Protocol of the Session on November 21, 2013

Was ist mit der Zeit? - Neun Minuten am Tag pro Pflegebedürftigem hören sich erst einmal nicht so schlecht an. Berechnen Sie diesen Wert auf Grundlage einer Normalstation mit circa 40 Betten, dann bedeutet dies einen Aufwand von sechs Stunden Arbeitszeit am Tag. Das ist fast eine volle Schicht einer Pflegefachkraft.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wie lautet jetzt Ihr Vorschlag?)

- Herr Garg, dass jetzt gerade von Ihnen die Frage nach einem Vorschlag kommt, finde ich amüsant.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Die Frage kam auch von Ihnen immer!)

- Haben Sie eine Frage?

(Weitere Zurufe)

Frau Kollegin Pauls, ich habe Ihre Andeutung so verstanden, dass Sie die Frage, die Herr Dr. Garg jetzt offiziell stellen möchte, zulassen.

Das mache ich gern, denn dadurch verlängert sich meine Redezeit.

Aufgrund der faszinierenden Zahlen, die wir beide dem Bericht entnommen haben, die jedoch offensichtlich nicht so neu sind, frage ich Sie: Wie lautet ganz konkret Ihr Vorschlag? Der Satz: Machen wir es doch so, mehr Zeit für Pflege und weniger Zeit für Dokumentation, reicht mir als Antwort auf das Problem, das Sie beschrieben haben, nicht aus.

- Herr Garg, ich sage es noch einmal: Wir müssen alle Akteure an den Tisch bringen, auch die Vertreter der Pflege. Bislang sind diese Vertreter auch auf Bundesebene leider nicht dabei. Wir müssen uns darauf konzentrieren, dass an dieser Stelle der politische Wille formuliert wird. Wir wollen, dass weniger dokumentiert wird. Das muss den Medizinischen Diensten und den Kassen mit auf den Weg gegeben werden, das muss eine Marschrichtung sein. In den vergangenen Jahren habe ich dies insbesondere auf Bundesebene schmerzlich vermisst. Bundesminister Bahr hat sich relativ wenig um dieses Thema gekümmert. Er hat lediglich eine Ombudsfrau eingesetzt, die das Thema behandeln und Berichte erstellen soll, die jedoch erst nach der Bundestagswahl veröffentlicht werden sollen, damit auch ja keiner in die Situation kommt, hier aktiv werden zu müssen. Das reicht mir an dieser Stelle nicht aus.

(Beifall SPD)

Ich sage es also noch einmal: Fast eine volle Schicht einer Pflegekraft geht für die Dokumentation drauf. Pro Pflegebedürftigem sind es sogar sieben Arbeitstage im Jahr nur für die Dokumentation. Wenn man dann bedenkt, wie knapp die Stationen heutzutage personell sowieso schon besetzt sind, was wir nämlich immer wieder hören, dann bedarf es nur wenig Phantasie herauszufinden, warum die Kolleginnen und Kollegen dauerhaft so frustriert sind.

Deshalb begrüße ich die Aktivitäten der Landesregierung sehr, hier in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, auch auf der Bundesebene, korrigierend einzugreifen. Denn unser Ziel muss es sein, dass sich Pflegepersonal wieder um seine Kernaufgaben kümmern kann, und das ist die Pflege. Es bleibt so schlicht mehr Zeit für die persönliche Wertschätzung und die Belange der Pflegebedürftigen, eben mehr Zeit für Pflege.

Wenn man über Pflegedokumentation redet, sollten die ausführenden Fachkräfte selbstverständlich mit am Tisch sitzen. Das ist für mich gar keine Frage. Bei der Formulierung der Dokumentationsinhalte wird der neu einzurichtenden Pflegekammer deshalb eine ganz besondere Rolle zuteil.

Ich freue mich sehr darüber, dass wir jetzt nach der Befragung der Pflegekräfte die Pflegekammer auf den Weg bringen können. Es ist in einem demokratischen Land zunächst ziemlich lustig, dass man aus bestimmten Reihen versucht, das Ergebnis zu kritisieren. Nur 24 % der Befragten haben sich gegen die Pflegekammer ausgesprochen; 51 % jedoch ha

(Birte Pauls)

ben sich dafür ausgesprochen. Das ist nun mal eine Mehrheit, und die muss man auch gar nicht kleinreden, erst recht nicht aus den Reihen, in denen man sich schon über 5 % freut. - Danke schön.

(Beifall SPD)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Katja Rathje-Hoffmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für diesen Bericht, Frau Ministerin. Wir alle im Bund und in den Ländern sind uns schon lange einig über das Ziel, den Dokumentationsaufwand in der Pflege auf das erforderliche Mindestmaß zu reduzieren. Daran gibt es gar keinen Zweifel.

Seit vielen Jahren werden Initiativen dazu durchgeführt: Runde Tische für die Pflege, Entbürokratisierungsvorschläge und Modellprojekte in Bayern, in Rheinland-Pfalz und bei uns in Schleswig-Holstein.

Im hiesigen Modellprojekt von 2002 bis 2004 konnte - so ist es im vorliegenden Bericht zu lesen der erforderliche Dokumentationsaufwand um die Hälfte reduziert werden. Trotzdem - und da gebe ich Ihnen recht - ist es immer noch zu viel. Zur Reduzierung des Dokumentationsaufwands benötigt man hohe pflegerische Fachkompetenz, gekoppelt mit großer Mitarbeitermotivation, eine gute und gelebte Konzeption des Heimes oder der Einrichtung, eine gute Projektplanung durch die Leitung in der Pflege und ein erprobtes Qualitätsmanagement, das Fehler rasch erkennt und beseitigt.

