Herr Abgeordneter Callsen, seien Sie so freundlich und bleiben einen Moment am Rednerpult. - Ich bin mir nicht sicher - wir insgesamt sind uns nicht sicher -, ob Sie den Begriff „Brandstifter“ gezielt auf den Ministerpräsidenten persönlich vorgetragen haben. Dann wäre das ein Ordnungsruf. Ich behalte mir vor, das anhand des Protokolls zu prüfen. Auch ansonsten halte ich diesen Begriff nicht für parlamentarisch.
Herr Präsident, der Begriff bezog sich nicht auf den Ministerpräsidenten, sondern auf die Koalition.
Ich glaube, dass das eine gute parlamentarische Sitte ist. Wir sollten versuchen, solche Begrifflichkeiten zu vermeiden. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte gar nicht damit gerechnet, im Verlauf der Debatte so früh zu Wort zu kommen. Aber das sollte kein Problem darstellen.
Ich möchte meinen Beitrag zur Schulgesetzdebatte mit einem persönlichen Geständnis beginnen. Wären wir bei „Wünsch dir was“, dann hätte ich gern eine einzige Schulart für alle Kinder. Ich hätte kein strukturelles Defizit an Lehrerstellen, ich hätte viele gesunde und motivierte Lehrkräfte. Ich hätte individuell geförderte und begleitete Schülerinnen und Schüler sowie inklusive Schulen auf modernstem Niveau.
Leider sind wir nicht im Wunderland. Wir haben bei Lehrkräften ein strukturelles Defizit von ungefähr 2.500 Stellen. Inklusion braucht eine Atempause. Die Landeselternbeiräte befürchten den Bildungsbankrott, und sinkende Schülerzahlen bringen so manchen Schulstandort in Existenznot.
Unter diesen Vorzeichen kämpft die Landesregierung ihr Schulgesetz durch. Zusammen mit den Mehrheitsfraktionen hat sie das Vorschaltgesetz mit ihrer Einstimmenmehrheit durchgesetzt und wird nun mit ihrer Einstimmenmehrheit auch das Restschulgesetz durchprügeln, mit einer Stimme Mehrheit hier im Hause, aber einer breit aufgestellten Opposition im ganzen Land.
Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, dass der Bildungsdialog mehr an gemeinsamer Basis bei allen Beteiligten hätte schaffen können. Ich kann an dieser Stelle auch die Landesschülervertretung der Gymnasien verstehen, die sich darüber freut, dass einige ihrer Änderungen aufgenommen wurden, da sie sich nach Ruhe sehnt. Das sollten wir uns alle gemeinsam hinter die Ohren schreiben. Wer die Schullandschaft immer wieder neu aufmischt, tut ihr nichts Gutes. Wir müssen endlich für Ruhe und Verlässlichkeit sorgen.
Ansonsten blieb kaum jemand, egal welchem politischen Lager er zugeordnet wird, ernsthaft ohne Kritik. Tatsächlich haben alle Fraktionen vieles aus den Anhörungen mitgenommen und in ihren Änderungsanträgen verarbeitet. Das ist gut und richtig so. Daher hätte ich mir ein bisschen mehr Raum für den interfraktionellen Gedankenaustausch gewünscht.
Von den Fraktionen auf der Oppositionsseite kam im Zuge der letzten Ausschusssitzung immer wieder der Appell, doch miteinander zu reden und Dinge zu beleuchten. Zu Ehrlichkeit gehört auch: Wer sich an dieser Stelle im Ausschuss komplett vom Dialog abgewandt hatte, waren die Mehrheitsfraktionen.
Dialog war nicht mehr gewünscht. Das finde ich schade. Das spricht nicht für die Ernsthaftigkeit dieser Koalition hinsichtlich interfraktioneller Zusammenarbeit. Die wäre in schwierigen Zeiten nicht nur einmal etwas Neues, sondern auch gut für uns alle.
