Protocol of the Session on January 23, 2014

Schließlich - drittens - ist Selbstverwaltung der Justiz mehr als nur Weisungsrecht. Gefahren drohen auch durch die Dienstaufsicht, zum Beispiel durch die Befugnis des Ministeriums, Disziplinarverfahren gegen einzelne Staatsanwälte einzuleiten.

Deswegen - damit komme ich zu dem Thema Selbstverwaltung der Justiz - können wir stolz darauf sein, dass in Schleswig-Holstein mit Unterstützung der Justizministerin gerade diskutiert wird, Wege zur Eigenverantwortung der Justiz zu finden. Mit unserem Antrag bekennen wir PIRATEN uns dazu, die bundesrechtlichen Grundlagen für solche Modelle zu schaffen. Infolgedessen werbe ich um Ihre Unterstützung. Denn eine unabhängige Justiz muss von jedem Verdacht einer Fremdsteuerung frei sein. - Danke schön.

(Beifall PIRATEN)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Abgeordneten Thomas Rother das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg gesagt - es wird Sie hoffentlich nicht überraschen -: Natürlich steht auch die SPD-Fraktion zur Gewaltenteilung in der Bundesrepublik, auch wenn es davon immer wieder Abweichungen gibt. Eine sitzt rechts neben mir: wenn beispielsweise der Ministerpräsident Abgeordneter dieses Parlaments ist.

(Heiterkeit PIRATEN und vereinzelt CDU)

- Der Ministerpräsident hat es wahrgenommen. Das beruhigt mich.

Die rechtsprechende Gewalt ist organisatorisch eingebettet in die vollziehende Gewalt. Daraus ergeben sich zwangsläufig Abhängigkeiten, wenn es beispielsweise um die Frage von Standorten geht das haben wir hier auch schon beraten -, um die Rechtsprechung an sich geht es dabei natürlich nicht. Frau Ministerin, wenn das so wäre, wäre es ein Skandal, der hier die Wogen hochschlagen lassen würde.

Die Frage der Gestaltung der Unabhängigkeit der Justiz in der Bundesrepublik ist aber mehr als nur eine Organisationsfrage, sondern Grundfrage unserer staatlichen Ordnung. Die Gewaltenteilung, die wir immer wieder von anderen Staaten fordern, ist bei uns selbst also nicht an jeder Stelle zufriedenstellend geregelt.

Daher - in diesem Punkt schließe ich mich Herrn Breyer an - begrüße ich es ausdrücklich, dass sich die neue Landesregierung dieses Themas in Bezug auf die Stellung der Justiz erneut angenommen hat, nachdem frühere Ansätze schon gescheitert sind.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und Beifall Dr. Patrick Brey- er [PIRATEN])

Dabei geht es auch um die Frage, ob hier nur die originäre Rechtsprechung berührt ist oder ob auch andere Bereiche der Justiz betroffen sind. Es gibt noch den Justizvollzug und andere Bereiche, über die man sich noch unterhalten muss.

Das vorläufige Eckpunktepapier der Arbeitsgruppe Autonomie der Justiz in der Justiz wurde den justizpolitischen Sprecherinnen und Sprechern gestern in der Mittagspause vorgestellt. In dem Papier wird auch die Frage der Stellung der Staatsanwaltschaften erwähnt und auf die Regelungen des Gerichtsverfassungsgesetzes hingewiesen. Es ist also schon in Arbeit. Diese Regelungen waren zudem - Frau Ostmeier hat es auch erwähnt - Thema auf der letzten Justizministerkonferenz. Eine Initiative aus Sachsen zur Überprüfung des Gerichtsverfassungsgesetzes hat dort keine Mehrheit gefunden, sodass eine Bundesratsinitiative sicherlich sehr ehrenhaft, zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber wohl wenig aussichtsreich wäre.

Auch im Sonderausschuss Verfassungsreform ist vor diesem Hintergrund bereits über Gesetzesinitiativen beider Richterverbände und über die Aufnahme eines weiteren Staatsziels zur richterlichen Unabhängigkeit gesprochen worden. Die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bleiben allerdings angesichts der Rechtslage bislang außen vor.

Deshalb ist auch auszuloten, bevor man solche Dinge behauptet, inwieweit durch die Landesregierung die Weisungsbefugnis der Justizverwaltung begrenzt werden kann, um die Freiheit und Unabhängigkeit der Staatsanwälte bei der Erledigung ihrer Dienstgeschäfte zu stärken, wenn es denn notwendig ist und wenn man es denn will. An diesem Punkt sind wir noch gar nicht.

Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, macht es tatsächlich Sinn, den Antrag der CDU zur weiteren Beratung dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen, den der PIRATEN übrigens auch. Wir sollten die Entscheidungen des Sonderausschusses Verfassungsreform - der über das weitere Verfahren bis Ende März entscheiden wird - bezüglich der abzuarbeitenden Themen, hier also die Frage, ob schon in diesem Zuge oder später oder auch gar nicht eine Änderung der Verfassung erfolgen sollte, abwarten und diesen Punkt in die Entscheidungen zum weiteren Umgang mit dem Eckpunktepapier für eine Strukturreform der Justiz weiter einbeziehen und erst einmal eine parlamentarische Entscheidung

treffen, wie es dort weitergehen soll, bevor man einen Punkt herausbricht. In diesen für das Land grundlegenden Fragen muss Klarheit erlangt werden. Dann kann man erforderlichenfalls in einem zweiten Schritt Forderungen gegenüber dem Bund erheben. Es besteht also genug Spiel- und Zeitraum, um diese Fragen zu erörtern. Ein Vorpreschen mit einem herausgehobenen Punkt zu diesem Zeitpunkt ist überhaupt nicht nötig.

Den Antrag der PIRATEN sollten wir aus meiner Sicht auch überweisen, weil er im Kern dasselbe wünscht wie die CDU. Die Begründung überweisen wir dabei natürlich mit. Ich wünsche mir, dass mir jemand erklärt - Frau Ostmeier hat das auch angesprochen -, was gemeint ist, wenn sich aus dem Bereich der Politik eingemischt wird. Ist das die Regierung, ist es das Parlament, oder sollte ich auf der nächsten Ortsvereinsvorsitzendenrunde meines Wahlkreises ansprechen, wenn die sich dort über das Verfahren gegen Herrn Wulff unterhalten wollen, dass die das gefälligst unterlassen sollen? - Von daher wäre an dieser Stelle ein bisschen mehr Präzision erforderlich.

Frau Spoorendonk hatte bei der Runde gestern Mittag einen wichtigen Punkt genannt, nämlich in Bezug auf das weitere Verfahren und Dinge, die man regeln kann, aber auch Herrn Breyer darauf hingewiesen, dass er schon dabei ist, den 20. Schritt vor dem dritten zu machen. Wenn ich mir die Begründung anschaue, kann ich diese Anmerkung von gestern nachvollziehen, Frau Ministerin. Wir sollten dabei aber nicht ins Stolpern geraten und so verfahren, wie ich vorgeschlagen habe. Ich hoffe da auf Ihre Zustimmung. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Burkhard Peters das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ostmeier, ich finde Ihren Antrag prima. Er könnte glatt von uns stammen.

(Beifall Volker Dornquast [CDU])

Bei genauer Betrachtung geht es in Ihrem Antrag um Gewaltenteilung - darauf wies Herr Rother schon hin -, noch präziser: um die von Einflüssen

(Thomas Rother)

der Exekutive weitgehend befreite, selbstverwaltete Justiz.

Denn die Staatsanwaltschaft ist - worauf Sie in der Begründung Ihres Antrags zutreffend hinweisen - nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein „notwendiges Organ“ der Strafrechtspflege und somit eher der dritten Gewalt, also der Judikative, und nicht der Exekutive zuzurechnen. Für den Bereich der Richterinnen und Richter ist es selbstverständlich, dass die Justizverwaltung im Bereich der Rechtsprechung keine Weisungen erteilen darf.

Insofern ist es in der Tat ein schwer nachvollziehbarer Systembruch, dass die Justizministerien der Länder einer bestimmten Staatsanwältin oder einem bestimmten Staatsanwalt in einem konkreten Einzelfall eine Weisung erteilen können. Das ist nach der gegenwärtigen Rechtslage - wir haben es gehört: gemäß §§ 146, 147 Gerichtsverfassungsgesetz - möglich, auch wenn es selten geschieht.

Ein Beispiel habe ich mir überlegt. War nicht im Falle des Oberstaatsanwalts Wille in Lübeck in diesem Zusammenhang etwas in der Diskussion? Ich würde gern nachprüfen, ob es dort eine Weisung von Herrn Rex oder auch von Herrn Döring gab. Aber wie gesagt, ungeschützt, das wäre zum Beispiel zu überprüfen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Herr Kollege „Professor Petersen“, da ich persönlich anwesend war: Es gab einen systematischen Streit zwischen dem Leitenden Oberstaatsanwalt und dem Generalstaatsanwalt.

Das weiß ich.

