Protocol of the Session on December 12, 2013

„Ich habe eine klare fachpolitische Position zur Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung.“

Und was sagt der Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein? Auch er verweist auf die fachliche Einschätzung des Innenministers. Ansonsten keine Konsequenzen. Ende der Durchsage.

Nun wissen wir aus dem Kieler Steuerdeal, dass der Innenminister manchmal einige Tage benötigt, um seine Position zu bestimmen. Dass er aber vor dem Schleswig-Holsteinischen Landtag als Innenminister des Landes Schleswig-Holstein spricht und dem Landtag seine fachliche Einschätzung in der De

batte zur Vorratsdatenspeicherung vorenthält, ist ein unvertretbarer Umgang mit dem Parlament dieses Landes.

(Beifall CDU und FDP)

Die Abgeordneten dieses Landes haben einen Anspruch darauf, vom Innenminister nicht nur Worte zum Koalitionsvertrag zu hören, sondern auch seine fachliche Position zu Sachfragen, für die er und nur er in dieser Landesregierung verantwortlich ist. Und dies umso mehr, als eben auch das Landeskriminalamt die Vorratsdatenspeicherung befürwortet, um eine Lücke in der Strafverfolgung zu schließen.

Was Sie, Herr Innenminister, dem Landtag hier in der vergangenen Tagung erzählt haben, war insofern nichts weiter als eine Märchenstunde, die des Landtags unwürdig ist und die ich für die CDUFraktion ausdrücklich missbillige.

(Beifall CDU und PIRATEN)

Von Respekt vor diesem Haus zeugt das alles nicht.

Was sollen eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Polizistinnen und Polizisten in diesem Land davon halten, wenn ihr oberster Dienstherr die Vorratsdatenspeicherung fachlich für notwendig hält, sie politisch aber nicht umsetzen will? Aber wir kennen diese Doppelzüngigkeit bereits aus anderen Fällen. Es ist immer wieder unerträglich, wie fachliche Argumente von dieser Landesregierung vom Tisch gewischt werden.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Fachliche Einschätzungen zählen bei Ihnen nicht, wenn es um die Durchsetzung Ihrer Ideologie geht.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Wir haben es beim Korruptionsregistergesetz erlebt; wir haben es an allen anderen Stellen erlebt. Wer soll diese Landesregierung eigentlich noch ernst nehmen, wenn sie dem Parlament wesentliche fachliche Erkenntnisse vorenthält? Es ist unerträglich und eine Zumutung, wie Sie mit dem Parlament und der Öffentlichkeit umgehen. Das ist unglaubwürdig und respektlos gegenüber dem Schleswig-Holsteinischen Landtag. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und PIRATEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich dem Kollegen Lars Harms das Wort.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

(Vizepräsidentin Marlies Fritzen)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich ehrlich bin, wäre ich froh gewesen, wenn wir auf die Rede des Kollegen Callsen gerade eben hätten verzichten können.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist in der Tat so - der Kollege Kubicki hat recht -: Das Ganze ist ein bisschen ewiggestrig gewesen, und ich weiß auch nicht, was das Ganze soll.

Es geht hier um ein konkretes Thema, nämlich um die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, um die flächendeckende Überwachung der Bevölkerung, ohne überhaupt ein Verdachtsmoment zu haben. Das ist das Kernthema, über das wir reden. Da lassen wir uns gern als Regierungsfraktion, aber sicherlich auch als Regierung, liebe Kolleginnen und Kollegen, daran messen, was wir tun, und nicht daran, welche Meinung möglicherweise Menschen innerhalb der Regierung, aber auch innerhalb der Fraktion, innerhalb dieses Hohen Hauses entwickeln.

(Hartmut Hamerich [CDU]: Einfach mal die Tagesordnung lesen!)

- Das habe ich getan, und ich rede zum Thema, lieber Kollege. Das haben Sie wahrscheinlich auch noch nicht richtig mitgekriegt.

Was die zukünftige Bundesregierung machen wird oder was Sie beschlossen haben, ist, dass Sie eine EU-Richtlinie umsetzen wollen, weil Sie der Auffassung sind, das Sie EU-Recht auch umsetzen müssen. Dann ist natürlich immer die Frage, wie das geschieht. Ich bin auch sehr glücklich über die Entscheidung des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof, dass er es für menschenrechtswidrig hält, weil ich glaube, es gibt eine relative Sicherheit, dass genau diese EU-Richtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof keinen Bestand haben wird. Es ist sehr, sehr selten, dass man dem Generalanwalt dort in der Rechtsprechung nicht folgt. Vor diesem Hintergrund bin ich heute wesentlich entspannter, als ich es gestern noch war.

Meine Damen und Herren, Menschen haben das Recht auf freie Meinung, und der Minister hat auch das Recht auf eine freie fachliche Meinung. Das werde ich niemandem absprechen, denn auch das ist, wenn man so will, ein Menschenrecht, eine eigene Meinung haben zu dürfen. Allerdings sollte man bei der Art und Weise, wie man sie äußert, sehr überlegt formulieren. Das sage ich ganz deut

lich, weil es auch mich persönlich berührt hat, wie die Kritik an unserer Haltung formuliert wurde.

(Beifall Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

Mehr sage ich nicht dazu. Ich will da kein Öl ins Feuer gießen. Denn, wie gesagt, es berührt einen sehr, gerade auch bei diesem Beispiel.

