Protocol of the Session on December 12, 2013

Für die SPD hat Frau Abgeordnete Dr. Gitta Trauernicht das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor allem sehr geehrter Herr Kollege Jensen! Ich würde Sie gern persönlich ansprechen, denn sie haben mit Ihrer Presseerklärung vom 29. November 2013 zu diesem Thema verbal dermaßen hingelangt, dass ich einigermaßen irritiert war. Sie haben den Entwurf einer Ministererklärung für die 12. Trilaterale Regierungskonferenz zum Schutz des Wattenmeeres kommentiert mit „Stück aus dem Tollhaus“, von „ideologisch geprägten Schreibtischtätern“ war die Rede,

(Beifall CDU)

die den Menschen an der Westküste „das Licht ausknipsen“ wollten, und Sie greifen den Umweltminister Robert Habeck persönlich an. Sie sahen schon neue Nullnutzungszonen am Horizont, und Sie wollten, dass es keinerlei neue Schutzbemühungen für das Wattenmeer mehr geben soll.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Er kann auch an- ders! - Karsten Jasper [CDU]: Er wohnt auch da!)

Lieber Herr Kollege, ich wollte sagen: Nun mal wieder auf den Boden! Aber mit Ihrer Rede haben Sie verbal wieder abgerüstet und in Ihrer üblichen

besonnenen Art gesprochen, in der Sache jedoch immer noch gleich argumentiert.

Deswegen nochmals: Es gibt in Schleswig-Holstein ein Nationalparkgesetz mit definierten Schutzzwecken. Mit der Formulierung dieser Schutzzwecke in § 2 wird deutlich, dass es sich beim schleswig-holsteinischen Wattenmeer nicht allein um einen Naturraum handelt, sondern um einen Lebensraum von Menschen auf Halligen und Inseln. Das hat Bedeutung. Deswegen darf der Küstenschutz nicht durch Naturschutz eingeschränkt werden.

(Beifall Lars Harms [SSW])

Das steht nicht nur in diesem Paragrafen eindeutig, das hat uns der Sturm Xaver nochmals vor Augen geführt. Ich zitiere weiter:

„Unzumutbare Beeinträchtigungen der Interessen und herkömmlichen Nutzungen der einheimischen Bevölkerung sind zu vermeiden.“

(Beifall Lars Harms [SSW])

So ist es in § 2 klar formuliert. - Offensichtlich sitzt einer der Autoren hier, so begeistert klatscht er.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind die Leitplanken, die zu beachten sind. Trilaterale Wattenmeerkooperation und Weltnaturerbe können nur grenzüberschreitend gelingen. Bei allen Dokumenten der trilateralen Regierungskooperation müssen Formulierungen gefunden werden, die von den Partnern der Wattenmeerkooperation mitgetragen werden können. Schleswig-Holstein ist dabei ein wichtiger Partner. Die Westküstenregion wird über die Nationalpark-Kuratorien Dithmarschen und Nordfriesland umfassend an der Positionierung des Landes beteiligt.

Sie haben es gerade gesagt, es gibt in Dithmarschen bereits einen Beschluss, und dieser Beschluss ist keinesfalls ablehnend, sondern anregend. Beschlüsse von Kreistagen zu diesem Thema werden ebenfalls zur Kenntnis genommen, und Anregungen können in die Erklärung eingehen, wenn es zur Verständigung mit den Parteien kommt.

Sie wissen es auch, die Federführung für diese internationale Kooperation liegt für Deutschland beim Bundesumweltministerium. Bei den bisherigen Wattenmeerkonferenzen ist es gelungen, durch große Einigkeit über Parteigrenzen hinweg die Interessen Schleswig-Holsteins gut einzubringen, und dies ist auch das Ziel für die Konferenz im Jahr 2014. Daran können wir keinen Zweifel haben.

