Protocol of the Session on January 24, 2014

Der Kampf gegen die Ausgrenzung von Schwulen und Lesben hin zu mehr Toleranz wird auch in beinahe allen Verbänden, Organisationen und Vereinen immer erfolgreicher geführt.

Wir begrüßen - das will ich auch sagen - die Einbindung der Antidiskriminierungsstelle des Landes Schleswig-Holstein.

Besonders erwähnens- und lobenswert ist die Kampagne des Deutschen Fußballbundes „Fußball und Homosexualität“. Fußball ist mit Abstand die beliebteste Sportart in Deutschland. Lesben und Schwule werden häufig immer noch ignoriert oder abgelehnt. Die offene Diskriminierung äußert sich oft in gedankenlosen Sprüchen und Aussagen, einfach in der Sprache. Der DFB tritt dafür ein, dass in jedem der mehr als 23.000 Vereine ein Klima des Respekts und der Mitmenschlichkeit selbstverständlich ist. Die Fußballer des DFB setzen sich für ein aktives Vorgehen gegen Homophobie auf allen Ebenen des Sports ein, für eine große Vielfalt und für Respekt und Akzeptanz im Sport.

Genau in diesem Sinne engagiert sich auch der Sport in Schleswig-Holstein. Der schleswig-holsteinische Fußballverband organisiert zahlreiche Aktionen und spezielle Schulungen für Trainer und Übungsleiter. Das ist vorbildlich und der richtige Weg zu mehr Toleranz.

Wir verurteilen Homophobie, und wir unterstützen die Bundesregierung darin, entschieden dagegen vorzugehen, nämlich mit der Erweiterung des „Nationalen Aktionsplanes der Bundesrepublik

(Simone Lange)

Deutschland zur Bekämpfung von Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und darauf bezogene Intoleranz“ um das Thema Homophobie. Leitlinien aus diesem Aktionsplan müssen wir in Schleswig-Holstein mit unseren örtlichen Netzwerken verknüpfen und umsetzen.

Einen eigenen Aktionsplan gegen Homophobie halten wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht für geboten. Wir möchten die Entwicklungen und die Entscheidungen auf Bundesebene abwarten und dann entscheiden. Daher werden wir uns enthalten. - Danke schön.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Rasmus Andresen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In Baden-Württemberg haben über 158.000 Menschen - Kollegin Lange, das ist mein Stand von vorgestern; wahrscheinlich sind seit vorgestern noch ein paar Versprengte dazugekommen - eine Petition unterschrieben, die zum Ziel hat, im Bildungsplan des Landes den Umgang mit sexueller Vielfalt zu streichen. Unterstützt von führenden Kirchenvertretern und Lehrkräften wird die homophobe Petition salonfähig. Leider unterstützt auch die CDU-Fraktion in Stuttgart diese homophobe Petition. Leider fällt die Baden-Württemberger FDP dadurch auf, andere Lebensformen als tolerabel, aber nicht als gleichwertig zu bezeichnen. Herr Garg, ich bin sehr dankbar dafür, dass das in Schleswig-Holstein anders ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Auch die Aussage von Exfußballprofi Thomas Hitzlsperger, dass er lieber mit Männern zusammenleben möchte, der sich aber erst nach Beendigung seiner Karriere traut, dies der Öffentlichkeit mitzuteilen, zeigt, dass es in unserer Gesellschaft leider noch nicht selbstverständlich ist, sexuelle Vielfalt auch zu leben.