Ich glaube, man muss sich einmal praktisch vorstellen, was da eigentlich passiert. Das fühlt sich immer ein bisschen theoretisch an: Vorratsdatenspeicherung. Man kann sich das gut vorstellen, wenn jeden Tag, tagtäglich jemand neben einem steht und jedwede Kommunikation abhört. Stellen Sie sich vor, Sie haben jedes Mal eine Person neben sich stehen, die das ständig mithört, und dann den Kommentar gibt: „Mach dir mal keine Sorgen. Ich nutze das nur, wenn es nötig ist.“ Wenn man sich genau das plastisch vorstellt, meine Damen und Herren, dann weiß man, dass das eben ein Eingriff in die Rechte der Menschen ist, der so nicht vertretbar ist.

(Vereinzelter Beifall PIRATEN)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Anlasslose Überwachung ist definitiv nicht in Ordnung.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und PIRATEN)

Was in Ordnung ist, ist, dass man, wenn es einen Anfangsverdacht gibt, diesem natürlich nachgeht. Das ist heute auch schon rechtlich möglich, und das wird heute auch schon gemacht. Das stellt keiner in Zweifel. Dann werden natürlich auch Kriminalfälle aufgeklärt werden können. Aber dass ich als Person, dass der Kollege Kubicki, der Kollege Stegner oder der Kollege Dudda überwacht werden, einfach nur mal so, weil es ja sein könnte, dass man irgendetwas herausfindet, das ist genau der falsche Weg.

(Beifall SSW und PIRATEN)

Deshalb zum Ende nochmals: Ich bin davon überzeugt, dass Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist. Diese gilt auch für einen Minister. Wenn er fachlich eine andere Meinung hat, eine andere Meinung entwickelt, dann ist das in Ordnung. Dann darf er sie auch äußern. Wenn es aber um das konkrete Handeln einer Regierung geht, dann ist eine Regierung genau wie die sie tragenden Fraktionen an den Koalitionsvertrag gebunden. Dieser ist eindeutig. Deshalb erwarte ich, dass die Landesregierung diesen Koalitionsvertrag auch immer beachtet, wenn es um Diskussion auf Bundesebene geht.

Ich weiß, dass sie das auch tun wird. Das beruhigt mich sehr. Vor dem Hintergrund, dass wir jetzt eine

europäische Entscheidung haben, die sowieso sagt, dass das menschenrechtswidrig ist, haben wir jetzt möglicherweise auch die besseren Argumente und auch die Argumente, die tragen werden. Ich bin mir sicher, dass die Landesregierung genau diese Argumente auch auf Bundesebene nutzen wird.

(Beifall SSW, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort für die Landesregierung erteile ich dem Innenminister Andreas Breitner.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich ahne, dass ich hier nicht zum letzten Mal stehe, um mit Ihnen über die Vorratsdatenspeicherung zu diskutieren. Zumindest bundesund europapolitisch wird das Thema absehbar auf der Tagesordnung bleiben. Es gibt ja auch ganz tagesaktuell dazu weiteren Anlass.

Die möglichen Koalitionspartner im Bund haben sich darauf verständigt, die entsprechende Richtlinie der EU zur Einführung von Mindestspeicherfristen verfassungskonform in deutsches Recht umzusetzen. Das war der äußere Anlass, aus dem ich mich dazu geäußert habe.

Die Position der schleswig-holsteinischen Landesregierung zu dieser Frage ist in unserem Koalitionsvertrag festgelegt. Dazu stehe ich. Das habe ich bereits in der Landtagsdebatte im November bekräftigt. Ich bin vertragstreu, wenn es um die konkrete Erfüllung vertraglich eingegangener Pflichten geht. Deshalb habe ich auch kein Problem, in der Innenministerkonferenz die Position zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Koalitionsvertrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW zu vertreten.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Völlig un- glaubwürdig!)

Ich kenne meine koalitionspolitischen Pflichten und erfülle sie.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine Damen und Herren, hier geht es nicht um das Für und Wider der Vorratsdatenspeicherung. In dieser Debatte geht es darum, ob ein Minister, ob ich, hierzu eine eigene fachliche Meinung haben und vertreten darf. Ich kenne meine fachpolitische

Verantwortung als Innenminister des Landes Schleswig-Holstein. Es gibt auch Fragen der inneren Sicherheit, die sich bei Mindestspeicherfristen stellen. Ich sehe mich in der Verantwortung, diese nicht zu verschweigen, sondern auf sie hinzuweisen und diese Fragen auch aus meiner Sicht zu beantworten.

Nach vielen Gesprächen mit kriminalpolizeilichen Ermittlern und anderen sehr besonnenen Sicherheitsfachleuten, aber auch mit Vertretern von Opferverbänden bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass wir unserer Polizei ein rechtsstaatlich grundsätzlich erlaubtes Instrument - darauf liegt bei mir die Betonung - nicht verweigern sollten, wenn dadurch schwere Straftaten aufgeklärt und akute Gefahren für Leib und Leben abgewehrt werden können.

(Dr. Patrick Breyer [PIRATEN]: Tun sie aber nicht!)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung aufgezeigt, dass dies geht und wie dies geht, sehr eng, sehr eingeschränkt, aber es geht.