Protocol of the Session on January 24, 2014

(Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Frau Abgeordnete Ines Strehlau das Wort.

Herr Präsident! meine Damen und Herren! Wie machen wir unser Bundesland zukunftsfest? Schleswig-Holstein mag verhältnismäßig klein sein, aber es vereint doch wie kaum ein anderes Bundesland die Chancen und Risiken der heutigen Zeit auf sich. Es gibt Regionen, in denen der demografische Wandel große Umwälzungen erzwingt. Es gibt Gebiete, die besonders stark von einer erfolgreichen Umsetzung der Energiewende profitieren werden. Außerdem gibt es Regionen, in denen wirtschaftliche Strukturbrüche bis heute verarbeitet werden müssen.

Bei dem Gesetzentwurf zur Landesentwicklungsplanung geht es deshalb um viel mehr als nur darum, Räume festzulegen, Regionen einzugrenzen und zu kartografieren. Wir müssen heute Strukturen schaffen, die in vielen Jahren noch belastbar sind und die die Lebensqualität in Schleswig-Holstein langfristig sichern. Dabei müssen wir nicht nur über Räume, sondern vielmehr über Standards in diesen Räumen nachdenken.

Was wollen, was müssen wir bewahren und schützen? An welchen Stellen kann sinnvoll und effektiv reformiert werden? Bei welchen Themen müssen wir mit Samthandschuhen arbeiten, und wo können wir beherzt die Ärmel hochkrempeln und zupacken?

Die Aufgabe der Landesregierung bei der Landesentwicklungsplanung lässt sich gut mit der eines Ackerbauern vergleichen. Bestellt er sein Feld, muss er düngen, damit seine Saat später reiche Früchte trägt. Dabei muss er jedoch ausgeglichen düngen, darf zum einen den Boden nicht versalzen und zum anderen keinen einzigen wichtigen Stoff vergessen. Fehlt dem Boden auch nur ein einziges entscheidendes Element, wird die Saat nicht aufgehen und die Bäuerin keinen Ertrag einfahren. Genauso verhält es sich mit der Lebensqualität in unserem Land, meine Damen und Herren, mit den Standards in den Regionen.

Welche Elemente muss der Dünger enthalten, der langfristig unser aller Lebensqualität maximiert? Ist es allein der Wohlstand? Ist es das Gemeinschaftsgefühl in den Gemeinden? Ist es die Verkehrsanbindung, oder sind es die Bildungsinstitutionen? Sind es die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen

(Vizepräsident Bernd Heinemann)

und Bürger am politischen Leben, also die Möglichkeit, lokal und landesweit Einfluss zu nehmen? Ist es die Gesundheitsversorgung oder das schnelle Internet? Wie steht es um den Landschafts- und wie um den Naturschutz? Vielleicht ist es auch das Gefühl, dass der Wohlstand im Land fair verteilt ist, und dass jeder und jede einzelne am derzeitigen Aufschwung teilhaben kann.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: War heute was im Kaffee?)

Mit der Verteilung von Mitteln und mit Reformen und Veränderungen in den Regionen muss sehr sensibel umgegangen werden.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Am Ende besteht immer die Gefahr, dass der regionalen Lebensqualität eines der entscheidenden Elemente entzogen wird. Die Saat einer guten und nachhaltigen Entwicklung könnte nicht aufgehen.

Es ist das Ziel einer guten Landesentwicklungsplanung, die Lebensqualität überall im Land auf dem hohen Stand zu halten, den wir jetzt haben, und noch weiter zu verbessern. Dies darf jedoch in keinem Fall als Gleichmacherei verstanden werden. Wir wollen die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Schleswig-Holstein sicherstellen. Deshalb muss für jede Region eine eigene intelligente und zukunftsfeste Strategie unter einem gemeinsamen Dach gefunden werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier ist Kreativität gefragt, von Pinneberg bis Flensburg und von Lübeck bis Sylt. Dazu gehört auch, dass in Nordfriesland andere verkehrspolitische Schwerpunkte gesetzt werden als im Hamburger Umland.

Meine Damen und Herren, auch wir Grüne setzen uns für gute Landstraßen ein,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein!)

wo sie für die Lebensqualität der Menschen essenziell sind. Im Hamburger Umland gelten andere Regeln als im hohen Norden. Dort muss vor allem mehr für die Schiene getan werden.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch einmal: Ziel der nachhaltigen Raumentwicklung ist es, verschiedene Ansprüche in Einklang zu bringen und gleichwertige, aber nicht gleichartige Lebensverhältnisse im ganzen Land zu ermöglichen.

Mit der Neufassung des Landesentwicklungsgesetzes und der Aufhebung des Landesentwicklungsgrundsätzegesetzes erreichen wir zweierlei. Erstens sorgen wir für die notwendige Anpassung an das Raumordnungsgesetz des Bundes.

Zweitens geben wir der Raumentwicklung mit ihren unterschiedlichen Aspekten wie Umwelt, Verkehr und Wirtschaft einen Rahmen vor. Mich freut es besonders, dass wir das Ziel einer nachhaltigen Raumentwicklung gefestigt haben und damit einen Ausgleich zwischen Wirtschaftlichkeit, sozialen Aspekten und Ökologie erreichen konnten.

Außerdem stellen wir sicher, dass zu dem Gesamtraum Schleswig-Holstein auch der Untergrund gehört. Der Untergrund ist mit seiner geologischen Beschaffenheit beispielsweise vor Fracking geschützt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Zielabweichungen von den Vorgaben der Landesplanung bleiben zukünftig Einzelfallentscheidungen, die sehr genau abgewogen werden müssen und die durch das Raumordnungsgesetz begrenzt werden. Deshalb heißt es in dem Gesetz: Die Grundzüge der Planung dürfen nicht verletzt werden. Auf diese Weise wollen wir zukünftig verhindern, dass wahllos Einkaufszentren auf der grünen Wiese entstehen.

