Protocol of the Session on August 22, 2012

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was für eine Symbolpolitik. Dankenswerterweise hat das der Kollege Eichstädt gerade noch vor meiner Rede selbst eingeräumt. Wie sagte der damalige Kieler Oberbürgermeister auf die Frage der Tageszeitung „Die Welt“ vom 1. März 2011 Die Mitglieder eines von ihm geführten Kabinetts sollen auf 15 % ihres Gehalts verzichten. - Diese vollmundige Ankündigung von Thorsten Albig vor der Landtagswahl wird mit dem jetzt vorgesehenen Kürzungsbetrag von unter 75.000 € allerdings deutlich verfehlt. Angesichts von Gesamtbezügen von 1,14 Millionen € entspricht die Kürzung gerade einmal einer Reduzierung von 6,58 %. Die Kosten des zusätzlichen Staatssekretärs übersteigen diesen Kürzungsbetrag zudem bei Weitem. Ich komme darauf später noch zurück und lasse jetzt keine Zwischenfragen zu.

Wie sieht es mit dem angekündigten Kürzungsbetrag des Ministerpräsidenten von 2.100 € aus? Dieser Betrag ergibt sich überhaupt erst dann, wenn man die steuerfreie Aufwandsentschädigung auf einen Bruttobetrag hochrechnet. Die tatsächliche Einsparung im Landeshaushalt beträgt lediglich 1.891 €, wie die Landesregierung selbst einräumt. Wenn man dann schaut, was der Ministerpräsident anschließend tatsächlich weniger im Portemonnaie hat, und nur darauf verzichtet er ja wirklich, so sind es nach Steuern 1.148 € netto, klingt aber natürlich nicht so gut wie 2.100 € brutto. Eine gewisse Eitel

(Peter Eichstädt)

keit ist dem Ministerpräsidenten offenbar auch zu eigen.

(Zuruf Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD] - Heiterkeit)

Selbst dabei, Herr Stegner, hätten die Regierungsfraktionen den Ministerpräsidenten beinahe noch im Regen stehen gelassen. Denn erst auf den letzten Drücker, im Zuge der Dringlichkeit, und nur mit Hilfe der Opposition gelingt es Ihnen, den dafür vorgesehenen Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetengesetzes auf die heutige Tagesordnung zu setzen.

(Zuruf Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Nein, nie besucht. - Der Formulierungsvorschlag des Finanzministeriums lag Ihnen bereits seit Anfang Juli vor. Da muss es offenbar noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen SPD, Grünen und SSW gegeben haben. Viel einfacher wäre es ja auch gewesen, wenn der Ministerpräsident einfach auf die Altersversorgung als Abgeordneter verzichtet hätte. Herr Albig, es zwingt Sie ja keiner, einen entsprechenden Antrag zu stellen.

(Beifall CDU)

Eine gesetzliche Einzelfallregelung wäre dazu auf jeden Fall nicht erforderlich gewesen.

Wer jetzt als Steuerzahler glaubt, sich zumindest etwas freuen zu können, der irrt trotzdem. Während sich diese Landesregierung öffentlich für ihre Bescheidenheit feiern lässt, erhöht sie tatsächlich die Kosten für die politische Führung zulasten der Steuerzahler. Statt bislang zehn benötigt diese Regierung nunmehr elf Staatssekretäre. Ein jeder wird mit Besoldungsgruppe B 9 vergütet, das sind 9.424 € monatlich.

(Zuruf Abgeordnete Serpil Midyatli [SPD])

Allein das jährliche Grundgehalt des zusätzlichen Staatssekretärs übersteigt mit 113.000 € deutlich den Kürzungsbetrag von 75.000 €. Familienzuschlag, Dienstwagenfahrer, Vorzimmer, all das kommt sogar noch oben drauf und ist der Regierung auch peinlich. Denn sie weigert sich, die Antwort auf die Frage zu geben, was dieser zusätzliche Staatssekretär kostet. Auf meine Kleine Anfrage, was der zusätzliche Staatssekretär im Energiewendeministerium kostet - trickreiche Antwort der Landesregierung, herzlichen Glückwunsch dazu - kam die Antwort: keine. Die Stelle sei lediglich aus der Staatskanzlei umgesetzt worden.

