Protocol of the Session on November 22, 2013

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir haben schon gehört, dass das Land in den Jahren 2014 bis 2020 aus den verschiedenen EU-Strukturfonds Fördermittel und Subventionen in hoher dreistelliger Millionenhöhe erhalten wird. Dementsprechend wichtig ist dieses Instrument für die Entwicklung unseres Landes.

An dieser Stelle möchte ich unseren schleswig-holsteinischen Ministern, die in Berlin die Verteilung der Fördermittel ausgehandelt haben - auch Ihnen, Herr Meyer - meine Anerkennung für ihr Verhandlungsgeschick aussprechen. Das ist ein durchaus ansehnliches Ergebnis und positiver, als wir erwartet hätten.

(Beifall PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umso enttäuschender, muss ich leider sagen, ist der Bericht, den Sie uns über die geplante Verwendung der Mittel, die uns in Schleswig-Holstein zur Verfügung stehen, vorgelegt haben. Von Transparenz oder gar Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger bei der Ausgestaltung dieser Subventionsprogramme kann überhaupt keine Rede sein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Kollege Voß, Mitbestimmung heißt doch nicht: Ihr hättet ja etwas sagen können!

Was haben wir denn erlebt? Wir haben erlebt, dass uns Ende 2012 bestimmte Zielrichtungen einfach vorgelegt worden sind. Hat es davor irgendeine Art von Parlamentsbeteiligung oder Bürgerbeteiligung über die Ziele gegeben? - Nein. Wir haben dann erlebt, dass uns dieser Bericht mit den konkretisierten Zielen von der Regierung vorgelegt worden ist. Sind wir dazu, zu dem Entwurf der geplanten Ziele, angehört worden? - Nein. Wir haben gerade gehört, dass diese Woche der Entwurf der Operationellen Programme beschlossen worden ist. Haben wir einmal einen Entwurf gesehen und Gelegenheit gehabt, zu den Plänen Stellung nehmen zu können? Nein. Das ist keine Transparenz und hat auch mit

Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger nichts zu tun.

(Beifall PIRATEN und CDU)

Das Internet macht es doch schon längst möglich, die Menschen zu fragen: Folgende Schwerpunkte gibt es vonseiten der EU zur Auswahl; diese Schwerpunkte könnten wir setzen. Was meint ihr? Welche Schwerpunkte würdet ihr für die Zukunft unseres Landes setzen? - Diese Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung werden überhaupt nicht ausgeschöpft. Herr Minister Meyer hat im Ausschuss gesagt, der Programmbeirat werde ja beteiligt. Dazu muss ich sagen: Der nicht öffentlich tagende Programmbeirat ist nicht dazu da, die Zielsetzungen oder die Ausgestaltung der Programme festzulegen. Er ist für die Umsetzung der Programme zuständig und nicht etwa für die Schwerpunktsetzung. Dies ist eine politische Aufgabe.

Im Übrigen - die Kollegin Damerow hat es schon kritisiert - ist noch immer nicht geklärt, wie denn der Sachverstand der Regionen in die Vergabe der Fördermittel eingebunden werden soll. Das ist eine ganz wichtige Frage. Das ursprünglich genannte Argument, es gebe weniger Mittel, also müsse an den Strukturen gespart werden, kann mit den neuen Zahlen nicht mehr gelten. Infolgedessen ist dies dringend klärungsbedürftig. Ein Vertreter von allen Kommunen ist natürlich nicht ausreichend, wenn künftig auch der Sachverstand der Regionen bei der Mittelvergabe eingebunden werden soll.

