Protocol of the Session on January 22, 2014

Nicht jeder und jede muss alles können. Ziel muss es doch sein, Ermittlungseinheiten zu bilden, die die notwendigen Fachkompetenzen abbilden. Ich freue mich, dass die Landesregierung in dem Bericht diesen Ansatz wählt und auch beschreibt, wie sie dem akuten Bedarf an externen Spezialisten durch entsprechende Konzepte begegnen will. Das werden wir unterstützend begleiten.

(Minister Andreas Breitner)

Gestatten Sie mir noch ein Wort zur aktuellen Überstundensituation. Natürlich ist der Durchschnittswert von 47 Überstunden nur eine Zahl, aber dennoch ein Wert. Natürlich bildet dieser Durchschnittswert nicht die Realität der einzelnen Polizeibeamtin oder des einzelnen Polizeibeamten ab. Er lässt aber erkennen, dass es Spitzenbereiche gibt, in denen wir tatsächlich eine derart hohe Überstundensituation haben, dass wir ihr begegnen müssen. Das sind, wie der Innenminister ausführte, unter anderem Spezialgebiete, das sind aber auch Bereiche im Einsatzgeschehen der Landespolizei, denen wir uns unbedingt widmen müssen.

(Beifall Wolfgang Kubicki [FDP])

- Vielen Dank. - Denn ich meine, zur Attraktivität der Landespolizei gehört im Ganzen auch, einheitliche Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse vorzufinden. Deshalb müssen wir diese Unwuchten ausgleichen. Dazu gehört die Ausgestaltung der Spezialistenlaufbahn, dazu gehört die Fortführung des Beförderungskonzeptes, auch die Ausgestaltung flexibler Arbeitszeiten im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber nicht nur in diesem Sinne. Ich meine, wir dürfen den Blick für mehr Teilzeitmöglichkeiten und die Möglichkeit einer verkürzten Altersarbeitszeit nicht verlieren. Dazu aber später mehr.

Die Schwerpunkte, die es jetzt anzugehen gilt, sind in dem Bericht dargestellt. Ich bedanke mich dafür und freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herzlichen Dank. - Für die CDU-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Astrid Damerow das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorgelegte Bericht macht eines sehr deutlich: Dieser Landesregierung fehlt nach wie vor jegliches Konzept zur Gestaltung der Polizei.

(Vereinzelter Beifall CDU - Widerspruch SPD)

- Entschuldigung, ich kann hier kein Konzept entdecken.

(Lachen SPD)

Es fehlt ihr im Übrigen jegliches Gespür für die polizeilichen Notwendigkeiten. Ich will es an ein paar

Einzelpunkten deutlich machen. In punkto Nachwuchssicherung dürfen die hohen Bewerberzahlen, die wir in den letzten Jahren haben, nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir viele Bewerber brauchen. Denn wir stellen fest, dass 2013, einem guten Einstellungsjahr, von insgesamt rund 2.800 Bewerbern gerade 375 geeignete Bewerberinnen und Bewerber übriggeblieben sind. Das heißt, wir werden hier zunehmend ein Problem bekommen; denn wir können auf der anderen Seite die Anforderungen nicht weiter herunterschrauben. Das ist nicht zu vernachlässigen. Sich nur die Bewerberzahlen anzuschauen, sagt noch nichts über die Sicherung des Nachwuchses.

Wenn wir darüber hinaus wissen, dass der mittlere Dienst der Landespolizei die bundesweit längsten Wartezeiten für Beförderungen hat, dann, denke ich, ist jedem klar, dass hier etwas getan werden muss. Da hätte ich mir schon etwas konkretere Antworten der Landesregierung gewünscht.

Ansonsten zählen Sie uns Elemente eines Nachwuchskonzeptes auf, aber auf das tatsächliche Konzept warten wir noch. Besonders nett finde ich, dass die regierungstragenden Fraktionen in ihrem Antrag damals das Nachwuchskonzept schon begrüßt haben, das aber noch keiner kennt und das im Übrigen in der Bearbeitung ist.

Zum Bereich IT-Ausstattung erklären Sie, Herr Minister, dass die Anforderungen steigen. Das ist richtig. Diese Ansicht teilen wir. Sie teilen uns aber in demselben Absatz mit, dass für eine bessere Ausstattung keine finanziellen und personellen Spielräume bestehen. Sie teilen uns darüber hinaus mit, dass die IT-Abteilung im Landespolizeiamt unter einer hoch defizitären Ausstattung leidet. Das ist alles richtig. Doch, Herr Minister, wo sind die Lösungen und die Antworten auf diese Probleme?

