Protocol of the Session on August 22, 2012

Herr Minister Habeck, ich stimme Ihnen in einem weiteren Punkt zu, nämlich dass es keine Blaupausen für das gibt, was wir jetzt vor uns haben, sodass Fehler und Korrekturen nötig sein werden, Überzeugung zu leisten ist und es viele Widerstände zu überwinden gilt. Da reicht die Palette vom allzu mächtigen Sankt-Florians-Prinzip bis hin zur Muskelkraft milliardenschwerer Energiekonzerne.

Es muss uns also gelingen, Tempo zu machen für die so dringend nötige Energiewende, und das Lieblingsspiel der Vergangenheit: ,,Schuld sind immer die anderen“, dieses Schwarze-Peter-Spiel der Verantwortungslosigkeit, wie Sie es zu Recht genannt haben, muss abgelöst werden durch Mut, Einfallsreichtum und Konsequenz. Dafür ist diese Regierungserklärung der neuen Schleswig-HolsteinKoalition ein sehr guter Anfang, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Verehrter Herr Oppositionsführer, Sie sind ein sympathischer Kollege, und ich nehme Sie in der Regel in Schutz, wenn über Sie in der Zeitung berichtet wird. Aber wenn man Ihre Antwort hier heute gehört hat, muss man sagen, ist „Fehlstart“ eine sehr freundliche Bewertung dessen, was Sie hier vorgetragen haben. Das war wirklich einfallslos. Vielleicht sollten Sie die Redenschreiber wechseln. Sie haben entweder nicht zugehört, oder aber Sie haben eine solch fantastische Politik betrieben, die die Wähler gar nicht bemerkt haben, als sie zur Wahl aufgerufen worden sind. Denn Sie sind abgewählt worden, auch für Ihr Versagen in der Energiepolitik.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Zuruf Abgeordneter Wolfgang Ku- bicki [FDP])

Erst letzte Woche, gerade rechtzeitig vor unserer heutigen Landtagssitzung, hat der Bundesumweltminister Peter Altmaier seinen Zehn-Punkte-Plan zur Energiewende vorgestellt. Sein ernüchterndes Fazit könnte einem glatt den Morgen verderben, wenn wir nicht gerade die Regierungserklärung von Robert Habeck als Gegenbild gehört hätten. Die Quintessenz von Peter Altmaier heißt zusammengefasst:

1. Für den normalen Bürger wird die Energiewende eigentlich viel zu teuer. Dagegen könne er aber leider nichts tun.

2. Eigentlich müsste alles viel schneller gehen. Doch auch dafür könne er nur wenig tun.

(Johannes Callsen)

Das Fazit von Robert Habeck war ein ganz anderes:

1. Es gibt viele Möglichkeiten, die Energiewende zu beschleunigen; man muss sie nur ergreifen und durchsetzen.

2. Wenn wir es richtig machen, wird die Energiewende auch für alle bezahlbar.

Das ist ein wirklicher Unterschied zwischen der Politik in Berlin und der, die in Schleswig-Holstein jetzt die Mehrheit hat.

(Zuruf Abgeordneter Christopher Vogt [FDP])

Warum gibt es diese Differenz, wo doch angeblich alle die Energiewende wollen? - Missverstehen Sie mich nicht. Ich werfe Ihnen weder bei diesem noch bei anderen Themen vor, dass Sie heute das für richtig erklären, was Sie gestern noch entschieden bekämpft haben. Das finde ich in Ordnung. Im Gegenteil: Die Vernunftbegabtheit der Menschen ist unerschöpflich, und jeder, der dazu lernt, verdient Lob und nicht Kritik. Also, das ist es nicht.

Worin liegt also der Unterschied? - Ich fürchte, man kann es für Sie auf der rechten Seite dieses Hauses so zusammenfassen: Das mit der Energiewende wollen wir und können das auch. Bei Schwarz-Gelb muss man da starke Zweifel haben.

(Christopher Vogt [FDP]: Werden wir se- hen!)

Zumindest für die FDP und ihren famosen Bundeswirtschaftsminister und Parteivorsitzenden, Herrn Rösler, ist es auf Bundesebene recht eindeutig: Unter dem ordnungspolitischen Deckmäntelchen, das die Marktwirtschaftspartei FDP übrigens nicht davon abgehalten hat, Steuerausnahmen für den Hotelbereich durchzusetzen und jetzt auch noch zu kritisieren, dass wir das zurücknehmen wollen.

