Protocol of the Session on January 23, 2014

die durch das Volk zu kontrollieren ist. Das Volk ist mittelbar das Parlament und die sie tragenden Regierungen. Was ich nicht will - und was wir alle nicht wollen, denke ich -, ist eine Rückkehr zum Generalstaatsanwalt als politischen Beamten. Das wäre noch eine Nummer schlimmer. Irgendeine Form der Einflussnahme des Volkes auf die Tätigkeit der Exekutive muss es aber geben. Das ist ein Verfassungsgrundsatz. Darauf ist unser Staat aufgebaut. Das dürfen wir bei allem Engagement und bei allen Emotionen nicht vergessen. Deshalb sind die Regelungen so, wie sie sind.

Ich weise trotzdem noch einmal darauf hin, dass sich Staatsanwaltschaften gegen eine mögliche Einflussnahme - alles im Konjunktiv, weil es das bisher noch nicht gegeben hat - verwahren könnten und ihrerseits rechtliche Schritte bei einer solchen Einflussnahme einleiten könnten. Der Kollege Kubicki hat das eben noch einmal dargestellt.

Wir reden hier über ein theoretisches Problem. Wir sollten in der Beratung sehr vorsichtig sein, da man theoretische Probleme immer gern und lange diskutieren mag. Wir sollten hier aber nicht den Eindruck

erwecken, dass tatsächlich der Staat - sei es durch die Justizministerin oder durch irgendwelche Beamte - Einfluss auf die Rechtssprechung nimmt. Genau das tut er hier in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Wir haben eine unabhängige Justiz. Faktisch ist das so. Da sollten wir sehr stolz drauf sein, und das sollten wir auch nicht in Grund und Boden reden. Deswegen sollten wir uns das ganz, ganz vorsichtig angucken. Ich empfehle, im Rahmen der Beratungen, die sich darum drehen, eine Justiz zu schaffen, die etwas unabhängiger ist als das, was wir jetzt schon auf dem formalen Weg haben. Wenn wir das hinbekommen, können wir eine vernünftige Debatte ohne diese - ich sage einmal Unterstellung führen, dass hier irgendwelcher Einfluss genommen wird.

(Vereinzelter Beifall SSW, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Bevor ich Herrn Abgeordneten Dr. Breyer für einen Dreiminutenbeitrag das Wort erteile, begrüßen Sie bitte mit mir auf der Tribüne unsere ehemalige Kollegin Luise Amtsberg, die jetzt Bundestagsabgeordnete in Berlin ist.

(Beifall - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist doch schön! Heimweh?)

Für die Fraktion der PIRATEN erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Patrick Breyer das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um Verständnis, dass ich den Unfug, den der Kollege Kubicki hier verbreitet hat, richtigstellen muss und deshalb die Zeit in Anspruch nehme.

(Heiterkeit FPD und Lars Harms [SSW])

Erstens hat er behauptet, wir hätten beantragt, Immunitätsregeln abzuschaffen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir haben uns dagegen gewendet, dass sie mit dem Zusammentreten jedes Landtags automatisch eingeschränkt werden.

Zweitens hat er behauptet, es sei meine Art, unbelegbare Behauptungen in den Raum zu stellen, obwohl ich einen ganz konkreten Fall genannt habe, in dem vom Weisungsrecht Gebrauch gemacht worden ist. Da ist Mitnichten nur eine Prüfung angeordnet worden, sondern die bayerische Justizministerin hat vor zwei Jahren die Weisung erteilt, einen Wiederaufnahmeantrag zu stellen. Wenn der Kollege Kubicki der Meinung ist, er erwartet

das von einer Justizministerin, will ich ganz ausdrücklich sagen, dass die Staatsanwälte es nicht nötig haben, eine solche Anweisung zu bekommen, und dass sie sehr wohl auch in der Lage sind, selbst ein Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten, wenn es denn gerechtfertigt ist.

(Beifall PIRATEN - Zuruf Wolfgang Ku- bicki [FDP])

Soweit die Kollegin Ostmeier dem Kollegen Kubicki eine differenzierte Beurteilung zutraut, hat er das mit seinem Beitrag eben widerlegt.

Dennoch will ich noch einmal wiederholen:

„Zur Stärkung der Selbstverwaltung der Justiz ist das externe Weisungsrecht der Landesjustizverwaltung gegenüber den Staatsanwaltschaften abzuschaffen, um jedem Anschein einer politischen Beeinflussung der Justiz vorzubeugen.“

Herr Kollege Kubicki, wenn Sie das stört, sage ich Ihnen gern, dass dieser Satz ein Zitat aus dem Bundestagswahlprogramm der FDP ist.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Dr. Stegner?

Gern.

Herr Kollege Breyer, ich kenne den Fall Mollath nicht im Detail, sondern nur das, was man in den Zeitungen lesen konnte. Ist es aber nicht gut, dass es in unserer Republik möglich ist, wenn es um mögliche Missstände in der Justiz geht und bezweifelt wird, dass es ordentlich gemacht worden ist, dass eine Justizministerin in der Lage ist, die Staatsanwaltschaft dazu zu veranlassen, dass das noch einmal nachgeprüft wird? Herr Mollath würde wahrscheinlich immer noch in der Psychiatrie sitzen, wenn das nicht so wäre.

