Protocol of the Session on January 24, 2014

Es ist sinnvoller, den Abschluss des Freihandelsabkommens an unverzichtbare Bedingungen zu knüpfen, als ein solches Abkommen generell abzulehnen. Von daher ist der Ansatz im Antrag der Regierungsfraktionen aus unserer Sicht vernünftiger als die Formulierung, die die PIRATEN in ihrem Änderungsantrag gewählt haben.

Hoffen wir also - damit komme ich zu meinem letzten Satz -, dass unser echt nordischer Ministerpräsident, zumal mit dem Beistand des designierten sechsten stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD, auf der Weltbühne dafür sorgen wird, dass amerikanische Chlorhühnchen von schleswig-holsteinischen Mittagstischen fernbleiben. - Guten Appetit.

(Beifall FDP)

Herr Abgeordneter, das Wort „Piratentruppe“ ist unparlamentarisch. Ich bitte, das zukünftig nicht zu benutzen.

(Beifall PIRATEN - Hans-Jörn Arp [CDU]: Du hast nicht Gurkentruppe gesagt, du hast Piratentruppe gesagt! - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Wieso, die nennen sich doch Piraten!)

Für die Fraktion der PIRATEN hat nun Herr Abgeordneter Uli König das Wort.

Der Kollege Schmidt ist dann unser Truppenführer, vermute ich einmal.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Kompaniechef!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wer mit Hütchenspielern verhandelt, darf sich nicht wundern, wenn er übers Ohr gehauen wird. Wir können mit niemandem verhandeln, der möglicherweise unsere Verhandlungspartner überwacht, das wurde gerade schon angesprochen.

(Beifall PIRATEN)

Die letzten Monate haben ziemlich regelmäßig neue Ungeheuerlichkeiten über die USA und ihre Geheimnisse ans Licht gebracht. Die USA arbeiten offenbar nach dem Motto: Wenn wir an irgendwelche Daten herankommen, dann wollen wir sie auch haben. Mit welchen Mitteln? - Egal. Freund oder Feind? - Egal. Legal, illegal - denken Sie sich den Rest.

(Heiterkeit)

Daher sollte uns klar sein: Unter der weltweiten Überwachung der USA ist es fahrlässig, über dieses Abkommen zu verhandeln.

(Beifall PIRATEN)

Daher fordern wir den Abbruch der Verhandlungen zum Transatlantic Trade and Investment Partnership.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Die Verhandlungen finden praktisch ohne die Möglichkeit der Intervention durch Bürger, Verbände oder Volksvertreter statt. Inhalte der Verhandlungen sind größtenteils nicht einsehbar. Dieses Prozedere ist leider üblich und in der EU so verankert, deswegen glaube ich nicht, dass Ihr Änderungsantrag viel daran ändern wird.

Wenn die Verhandlungen beendet sind, dann wird das Ergebnis öffentlich sein, aber dann ist es zu spät für Änderungen. Unsere Parlamente können die Anträge dann nur noch ablehnen, aber ich glaube nicht, dass sie sich das trauen werden, weil der Gegenwind aus der Industrie zu stark sein wird.

Eine nachträgliche Änderung ist praktisch unmöglich, da diese Änderungen mit allen Vertretern, die an den Verhandlungen beteiligt sind, abgesprochen werden müssen. Und glauben Sie mir: Das müssten wir uns teuer erkaufen. Dass die EU-Kommission den Gegenwind spürt, zeigt sich darin, dass der Handelskommissar jetzt eine Anhörung in dem Bereich Investitionsschutz durchführen lassen will. Was mit den Ergebnissen dieser Anhörung passiert, ist vollkommen offen; ob es irgendwo in die Ablage gelegt wird oder ob es einfließt - wir wissen es nicht. Wir werden es vielleicht später irgendwann sehen, wenn es zu spät ist. Daher muss jedem von uns klar sein: Es ist fahrlässig, ohne Mitbestimmung über so ein Abkommen zu verhandeln.

(Beifall PIRATEN)

Daher fordere ich den Abbruch der Verhandlungen. Sollten die Entschädigungsregelungen aus dem Bereich des Investitionsschutzes kommen, wird unsere nationale Souveränität deutlich eingeschränkt. Re

gelungen, die dem Abkommen zuwiderlaufen, können astronomische Schadenersatzforderungen nach sich ziehen. Allein schon die Drohung kann Gesetzgebungsprozesse lahmlegen. Wir kennen das hier im Land im etwas kleineren Rahmen. Es läuft unter dem Stichwort Konnexität.

Allein schon für 2014 sind im Bundeshaushalt 2,2 Millionen € nur an Rechtskosten für einen einzigen Schiedsgerichtsstreit vor dem International Centre for Settlement of Investment Disputes mit der Vattenfall Europe AG wegen der 13. Atomgesetznovelle vorgesehen. Das ist ganz schön viel Geld. Das sind nur die Anwaltskosten, und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wenn TTIP kommt, können wir uns weitreichende politische Entscheidungen nicht mehr leisten, weil die Klagen zu teuer werden könnten.

(Beifall PIRATEN)

Wenn man verhandelt, sollte man sich einigen. In diesem Fall sieht es danach aus, als würde man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner in Sachen Verbraucherschutz einigen. In Sachen Industrieinteressen geht es jedoch in Richtung größter gemeinsamer Nenner - alles nach dem Motto: Profite maximieren und den handelshemmenden Schutz der Masse minimieren.