(Christopher Vogt [FDP]: Ja endlich! Sehr gut! Fünf Minuten - neuer Rekord!)

Aber auf dem Energiesektor verhindern Sie dringend notwendige und wirksame ordnungspolitische Maßnahmen. Das beginnt bei den Verzögerungen bei der europäischen Energieeffizienzrichtlinie und geht über die Tatenlosigkeit bei der energetischen Gebäudesanierung weiter. Die großen traditionellen Energiekonzerne, meine sehr verehrten Damen und Herren, freut das bestimmt. Denn die wollen Energie verkaufen, und zwar möglichst teuer und möglichst viel. Das ist der Punkt, um den es hier geht.

Stattdessen wird lieber am bisher am besten funktionierenden Instrument der Energiewende herum

gepfuscht: dem EEG. Dieses EEG war auch deshalb ein internationaler Erfolgsschlager, weil es erstmals den Weg von der theoretischen Erkenntnis, dass die Zukunft bei den erneuerbaren Energien liegt, zur praktischen Tat bewirkt hat.

Hier hat sich der leider viel zu früh verstorbene sozialdemokratische Kollege und Freund Hermann Scheer große Verdienste erworben. Ich empfehle Ihnen dessen posthum veröffentlichtes Buch „Der energetische Imperativ“ sehr zur Lektüre, weil man da etwas darüber lernen kann, wie Energiewende funktioniert, wie das mit dem EEG wirklich gemeint war und warum das weltweit kopiert worden ist, anders, als Sie das heute darstellen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Klar wird die im EEG angelegte Umlage teurer, wenn ich immer mehr Stromverbraucher davon befreie. Dafür profitieren dieselben Unternehmen dann gleich doppelt von den an der Strombörse gefallenen Strompreisen.

Herr Rösler war ja am Montag bei seinem Besuch in Kiel sehr deutlich. Er redete vom „süßen Gift“, ohne das die Nischenprodukte erneuerbare Energien ja gar nicht aus der Nische herausgekommen wären. Wo sie eigentlich hingehören, muss man sich da fragen, oder was wollte uns der Künstler damit eigentlich sagen?

(Christopher Vogt [FDP]: Herr Stegner, Sie waren gar nicht da!)

Er trifft ausnahmsweise einmal den Kern, wenn auch mit den falschen Schlussfolgerungen. Reform beim EEG ja, wo nötig - auch der Minister hat hier gesagt, dass man das tun muss -, aber ohne das EEG, ohne ordnungspolitische Rahmensetzungen gibt es keine Energiewende. Wenn die FDP das alles nicht will, will sie auch keine Energiewende. Das muss hier klar festgestellt werden. Dann liegt da eben doch ein Unterschied zwischen uns und Ihnen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Lassen Sie sich das von Herrn Steinbrück erklären!)

Für dieses Ziel wird dann blockiert und das Credo der angeblich funktionierenden Märkte propagiert. Was hier wirklich nicht funktioniert, sind die Märkte. Da muss eingegriffen werden, und das muss ein handlungsfähiger Staat tun.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Klar werden der Strom beziehungsweise die Energiekosten für den Einzelnen teurer, wenn wir es

(Dr. Ralf Stegner)

nicht schaffen, das Energiesparen und die Energieeffizienz mit aller Konsequenz in die Tat umzusetzen. Bei Energiesparen und Energieeffizienz gibt es viel mehr Möglichkeiten. Statt aber endlich ein vernünftiges Angebot an die Länder für die energetische Gebäudesanierung zu machen, will die Bundesregierung den Ländern in die Tasche greifen. Der zweifellos sehr sympathische neue Umweltminister Altmaier verweist lakonisch auf die Energieberatung, die übrigens Ländersache ist. Wenn das alles ist, was Ihnen dazu einfällt, dann sieht es zappenduster für die Energiewende aus.

(Vereinzelter Beifall SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW)

Das ist alles eher ein Eingeständnis des Scheiterns als der Plan der Bundesregierung für die notwendige Energiewende.