Die geplanten Einschnitte von 122 Planstellen insbesondere in den Bereichen der Verkehrsüberwachung und der Wasserschutzpolizei treffen unserer Meinung nach wirklich die Kernbereiche staatlichen Handelns. Wir lehnen sie ab. Darüber hinaus führen Sie sämtliche Überlegungen - Frau Kollegin Lange hat es eben angesprochen - zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei der Polizei, die auch zur Attraktivität gehört, damit ad absurdum. Denn wenn Sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steigern wollen, werden Sie nicht Personal abbauen können. Denn Sie müssen diese Zeiten auffangen. Wer sich mit der Polizei unterhält, wer sich mit Polizisten vor allem im ländlichen Raum unterhält, der weiß ganz genau: Alle stehen hinter dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Simone Lange)

Aber sie ist nur schwer umzusetzen, und sie erfordert mehr Personal.

Politisch wirklich abenteuerlich - Ihr Bericht, Herr Minister, hat das nicht aufgelöst - ist die Statistik, die Sie uns hier vorlegen. Ihre Interpretation der Überstundenstände in der Landespolizei ist ein Schlag ins Gesicht unserer Polizisten, frei nach dem Motto: Man nehme alle Überstunden und teile sie durch die Zahl der Polizeibeschäftigten. Damit wird die tatsächliche Belastung insbesondere des operativen Dienstes kleingerechnet. Sie haben eben versucht, das zu differenzieren. Es wäre schön gewesen, wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, das in Ihrem Bericht etwas differenzierter darzustellen.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Verantwortung und Wertschätzung für die Polizistinnen und Polizisten geht anders. Ich vermisse das in diesem Bericht von der ersten bis zur letzten Seite. Denn ein Durchschnittswert von 47 Überstunden verzerrt in eklatanter Weise die tatsächliche Belastungssituation der unterschiedlichen Dienstzweige. Insbesondere der operative Dienst der Polizei hat vielfach das Dreifache und mehr an Überstunden, da sie die Hauptlast der Sonderaufgaben und Einsätze tragen. Ich denke, das wissen wir alle.

(Wortmeldung Simone Lange [SPD])

- Nein, ich lasse keine Zwischenfragen zu.

Mit der ungeheuerlichen Behauptung, ein personeller Zuwachs würde keine Mehrarbeitsentlastung bewirken, schlagen Sie dem Fass den Boden aus. Was ist das für eine Argumentation? Wenn offensichtlich Personal nicht mehr helfen kann, Überstunden abzubauen, können Sie mit dieser Argumentation noch mehr als 122 Stellen streichen.

(Beifall Petra Nicolaisen [CDU] und Dr. Hei- ner Garg [FDP])

Sie versuchen hier erneut, auf Kosten unserer Polizisten den geplanten Personalabbau zu rechtfertigen. Wenn ich Ihren Bericht lese, Herr Minister, sprechen Sie auch davon, dass Besoldung fair zu gestalten ist. Dann frage ich mich schon, ob Sie im letzten Jahr hier anwesend waren, als wir über die zeit- und wirkungsgleiche Übernahme der Tarifabschlüsse gesprochen haben.

(Vereinzelter Beifall CDU und FDP)

Der von Ihnen heute so hoch gelobte Kompromiss ist nur zustandegekommen, weil der öffentliche Druck, der Druck der Opposition und der Druck der Betroffenen sehr groß war. Wenn es nach der Landesregierung und nach den regierungstragenden

Fraktionen gegangen wäre, hätte es nicht einmal das gegeben. Im Übrigen kann ich nicht begreifen, warum sich diese Landesregierung nicht imstande sieht, rechnerisch zu ermitteln, was das kostet. Einmal zu Ende gedacht - ich weiß, das ist spitzfindig -: Wenn Sie es nicht errechnen konnten, weiß ich nicht, warum Sie es letztes Jahr nicht gleich gemacht haben; es wäre dann egal gewesen. Es ist immer die Frage, von welcher Seite man das betrachtet. Ein Arbeitgeber, der so mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgeht, ist für potenzielle Bewerber sicher vieles, attraktiv ist er nicht.

Der Bericht wirft bei uns eine Menge Frage auf. Wir werden ihn deshalb im Ausschuss sicherlich intensiv diskutieren. Wir warten auf das angekündigte Nachwuchskonzept. Wir warten auf die Neubewertung der Dienstposten, und wir warten - ich denke, das ist das Allerwichtigste - nach wie vor auf die konkreten Vorstellungen der Landesregierung zur Zukunft unserer Polizei.

(Beifall Petra Nicolaisen [CDU])

Denn im Moment lautet die Antwort auf all diese Fragen: Sie haben keine Antwort. Ich denke, das werden wir ausgesprochen intensiv diskutieren.

Lassen Sie mich hier noch etwas anfügen, was immer wieder kommt und was möglicherweise in den nächsten Redebeiträgen auch noch kommt. Nicht unsere Redebeiträge hier im Parlament sind es, die die Attraktivität unserer Polizei beschädigen. Keiner von uns zweifelt den Willen und die hohe Motivation unserer Polizisten an. Sie leisten alle hervorragende Arbeit. Auch deshalb ist die Polizei nach wie vor attraktiv für viele Bewerber. Was wir hier bemängeln und was wir scharf kritisieren, ist der Umgang dieser Landesregierung mit unseren Polizisten. Das haben unsere Polizisten nicht verdient. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Kollegen Burkhard Peters.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kommt wieder ein authentischer Peters.

