Dialog heißt nicht, dass man immer demjenigen, der meckert, zustimmt. Denn es ist die Mittelmäßigkeit, die jeden Streit verhindert. Dialog heißt, dass man gegenseitig in wertschätzender, aufrechter Art miteinander umgeht und die inneren Ziele und Zusammenhänge austauscht. Das ist in diesem Fall geschehen.
Herr Kubicki, noch ein anderer Punkt. Sie haben gesagt: Neumünster kann das nicht! - Das ist genau der Punkt, an dem wir unterschiedlicher Auffassung sind. Neumünster kann das. Diese Stadt hat viel Potenzial und viel Kraft. Das haben Sie alles im Zusammenhang mit der Metropolregion auch beschrieben. Ich bin außerordentlich dankbar dafür, dass es für Neumünster diese Wertschätzung gibt, dass man Neumünster das zutraut und dass Neumünster diese Unterstützung erhält.
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann hat jetzt für die Landesregierung der Herr Ministerpräsident Torsten Albig das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der heute zur Beschlussfassung anstehende Gesetzentwurf wird in der Tat den gesetzlichen Grundstein zu einer strategischeren und zu einer ergebnisorientierteren Landesplanung legen.
Wir passen Bundesrecht in unser Recht ein, aber vor allem - die Debatte hat es gezeigt - legen wir die Grundlage für eine neue Generation von Raumordnungsplänen. Denn wir finden ja auch schon etwas vor. In der Debatte gerade hier und da macht es den Eindruck, als gäbe es nur eine grüne Wiese und wir schafften zum ersten Mal Grundlagen für Raumordnung. - Nein, wir finden fünf Planungsräume vor, die in keinem raumordnungsrecht
lichen Zusammenhang mehr stehen, und Raumordnungspläne, die vollkommen aus der Zeit gefallen sind, nicht mehr in Beziehung zueinander stehen, keine raumordnerische Wirkung mehr entfalten. Das ist die Realität, die wir heute haben. Zu dieser Realität wollen wir uns verhalten.
Es mag sein, dass wir in zehn Jahren noch weitere Erkenntnisse über die Raumordnung in SchleswigHolstein haben werden, auch zur Beziehung zur Metropolregion, zur Beziehung zu Niedersachsen, zur Beziehung zu Mecklenburg-Vorpommern, aber auch zu Sønderjylland, und uns da neu aufstellen. All das mag sein, aber heute muss es doch erst einmal darum gehen, von dem sehr, sehr schwachen Ausgangspunkt, von dem wir kommen, eine Verbesserung - gemessen auch an den realen ökonomischen Verflechtungen und Beziehungen - hinzubekommen.
Deswegen haben wir vorgeschlagen, aus fünf drei Planungsräume zu machen. Das sind drei Planungsräume, die nach unserer Auffassung hinreichend präzise die heute bestehenden Verflechtungen, die ökonomischen, die siedlungsstrukturellen, die arbeitnehmer- und pendlerbezogenen Verflechtungen, abbilden. Das sind drei Planungsräume, die sich an den Entwicklungsachsen unseres Landes orientieren und die, wenn wir sie dann wieder mit Raumordnungsplänen versehen - das ist die nächste große Aufgabe - in Abstimmung zueinander stehen, nicht vollkommen zufällig nebeneinander „dahinvagabundieren“ und wieder in eine Raumordnung gebracht werden. Davon sind wir heute ganz weit entfernt.
Ich kann die Debatte sehr gut nachvollziehen: Wie groß müssen die sein? Ich kann auch die Debatte über Neumünster nachvollziehen. Aber ich möchte doch feststellen: Dieses Neumünster, das hier heute angesprochen wird, ist aktuell in einem Planungsraum, nämlich im Planungsraum mit Kiel. Das ist die Realität, die wir heute haben. Wenn ich hier immer höre: „Jetzt reißt ihr sie aus ihren Bezügen raus“, muss ich sagen: Nein, wir belassen sie in den Bezügen. Denn in genau diesen Bezügen ist Neumünster durchaus in der Lage gewesen,
Ich kann die politischen Debatten nachvollziehen und sehe auch die Beschlussfassung. Ich sehe aber auch, dass heute 46 % der Einpendler nach Neumünster aus dem Raum Kiel, Plön und RendsburgEckernförde kommen. 24 % kommen aus Segeberg
und Hamburg. Ich sehe, dass 41 % der Auspendler in Richtung Kiel, Plön und Rendsburg gehen, 38 % in die andere Richtung.
(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber die Ansied- lung orientiert sich in Richtung Hamburg, Herr Ministerpräsident!)