Auch die Mehrheitsfraktionen haben Tipps aus den Anhörungen aufgenommen. Sie klären Begriffsungenauigkeiten, sie schaffen die geforderte Experimentierklausel für Schulmodelle vor Ort, verbessern die Frist zur Überleitung von Regional- in Gemeinschaftsschulen. Was sie allerdings nicht tun: Sie legen keinerlei Hand an die echten Baustellen, zum Beispiel Bildungs- und Erziehungsziele. Hier gab es von allen Seiten harsche Kritik. Je eindringlicher diese Kritik wurde, desto mehr knickten sie ein. Man würde immer noch das Gleiche meinen und es nur anders benennen, und an manchen Stellen würde es erhalten bleiben, und so weiter, und so fort. Da frage ich mich natürlich: Wenn es inhaltlich erhalten bleiben soll, warum dann der ganze Eiertanz?
Gestehen Sie doch zu, dass die Idee Unsinn war, und bleiben Sie bei Bildungs- und Erziehungszielen. Sie tun sich mit solch einer hartnäckigen Bockigkeit keinen Gefallen.
In diesem Zusammenhang ist es schon fast lustig, dass ausgerechnet Sie, Frau Professorin Wende, bei den Beratungsgesprächen zur Einschulung darauf setzen, dass die Eltern nicht beratungsresistent sein werden. Das ist richtig. „Beratungsresistent“ werde ich mir merken.
Gleiches gilt für die Einschränkung der Schrägversetzung vom Gymnasium auf die Gemeinschaftsschule. Das hat nichts mehr mit Freiheit, mit individueller Förderung oder Durchlässigkeit des Schulsystems zu tun. Damit ist Ihre Regelung schlecht. Sie ist schlecht für die Schüler, die vielleicht aus gutem Grund wechseln wollen. Ich kenne solche Fälle, und ich weiß um den Erfolg, der sich mit dem Wechsel ergeben hat.
Sie ist aber auch schlecht für die Gymnasien. Denn diese werden durch die Hintertür gezwungen, wie Gemeinschaftsschulen zu arbeiten, ohne dafür die nötige Ausstattung zu haben. Ich lehne diese Unaufrichtigkeit ab.
Wir werden Sie in diesem Zusammenhang fragen, wo die zusätzlichen Stunden für die Gymnasien bleiben, um die in den Raum gestellte Binnendifferenzierung zu gestalten. Ich hoffe, Sie haben darauf belastbare Antworten. Allerdings habe ich da meine Zweifel. Wir können in diesem Lande nämlich nichts Neues finanzieren. Trotzdem muten wir
Wir übertreffen uns gegenseitig damit, Bildung mit der höchsten politischen Priorität zu versehen. Wir überschlagen uns in öffentlichen Statements, wenn es darum geht, Versprechen für mehr gute Bildung zu leisten. Leider kann niemand dieses Versprechen einlösen. Keine einzige Fraktion hat dazu Anträge zum Haushalt gestellt, weil Schuldenbremse und Stellenabbaupfad uns das verbieten. Wir PIRATEN geben allerdings zu, finanzpolitisch in einer Sackgasse zu stecken. Wir gehen davon aus, dass wir strukturell etwas ändern müssen. Es reicht nicht mehr, ein bisschen Kohle von einem Topf in einen anderen zu verschieben. Wir müssen über ganz neue Konzepte und Möglichkeiten reden, die uns wieder echte Gestaltungsmöglichkeiten schaffen.
Darum hatten wir in den Haushaltsberatungen gefordert, den Bildungsdialog ausgeweitet fortzuführen, nämlich um uns genau diesen Themen zu widmen. Da verordnen Sie der Inklusion in diesem Land eine Atempause, und die Bildungsministerin kündigt ein Konzept für das Frühjahr an, wie die Inklusion in Zukunft aussehen soll. Ich bin gespannt und hoffe sehr, dass dieses Konzept mehr enthalten wird als eine Besinnung auf die UN-Konvention. Denn wir als PIRATEN haben als einzige Fraktion die Streichung des Finanzierungsvorbehalts im neuen Schulgesetz gefordert. Wer hier einen Vorbehalt mit dem Hinweis auf Finanzen setzt, könnte mit dem gleichen Argument die Gleichberechtigung von Mann und Frau unter den Finanzierungsvorbehalt stellen.