Die räumliche Grundlage der Regionalpläne, in denen die Landesplanung konkretisiert wird, sind die Planungsräume. Sie spiegeln regionale Orientierungen und Verflechtungen wider. Es ist uns gelungen, beim Neuzuschnitt der Planungsräume in allen Fällen den Wünschen der Kreise und Städte zu entsprechen; mit einer Ausnahme, nämlich Neumünster. Neumünster hat die besondere Rolle, gleichzeitig Teil der Metropolregion Hamburg und des Planungsraums zu sein, der Kiel umfasst. Es gibt für beide mögliche Zuordnungen Neumünsters gute Gründe; für den nördlichen und für den südlichen Planungsraum.

(Volker Dornquast [CDU]: Dann kann man doch den Wunsch der Stadt übernehmen! - Dr. Heiner Garg [FDP]: Nein, Bruder, so leicht geht das nicht!)

Insbesondere die feste Verflechtung von Kiel und Neumünster bei Pendlerinnen und Pendlern spricht für die Zuordnung zum Planungsraum um Kiel. Zudem ist der Planungsraum III schon jetzt mit 1,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern mit Abstand der größte. Perspektivisch könnten wir die

(Ines Strehlau)

Idee, ganz Schleswig-Holstein als einen Planungsraum zu sehen, noch einmal aufgreifen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unbedingt!)

Bisher ist das auf Grundlage des Bundesrechts aber nicht möglich. Neumünster steht damit natürlich vor der nicht ganz leichten Aufgabe, in beide Richtungen zu planen; sich also sowohl nach Norden als auch nach Süden zu orientieren.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir lassen euch dabei nicht allein!)

Darüber hinaus gelingt uns mit dem Gesetz eine neue Bestimmung zentraler Orte. Damit passen wir die bisherige Gesetzeslage an die demografischen Herausforderungen an. Die Ortschaften bewahren sich auch dann ihre Zentrumsrolle, wenn die Einwohnerzahl schrumpft, denn in diesem Fall kommt das Strukturkriterium des maximalen Abstands eines Wohnplatzes zu einem Zentralort zum Tragen. Statt bisher 10 km werden nun 12 km zum nächsten Zentralort festgelegt. Dadurch stellen wir sicher, dass für nahezu jeden Punkt in SchleswigHolstein die Versorgungsfunktion durch einen zentralen Ort gewährleistet ist.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Meine Damen und Herren, wir wissen um die Unterschiede der verschiedenen Regionen. Wir wissen um die Unterschiede zwischen Stadt und Land; zwischen Pinneberg und Kiel und zwischen der Ostseeküste und der Nordseeküste. Dennoch verbindet uns alle, dass in unserem Bundesland die glücklichsten Menschen der Republik leben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das wollen Sie jetzt ändern!)

- Genau das wollen und werden wir erhalten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Diese einzigartige Lebensqualität muss bewahrt werden, denn die Wertigkeit der Lebensverhältnisse ist unser wichtigstes Gut. Es gibt Unterschiede in unserer Gesellschaft. Diese sollen, können und dürfen wir nicht nivellieren. Auf dem Land wird es immer anders sein als in der Stadt, Nordfriesland wird nie wie das Herzogtum-Lauenburg, und Lübeck bleibt anders als Kiel, und das ist gut so. Gerade gestern haben wir über die Unterschiedlichkeit von kulturellen Angeboten auf dem Land und in der Stadt gesprochen. Auch hier müssen wir bewahren und schützen. Doch es gibt auch solche Unterschiede, die wir unterbinden müssen und die zu überwin

den wir gezwungen sind: Immer dann, wenn Menschen das Gefühl haben, ausgegrenzt zu sein und ein entscheidendes Element für ihre Lebenszufriedenheit fehlt, müssen wir aufhorchen und aktiv werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem Gesetz zur Landesentwicklungsplanung tun wir einen entscheidenden Schritt, um die Lebensqualität überall zu erhalten und die verschiedenen Regionen zu festigen. Wir geben den Planungsräumen die Möglichkeit, den richtigen Dünger zu komponieren und freuen uns auf die erfolgreiche Ernte unter dem Dach des zentralen Rahmens des Landes. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Wolfgang Kubicki das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch auf die Gefahr hin, schlechte Stimmung bei den regierungstragenden Fraktionen zu erzeugen: Der große Wurf ist dieses Gesetz nicht. Ich erkenne aber an, dass der uns jetzt vorliegende Text vor allem gegenüber seiner ursprünglichen Fassung eine gewisse Verbesserung erfahren hat. Herr Kollege Dr. Stegner, so möchte ich ausdrücklich lobend erwähnen, dass erstens die Bekanntmachungen künftig auch im Internet veröffentlicht werden sollen und dass zweitens eine deutliche Konkretisierung der Bestimmungen für den Landesplanungsrat vorgenommen wurde. Hier aber endet mein Lob.

Mit diesem Landesplanungsgesetz wird es nicht gelingen, die Potenziale unseres Landes zu heben, das Wachstum zu erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Schleswig-Holstein zu verbessern. Ich akzeptiere es und freue mich darüber, dass die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner die glücklichsten Menschen in Deutschland sind.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das können Sie nicht ändern!)

- Herr Kollege Dr. Stegner, Sie sind gerade dabei. Wir sind auch das Land mit dem bundesweit größten Niedriglohnsektor. Ich will nicht glauben, dass das eine etwas mit dem anderen zu tun hat.

(Ines Strehlau)