Insgesamt möchte ich gern anmerken: Die Debatte zeigt noch etwas anderes, nämlich dass wir gut daran tun, Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen zu lassen, dass wir nicht ein Europa der Märkte, ein Europa der Banken, ein Europa der Finanzjongleure, ein Europa der Manager brauchen, sondern dass wir ein Europa mit guter Arbeit, mit Tariflöhnen, mit Mitbestimmung, mit Sozialstandards brauchen und dass wir uns gegen prekäre und illegale Beschäftigung wehren, egal wo sie in Europa stattfindet, und dass wir das gemeinsam tun sollten. Die Gemeinsamkeiten sollten im Vordergrund stehen. Ich weiß, das ist in Wahlkampfzeiten unpopulär. Ich weiß, es gibt auch Probleme in Kommunen. Denen kann man übrigens helfen. Man hilft aber niemandem, wenn man glaubt, dass man Buhmänner aufbaut und Menschen Angst macht. Wir sollten Menschen nicht Angst machen, sondern sie ermutigen. Das ist unser Auftrag. - Vielen herzlichen Dank.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Stegner, das war irgendwie wieder der Rundumschlag, der alles bedient hat. Unser Thema ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU. Dazu werde ich ein paar Worte sagen.
Wir alle haben die Debatten in den letzten Wochen verfolgt. Deshalb sage ich für die CDU-Fraktion ganz deutlich: Das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der EU ist ein Kern der Europäischen Union.
Dies wird von uns in keiner Weise angezweifelt. Wir wissen ebenfalls, dass dieses Recht in der EU intensiv genutzt wird. 14 Millionen Bürger machen davon Gebrauch. Davon profitiert Deutschland und damit natürlich auch Schleswig-Holstein. Das ist uns allen bekannt. Eurobarometerumfragen zeigen, dass in Deutschland 66 % der Bürger die Freizügigkeit für die größte Errungenschaft der EU halten. Ich finde, das macht Mut.
Herr Vogt hat es vorhin bereits ausgeführt: Wir brauchen selbstverständlich die Zuwanderung. Wir brauchen deshalb auch die Freizügigkeit. Nur so werden wir auch in Zukunft den Mangel an Fachkräften auffangen können. Das gilt bereits heute, es gilt für die Zukunft vor dem Hintergrund des demografischen Wandels selbstverständlich noch wesentlich mehr.
Herr Stegner, Sie sagten eben, die Diskussion sei unsäglich. Sie ist sicherlich vielleicht nicht ganz glücklich begonnen worden. Aber die Umfragen zeigen auch - ich glaube, im DeutschlandTrend Anfang Januar -, dass ein Großteil unserer Bürger, bedingt durch Berichterstattungen, diese Problematik durchaus so sieht. Ich finde, das dürfen wir als Politik nicht einfach negieren. Damit bedienen wir keinen rechten Rand. Ich finde, Ängste und Befürchtungen der Bürger müssen wir aufnehmen und thematisieren.
- Das mag ja sein. Hier im Landtag mag immer alles ganz edel klingen, dass man sagt: Wir reden nicht über die Dinge, die nicht sein dürfen. Tatsache ist aber, die Befürchtungen und Ängste unserer Bürger müssen wir als Politik aufnehmen. Wir
müssen sie diskutieren, weil wir ansonsten Gefahr laufen, dass sie sich verstetigen, dass sie sich verselbstständigen.
Bevor wir in ein allgemeines Miteinanderreden kommen, frage ich die Abgeordnete Damerow, ob sie gestattet, dass der Abgeordnete Dr. Stegner eine Zwischenfrage oder -bemerkung an sie richtet.
Liebe Frau Kollegin Damerow, gerade weil ich das ernst nehme, was Sie gesagt haben, was das Ziel ist, glauben Sie nicht, dass man den Sorgen in der Bevölkerung dadurch besser begegnet, dass man Kommunen, die entsprechend betroffen sind von vielleicht besonders viel Zuzug, Hilfestellung gibt, statt dass man Befürchtungen schürt, die man anschließend ausräumen muss? Denn Sie haben gerade das hervorgehoben, was Sie selbst beklagt haben.
- Herr Kollege Stegner, Sie unterstellen, dass durch die Behauptungen die Befürchtungen entstehen. Man kann es auch umgekehrt betrachten. Die Behauptungen haben die Befürchtungen aufgenommen. Die Umfrage von Anfang Januar zeigt ganz deutlich, dass 49 % der Befragten befürchten, dass Deutschland durch Zuwanderung mehr Nachteile als Vorteile hat. Das sage nicht ich. Das ist eine Umfrage im DeutschlandTrend. Ich finde, da kann man nicht einfach sagen: Das gefällt mir nicht, darüber reden wir nicht, darüber dürfen wir nicht reden. Ich finde, gerade dann müssen wir darüber reden.
Gerade dann haben wir die Pflicht, den Menschen zu erklären, wie wichtig die Freizügigkeit ist, wie wichtig für unser Land die Zuwanderung ist.
Ist es nicht richtig, Kollegin Damerow, dass die Umfragen im DeutschlandTrend die Antwort auf eine bundesweit verbreitete Kampagne gewesen sind, von der die CSU gesagt hat, es sei die gute Arbeit der CSU über die Weihnachtsferien gewesen, sich das auszudenken? So hat es der Generalsekretär gesagt. Und finden Sie nicht auch, dass die meisten Sätze, die begonnen werden mit „Man wird doch noch mal sagen dürfen“, ganz schreckliche Fortsetzungen haben, das heißt, dass das, was die Menschen beunruhigt, in der Tat hervorgerufen wird, weil sie zum Teil gar nicht wissen, dass die Mehrheit der Menschen, die aus Rumänien oder Bulgarien zu uns kommen, dort sehr schlechte Löhne haben, als Mediziner oder in einem anderen Beruf hier arbeiten und zum Bruttosozialprodukt in Deutschland beitragen und nur ganz wenige, prozentual sogar weniger als Deutsche, Sozialleistungen missbrauchen? Ist das nicht auch etwas, worüber man die Bevölkerung aufklären könnte, anstatt sich um die Umfragewerte zu sorgen?