Herr Dr. Habeck, Sie sind aus der Nummer raus wunderbar. Wir lernen daraus: Der zusätzliche

Staatssekretär wurde nicht bei Ihnen geschaffen, sondern offenbar in einem der beiden SPD-geführten Ministerien, Bildung oder Wirtschaft. Wie viel das genau kostet, werden wir trotzdem noch erfahren, denn Sie werden sich um diese Antwort nicht ewig herumdrücken können. Die zweite Kleine Anfrage ist auch schon im Internetsystem zu sehen und liegt Ihnen bereits vor.

Ein zweiter Staatssekretär im Wirtschaftsministerium - das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das Ministerium hat jeweils die Zuständigkeit für Energiepolitik und die HSHNordbank abgegeben, hat stattdessen die Zuständigkeit für Arbeit dazubekommen, insgesamt also weniger Zuständigkeiten als vorher, dafür jetzt aber doppelt so viele Staatssekretäre wie vorher; das Ganze auf Kosten der Steuerzahler, und warum? Aus rein parteitaktischem Kalkül, denn offenbar musste auch der SPD-Gewerkschaftsflügel mit einem Posten versehen werden. Der Steuerzahler darf es bezahlen, und dann wird ihm auch noch vorgegaukelt, die Regierung bei sich selbst spare. Das ist wirklich blanker Hohn.

(Beifall CDU)

All das zeigt: Das gute Beispiel, mit dem das Kabinett vorangeht, indem es bei sich selbst kürzt, ist mehr Schein als Sein, und unter Berücksichtigung des zusätzlichen Staatssekretärs ist es sogar nur Schall und Rauch. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Eka von Kalben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Regierung legt uns hier ein Angebot vor, ihre Bezüge zu senken. Das ist ein Anliegen, über das vermutlich noch nicht viele Parlamente so zu entscheiden hatten. Historisch war es eher üblich, dass Staatsoberhäupter zum persönlichen Verbrauch eher höhere Bezüge gefordert haben als niedrigere. Insofern - Staatsoberhäupter oder Ministerinnen oder Minister - begrüße ich und begrüßt meine Fraktion das Angebot der Regierung und des Ministerpräsidenten.

(Christopher Vogt [FDP]: Häuptling!)

(Tobias Koch)

Die einen tun dieses Angebot als Symbolpolitik ab, die sich an anderer Stelle der Personalpolitik der Regierung wieder aufrechne. Die anderen meinten, wir trauten unseren eigenen Leuten nicht genug zu. Vielleicht ist die Summe, die dadurch dem Land zur Verfügung steht, angesichts der großen Probleme, vor denen wir stehen, symbolisch.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Die steht nicht zur Verfügung!)

Dem einen ist sie übrigens zu klein, dem anderen ist sie zu hoch. Ich bin fest davon überzeugt, dass es das richtige Symbol ist. Es ist sogar mehr als ein Symbol, nämlich das Signal an die Menschen. Wir haben verstanden, wir beteiligen uns, und wir leisten unseren Beitrag.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD])

Genau wie die Fraktionsvorsitzenden und Parlamentarischen Geschäftsführer vor zwei Jahren Kürzungen ihrer Gehälter beschlossen haben, folgt nun auch das Kabinett diesem Vorgehen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Abgeordneter Dr. Ralf Stegner [SPD])