Das intransparente Verfahren, in dem diese Schwerpunktsetzung ausgearbeitet worden ist, führt entsprechend auch zu schlechten Ergebnissen. Die Schwerpunkte, die Sie setzen wollen, sind aus meiner Sicht die falschen. Um ein Beispiel aus dem regionalen Entwicklungsfonds zu nennen: Sie führen die Subvention von Einzelunternehmen fort, obwohl längst bekannt ist, dass von dieser einzelbetrieblichen Förderung vor allem ohnehin geplante Projekte profitieren - das heißt, Sie haben hierdurch massive Mitnahmeeffekte zu verzeichnen -, dass durch diese einzelbetriebliche Förderung innerhalb Deutschlands auch eine Standortkonkurrenz gefördert wird und dass sich Regionen durch verschiedene Fördermittel gegeneinander ausspielen lassen. Das wollen wir gerade nicht. Es ist auch bekannt, dass von dieser einzelbetrieblichen Förderung Großunternehmen und Konzerne überproportional profitieren. Diese müssen wir aber gerade am wenigsten fördern. Fördermittel fließen auch in strukturstarke Regionen, während es erforderlich wäre, die Förderung auf strukturschwache Regionen Schleswig-Holsteins zu konzentrieren.

(Dr. Ekkehard Klug)

(Beifall PIRATEN)

Auf alle diese Probleme der einzelbetrieblichen Förderung haben Sie keine Antwort gegeben. Sie haben nicht gesagt, wie Sie das künftig vermeiden wollen.

Auch bei der Infrastruktur- und Clusterförderung hat die Evaluierung des letzten Programms ergeben, dass sie nur geringe Effekte auf die Wirtschaftstätigkeit in der Region hat und dass diese Cluster nach Ende der Förderung im Endeffekt auch gar nicht mehr tragfähig sind, obwohl das vorübergehende Programme sind, die keine dauerhaften Strukturen finanzieren sollen.

Auch auf diese Probleme gibt uns die Landesregierung keinerlei Antwort. Das setzt sich mit der Schwerpunktsetzung fort, die Sie laut Ihres Berichts vornehmen wollen. Sie haben vonseiten der EU eine Vielzahl von Feldern zur Verfügung gehabt, die man fördern könnte, legen aber beim EFRE zum Beispiel keinen Schwerpunkt auf den Bereich des Ausbaus des Breitbandzugangs, obwohl das ein sehr wichtiges Thema für uns ist, für unsere Bürger ebenso wie für unsere Wirtschaft. Sie legen keinen Schwerpunkt auf die Förderung nachhaltiger städtischer Mobilität, zum Beispiel im Bereich des Radverkehrs, keinen Schwerpunkt auf Gründerzentren, auf gemeindliche Gesundheitsdienste oder auf die Entwicklung der Aus- und Weiterbildungsstruktur. - Ich weiß wohl, dass Mittel in diesen Bereichen vorgesehen sind, aber Sie legen eben keinen Schwerpunkt darauf. Das ist die Kritik. Es ist eine Kritik an der Schwerpunktsetzung.

(Beifall PIRATEN)

Das setzt sich beim Europäischen Sozialfonds fort. Dort legen Sie keinen Schwerpunkt auf die Förderung gleichen Zugangs zu Kindertagesstätten und Schulen. Sie nutzen nicht die Möglichkeit der Zielsetzung einer Verbesserung und Stärkung der Hochschulen, Sie legen keinen Schwerpunkt auf die Entwicklung digitaler Kompetenzen und digitaler Integration der Menschen in diesem Land.

Beim ELER-Fonds legen Sie keinen Schwerpunkt auf Selbstständigkeit und Unternehmensgründung, keinen Schwerpunkt auf den Breitbandausbau, und der Tourismus ist in den Leitlinien auch nicht als konkretes Ziel genannt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schwerpunktsetzung ist intransparent erfolgt und dementsprechend problematisch ausgefallen. Sie legen weiterhin den Schwerpunkt auf eine Industrie- und Wirtschaftsförderung, statt sich darauf zu konzen

trieren, die Rahmenbedingungen für eine zukunftsgerichtete Informationsgesellschaft in SchleswigHolstein zu gestalten.

