Protocol of the Session on January 22, 2014

Die Inklusion bleibt auf der Strecke. Die Probleme bei der Privatschulfinanzierung bleiben ungelöst. Die Durchlässigkeit des Schulsystems wird geschwächt. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag wird gestrichen. Wer dafür in Verbindung mit der Mangelsituation die Verantwortung übernehmen will, muss hierfür schon sehr gute Gründe haben. Diese sehen wir PIRATEN nicht. Darum sage ich das, was ich schon nach der ersten Lesung über den Gesetzentwurf gesagt habe: So wie es ist, ist das rot-grün-blaue Schulgesetz nicht gut genug für dieses Land. - Vielen Dank.

(Beifall PIRATEN)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Fraktionsvorsitzender Dr. Ralf Stegner das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Entwurf eines Schulgesetzes, über den wir heute abschließend beraten und beschließen wollen, ist etwas ganz Besonderes. Dieser ist das Ergebnis eines umfangreichen Dialogprozesses, den unsere Bildungsministerin Wara Wende hervorragend geleitet hat - ich beglückwünsche sie dazu -,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

den wir aber auch im parlamentarischen Verfahren unter Federführung von Martin Habersaat, Kai Vogel, Anke Erdmann, Jette Waldinger-Thiering und vielen anderen intensiv fortgesetzt haben. Mein Kollege Martin Habersaat hat es in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs so formuliert - ich gebe seine Worte sinngemäß wieder, weil sie so besonders schön sind -: Wir haben das SPD-Motto aus den späten 80er-Jahren „Stell’ dir vor, es gibt eine Regierung, die hört dir zu“ weiterentwickelt zu einem „Wir haben eine Regierung, die hört dir nicht

(Sven Krumbeck)

nur zu, die redet auch mit dir“. - Meine Damen und Herren, das ist auch gut so.

Wir haben dies mit der Grundhaltung getan, kein Kind zurückzulassen und jedem die Möglichkeit zum bestmöglichen Schulabschluss zu eröffnen. Das ist das wichtigste Ziel dieser Regierungskoalition, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich füge hinzu, dass das für die SPD, die vor über 150 Jahren aus Arbeiterbildungsvereinen hervorgegangen ist, eine besondere Verantwortung ist; denn Bildung entscheidet über Lebenschancen. Wir haben deutlich gemacht, dass Bildungspolitik auch in der Haushaltspolitik Priorität hat. Wir alle bekennen uns zum Ziel der Haushaltskonsolidierung, das wir in der Verfassung festgeschrieben haben. Wir können deshalb nicht allen berechtigten Forderungen Folge leisten.

Wir stehen auch in den künftigen Haushaltsjahren vor einer Gratwanderung, die wir mit einem klaren Kompass zugunsten der Bildung gehen werden. Um es mit John F. Kennedy zu sagen: Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung, nämlich keine Bildung. - Wer in Bildung investiert, der schafft nicht nur neue Gerechtigkeit, sondern er spart auch Sozialtransferkosten.

Ich will beispielhaft an Aspekte aus vergangenen Haushalten erinnern: Wir haben 300 von der früheren Regierung gestrichene Lehrerstellen zurück ins System gegeben und den Abbau der Lehrerstellen zugunsten der Unterrichtsqualität deutlich verlangsamt. Der Beschluss der Großen Koalition, 50 % der demografischen Rendite für Qualitätssicherung im System zu belassen, ist von Ihnen aufgekündigt worden. Wir haben das wieder hergestellt.

Außerdem haben wir die Förderung der Schulsozialarbeit mehr als verdoppelt. Gleichzeitig arbeiten wir an Konzepten für den künftigen Erhalt dieses wichtigen Bestandteils kluger Schulpolitik.

Ferner haben wir die Verpflichtung der Kreise zur Erhebung eines Elternbeitrages für die Schülerbeförderungskosten abgeschafft.

Darüber hinaus haben wir die Gleichstellung der Schülerinnen und Schüler der dänischen Minderheit mit den Schülern an deutschen öffentlichen Schulen wieder hergestellt.

All das, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehört zum Herzstück unserer Bildungspolitik in dieser Legislaturperiode.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch niemals zuvor ist einer Schulgesetznovelle ein Verfahren mit einer derart umfassenden Beteiligung vorausgegangen. Niemals zuvor war ein Gesetzentwurf mehr geeignet, das Wohl unserer Kinder und Enkel in den Vordergrund zu stellen und damit die Grundlage für einen Schulfrieden zu legen.