Es macht deutlich, dass dieses Kabinett bereit ist, einen persönlichen Beitrag zu leisten, wenn von vielen Menschen durch Sparmaßnahmen und erhöhte Abgaben und auch eventuelle Kosten der Energiewende mehr abverlangt wird. Wir müssen das positiv zur Kenntnis nehmen. Wir müssen gute Arbeit gut entlohnen. Demokratie darf nicht nur als Kostenfaktor bewertet werden. Das ist richtig. Trotzdem finde ich es richtig, dass wir immer wieder überprüfen, an welchen Stellen sich Dinge so entwickelt haben, dass sie nicht mehr zur Gesamtsituation der Bürgerinnen und Bürger passen. Es ist gut, dass die Regierung hier ein Zeichen setzt und persönliche Einschnitte akzeptiert. Es erhöht die Glaubwürdigkeit, und Glaubwürdigkeit ist das, was sich die Menschen in Schleswig-Holstein von uns wünschen.

Wir dürfen nie ausschließen, dass auch bei uns selbst Einschnitte in Kauf genommen werden müssen. Da gilt es, Populismus zu vermeiden, der nur das Vorurteil des faulen, vermeintlich nur aufs Eigeninteresse ausgerichteten Politikers bedient. Damit werden wir vielleicht kurzfristig parteipolitische Vorteile verdienen, aber langfristig schadet es dem Ansehen der Politik und der Politiker insgesamt.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Wenn behauptet wird, man findet nur Menschen für die Politik, wenn sie sehr hoch dotiert ist, dann ist das zu kurz gesprungen. Das unterstellt, dass sich Menschen wegen des Geldes engagieren. Wer das behauptet, kennt den Politikweg und den Politikalltag nicht,

(Beifall Abgeordneter Dr. Patrick Breyer [PIRATEN])

vor allem, wenn man bedenkt, dass die überwiegende Zahl der politisch engagierten Menschen dies ehrenamtlich tut.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Im Landtag?)

Wichtig ist es doch, vor allem im ehrenamtlichen Bereich für Entlastung zu sorgen. Die Herausforderung, Beruf, Familie und Politik unter einen Hut zu bringen, das ist doch der eigentliche Spagat. Wenn dann Politik zum Beruf wird, dürfen wir uns nicht in eine Kultur begeben, in der das nur Kinderlosen ermöglicht wird. Wir alle haben noch ein weiteres Leben außerhalb der Politik, und das ist auch entscheidend wichtig, damit wir geerdet sind. Die Arbeitsbedingungen müssen stimmen, und die Bezahlung muss angemessen sein. Sie muss den Politikerinnen und Politikern Unabhängigkeit garantieren.

Die Regierung legt uns ein Angebot vor, ihre Bezüge zu senken. Wir Grüne werden das Angebot dankend annehmen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt SPD)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens, Frau Kollegin von Kalben, wäre es schon einmal angebracht, Sie würden nicht dauernd von einem Sparbeitrag reden, den dieses Kabinett leiste. Ich habe das vom ehemaligen Finanzminister gelernt, dass es etwas merkwürdig hier im Parlament ist, die Vokabel „sparen“ zu bemühen. Sparen von Geld, das wir eigentlich überhaupt nicht haben, ist kein Sparen, sondern allenfalls eine Ausgabe weniger. Aber auch das tun Sie nicht. Es wäre transparent und ehrlich, wenn Sie eingestehen würden, dass Sie mehr Geld für die Regierungsspitze, also für Minister und Staatssekretäre, brauchen. Sie haben einen Staatssekretär mehr als die Vorgängerre

(Eka von Kalben)

gierung, Sie haben nicht weniger Minister. In der Summe geben Sie also mehr Geld aus. Aber ich will mich auf dieses Klein-Klein offen gestanden gar nicht versteifen.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Gut so!)

Mich stört an der Debatte weniger, dass Sie die Öffentlichkeit glauben machen wollen, Sie würden etwas sparen, was Sie in Wahrheit nicht tun. Was mich stört, und wovon ich auch enttäuscht bin, Herr Ministerpräsident, ist, dass Sie auf den populistischen Zug überhaupt aufspringen. Sie bedienen das Vorurteil, Politiker seien eigentlich nichts wert und bekämen dafür auch noch zu viel Geld.