Das ist eine Politik, die wir nicht stützen werden. Es nützt auch nichts, liebe Kollegin Strehlau, wenn Sie im Ausschuss versichern, dass Sie im Grunde auch für Integration und Inklusion sind, aber die Finanzen die Entwicklung des inklusiven Gedankens in allen Bereichen, auch in der Schule, nicht zulassen. Auch dafür haben wir PIRATEN im Zuge der Haushaltsberatungen einen Antrag gestellt, denn Inklusion muss in diesem Lande die Megaaufgabe sein. Denn wir wollen, dass unser Ministerpräsident - ja, Herr Dr. Stegner, auch wir PIRATEN sehen in Herrn Albig unseren Ministerpräsidenten - mehr ist als ein Türöffner in China.
und ein bisschen mehr Vertrauen auch in die Beratung durch unseren Beauftragten für Menschen mit Behinderung, dann wäre die unwürdige Passage des Vorbehalts aus dem Schulgesetz verschwunden.
Mit den Stimmen der Küstenkoalition bleibt sie nun aber darin enthalten. Auch das ist Ihre Verantwortung. Wir PIRATEN schämen uns tatsächlich aufrichtig dafür.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich schwergetan mit diesem Schulgesetz. Das habe ich bereits im Ausschuss gesagt. Ich teile vieles von dem, was von der CDU zum Beispiel im Hinblick auf die Autonomie oder die Durchlässigkeit des Schulwesens kommt. Dafür brauche ich keine eigenen Anträge zu stellen. Dafür kann ich einfach die Hand heben. Gleiches gilt für so manche Passage im Antrag der Liberalen. So kann ich Änderungsformulierungen zum Beispiel im Bereich des Datenschutzes gut unterschreiben. Diese decken sich mit den Anregungen aus dem ULD. Das ist okay.
Ich finde - ich sage es gern noch einmal - auch einiges an den Anträgen der Mehrheitsfraktionen gut. Am Ende reicht es aber nicht, zu zählen, wie viele Anregungen Sie aufgenommen haben, sondern welche Hinweise das sind. Nach einem ehrlichen Diskurs in meiner Fraktion kommen wir geschlossen zu dem Schluss, dass wir uns mit der Qualität der Anträge nicht zufriedengeben. Wir wollen mehr Freiheit. Wir wollen mehr Autonomie. Wir wollen mehr Möglichkeiten für die Schule vor Ort. Wir wollen die Schülerrechte weiter ausbauen.
An dieser Stelle sei mein Dank an die Mehrheitsfraktionen gerichtet, die mit uns zusammen die sogenannten Handy-Detektoren aus den Schulen verbannt haben.
Auch wenn ein ausdrückliches Verbot für uns schöner gewesen wäre, haben wir politisch das durchsetzen können, was wir wollten. Schülerinnen und Schüler werden vom Generalverdacht des potenziellen Schummelns freigesprochen. Wir haben darüber gut und ausführlich im Ausschuss diskutiert. Es ist ein gutes Signal nach außen, dass die Mehrheit in diesem Landtag an die Aufrichtigkeit jedes Einzelnen glaubt und den Lehrkräften die Kompetenz und die Leidenschaft zutraut, Schüler auch ohne technische Überwachung durch Prüfungen zu führen. Dafür danke ich Ihnen.
schaft in die von Rot-Grün-Blau inszenierte Mithaftung nehmen lasse. Leider wird diese Schulgesetznovelle trotz vieler Erkenntnisse ohne Rücksicht auf Verluste aufgestülpt. Ebenso lehnen wir diesen Gesetzentwurf von oben nach unten ab. An dieser Stelle muss ich niemandem von der Regierungsbank das Lied vom Bildungsdialog singen; denn die Glaubwürdigkeit Ihres Dialogs hätte sich am besten an der Übernahme der wesentlichen Kritikpunkte ablesen lassen. Das haben Sie aber nicht getan.
Die Inklusion bleibt auf der Strecke. Die Probleme bei der Privatschulfinanzierung bleiben ungelöst. Die Durchlässigkeit des Schulsystems wird geschwächt. Der Bildungs- und Erziehungsauftrag wird gestrichen. Wer dafür in Verbindung mit der Mangelsituation die Verantwortung übernehmen will, muss hierfür schon sehr gute Gründe haben. Diese sehen wir PIRATEN nicht. Darum sage ich das, was ich schon nach der ersten Lesung über den Gesetzentwurf gesagt habe: So wie es ist, ist das rot-grün-blaue Schulgesetz nicht gut genug für dieses Land. - Vielen Dank.