Wir PIRATEN fordern, den Prozess der Programmausgestaltung öffentlich zu machen und die Öffentlichkeit und das Know-how des Parlaments mit einzubinden, und zwar auch in die Vergabeentscheidungen, die später beabsichtigt sind. Haben Sie den Mut, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land mit entscheiden zu lassen, und ich sage Ihnen: Das Ergebnis wird ein besseres sein. - Danke sehr.

(Beifall PIRATEN und CDU)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich Frau Kollegin Jette-Waldinger Thiering das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Vorredner, Herr Kollege Patrick Breyer! Wenn wir, wie Sie das gerade eben angesprochen haben, das Verfahren transparenter gestalteten und das Know-how des Parlaments einfließen lassen sollten, möchte ich wissen, wo Sie sich vorhin befanden, als die Ministerin sprach beziehungsweise was Sie gelesen haben, als Sie den schriftlichen Bericht der Landesregierung lasen. Darin sind ganz viele Dinge enthalten, von denen Sie hier gerade gesprochen haben.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit der Verabschiedung des mehrjährigen Finanzrahmens der EU hat das Europäische Parlament jüngst die Weichen für den Förderzeitraum von 2014 bis 2020 gestellt. Damit ist ein zweijähriger und sehr arbeitsintensiver Prozess zu Ende gegangen. Die neuen Förderkriterien richten sich nach der EU-Wachstumsstrategie 2020 und wurden entsprechend angepasst. Soll heißen: Die fünf Kernziele der Strategie 2020 zur Schaffung von intelligentem, nachhaltigem und integrativem Wachstum werden nun für die Förderperiode maßgeblich sein.

Wie das Volumen für die kommende Förderperiode in Gänze ausfallen wird, ist zurzeit noch nicht ganz klar. Die Ergebnisse für den Fischereifonds stehen noch nicht fest. Aber Schleswig-Holstein wird es nicht ganz so heftig treffen, wie anfangs noch zu befürchten war. Ich halte dies für eine gute Nachricht, denn Schleswig-Holstein profitiert seit

(Dr. Patrick Breyer)

vielen Jahren von den europäischen Strukturfondsmitteln.

Nun kommt es darauf an, die Mittel in Übereinstimmung mit den EU-Vorgaben und den landespolitischen strategischen Zielen möglichst effizient und zielgerichtet einzusetzen. Dabei kommt uns zugute, dass die strategischen Ziele der Landesregierung mit den Zielen der Europastrategie 2020 weitgehend kompatibel sind. Ich bedanke mich bei der Landesregierung, dass es ihr in hervorragender Weise gelungen ist, die Programmierung der einzelnen Fonds ressortübergreifend zu gestalten.

(Beifall Regina Poersch [SPD])

Dies war gewiss keine leichte Aufgabe,

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

da unterschiedliche Vorgaben und Interessen bei diesem Prozess zu berücksichtigen waren.

Der Bericht macht deutlich, wo die Reise hingeht. Vor allem wird deutlich, wo das Land seine Schwerpunkte bei den einzelnen Fonds setzt.

Da es sich insgesamt um einen umfangreichen Förderkatalog handelt, werde ich mich auf einige Punkte beschränken.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Schade!)

- Wenn ich gewusst hätten, dass ich noch drei Stunden weiterreden darf, hätte ich das ausführlich darstellen können.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

- Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, Herr Kollege Arp.

Durch die Vorgaben der Europastrategie 2020 bekommen Energiewende und Klimaschutz einen neuen Stellenwert in der kommenden Förderperiode. Damit rücken sie noch weiter in den politischen Fokus Schleswig-Holsteins. Soll heißen: Wir werden künftig mehr für energetische Optimierung, Steigerung der Energieeffizienz, Maßnahmen zur Energieeinsparung und den Ausbau der regenerativen Energien erreichen können. Zudem werden entsprechende Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie vergleichbare Vorhaben mit rund 40 % aus ELER- und EFRE-Mitteln gefördert. Es ist ein ganz neuer Ansatz der EU, aber das macht deutlich, dass man auch dort erkannt hat, dass auf diesem Sektor mehr getan werden muss als bisher. Für SchleswigHolstein ist dies eine große Chance, die Energiewende weiter voranzubringen.