Da wir diese Ängste aufnehmen müssen, ist es unsere Aufgabe, natürlich darauf hinzuweisen, dass die realen Zahlen eine ganz andere Sprache sprechen. Auch das ist sehr deutlich geworden.
In der vergangenen Woche wurde veröffentlicht, dass 25 % der Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien über einen akademischen Grad verfügen. Das ist uns allen bekannt. Dieser Prozentsatz ist höher als der entsprechende Prozentsatz in Deutschland. Das nützt unserem Land. Das stellt auch niemand infrage.
Wir müssen aber auch Lösungen für die Probleme finden, die es unzweifelhaft gibt und die von Ihnen gar nicht bestritten werden. Wir sind der Ansicht, dass unsere Gesetze hierfür eine ausreichende Grundlage bieten. Sie müssen allerdings auch angewandt werden. Dabei müssen wir unsere Kommunen unterstützen, die mit diesen Problemen zu kämpfen haben. Ich denke, das gehört auch zur Diskussion dazu.
Insgesamt wissen wir sehr wohl, dass Zuwanderung gut für unser Land ist und unsere Einnahmesituation stärkt. Zuwanderung ist gut für unsere Steuereinnahmen und für unsere Sozialsysteme. Sie ist insgesamt nur von Vorteil.
Insofern stellt sich die Frage: Was können wir als Land tun? Wir führen hier nicht die Debatte, die die Kollegen in Bayern führen. Wir führen auch nicht die Diskussion auf Bundesebene. Vielmehr müssen wir uns überlegen, was wir als Land hier tun können.
Ich denke, es ist unsere Aufgabe, immer wieder deutlich zu machen, dass Zuwanderung selbstverständlich stattfinden sollte; denn das gehört zu einer funktionierenden Europäischen Union dazu. Fehlentwicklungen müssen benannt und analysiert werden. Fehlentwicklungen muss auch entgegengesteuert werden. Dabei dürfen wir insbesondere unsere Kommunen nicht alleinlassen.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu den Sinti und Roma sagen. Wir haben das bereits an anderer Stelle diskutiert, und der Kollege Stegner hat es vorhin auch angesprochen. Wir müssen selbstverständlich dafür sorgen, dass sie in ihren Heimatländern bleiben können. Niemand verlässt gerne seine Heimat. Auch das ist uns allen klar. An dieser Stelle muss insbesondere die Europäische Union tätig werden. Die Fördergelder müssen so gesteuert werden, dass sie auch dort ankommen, wohin sie gehören. Außerdem muss dafür gesorgt werden, dass diese Länder die zur Verfügung stehenden EU-Gelder auch abrufen. Das ist das sicherste Mittel, um diese Art der Armutszuwanderung zu verhindern.
innerhalb der Europäischen Union. Außerdem unterstützen wir die hierfür erforderliche Willkommenskultur in vollem Umfang. Es muss aber auch gelten, dass Probleme nicht verschwiegen werden dürfen. Ressentiments innerhalb der Bevölkerung müssen diskutiert und ernst genommen werden. Nur dann wird es uns gelingen, die Menschen auch in Zukunft vom Sinn und von der Bedeutung der Europäischen Union für Frieden und Freiheit zu überzeugen. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute ein Thema, über das in diesem Haus offensichtlich große Einigkeit herrscht. Es ist schade, dass es uns nicht gelungen ist, einen gemeinsamen Antrag hierzu zu formulieren. Wenn man sich fragt, warum wir das hier debattieren - bei Einigkeitsthemen ist das häufig schwierig -, so hat insbesondere Ihr Beitrag gezeigt, dass es sehr wichtig ist, hier über dieses Thema zu diskutieren und die Fakten auf den Tisch zu legen. Ich weiß, dass in Schleswig-Holstein populistische Debatten nicht so geführt werden wie in anderen Teilen Deutschlands.
Meine Damen und Herren, „Wer betrügt, der fliegt“, so hieß es in den vergangenen Wochen aus der Richtung des blau-weißen Südens. Da fragt man sich natürlich, welche Betrügerinnen und Betrüger gemeint waren. Ich nehme an, Promotionsbetrüger oder Steuerhinterzieher waren nicht gemeint. Sie meinten sicher auch nicht junge spanische Zuwanderinnen und Zuwanderer, die im vergangenen Jahr noch sehr euphorisch hier begrüßt wurden. Vielmehr wurde abgestellt auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe Europas, die nun die Chance hat, hierher zu kommen.
Ich bin froh, dass es diese Form des Populismus in Schleswig-Holstein nicht gegeben hat; denn es ist eine sehr große Gefahr, wenn wir so am offenen Herzen Europas herumstümpern.
Das abfällige Bild vom Sozialtourismus und auch das der massenhaften Armutszuwanderung ist schlicht falsch und hat mit der alltäglich erlebten Realität nichts zu tun. Es ist nicht nur so, dass die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren den größten Zustrom an Ärztinnen und Ärzten aus Rumänien erlebt hat. Auch im Durchschnitt liegt der Anteil der Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Bulgarien und Rumänien, die in Deutschland auf eine soziale Mindestsicherung angewiesen sind, unter dem Bevölkerungsdurchschnitt. Aktuelle Zahlen besagen, dass die große Mehrheit sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist und einen wichtigen Beitrag zur Stabilität des Landes leistet.