Man muss allerdings nicht bis nach Baden-Württemberg gehen oder ehemalige Fussballnationalspieler und den Olympia-Goldmedaillengewinner Tom Daley bemühen, um über Homophobie zu reden. Auch bei uns in Schleswig-Holstein zeigen

viele Beispiele aus Schilderungen junger Homosexueller, dass der Kampf gegen Homophobie und für sexuelle Vielfalt noch am Anfang steht - ob „schwul“ als Schimpfwort auf den Schulhöfen oder das Mobbing junger Schüler, die kurz vor oder kurz nach ihrem Outing stehen. Homophobie gibt es auch bei uns in Schleswig-Holstein. Es stimmt einfach nicht zu behaupten - ich bin froh, Frau RathjeHoffmann, dass Sie das heute nicht getan haben; Kolleginnen und Kollegen haben das mir gegenüber in der letzten Legislaturperiode getan -, dass Homophobie ein Problem von Großstädten sei und bei uns im Land nicht vorkomme.

Schleswig-Holstein muss ein Land werden, in dem es egal ist, wen man liebt. Wir Grüne haben deshalb bereits in der letzten Legislaturperiode die Initiative für einen Aktionsplan gegen Homophobie und für sexuelle Vielfalt ergriffen. Wir freuen uns, dass wir gemeinsam in der Küstenkoalition heute und nun auch gemeinsam mit der FDP und den PIRATEN in Antragsform erste Eckpunkte vorlegen und bereits im Dezember 50.0000 € dafür in den Haushalt eingestellt haben.

Ein Aktionsplan kann nur dann volle Wirkung entfalten, wenn er ressortübergreifend entwickelt wird. Dass sexuelle Vielfalt das Normalste der Welt ist, muss beispielsweise im Bildungsbereich fest verankert werden. Wenn Kinder schon früh lernen, dass Homo-, Bi- oder Transsexualität nicht besser oder schlechter als Heterosexualität ist, dann ist viel gewonnen. Es ist deshalb von großer Bedeutung, bereits angehende Lehrerinnen und Lehrer - wir diskutieren bald über die Lehramtsreform - für mögliche sexuelle Vielfalt und mögliche Outing-Probleme von Schülerinnen und Schüler zu sensibilisieren. Lehrerinnenund Lehrerverbände, Hochschulen und das IQSH sind für uns im Kampf für sexuelle Vielfalt wichtige Verbündete.

Auch im Breitensport muss viel gegen Homophobie getan werden. Es geht nämlich nicht nur darum, dass sich einige Fußballprofis oder Profisportler outen, sondern es geht darum, dass auch im Breitensport mehr passieren muss. Gegenstand unseres Aktionsplans sollen deshalb auch die Sportverbände und Sportvereine bei uns im Land sein. Es ist wichtig, auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter öffentlicher Institutionen stärker für sexuelle Vielfalt zu sensibilisieren. Für die Polizei kann es beispielsweise wichtig sein, homophobe Übergriffe auch als homophob zu erkennen. Als Arbeitgeber kann und muss die Polizei sich weiter öffnen.

Allein die Nordkirche hat in Schleswig-Holstein circa 1,6 Millionen Mitglieder - so jedenfalls nach

(Katja Rathje-Hoffmann)

mir vertrauten Quellen. Hinzu kommen viele tausend Mitglieder anderer Konfessionen. Auch die Glaubensgemeinschaften im Land sind bunt. Wir wollen deshalb auch mit Vertreterinnen und Vertretern der Glaubensgemeinschaften darüber in den Dialog treten, wie der Diskriminierung von Homosexuellen entgegengetreten werden kann.

Uns Grüne freut es sehr, dass wir heute einen wichtigen Schritt Richtung Aktionsplan und für ein Schleswig-Holstein der sexuellen Vielfalt gehen. Der Weg ist weit, und die Aufgaben sind vielfältig. Deshalb werden wir mit den vielen Verbänden, die es in dem Bereich schon gibt, und mit den Erfahrungen aus anderen Bundesländern - mit Bremen ist gestern übrigens ein weiteres hinzugekommen - am Aktionsplan arbeiten. Es ist ein gutes Zeichen, dass wir heute mit breiter Mehrheit beschließen werden. Ja, Herr Dr. Garg, wir haben den Antrag der FDP zur Öffnung der Ehe gern übernommen.

