit einem Dank an all die Damen und Herren, die Daten zu den kompliziertesten Prozessen herausgearbeitet haben. Ich trage hier irgendwelche Zahlen vor und werfe mit Kilometerzahlen um mich. Hinter jeder Zahl und hinter jedem Verhandlungsschritt steckt enorm viel Arbeit. Man kann nur danke sagen dafür, dass sich die Damen und Herren in den Planfeststellungsbehörden, in den Ministerien, aber auch in den NGO, bei den Verbänden und bei den Bürgerinitiativen so engagiert einbringen. Nur so kann eine Gesellschaft ein so schwieriges Infrastrukturvorhaben voranbringen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat die vereinbarte Redezeit um zwei Minuten und 30 Sekunden überzogen. Diese Redezeit steht theoretisch auch allen Fraktionen zur Verfügung. Jetzt hat der Abgeordnete Oliver Kumbartzky für die FDPFraktion das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich dem Dank an die NGO, an die Behörden und so weiter, den Robert Habeck am Schluss seiner Rede ausgesprochen hat, an. Ich muss aber ganz klar sagen, dass ich ein bisschen enttäuscht bin von dem, was Sie hier gerade ausgeführt haben, Herr Dr. Habeck.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Wir haben einen Berichtsantrag gestellt und wollten unter anderem etwas zum Stromnetzausbau hören. Wir haben im zweiten Absatz unseres Antrags aber noch andere Punkte erwähnt. Darauf werde ich gleich noch eingehen. Dazu haben wir von Ihnen leider wirklich gar nichts gehört. Das ist sehr schade.

(Minister Dr. Robert Habeck)

Ich möchte zu Beginn meiner Rede einen großen Philosophen zitieren, der im Frühjahr 2012 sagte:

„Neben vielen klugen Reden und Ankündigungen erwarten die Menschen zu Recht konkrete Entwicklungen in eine nachhaltige Zukunft.“

Robert Habeck im Frühjahr 2012.

Wenn wir dieses Zitat und das, was Minister Dr. Habeck in seiner Regierungserklärung am 22. August 2012 verkündet hat, anschauen und neben den heutigen Bericht legen, muss man feststellen: Außer warmen Worten war da nicht viel - um es einmal freundlich auszudrücken.

(Beifall FDP und CDU)

Ich habe Ideen vermisst. Ich vermisse auch die Unterstützung von innovativen Projekten zur Nutzbarmachung von Energie, die nicht abgeführt werden kann. Hierzu gibt es Ideen insbesondere an der Westküste, aus Dithmarschen und aus Nordfriesland. Dazu hätte ich gerne etwas gehört.

Auch zum Stromspeichern haben wir gar nichts gehört. Wir haben auch nichts zum Thema der Netzentgelte gehört. Darauf werde ich jetzt eingehen. Vorher möchte ich etwas Allgemeines zum Netzausbau sagen. Ich kann dies in einem Satz zusammenfassen, Herr Dr. Habeck hat dafür 7 Minuten gebraucht: Der Netzausbau ist der Schlüssel für den beschleunigten Umstieg der Energieversorgung auf erneuerbare Energien,

(Beifall FDP)

doch der Netzausbau und damit die Energiewende werden nur dann ein Erfolg, wenn es gelingt, die Kosten zu begrenzen und die Bürger einzubeziehen. Es ist gut, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung noch in der vergangenen Legislaturperiode wesentliche und konkrete Vorkehrungen für einen beschleunigten Netzausbau getroffen hat, und zwar durch die Einführung eines bundesweit koordinierten Netzentwicklungsplans und zahlreicher gesetzlicher Regelungen für eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren.

(Beifall FDP)

Nun kommt es darauf an, dass die Ausbauprojekte zügig von den Netzbetreibern realisiert werden. Dabei sind auch die Länder in der Pflicht, die vorhandenen Instrumente für eine zügige Umsetzung in vollem Umfang zu nutzen.

Ich bin der Meinung, dass zu einer Debatte über den Stromnetzausbau auch eine Debatte über das

Thema Netzentgelte geführt werden muss. Da die Netzentgelte nach dem Verursacherprinzip erhoben werden und da in Schleswig-Holstein bekanntermaßen besonders viel Strom durch die Netze fließt, steigen die Entgelte, und zwar höher als in anderen Regionen Deutschlands. Zudem steigen die Netzentgelte, weil die Kosten für den Ausbau und die Unterhaltung der Netze im ländlich geprägten Schleswig-Holstein auf vergleichsweise wenig Einwohner umgelegt werden. Das Problem wird durch den demografischen Wandel noch verschärft.

Wir müssen es uns alle bewusst machen: Die Stromkunden werden gerade im ländlich geprägten Schleswig-Holstein in den nächsten Jahren mehr und mehr belastet. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir diese Kosten breiter verteilen können, beispielsweise durch bundeseinheitliche Netzentgelte. Hier hätte ich mir durch die Rede des Herrn Ministers eben Impulse gewünscht.

Wir haben in der heutigen Debatte nicht nur einen Bericht über den Stromnetzausbau an sich beantragt, sondern auch einen Bericht, der darauf eingeht, welche Maßnahmen die Landesregierung ergreifen will, um Zwangsabschaltungen aufgrund von Netzengpässen zu verhindern. Hier fällt die Bilanz äußerst schwach aus. Modellprojekte zur Eisman-Stromnutzung werden leider nicht unterstützt. Auch hier zeigt sich wieder: Was macht ein Minister, wenn er regiert? Was hat er vorher im Frühjahr 2012 noch in einem großen Antrag und in einer großen Debatte verkündet? - Die Landesregierung müsse eine Modellregion schaffen und gerade an der Westküste Modellprojekte unterstützen. Hier kommt jetzt leider nichts.

Ich habe das Thema Stromspeicherung eben schon kurz erwähnt. Auch zu diesem Thema möchte ich etwas sagen: Sie haben dem einzigen funktionstüchtigen Speicher in Schleswig-Holstein, dem Pumpspeicherkraftwerk in Geesthacht, durch die Erhöhung der Oberflächenwasserabgabe das Licht ausgemacht. Das muss man klar so sagen. Ich kann es immer noch nicht fassen: Es ist schon über einen Monat her, dass das Gesetz ohne Aussprache beschlossen wurde. Es wurde ohne eine Debatte im Landtag, ohne Anhörung in den Ausschüssen und ohne öffentliche Anhörungen beschlossen. Ich finde es schade, dass Sie durch diese Erhöhung mir nichts dir nichts dieses Pumpspeicherkraftwerk unrentabel gemacht haben.

(Beifall FDP)

(Oliver Kumbartzky)

Herr Abgeordneter Kumbartzky, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder eine -bemerkung des Herrn Abgeordneten Matthiessen?