(Klaus Jensen)

Lieber Kollege, völlig daneben finde ich es, mit dem im Verfahren befindlichen Evaluierungsbericht zum Nationalpark an dieser Stelle zündeln zu wollen. Der Komiteebericht kommt doch in Bezug auf die erreichten Wirkungen des Nationalparks zu dem Fazit, dass der Nationalpark seit seiner Gründung im Jahr 1985 nach wechselvollen Jahren heute erfreulicherweise einen guten Entwicklungsstand erreicht habe. Wesentliche Naturschutzziele seien erreicht, so wird in diesem Bericht formuliert. Die Natura-2000-Diskussion ist abgeschlossen.

In der Konsequenz heißt dies, dass mit Augenmaß an einer Abwägung naturschutzfachlicher Ziele und wirtschaftlicher Erfordernisse in der Region gearbeitet wird. Wer will, dass es so bleibt, wie es ist, der muss es verändern. Dieser Satz gilt auch für das Wattenmeer.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Keine Frage: Eine der schwierigsten aktuellen Herausforderungen für die Landesregierung und für uns alle ist die Frage der nutzungsfreien Flächen im Nationalpark. Herr Kollege, es ist das erklärte Ziel des Ministers, hier zu einer einvernehmlichen Lösung mit den Fischern und Naturschützern zu kommen. Diese Diskussion haben wir bereits geführt.

(Beifall Lars Harms [SSW])

Das ist ein gutes Verfahren. Auch dies bringen wir in unserem Änderungsantrag zum Ausdruck. Ihren Antrag lehnen wir ab. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Marlies Fritzen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Jensen, worum geht es? Worüber reden wir? - Wir reden über einen Text, den es noch nicht gibt und von dem wir alle noch nicht wissen, wie er am Ende aussehen wird. Wir reden aber auch über das Wattenmeer, das laut UNESCO ein Naturraum von außergewöhnlichem und universellem Wert ist. Man kann es sich nicht oft genug ins Gedächtnis rufen, und deshalb sage ich es hier noch einmal: Es ist eines der letzten verbliebe

nen großräumigen Wattökosysteme mit einer weltweit einzigartigen Vielfalt. Es ist Kinderstube für Meeresbewohner und als Rastplatz und Überwinterungsgebiet für Zugvögel von seiner Bedeutung für den Erhalt der globalen Biodiversität vergleichbar mit dem Amazonas-Regenwald.

Das Wattenmeer ist auch ein Teil unserer Heimat. Darauf weisen auch Sie ein Stück weit hin, wenn Sie die verschiedenen Nutzungen ansprechen. Er ist ein - wie ich finde - Identität stiftender Teil. Die Westküste und das Wattenmeer gehören zum Lebensgefühl der Schleswig-Holsteiner dazu; das sage ich als jemand, der aus dem östlichen Landesteil kommt. Für uns alle sind der Nationalpark und das Wattenmeer ein fester Bestandteil.

(Beifall Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Gitta Trauernicht [SPD])

Als der Nationalpark Wattenmeer vor drei Jahren sein 25-jähriges Jubiläum feierte, gab es eine Umfrage. Dabei machten mehr als 85 % der Menschen in Schleswig-Holstein deutlich, dass sie ihn für wichtig halten und sogar stolz auf ihn sind. Den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer besuchen jährlich mehr als 2 Millionen Urlauberinnen und Urlauber und rund 16 Millionen Tagesgäste. Mit dem Tourismus wird in der Region ein Bruttoumsatz von jährlich 213 Millionen € erzielt. Die Summe von 213 Millionen € im Jahr 2010 belegt die enorme wirtschaftliche Bedeutung des Nationalparks für unser Land.