Aus grüner Sicht ist es ein Skandal, dass die rechtliche Gleichstellung auch in der Großen Koalition in Berlin weiter blockiert wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, PIRATEN und SSW)

Eine kleine konservative Minderheit blockiert dort den gesellschaftlichen Fortschritt.

Wenn wir schon bei den Kollegen der CDU sind, möchte ich einige Sätze zu Ihnen sagen. Ich nehme sehr wohl wahr, dass Sie Ihre Position weiterentwickelt haben, einen weiteren Schritt auf uns zugehen. Das ist zu begrüßen. Ich nehme auch wahr, dass es noch nicht ganz reicht, um hier einen einstimmigen Beschluss hinzubekommen. Aber ich hoffe und bitte Sie, diesen Prozess weiterzuführen, damit, wenn die Landesregierung den Plan veröffentlicht, Sie so weit sind, dass Sie das uneingeschränkt begrüßen können. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, PIRATEN und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Homophobie kommt heute subtiler daher als früher. Subtiler: Man müsse nicht mehr so darüber sprechen, oder jeder könne doch tun, was er gern möchte. Ich erinnere auch an die Äußerungen des

Fraktionsvorsitzenden der FDP im Baden-Württembergischen Landtag, das sei tolerabel. Ich freue mich, dass ich tolerabel bin. Das ist Homophobie, die subtiler daherkommt.

Homophobie kommt aber auch brutaler daher. Ich erinnere an ein bevorstehendes Großereignis, Sotschi 2014. Der russische Präsident Putin sagt: „Liebe Schwule und Lesben, ihr seid herzlich willkommen, aber, Schwule, bleibt von unseren Kindern fern.“ Wer Pädophilie und Homosexualität auf eine Stufe stellt, zeigt Homophobie auf die brutalste Art und Weise.

(Beifall)

Auch so hervorragende und wunderbare Ratschläge - deshalb bin ich ein wenig zurückhaltend, was die Freude über den Weltfußball anbelangt - wie die in der lupenreinen Demokratie Katar helfen nicht weiter, wenn uns Herr Blatter erzählt: „Ihr könnt dort gerne hinreisen, das ist ja auch ein nettes Land. Aber verzichtet doch in dieser Zeit auf Sex.“ Meine Damen und Herren, ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Die sexuelle Identität - die Kollegin Lange hat es bereits gesagt - ist keine Lifestyle-Entscheidung. Eine junge Frau oder ein junger Mann stellen sich nicht irgendwann in irgendeinem Alter hin und sagen: „Nun bin ich aber schwul oder lesbisch.“ Das ist originärer Teil der eigenen Identität. Ich finde, niemandem darf es mehr zugemutet werden, einen originären Teil seiner Identität verbergen oder verstecken zu müssen.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wer sich jetzt hinstellt und solche Ratschläge erteilt, der reduziert die sexuelle Identität wieder darauf, was im Schlafzimmer passiert. Dabei ist die Frage eigentlich ganz einfach und ziemlich umfassend. Sexuelle Identität bedeutet nichts anderes als die Frage für Frau oder Mann, mit wem sie oder er oder ich sein Leben teilen möchte.

Vor diesem Hintergrund freue ich mich über den vorgelegten Aktionsplan. Man kann ihm gegenüber skeptisch sein, zu Recht. Aber ich glaube, er verdient eine Chance, und man muss genau gucken, was im Einzelnen dabei herauskommt.

Ich will noch einmal sagen - ich habe das während der letzten Debatte zu diesem Thema schon einmal angesprochen -: Nicht diejenigen, die gleiche Rechte einfordern, müssen sich dafür rechtfertigen, dass sie sie einfordern, sondern diejenigen, die immer noch diese Rechte versagen, müssen erklären, warum sie das bis heute tun.