Das sind die realen Ströme, die wir heute haben. Neumünster hat 80 % seiner Gebietsgrenzen mit Plön und Rendsburg-Eckernförde. Die heute aktuellen Beziehungen sind eindeutig. Das ist keine Frage einer Abstimmung in einer Ratsversammlung, sondern das ist eine Frage der Untersuchung der real feststellbaren ökonomischen Verflechtungen. Die Frage ist: Gibt es welche in genau dieser Region?
Wir sehen aber in der Debatte, dass Neumünster mit seiner zentralen Rolle in Schleswig-Holstein quasi der geborene Vermittler zwischen den drei jetzt auf den Weg zu bringenden Planungsräumen ist. Deshalb wollen wir dort über eine GAW-finanzierte Regionalleitstelle genau diesen Gedanken weiterentwickeln und etablieren.
Ich glaube, das kann eine große Chance dafür sein, in der Tat in einer nächsten Phase - damit bin ich nicht weit weg von dem, was vorhin auch schon diskutiert wurde: Wie sieht eigentlich in zehn Jahren ein Raum aus, über den wir planerisch nachdenken? - in diese Richtung zu gehen.
Das geht ein bisschen in der Debatte durcheinander. Zum Teil möchte man das eher kleiner haben, zum Teil möchte man am liebsten gleich mit Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg eine gemeinsame Planung machen. Meine Vorstellung davon ist, dass wir in der Tat in den Verflechtungen - sowohl nach Sønderjylland als auch nach Hamburg immer stärker dazu kommen, gemeinsam zu planen. Ja, das ist richtig, und das ist auch das Ziel der Landesregierung.
Es ist heute aber noch nicht Realität. Das ist weder politische Realität noch faktische. Ich habe noch keine Ansprechpartner, die genau diese Ideen aufgreifen würden. Wir arbeiten an den Stellen, an denen unsere Landesplanungen aufeinandertreffen, genau an diesem Ziel. Wir machen es da, wo die Metropolregionen sind und auch in den Gremien der Metropolregionen genau so miteinander. Aber im Hamburger Rathaus gibt es im Augenblick noch kein großes Bemühen oder ein großes Entgegenkommen zu sagen: Ich plane einmal für Neumünster mit. - Nein.
Es möge doch bitte niemand glauben, dass es aus Neumünsteraner oder Rendsburger Sicht zu Vorteilen führen würde, wenn das aus einem Hamburger Rathaus heraus geschehen würde, wenn wir nicht im Vorwege ein ganz neues Verständnis für Raum schaffen. Ich möchte nicht, dass meine Planungsräume die Restflächen für Hamburg werden, sondern ich möchte sie zu eigenen starken und in Beziehung stehenden Planungsräumen in SchleswigHolstein entwickeln.
Das gibt uns dann im nächsten Schritt in der Tat die Möglichkeit, auf Augenhöhe mit Hamburg, mit Niedersachsen und mit Mecklenburg-Vorpommern zu sagen: Lasst uns, wenn wir im nächsten Jahrzehnt sind, dieses noch klüger in einen Planungszusammenhang bringen.
Wir gehen aus der jetzigen Situation einen großen Schritt nach vorn. Dazu gehören drei stimmigere Planungsräume und passende Beziehungen zwischen diesen Räumen. Deswegen wird dieses Gesetz Landesplanung in Schleswig-Holstein deutlich handlungsfähiger machen.
Wir werden auch deswegen handlungsfähiger, weil wir zum ersten Mal unter die Erde gucken. Es ist hier gesagt worden, Raumordnung sei eben nicht nur etwas, was Einkaufsflächen oder Ansiedlungen abbilde. Nein, wir müssen auch raumordnungstechnisch unter der Erde planerisch handlungsfähig werden. Das sind wir, und wir sind damit in der Lage, Anträge auf Fracking raumordnerisch untersagen zu können und das, was wir politisch alle fordern, auf der Basis einer modernen Raumordnung umsetzen zu können. In Schleswig-Holstein wird es mit dieser Raumordnung kein Fracking geben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Aber Landesplanung ist mehr, als sich über die Frage von Gebietsgrenzen zu unterhalten. Landesplanung ist mehr, als bürokratisch abzugleichen: Habe ich in einem Zielabweichungsverfahren soundso viele Quadratkilometer oder soundso viele rote oder grüne Töpfe in einem Regal? Landesplanung braucht, wenn sie ihren Namen verdient - ich habe das zu Beginn gesagt -, einen strategischen Ansatz. Landesplanung muss eine Vorstellung davon haben, wo Schleswig-Holstein in 10, 15 oder 20 Jahren eigentlich sein will. Sie muss eine Vorstellung davon haben, welches Bild wir von Schleswig-Holstein angesichts einer sich dramatisch ver
ändernden demografischen Entwicklung unseres Landes haben. Dies gilt auch angesichts der sich dramatisch verändernden Klimaveränderungen nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern in der ganzen Welt. Wo wollen wir in dieser Zeit sein? Was ist unsere Antwort auf die Frage: Wie geht ich sage den Satz noch zu Ende - medizinische Versorgung in einem ländlichen Raum, der sich verändert, 2025, 2030? Wie sieht Bildungsstruktur aus? Wie organisieren wir Ansiedlungen im ländlichen Raum, den wir stärken und nicht schwächen wollen? Darauf muss Landesplanung Antworten geben. Nur dann verdient sie den Namen Landesplanung.