Den famosen Plan, den Herr Callsen eben dargestellt hat, den die vorherige Regierung angeblich hatte, müssen Sie uns verheimlicht haben. Davon habe ich nie etwas gehört, gemerkt hat man davon schon gar nichts, umgesetzt worden ist davon nichts. Sie haben ja gerade eben die Planungszeiten gehört, die Herr Habeck vorgetragen hat. Es hieß Sankt-Nimmerleins-Tag. Sankt-Nimmerleins-Tag war das Programm Ihrer Energiewende. Wir wollen das ändern.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe FDP)

Ich sehe die Schuld aber keineswegs nur bei der FDP. Solange unser Supermann aus SchleswigHolstein noch nicht im Bundestag ist - nein, Herr Kollege Callsen, ich meine nicht Ihren Ex-Energieminister und CDU-Kollegen, sondern ich meine den Möchtegern-Ampel-Finanzminister -, ist das mit der Koch- und Kellner-Verteilung in der Bundesregierung offenbar eindeutig. Die Union ist die stärkste Kraft in der Bundesregierung, stellt den Umweltminister, aber außer der Beratung fällt dem wenig ein, die FDP steht auf der Bremse. Halb zog es sie, halb sank sie hin - so könnte man die Politik der Union bei der Energiewende beschreiben.

Das Mantra, das ich aus Berlin immer höre, „Wir wollen die Energiewende wirklich“, erinnert mich immer an die Beteuerungen von Fußballclubs, wenn sie sagen, sie stünden fest hinter dem Trainer.- Das machen sie kurz vor der Entlassung. Genau das hört man von Ihnen, wenn Sie über die Energiewende reden. Sie wollen das offenbar nicht, Sie können sich nur nicht leisten, das öffentlich zuzugeben. Das ist der Unterschied.

(Vereinzelter Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Callsen, ich will Ihnen jetzt belegen, wenn man sich auf vergangene Leistungsbilanzen bezieht, dass man das auch mit Fakten tun kann statt mit Andeutungen, die niemand versteht. Ein zentraler Eckpfeiler für die Energiewende ist und bleibt die Erzeugung von Strom mit regenerativen Energien. Das haben wir von 1988 bis 2005 unter sozialdemokratischer Führung in SchleswigHolstein mustergültig geschafft, als wir den Anteil erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung von 0,05 % in Richtung 40 % gesteigert haben. Das haben wir getan. Sie sehen also, mit politischer Kompetenz und entschlossenem Handeln ist diese Energiewende möglich. Genau das Gegenteil dessen, wofür Sie hier heute eingetreten sind.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Kollege Callsen, damals hat die CDU behauptet: Wenn ihr das macht, gehen in Schleswig-Holstein die Lichter aus. Die Lichter brennen immer noch, und wir haben das vorangebracht. So wird das auch in der Zukunft sein.

Auch wenn die Herausforderungen anspruchsvoller geworden sind - das will ich nicht bestreiten -, gibt es keinen Grund zu verzagen. Dennoch schafft es die gesamte Bundesregierung bei diesem Thema doch tatsächlich, mit dem Verwirrspiel um die Solarförderung und mit der Diskussion um das EEG ausschließlich negative Zeichen zu setzen.

Daneben gelingt es ihr augenscheinlich nicht, bei dem notwendigen Pendant zur Erzeugung von erneuerbaren Energien, dem Ausbau der Netze, einen vernünftigen Rahmen vorzugeben. Im Gegenteil! Statt den Ausbau der Netze voranzubringen, will Herr Altmaier lieber den Ausbau der erneuerbaren Energien dort stoppen, wo er am günstigsten ist: hier im Norden. Das ist doch wirklich gaga. Das Gegenteil muss passieren. Aber wer legt sich schon gern mit dem Süden an?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und dem We- sten!)

Die Regierungserklärung von Robert Habeck weist den Weg in die richtige Richtung, den wir gehen können und gehen sollten, nein, gehen müssen. Es wäre wahrer Patriotismus, wenn dieses Haus ihn bei diesem Weg entschlossen und geschlossen unterstützen würde.

(Beifall SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Zurufe FDP)

(Dr. Ralf Stegner)

Lieber Kollege Habeck, nicht nur linken Patriotismus - was Sie in Ihrem Buch gefordert haben -, sondern Patriotismus des gesamten Hauses könnten wir in der Energiepolitik gern haben.