Ebenso ist das Instrument der „Integrierten Territorialen Investitionen“ neu, das unter anderem den Aspekt der Energiewende aufgreift. Mit ITI wird ein neues Instrument geschaffen, um investitionsübergreifende Strategien aus dem Operationellen Programm von EFRE zu fördern. ITI ist für die Westküste geplant und mit einem Gesamtvolumen von 30 Millionen € ausgestattet. ITI ist also neuer Wein in neuen Schläuchen; denn ITI ist flexibel einsetzbar, um regionale und sektorenübergreifende Strategien besser zu unterstützen.

Den ESF werden wir in Schleswig-Holstein schwerpunktmäßig nutzen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, um Fachkräfte besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren und um sie dort zu halten. Dafür werden wir den Bildungssektor stärken. Wir werden die Mittel darauf konzentrieren, die Zahl der Schulabbrecher zu verringern. Lebenslanges Lernen und die Weiterbildung der Arbeitskräfte werden wir nutzen, um Fachkräfte dem Arbeitsmarkt anzupassen.

Als Letztes möchte ich hervorheben, dass wir es sehr begrüßen, dass das grenzüberschreitende Instrument INTERREG fortgesetzt wird. Sowohl das Land als auch die beteiligten deutschen Gebietskörperschaften sowie die beiden dänischen Regionen haben bereits frühzeitig ihr Interesse an der Fortführung des Programms bekundet. Die Auswertung des bisherigen Programms hat deutlich gemacht, wo die Schnittmengen der Stärken, Kompetenzen und Interessen der Region liegen. Dies ist deckungsgleich mit den vier thematischen Zielen, auf die man sich künftig im INTERREG V A konzentrieren wird.

Schleswig-Holstein hat seine Hausaufgaben gemacht. Die Programmierung für die neuen EUStrukturfonds steht, und damit sind wir gut aufgestellt. Hierfür gilt mein Dank allen Beteiligten.

Wer heute schon Zeit gehabt hat, den Pressespiegel zu lesen, hat gesehen, dass, auch wenn wir insgesamt zwar in Schleswig-Holstein mehr Geld bekommen werden, über den ESF nicht so viel dabei für das Land herumkommen wird, nur 75 % der alten Summe.

Frau Damerow fragte, wie es mit den Weiterbildungsverbünden weitergeht. Ich hoffe, dass Sie die Einladung zum 4. Dezember 2013, zu der Kickoff-Veranstaltung für genau diesen Dialog, bekommen haben. Ich hoffe, dass Sie sich angemeldet haben und dort kreativ mit uns diskutieren werden.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Jette Waldinger-Thiering)

Vielen Dank. - Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat die Kollegin Regina Poersch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Astrid Damerow, man kann über die Ausgestaltung von sieben Jahren Förderperiode unterschiedlicher Auffassung sein. Man kann auch unterschiedliche Schwerpunkte setzen wollen. Aber einen Begriff, den Sie in Ihrer Rede verwandt haben, lasse ich einfach nicht auf uns sitzen: Das ist das Wort „Skandal“. Sie haben beklagt, dass Sie nicht wüssten, was die Integrierte Territoriale Investition ist, Sie hörten heute zum ersten Mal von den 30 Millionen €, Sie wüssten nicht, wie die regionale Beteiligung vorgesehen sei. Um das Wort Skandal aufzugreifen - ich finde es eher einen Skandal, dass Sie offensichtlich versäumt haben, in das Protokoll des Europaausschusses vom 4. September 2013 zu gucken. Dort hat Staatssekretär Dr. Nägele sehr ausführlich - ich habe nachgeguckt, es sind zehn Seiten Protokoll - über ITI und die regionale Beteiligung informiert hat. Das war ausführlich. Zehn Seiten Protokoll sprechen wohl für sich.