(Beifall PIRATEN)

Es ist zu erwarten, dass Umwelt- und Gesundheitsstandards untergraben und Arbeitnehmerrechte aufgeweicht werden. Wir haben es gerade schon gehört, zum Beispiel vom Kollegen Voß: 90 % des in den USA verwendeten Maises, der Sojabohnen oder der Zuckerrüben sind gentechnisch verändert. Monsanto lauert nur darauf, ihr gentechnisch verändertes Saatgut auszuführen. Rinder werden mit Hormonen gedopt, damit sie schneller wachsen, andere Tiere werden geklont, was zu einer genetischen Verödung der Nutztierrassen führt. Hühner werden mit Chlorlauge behandelt, um Salmonellen abzutöten, nur um ein paar Beispiele zu nennen, bei denen es mir kalt den Rücken herunterläuft.

In welche Richtung es gehen kann, kann man auch sehr gut an dem Weinhandelsabkommen erkennen, das den USA seit 2006 erlaubt, synthetische Weine in Europa unter dem Titel „Wein“ zu verkaufen. Diese Weine dürfen bis zu 35 % Zuckerwasser enthalten oder sind komplett chemisch auseinandergenommen und neu zusammengesetzt.

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD] - Heiterkeit)

(Uli König)

Ich frage mich, ob Herr Dolgner und Herr Kubicki auch um so eine Flache Wein wetten würden oder ob das als Beleidigung aufzufassen wäre.

(Vereinzelter Beifall)

Ich kaufe keinen Wein mehr aus den USA, seit dieses Abkommen in Kraft ist, weil ich nicht mehr weiß, was ich kaufe. Bei derart heftigen Einschränkungen können wir nicht über so ein Freihandelsabkommen verhandeln. Ich fordere daher den Abbruch der Verhandlungen.

(Beifall PIRATEN)

Ich fasse zusammen: Der Antrag der Koalition ist im Ansatz nicht schlecht, geht aber nicht weit genug.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Der amerikanische Präsident hat eine schlaflose Nacht bei seinen Forderungen!)

Aufgrund der NSA-Problematik können wir nicht auf Augenhöhe mit den USA verhandeln. Wir werden von der EU vor vollendete Tatsachen gestellt. EU-Parlament und nationale Parlamente können nur ratifizieren oder müssen die Konsequenzen tragen. Demokratische Nachbesserungen sind praktisch nicht möglich. Das Abkommen wird wahrscheinlich Verbraucherrechte systematisch unterlaufen. Aus diesen Gründen halte ich es für fahrlässig, über so ein Freihandelsabkommen zu verhandeln. Daher fordere ich den Abbruch der Verhandlungen über das Transatlantic Trade and Investment Partnership. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Flemming Meyer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Idee einer transatlantischen Freihandelszone ist nicht neu. Es gibt sie bereits seit den frühen 90er-Jahren. Konkrete Verhandlungen hat es vorher nicht gegeben, erst seit Mitte des letzten Jahres laufen die Verhandlungen zwischen der EU und den USA. Vordringlich geht es darum, die wirtschaftlichen Verbindungen zwischen den beiden Kontinenten zu vereinfachen und zu verbessern. Durch das Abkommen versprechen sich die beiden Seiten wirtschaftliche Vorteile, wirtschaftliches Wachstum in Milliardenhöhe, Senkung der Arbeitslosigkeit und Verbesserung des Durch

schnittseinkommens. Das sind die Argumente der Befürworter eines solchen Freihandelsabkommens.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sehr gut!)

Es ist nun schwer, sich diesen Argumenten zu entziehen. Die Frage ich jedoch, was wir dafür aufgeben. Der Abbau von Zöllen und die Senkung der Handelshemmnisse zwischen EU und USA werden uns etwas kosten. Diese Befürchtungen stehen im Raum, denn immer wieder wird von Fachorganisationen darauf hingewiesen, dass ein solches Abkommen mit erheblichen Risiken behaftet ist. Insbesondere die in Deutschland und der EU erreichten hohen Standards in Bezug auf Verbraucherund Umweltschutz sowie soziale und Arbeitsrechte stehen hier auf dem Spiel.

Nebenbei bemerkt sehe ich die Verquickung der Ausspähaffäre der USA mit den Handelsabkommen eher kritisch, nach dem Motto: Solange wir durch die USA ausgespäht werden, gibt es keinen Vertrag. Das heißt im Umkehrschluss: Wir stimmen dem Vertrag zu, wenn wir nicht mehr ausgespäht werden. Das kann es nicht sein.

(Heiterkeit)

Wir wollen nicht ausgespäht werden, egal ob mit oder ohne Vertrag.

(Beifall)

Bei den Verhandlungen geht es um wirtschaftliche Belange. Die EU-Kommission preist die Pläne an als „billigstes Konjunkturpaket, das man sich vorstellen kann“. Das mag richtig sein. Wir dürfen dabei aber nicht den Fehler machen, dass Verbraucher-, Arbeits- und Sozialrechte oder Umweltschutz als Hemmnisse gesehen werden, die dem schnöden Mammon geopfert werden können. Denn das sind politische Errungenschaften, die einen gesellschaftlichen Wert haben. Diese Standards dürfen weder aufgeweicht noch über Bord geworfen werden.

(Beifall SPD)

Die Gefahr ist groß, dass es bei Abschluss der Verhandlungen eine Harmonisierung der Standards auf niedrigstem Level gibt. Damit hätten wir nichts gewonnen. Im Gegenteil. Es würde bedeuten, dass wir unsere hohen Standards aufgeben und somit die Interessen der Wirtschaft über das Gemeinwohl stellen.

Es hat bereits mehrere Verhandlungsrunden gegeben, immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ein solches Vorgehen ist nicht akzeptabel.