- Zur Klärung dieser Frage hat das Justizministerium, weil es sich außerstande sah, dort eine eigene Entscheidung zu treffen, den Innen- und Rechtsausschuss des Landtags bemüht. Der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags hat, obwohl er gar nicht zuständig war, einmütig erklärt, dass man die Auffassung des Generalstaatsanwalts teile und nicht die des Leitenden Oberstaatsanwalts. - Das zum Thema Gewaltenteilung. Die Weisung, nun endlich aufzuhören, hat Herr Wille vom Generalstaatsanwalt erhalten und nicht vom

Justizministerium, mit Rückendeckung des Parlaments.

(Beifall SPD)

- Das weiß ich auch alles. Ich habe aber in dem Buch von Herrn Wille gelesen, dass es ein Gespräch -

(Zurufe)

- Wie gesagt, das ist eine heiße Kiste. Ich will das jetzt nicht vertiefen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dudda?

Sicher.

Herr Kollege Peters, reicht nicht schon das aktuelle Geschehen rund um die NSA aus? Nach meiner Kenntnis liegen dem Generalbundesanwalt sechs Strafanzeigen wegen Verstößen gegen deutsches Recht durch die NSA oder andere Geheimdienste vor. Bislang ist - jedenfalls für uns erkennbar - kein Verfahren eröffnet worden.

Insofern muss der Eindruck entstehen, dass das von der Politik nicht gewollt wird. Allein der Eindruck ist schon verheerend. Darum geht es. Das ist ein Vertrauensverlust in die Justiz.

(Beifall PIRATEN)

- Herr Kollege Dudda, auch das ist bisher nur Spekulation. Der Eindruck mag verheerend gewesen sein. Hier geht es aber um Fakten, ob es tatsächlich entsprechende Fälle gegeben hat. Das will ich offenlassen. Das ist aber auch gar nicht mein Hauptproblem an diesem Punkt.

Aus meiner Sicht unproblematisch ist das allgemeine Weisungsrecht des Justizministeriums. Dieses verkörpert sich in Richtlinien für eine landesweit oder bundesweit geltende gleichmäßige Vorgehensweise in bestimmten Verfahrensarten und Fallgruppen. Wir kennen das zum Beispiel bei der bundesweiten Richtlinie für Straf- und Bußgeldsachen oder bei der Anordnung über die Einstellung von Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Cannabis-Besitz in geringen Mengen auf Landesebene.

(Burkhard Peters)

Um dieses allgemeine Weisungsrechte geht es in Ihrem Antrag jedoch nicht. Es freut mich, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, diesen Antrag jetzt vorlegen. Das erfüllt mich mit der Hoffnung, dass Sie auch anderweitige Pläne für eine selbstverwaltete Justiz in Schleswig-Holstein zukünftig unterstützen werden. Die nächste Gelegenheit dazu ergibt sich im Sonderausschuss Verfassungsreform, in dem diskutiert wird, das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Gerichte und der Staatsanwaltschaften in unserer Landesverfassung zu verankern.

Sie sehen, Sie finden mit Ihrem Antrag bei uns weit geöffnete Türen vor. Auch im Justizministerium sind die Zeichen der Zeit längst erkannt worden.

Auf der letzten Justizministerkonferenz im November 2013 legte der sächsische Justizminister Dr. Martens, FDP, eine Initiative vor, wonach geprüft werden sollte, ob und in welchem Umfang das externe Weisungsrecht in Einzelfällen notwendig und noch zeitgemäß ist. Neben dem Justizministerium aus Sachsen stimmten nur der Justizminister aus Brandenburg, der von den LINKEN gestellt wird, und Anke Spoorendonk aus Schleswig-Holstein der Initiative zu. Sie befinden sich also mit Ihrem Antrag in guter Gesellschaft. Die grüne Justizministerin aus Niedersachsen und die Justizministerin des Saarlands enthielten sich der Stimme. Elf Justizministerinnen und Justizminister - darunter drei von der CDU beziehungsweise von der CSU - lehnten den Vorstoß aus Sachsen hingegen ab.

Liebe Kollegin Ostmeier, Sie sehen also, die meiste Überzeugungsarbeit müssen Sie mit Ihrer geplanten Bundesratsinitiative nicht hier in Schleswig-Holstein leisten, sondern in den anderen Bundesländern, vornehmlich in den Bundesländern mit CDUBeteiligung in der Landesregierung.

Zur weiteren Beratung sollten wir den Antrag dem Innen- und Rechtsausschuss überweisen. Hierzu sollten wir auch eine Anhörung durchführen. Im Innen- und Rechtsausschuss werden wir uns dann auch mit dem weiterführenden Antrag der PIRATEN auseinandersetzen können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.