Bildung ist und bleibt die zentrale Zukunftsfrage unseres Landes. Unsere Bildungspolitik entscheidet über die weitere Entwicklung unserer Kinder und Enkel und damit über die Zukunft Schleswig-Holsteins. Deshalb ist es richtig, dass wir den Familien, den Schülerinnen und Schülern, den Lehrerinnen und Lehrern und auch den kommunalen Schulträgern Verlässlichkeit und Planungssicherheit bieten.

Viele von uns wissen, wie schwierig es ist, sich in diesem Hause auf eine gemeinsame Bildungspolitik zu verständigen. Dies mit einer Vielzahl weiterer Akteure zu tun, ist bisher keine Selbstverständlichkeit gewesen, sondern einmalig. Wara Wende hat zu Recht gesagt: So viel Konsens bei einer Schulgesetznovelle gab es noch nie. - Eigentlich müsste dieser Konsens doch auch in diesem Hause möglich sein. Nicht nur aus Respekt vor den Beteiligten, sondern in weiten Teilen knüpfen wir damit doch an das Schulgesetz der Großen Koalition aus dem Jahr 2007 an. Gleichwohl mussten wir einige schlimme Fehler der schwarz-gelben Landesregierung korrigieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was also enthält der Schulgesetzentwurf, der zwar von SPD, Grünen und SSW in den Landtag eingebracht worden ist, in Wirklichkeit aber viel mehr Autorinnen und Autoren, viel mehr Antragstellerinnen und Antragsteller nennen müsste?

Erstens. Wir schaffen ein zweigliedriges Schulsystem aus Gymnasien und Gemeinschaftsschulen in unserem Land. Nach der Sekundarstufe I fußt das System auf drei starken Säulen, auf den Gemeinschaftsschulen, den Gymnasien und den beruflichen Schulen. Die Weiterentwicklung der Regionalschulen zu Gemeinschaftsschulen wurde von der Bildungskonferenz übrigens sogar ohne Gegenstimme beschlossen. Eltern und Schüler wissen wir auf unserer Seite.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zweitens. Der Grundsatz „G 8 an Gymnasien, G 9 an Gemeinschaftsschulen“ wurde auch von der Bildungskonferenz beschlossen.

(Dr. Ralf Stegner)

Drittens. An den Gemeinschaftsschulen werden abschlussbezogene Klassen abgeschafft. Wo „Gemeinschaftsschule“ draufsteht, muss längeres gemeinsames Lernen drin sein. Dazu verdonnert zu werden, gemeinsam zu lernen, Herr Oppositionsführer, das ist ein Beispiel für Ihre Vorgestrigkeit, das kaum zu übertreffen ist.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Viertens. Die Einrichtung von Oberstufen wird gefördert, weil wir wollen, dass künftig mehr Kinder Abitur machen. Die Abiturquote ist nachweislich dort höher, wo es ein breiteres Angebot an Oberstufen gibt.

Fünftens. Wo keine neuen Oberstufen eingerichtet werden können, sollen Kooperationen von Gemeinschaftsschulen, beruflichen Schulen und Gymnasien ermöglicht werden. Auch das wurde uns übrigens mit großer Mehrheit von der Bildungskonferenz empfohlen und bietet zugleich die Möglichkeit, an allen Schulen im Land flächendeckend den höchsten Schulabschluss zu ermöglichen.

Ich wünsche mir, dass in diesem Haus ein solches Schulsystem Zustimmung erfährt, ein Schulsystem, das das ganze Land im Blick behält. Trotz Ihrer kriegerischen Reden hier ist es eben gerade keine Anti-Gymnasium-Politik, wie es diejenigen behaupten, die selbst früher eine verbissene Anti-Gemeinschaftsschul-Politik betrieben haben. Wir hören nur mit den Schikanen auf, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist der Punkt.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich hoffe, dass die CDU ihren bildungspolitischen Schlingerkurs wieder verlassen wird. Einigen Sie sich doch einmal innerhalb Ihrer Fraktion, ob Sie G 8 oder G 9 wollen! Einigen Sie sich doch einmal darüber, ob Sie Evaluationen, die Sie als Regierung noch abgeschafft haben, jetzt doch wieder wollen! Einigen Sie sich doch einmal, ob Sie mehr Autonomie an den Schulen wollen oder ob Sie den Schulen auch die Methode des Schreibunterrichts vorschreiben wollen! Einigen Sie sich endlich einmal! Das kann man doch zumindest verlangen. Einigen Sie sich doch einmal darüber, ob Sie Gemeinschaftsschulen im ländlichen Raum wollen, wie es Ihre Parteifreunde tun, die nämlich wissen, dass das die einzige Perspektive ist.