Herr Minister, vielen Dank für den Bericht. Wichtige Aspekte dieses Berichts hat die Kollegin Lange

(Astrid Damerow)

schon mit ihrem fachkundigen und beruflich hochqualifizierten Blick angesprochen. Lassen Sie mich daher nur auf zwei Punkte eingehen, die aus meiner Sicht besonders erwähnenswert sind. Das ist zum einen die Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund und zum anderen die Bekämpfung des Rechtsextremismus im Zusammenhang mit der Förderung der Kriminalprävention.

Der Berichtsauftrag hatte die besondere Bedeutung der Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund hervorgehoben, damit sich auch in der Landespolizei die Vielfältigkeit der Menschen in Schleswig-Holstein abbildet. Die gesellschaftliche Debatte in den vergangenen Wochen über die Notwendigkeit, die Chancen und die Herausforderungen der Zuwanderung in die Bundesrepublik macht eines absolut deutlich: Alle staatlichen Institutionen müssen sich zukünftig viel intensiver als bisher mit dieser Herausforderung auseinandersetzen und eigene Konzepte entwickeln. Auch an der Polizei wird diese Entwicklung nicht länger vorbeigehen können, wobei ich vermute, dass gerade bei der Polizei ein ganz besonderer Nachholbedarf besteht.

In der vergangenen Woche hatte ich Gelegenheit, eine Nachtschicht im 4. Kieler Polizeirevier, also schwerpunktmäßig in Gaarden, mitzuerleben. Das 4. Kieler Polizeirevier ist mit 83 Polizistinnen und Polizisten das größte Polizeirevier im ganzen Land. Bekanntlich hat der Bezirk Gaarden einen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Höhe von 44,4 %. Dieser Stadtteil nimmt in dieser Hinsicht eine Spitzenstellung in Schleswig-Holstein ein. Es gibt natürlich noch andere Stadtteile in Schleswig-Holstein mit einem ähnlich hohen Ausländeranteil.

Auf meine Nachfrage, wie viele Beamtinnen und Beamte im 4. Kieler Polizeirevier einen Migrationshintergrund haben, wurde mir mitgeteilt, dass es aktuell zwei von 83 Polizisten seien. Das sind angesichts der besonderen Problemlagen in diesem Stadtbezirk meines Erachtens viel zu wenige. Es ist unbestritten, dass Polizistinnen und Polizisten mit einer Abstammung aus den Ländern, aus denen auch viele Menschen im Stadtbezirk stammen, in den täglichen polizeilichen Einsätzen und Auseinandersetzungen häufig besonders angemessen, deeskalierend und einsatzfördernd agieren und reagieren können. Dies wurde mir auch in meinen Gesprächen im Revier so bestätigt.

Der Bericht bringt zu diesem Punkt wenig Erhellendes. Es wird zwar grundsätzlich die besondere Bedeutung der Bemühungen zur Erhöhung des An

teils von Menschen mit Migrationshintergrund gerade vor dem Hintergrund der Empfehlungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Bundestags zur NSU-Terrorgruppe betont. Ich hätte mir aber schon Zahlen zur Ausgangslage in der Landespolizei gewünscht. Wie viele Polizistinnen und Polizisten mit Migrationshintergrund haben wir also aktuell im Vollzugsdienst? Wo wollen wir zahlenmäßig hin?

Es wird auch ausgeführt, dass in der Vergangenheit und im aktuellen Einstellungsjahrgang entsprechende Beamtinnen und Beamte eingestellt wurden, aber auch diesbezüglich fehlen mir die konkreten Zahlen. Ich befürchte, wir sind noch lange nicht in einem Bereich, der die oben erwähnten Notwendigkeiten auch nur annähernd abbildet.

Der zweite Punkt betrifft die Bekämpfung des Rechtsextremismus im Rahmen der Kriminalprävention. Ich begrüße ausdrücklich, dass der vorliegende Bericht die Notwendigkeit und die besonderen Bemühungen der Landesregierung in diesem Bereich ausdrücklich betont.

In den „Lübecker Nachrichten“ vom 16. Januar 2014 hatte die Opposition der Landesregierung vorgeworfen, ,,auf einem Auge blind“ zu sein, nämlich auf dem linken Auge. Es wurde dabei Bezug genommen auf die Ausschreitungen linksextremer Autonomer in Hamburg anlässlich des Konflikts um das Kulturzentrum Rote Flora. Ich wurde mit einem Satz zitiert, in welchem ich angeblich die Gefahren des Linksextremismus im Verhältnis zum Rechtsextremismus verharmlost habe.

Dazu Folgendes: Jede politisch motivierte Straftat, insbesondere eine politisch motivierte Straftat gegen Polizisten, ist eine zu viel, egal ob sie von Linksextremisten oder von Rechtsextremisten ausgeübt wurde.

(Beifall im ganzen Haus)