(Beifall CDU und FDP)

Trotzdem ergeben Untersuchungen, dass die Bemühungen zur Reduzierung der Pflegedokumentation nicht die gewünschte Breitenwirkung entfalten. Künftig muss erfolgreicher gewährleistet werden, dass die gewonnen Erkenntnisse durch die Modellprojekte besser genutzt und umgesetzt werden sollen. Dafür gibt es seit 2011 eine eigene unabhängige Ombudsfrau zur Entbürokratisierung der Pflege. Seit September des Jahres gibt es nun von dieser Stelle entsprechende Empfehlungen, und seit dem 15. Oktober, also seit gut einem Monat, werden diese Empfehlungen im Praxistest bundesweit in fünf Regionen mit insgesamt 65 beteiligten Einrichtungen erprobt. Aus Schleswig-Holstein beteiligen sich acht Einrichtungen an diesem Modellvorhaben.

Ergebnisse zu diesem Praxistest werden Anfang 2014 erwartet, also bereits bald.

Ein weiteres bürokratisches Problemfeld ist die sogenannte Doppelprüfung in den Einrichtungen. Das Pflegeweiterentwicklungsgesetz schreibt vor, dass seit 2011 regelmäßig und jährlich nicht nur die Heimaufsicht der Kreise und kreisfreien Städte Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen durchzuführen hat, sondern nun haben auch der MDK- und der PKV-Prüfdienst jährlich zu prüfen. Eine Zusammenarbeit beider Prüfeinrichtungen ist möglich, aber noch lange nicht Standard. Das muss sich ändern.

(Beifall CDU und FDP)

Deswegen ergibt sich der Eindruck, dass im Bereich der Prüfungen eine Doppelung und Zersplitterung zwischen MDK und Heimaufsicht existiert. Das Land fördert in Bezug auf Prüfungen arbeitsteilige Zusammenarbeit.

Seit April 2012, also noch unter schwarz-gelber Koalition und Regierung, gab es hierzu eine vom Land erlassene Prüfrichtlinie, um die Regelprüfung um eine möglichst einheitliche Durchführung der Prüfung zu erlangen. Zur Überprüfung dieser besagten Richtlinie wurde jüngst eine Studie in Auftrag gegeben, die die Bürokratievermeidung wissenschaftlich untersucht. Dieser Studienabschlussbericht wird Ende des Jahres erwartet. Wir sind also wieder einmal sehr gespannt, dies umso mehr, als das ganze Projekt ja noch aus unserer Regierungszeit stammt.

Beteiligte im Projektbeirat dieses Verfahrens sind neben den entsprechenden Ministerien die Aufsichtsbehörden, die Trägerverbände, die Pflegekassen, der Landesseniorenbeirat und die LAG der Heimmitwirkung und natürlich auch der MDK. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass dieses Instrument geeignet ist und sich eine Reihe von Optimierungsvorschlägen ergeben wird.

Unser gemeinsames Ziel und das aller Beteiligten ist, die Dokumentation im Bereich der Altenpflege zu konkretisieren und auf ein notwendiges Maß zu begrenzen, welches auch praxistauglich ist.

(Beifall CDU und Dr. Marret Bohn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

- Danke schön.

Wir müssen also dafür Sorge tragen, unnötige Belastungen der Pflegeeinrichtungen zu vermeiden. Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse der angesprochen Studien am Ende des Jahres; denn die

(Birte Pauls)

Pflege braucht mehr Zeit am Menschen als am Schreibtisch, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt SPD)

Vor allem bedarf sie mehr Anerkennung und Geld.

Gestatten Sie mir abschließend noch einige Worte zur Pflegekammer. Hierzu muss man eines sagen: Es gab zwar eine Mehrheit von 51 %. Ich glaube aber, Ergebnisse darf man auch einmal in Zweifel stellen. 51 % also haben sich dafür ausgesprochen. Aber von diesen 51 % sind immerhin 17 % gegen jegliche Beitragszahlungen. Auch das gehört zur Wahrheit.

(Beifall CDU und FDP)

Denn ich kann eine Kammer nur mit Beiträgen finanzieren. Insofern relativieren sich diese 51 % durchaus.

Auch bei den Flyern und der Befragung der Pflegefachkräfte wurde nicht mit offenen Karten gespielt.

(Beifall CDU und FDP)

Denn die Befragung in Hamburg läuft ganz anders; dort wird nämlich schon mit Zahlen gearbeitet. Eine Pflegefachkraft, die nicht berufstätig ist, zahlt 5 €, eine Pflegefachkraft, die in Teilzeit arbeitet, zahlt 8 €, eine Vollzeitpflegefachkraft soll 10 bis 12 € zahlen - so ist die Prognose dort -, und eine Pflegedienstleitung soll 25 € pro Monat bezahlen. Ich finde, auch das gehört zur Wahrheit.

(Beifall CDU und FDP)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenbemerkung der Frau Abgeordneten Birte Pauls?

(Lachen und Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich in der Rednerliste fortfahre, bitte ich Sie, mit mir zusammen auf der Tribüne den Kreispräsidenten des Kreises Pinneberg, Herr Burkhard Tiemann, zu begrüßen. - Herzlich willkommen hier im Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Dr. Marret Bohn.