Herr Breyer, ist es nicht auch ein Problem, dass man gerade als demokratisch gewählter Abgeordneter den Eindruck erweckt, als ob jede Form von Handeln, die vom demokratisch gewählten Parlament oder einer davon abgeleiteten Regierung ausgeht, per se etwas Problematisches ist? Auch wenn wir gar keinen Grund haben, uns zu beschweren, tragen wir damit nicht zur Unterhöhlung der reprä

(Lars Harms)

sentativen Demokratie bei, wenn wir ständig diesen Eindruck erwecken?

- Herr Kollege Dr. Stegner, auch die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind demokratisch gewählt, wenn auch indirekt. Sie haben genauso eine Legitimation, Entscheidungen unabhängig zu treffen, wie es bei Abgeordneten der Fall ist,

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

wie es bei Richterinnen und Richtern der Fall ist, wie es bei den Mitgliedern der Landesregierung der Fall ist. Ich stimme Ihnen zu, dass es natürlich richtig war, dieses Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten. Die Justiz hat es nur nicht nötig, dazu eine Anweisung einer Justizministerin zu bekommen. Dafür kann die Justiz selber sorgen. Zum Beispiel hätte der Generalstaatsanwalt in Bayern dafür auch selbst sorgen können, ein Selbstverwaltungsorgan hätte dafür selbst sorgen können. Es ist nicht nötig, dass dafür eine Anweisung von der Politik kommt.

(Zurufe Birgit Herdejürgen [SPD] und Dr. Kai Dolgner [SPD])

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Bemerkung des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Ich tue das.

Welche Staatsanwaltschaft ist demokratisch gewählt worden?

- Herr Kollege Kubicki, demokratisch legitimiert. Eine demokratische Legitimation hat jeder Amtsträger, weil er zumindest indirekt auch vom Parlament gewählt worden ist. Bei den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, die von demokratisch gewählten Organen ernannt werden, ist in dem Fall auch eine demokratische Legitimation vorhanden, ebenso wie bei jedem Amtsträger.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Dann ist das Parla- ment ja ziemlich überflüssig!)

Gestatten Sie eine Nachfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Gern, wenn ich zur Fortbildung beitragen kann.

Das interessiert nicht nur mich, sondern auch die deutsche Öffentlichkeit. Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass jeder Amtsträger demokratisch legitimiert ist? Wodurch? Das Parlament stellt keinen Amtsträger ein.

- Jeder Amtsträger ist durch eine Legitimationskette legitimiert, das heißt seine Ernennung lässt sich demokratisch auf den Willen des Volkes zurückführen. So muss es in einer Demokratie auch sein.

- Dann verstehe ich das Problem nicht. Die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes werden durch den Dienstherrn eingestellt. Das Parlament hat ja noch keinen Staatsanwalt gewählt oder eingestellt. Jedenfalls kann ich mich daran nicht erinnern. Vielleicht ist das ja an mir vorbeigegangen.

- Vielleicht sollte ich das noch einmal erklären, Herr Kollege Kubicki. Der Kollege Dr. Stegner hat gefordert, dass solche Fragen durch eine demokratisch legitimierte Ministerin geregelt werden können müssten. Ich sage, dass sie bei der Justiz sehr gut unabhängig aufgehoben sind, weil die auch demokratisch legitimiert ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie haben von ge- wählten Staatsanwälten gesprochen!)

- Die sind demokratisch legitimiert, nicht gewählt. Wenn ich das anders gesagt haben sollte, dann berichtige ich das an dieser Stelle.

Vielen Dank. - Nun erteile ich für die Landesregierung der Ministerin für Justiz, Kultur und Europa, Anke Spoorendonk, das Wort.

(Zurufe)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es gäbe vieles, was ich in dieser Debatte gern sagen möchte, aber bei einem Blick auf die Uhr glaube ich, es wäre ganz gut, wenn ich meinen Beitrag etwas kürze. Ich hoffe, dass wir die Diskussion im Ausschuss weiterführen können. Es gibt vieles, was noch ausgeräumt werden müsste, und vieles, das es zu erörtern gilt.

Meine Damen und Herren, die in den §§ 146 und 147 Gerichtsverfassungsgesetz formulierte grundsätzliche interne wie externe Weisungsgebunden

(Dr. Patrick Breyer)

heit der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ist eine der rechtlich und rechtspolitisch umstrittensten Grundfragen des Rechts der Staatsanwaltschaften. Die heutige Debatte hat hinlänglich gezeigt, wie umstritten diese Frage ist.

(Beifall PIRATEN)

Dies um so mehr, als zwischenzeitlich in allen Bundesländern - lieber Herr Abgeordneter Breyer - die Abschaffung des politischen Beamten in der Position der Generalstaatsanwältin oder des Generalstaatsanwalts vollzogen ist. Auch das sollte man einen Moment sacken lassen.

(Unruhe)

Über die allgemein erhobene Forderung hinaus, dass sich die Weisungsgewalt der Justizverwaltung auf das unumgängliche, notwendige Maß beschränken müsse, wird aus rechtsstaatlichen Erwägungen die Einschränkung oder gar die Abschaffung der Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte gefordert. Das ist die heutige Diskussion.