- Herr Kollege Jensen, da ich auf Ihren Antrag rekurriere, würde ich mich freuen, wenn Sie mir zuhören würden. Das wäre schön. Sie haben gesagt, dies gehe nur an Ihnen vorbei. Das kann schnell passieren, wenn man nicht zuhört. - Naturschutz und Naturerleben befördern sich also gegenseitig. Beides steht aber auch in Konkurrenz zueinander. Weitere Interessenskonflikte ergeben sich mit militärischen Nutzungen, mit der Ölförderung, mit dem Schiffsverkehr und selbstverständlich mit der Fischerei. Von einem Idealzustand sind wir also noch weit entfernt. Dennoch sage ich an dieser Stelle ganz deutlich: Die Geschichte des Nationalparks ist eine Erfolgsgeschichte für Schleswig-Holstein. Daran haben selbstverständlich die Menschen vor Ort einen gehörigen Anteil.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Sandra Redmann [SPD])

Der zusammenhängende Naturraum Wattenmeer ist von politischen Grenzen durchzogen. Um Schutzkonzepte umzusetzen und eine Vereinbarung von

(Dr. Gitta Trauernicht)

Nutzerinteressen und Schutzzielen zu erreichen, ist eine Zusammenarbeit über Grenzen hinweg unerlässlich. Es ist gut und produktiv, dass es diese Zusammenarbeit gibt. Herr Kollege Jensen, hören Sie gut zu:

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

- Herr Arp, es schadet auch nicht, wenn Sie zuhören. - Das Leitbild der Trilateralen Wattenmeerkonferenz ist:

„so weit wie möglich ein natürliches und sich selbst erhaltendes Ökosystem zu erreichen, in dem natürliche Prozesse ungestört ablaufen können.“

Wir alle wissen, dass das Wattenmeer kein unberührter Naturraum ist, sondern dass sich die Nutzungskonflikte wie ein roter Faden durch die Geschichte des Nationalparks, aber auch der Konferenzen dazu ziehen Herr Jensen und liebe Kollegen von der CDU, Ihr Antrag fordert, dass die Wattenmeerkonferenz keine weiteren Einschränkungen einführen soll.

(Beifall CDU)

Dabei wissen Sie ganz genau, dass diese Konferenz überhaupt nicht in der Lage ist, solche Beschlüsse zu fassen. Daher ist dies ein vollkommener Schauantrag, der eher dazu führen könnte, dass Debatten wieder aufleben, von denen wir dachten, sie seien überwunden. Das ist das, was mich an dieser Stelle aufregt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Zurufe CDU)

Bekanntermaßen ist das Bundesnaturschutzgesetz ein von Schwarz-Gelb verabschiedetes Gesetz. In dem Bundesnaturschutzgesetz steht:

„Nationalparke haben zum Ziel, in einem überwiegenden Teil ihres Gebiets den möglichst ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten.“

Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Was ist der überwiegende Teil von 100? - Mehr als 50. Davon sind wir weit entfernt, das sagt auch der Evaluierungsbericht, ohne dass daraus die Konsequenz gezogen wird, dass schon gestern eine Nullnutzung von 50 % der Fläche festgelegt worden ist.

Hören Sie also auf, diese Schauanträge zu stellen. Treten Sie mit uns in eine sachliche Debatte ein, und bekennen Sie sich vielleicht demnächst in Ihrem ersten Satz zu dem Erfolgsmodell National

park, bevor Sie die Probleme aufzeigen. Bekennen Sie sich dazu, dass Sie mit uns gemeinsam den Zweck des Nationalparkgesetzes, nämlich die Schutzziele zu erfüllen, erreichen wollen.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Damerow?

Selbstverständlich.

Frau Abgeordnete Damerow.

Vielen Dank. Frau Kollegin Fritzen, habe ich Sie eben richtig verstanden? Sie haben uns gerade rechnerisch vor Augen geführt, dass die überwiegende Mehrheit von 100 mehr als 50 ist. Im Nationalpark haben wir im Moment einen Nullnutzungsbereich, der zwischen 30 und 35 % der Fläche liegt. Darf ich Sie also so verstehen, dass die Regierungsfraktionen eine weitere Ausweitung der Nullnutzungszonen unterstützen?