Herr Ministerpräsident Albig, Sie sollten Ihr Amt nutzen, den Menschen den Wert - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes - von Demokratie ganz geduldig zu erläutern und dafür zu werben, auch mutig zu werben, dass gute Politik schwierige Entscheidungsprozesse durchläuft und letztlich schwere Entscheidungen zu treffen hat und diese Entscheidungen auch zu verantworten hat, dass ein solches Amt Mut und Kraft braucht, und dass all das auch seinen Preis hat. Das wäre nämlich eine Aufgabe - so, wie Sie im Wahlkampf aufgetreten sind gewesen, von der ich mir gewünscht hätte, dass Sie dazu den Mut finden. Übrigens hatte der Fraktionsvorsitzende der SPD heute Morgen in der Aktuellen Stunde sehr deutlich den Mut, von den Kosten der Demokratie zu sprechen. Was machen Sie? - Sie gehen den vermeintlich einfacheren Weg und bedienen jedes noch so platte Klischee. Ich halte Ihr Signal für ausgesprochen gefährlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall FDP und Abgeordneter Daniel Gün- ther [CDU])

Wir brauchen - das sage ich für die FDP-Fraktion mit allem Ernst - und wir wollen keine Discountregierung, sondern wir wollen verantwortungsbewusste Entscheider, die zumindest ansatzweise auf Augenhöhe - ja, Frau von Kalben - mit relevanten Entscheidungsträgern aus Wirtschaft und Verbänden auch im Hinblick auf deren finanzielle Entschädigung stehen.

Sie, Herr Ministerpräsident, und Ihre Mitglieder im Kabinett sind elementarer Bestandteil unseres freiheitlich-demokratischen Systems. Sie sollen dazu beitragen, dass zentrale Probleme dieses Landes gelöst werden. Sie sollen mit uns gemeinsam unsere Demokratie bewahren, Sie sollen sie verteidigen und weiterentwickeln. Sie haben eine ganz beson

dere Verantwortung, und diese soll - und ich meine, diese muss - sich auch in der Entschädigung Ihrer Arbeit widerspiegeln.

Herr Albig, Sie sind dabei, aus meiner Sicht einen verhängnisvollen Fehler zu machen. Vielleicht haben Sie in dem Moment, als Sie im Wahlkampf Ihre Ankündigung - dabei ist es mir gleich, ob 15 %, 6,5 % oder sonst wie viel Prozent - machten, Ihr eigenes Gehalt kürzen zu wollen, möglicherweise wirklich geglaubt, das würde mit Ansehen und Respekt honoriert oder Glaubwürdigkeit zurückbringen. Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen von den regierungstragenden Fraktionen, ich sage Ihnen, Sie werden das Gegenteil dessen erreichen, was Sie sich möglicherweise versprechen. Vielleicht erlaubt Ihr neuer Politikstil, den Sie heute schon den ganzen Tag so gelobt haben, noch einmal darüber nachzudenken, ob das, was Sie hier dem Parlament vorschlagen, wirklich zu dem führt, was Sie sich davon versprechen. Ich befürchte, das ist nicht der Fall. Herr Dr. Stegner, ich hätte nie gedacht, dass ich das in diesem Parlament noch einmal sagen würde, aber ich tue es an dieser Stelle doch: Ich glaube, Sie haben heute Morgen in der Aktuellen Stunde - oder in der sogenannten Aktuellen Stunde; was immer daran auch aktuell gewesen sein mag - zum Wert von Demokratie und auch zum Wert eines jeden einzelnen von uns selbst - dazu zähle ich auch die Regierungsmitglieder - alles Notwendige gesagt. Dazu passt das, was uns heute Nachmittag vorgelegt wird, bedauerlicherweise in keinster Weise.