Sehr geehrter Herr Oppositionsführer, nach Ihrer Rede muss ich wirklich sagen: Wer über Leistung und Qualität redet, selbst aber einen solchen Bei

trag hier abliefert, der kann froh sein, wenn über eine so abenteuerlich schlechte Rede möglichst wenig berichtet wird. Das war komplett daneben.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Das muss die Opposition wirklich besser können. Ich habe mich wirklich fremdgeschämt, als ich Ihnen zugehört habe. Das muss ich Ihnen wirklich sagen.

(Zurufe CDU - Anita Klahn [FDP]: Das kann doch wohl nicht wahr sein!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir regieren derweil im Dialog mit den Menschen in diesem Land. Dass dieser Dialog keine Show ist, können Sie übrigens auch erkennen, wenn Sie einmal das Wahlprogramm und den Schulgesetzentwurf nebeneinander legen. Dann stellen Sie nämlich fest, dass wir eine Reihe von nicht einfachen Kompromissen gemacht haben.

Abweichend von unserer ursprünglichen Meinung sind wir der Bildungskonferenz gefolgt und haben den bestehenden G-9- und G-Y-Gymnasien Bestandsschutz zugesagt.

(Anita Klahn [FDP]: Das ist aber großzügig!)

Die Möglichkeit der Schrägversetzung vom Gymnasium zur Gemeinschaftsschule wurde nicht verboten, sondern eingeschränkt. Sie ist aber nur noch dann zulässig, wenn die Leistungen des Schülers oder der Schülerin trotz individueller Förderung nicht den Anforderungen des Gymnasiums genügen. Das ist auch eine Form der Gleichberechtigung beider Schularten. Wir richten unsere Bildungspolitik nämlich an den Schülerinnen und Schülern aus. Wir wollen, dass man mit den Schülern umgeht, die man hat, und nicht mit Schülern, die man sich wünscht. Das ist der Unterschied zwischen Ihrer Politik und unserer.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Wir haben Übergangslösungen für die Regionalschulen festgelegt, eine Evaluation für die Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft zugesagt, eine Experimentierklausel für kleine Schulen, eine Aufwertung des Schulelternbeirats und einiges mehr.

Wir sind überzeugt, dass dieses Gesetz Grundstein für Planungssicherheit und Frieden in der Systemdebatte ist. Die bildungspolitische Debatte endet damit jedoch natürlich nicht. Es bleibt vieles zu tun, denn die Verbesserung der Qualität unserer Bildung ist ein beständiges Anliegen. Wir werden über klei

(Dr. Ralf Stegner)

ne Dorfschulen zu sprechen haben, wir werden über Übergänge zwischen Schulen zu reden haben, die Lehrerausbildung und auch als besonderen Kraftakt das Thema Inklusion, das uns sehr fordern wird, qualitativ und fiskalisch.

Allerdings sage ich auch: Sie von der Opposition sind die Letzten, die kritisieren dürften, dass das Schulgesetz nicht ausreichend ausfinanziert sei. Es bleibt ein jahrelanger Kraftakt für Bund, Länder und Kommunen. Sie aber haben immer mehr Lehrerstellen streichen wollen und gestrichen. Da wäre leises Schämen angebracht und nicht die freche Anklägerposition. Wir tun mehr für die Schulen, als Sie jemals tun wollten. Das ist Fakt.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Widerspruch CDU und FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegt noch viel Arbeit vor uns.

(Zuruf)

- Für Sie reicht es immer noch. - Es geht um nicht weniger als die Zukunft unseres Landes. Wir brauchen keine finanzpolitischen Debatten mehr zu führen, keine Sozialpolitik mehr zu diskutieren, keine Ideen zur Stärkung unserer Wirtschaft mehr zu entwickeln, wenn wir bei der Bildungspolitik versagen.