Herr Ministerpräsident, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Breyer?
Herr Ministerpräsident, Sie haben die Zusammenarbeit mit Hamburg und deren Bedeutung angesprochen. Hamburg hat im Laufe dieses Verfahrens zu Ihrem Gesetzentwurf und insbesondere zu der Frage der Zielabweichung Stellung genommen. In der Stellungnahme heißt es, dass dieses Instrument in mehreren Fällen zur unverträglichen Standortentwicklung in den Bereichen Einzelhandel und Gewerbe im Hamburger Verflechtungsraum genutzt worden sei, ohne dass eine erkennbar raumordnerisch begründete Notwendigkeit zu seiner Einleitung seitens der Landesplanung bestanden habe. Genannt sind zum Beispiel die Standorte Kaltenkirchen und Barsbüttel. In diesem Fall wäre aus Hamburger Sicht daher dem Gesetzentwurf der PIRATEN zu folgen
und die Begründungsnotwendigkeit für eine Anwendung des Instruments zu verschärfen. Von daher meine Frage: Wenn die Zusammenarbeit mit Hamburg und die Verflechtung der Regionen so wichtig sind, wieso
Ich will eine Antwort in zwei Punkten geben. Was genau ist eigentlich Dialog und Diskurs? Wir hatten das beim Thema Neumünster schon ein bisschen angesprochen. Dort gibt es eine andere Meinung. Hamburg hat jetzt auch eine andere Meinung. Diese andere Meinung von Hamburg erinnert mich sehr an die Meinung, die ich einmal von einem Kieler Oberbürgermeister zur Ansiedlung in Schwentinental oder von einem Rendsburger Bürgermeister zur Ansiedlung in Neumünster gehört habe. Also: Du magst das immer nicht, wenn du den Eindruck hast, da nimmt dir jemand etwas weg. Das kann ich nachvollziehen. Ich muss diese Meinung aber nicht teilen, nur weil die das sagen.
Meine Aufgabe auch als Landesplanung ist, Schleswig-Holstein in seinen Beziehungen zueinander so stark zu machen, dass es Wettbewerb mit Hamburg aushalten kann. Das sage ich auch deutlich.
Ich will kein Schleswig-Holstein, das nur der Ort ist, in dem man, nachdem man in Hamburg eingekauft hat, schläft, sondern ich möchte Hamburg auch ökonomisch zeigen: Wir sind ein sehr ernst zu nehmender Wettbewerber auch um Ansiedlungsflächen.
Solche Debatten so zu führen, als seien wir nur noch Restgröße, halte ich für verkehrt. Dass Hamburg das so sieht - das sieht jeder Bürgermeister im Verhältnis zu seiner Ansiedlung in seiner Nähe genauso -, macht es aber nicht richtiger.
Schauen wir uns einmal die genauen Beziehungen an. Welche Auswirkungen hat ein Einkaufszentrum irgendwo in dieser Welt real, nachdem wir ganz lange darüber diskutiert haben, was alles Schreckliches passiert? Wir können das in Kiel wunderbar sehen, wenn Sie Debatten der letzten 20 Jahre zur Ansiedlung von CITTI, zur Ansiedlung von IKEA - Sie werden es zur Ansiedlung von Möbel Kraft - verfolgen. Diese Ansiedlungen hätten den Untergang der Innenstadt bewirken sollen. CITTI hat das Gegenteil getan. Hätten wir immer auf diejenigen gehört, die sagen, jede Veränderung des Status quo, jeder Wettbewerb mache alles zunichte, wäre nichts passiert.
öffnet uns Möglichkeiten, übrigens nicht dem Ministerpräsidenten, der abends beim Rotwein sitzt und sagt: „Jetzt weiche ich einmal vom Ziel ab, guck mal, was da noch so kommt“, sondern dem Ministerpräsidenten als Landesplanungsbehörde. Das ist ein bisschen mehr als ich beim Käffchen.
- Zweimal Rotwein kurz hintereinander wollte ich doch nicht erwähnen. Für Sozialdemokraten und wo der so teuer ist, ist das ein bisschen schlecht.