(Rasmus Andresen)

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

In Richtung all dieser großen Staatsmänner, die in sehr staatsmännischer Pose Olympische Winterspiele begleiten, möchte ich noch etwas anmerken. Seit ich vier Jahre alt bin, bin ich ein bekennender Fan der Olympischen Winterspiele. Das andere hat noch ein bisschen länger gedauert.

(Heiterkeit SPD)

Diesen großartigen Staatsmännern sage ich nur: In einer modernen Welt gibt es viele Länder, Kanada, Südafrika, aber auch in Europa Spanien und andere Länder sowie inzwischen auch die USA, in denen man die Eheschließung vollziehen kann und nicht nur so ein Second-best-Modell wie die eingetragene Lebenspartnerschaft. Ich freue mich, dass es sie gibt. Das war prima 2001; es ist aber an der Zeit, dass man das nach mehr als 13 Jahren weiterentwickelt. Deshalb freue ich mich darüber, dass Sie mit uns gemeinsam einen Antrag formuliert haben beziehungsweise dass unser Zusatzantrag aufgenommen wurde. In einer solchen modernen Welt, wie ich sie mir wünsche, dürfen nicht diejenigen isoliert sein und isoliert bleiben, die ausgegrenzt werden, sondern in einer solchen modernen Welt isolieren sich diejenigen, die immer noch ausgrenzen.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich wünsche mir - das sage ich mit allem Ernst -, dass die Sozialdemokratie in Berlin es besser macht als die FDP-Bundestagsfraktion in der letzten Legislaturperiode. Ich wünsche mir, dass Sie mit demselben Einsatz, mit dem Sie für manche Ziele im Koalitionsvertrag mit der Union gekämpft haben, auch dafür kämpfen, dass die Eheschließung homosexueller Paare endlich möglich wird und wir von diesem zweigeteilten System Partnerschaft erster und Partnerschaft zweiter Klasse wegkommen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne Studierende des Politikbereichs der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Seien Sie uns herzlich willkommen im SchleswigHolsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion der PIRATEN hat nun der Fraktionsvorsitzende Torge Schmidt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Noch vor 50 Jahren wurden pro Jahr knapp 3.000 Urteile wegen entarteter Sexualität gesprochen. Vor 30 Jahren waren es noch knapp 200, und erst vor 20 Jahren wurde dieser unsägliche § 175 abgeschafft. Die Urteile wurden 2002 aufgehoben. Seitdem ist nichts mehr geschehen. Es gab mehrere Initiativen, die Opfer zu entschädigen; sie sind allerdings alle im Sande verlaufen.

Wie Sie alle Ihrem Kalender entnehmen können, schreiben wir mittlerweile das Jahr 2014. Die Zeiten der Diskriminierung von Menschen, die nicht der Heteronormativität angehören, sollten seit Jahrzehnten vorbei sein. Leider ist dies in der Realität noch nicht angekommen. Wirkliche Freiheit für diese Menschen ist leider noch kein breiter Konsens in der Bevölkerung.

Dies können wir zum Beispiel gerade in BadenWürttemberg sehen. Dort gibt es eine vorurteilsgeprägte Petition, von der wir heute schon gehört haben, welche das Thema „sexuelle Vielfalt“ aus dem Lehrplan verbannen soll. Baden-Württemberg möchte in seinem neuen Lehrplan auch andere als nur die klassischen Lebensarten integrieren. So sollen zum Beispiel Textaufgaben nicht nur das klassische Familienbild darstellen. Die Petition gegen diesen Lehrplan hat inzwischen - jetzt kommt die neue Zahl - 164.329 Unterstützer. Das ist die Zahl von heute Morgen. Ich glaube, 75.000 waren es bei Frau Lange und 158.000 bei Herrn Andresen. Nun aber sind es mehr als 164.000. Daran sehen Sie, in welcher rasanten Geschwindigkeit Leute diese Petition unterschreiben. Mir macht das, ganz ehrlich, Angst und Sorge.