Protocol of the Session on September 26, 2013

Die erste, die schlechte Nachricht, mit der ich einsteigen möchte, ist, dass viele Schulleitungen von der großen Suche berichten. Die Schulleitungen sind selber dazu aufgefordert, ihre Lehrkräfte einzustellen. Das ist eingeführt worden. Ich glaube, im Grunde ist das auch genau der richtige Gedanke: Welche Leute passen in unser Schulteam? Aber da dieses System eingeführt worden ist, als wir wirklich Lehrermangel auf den Märkten hatten, führt es dazu, dass viele Schulleitungen, auch wenn sie noch so sehr suchen, gar keine entsprechenden Lehrkräfte bekommen. Es wird jetzt nicht nur gesucht, wer wirklich gebraucht wird. Schulleitungen

suchen schon danach, wen sie überhaupt bekommen können. Also wenn jemand eigentlich so dringenden Bedarf an einer Lehrkraft in Sekundarstufe I für Englisch hat, dann kann das dazu führen, dass er eine Stelle im Fach Deutsch ausschreibt, weil er sagt: Ich brauche auf alle Fälle eine Lehrkraft.

(Beifall Sven Krumbeck [PIRATEN])

Das müssen wir alle miteinander beklagen. Wir haben einen Braindrain im Bereich der jungen Lehrerinnen und Lehrer.

Die gute Nachricht: Frau Franzen hatte jetzt auch gerade eine gute Nachricht. Sie haben auch irgendwo die strukturelle Lücke gefunden: Wer ist eigentlich gar nicht im Unterricht eingesetzt? Sie haben auch geschrieben, ein Teil davon könnte eine Lösung sein.

Eine zweite gute Nachricht ist vielleicht: Wir bilden nicht zu wenig Lehrerinnen und Lehrer aus; wir müssten aber diese Lehrkräfte in Schleswig-Holstein halten. Das ist jetzt erst einmal nur ein quantitativer Blick; das ist klar. Wir wissen nicht, wie die Fächerkombinationen sind. Wir wissen auch nicht, ob die Leute bereit sind, aus den Universitätsstädten in den ländlichen Raum zu gehen.

Aber, Herr König, ganz kurz. Sie haben gesagt: Jetzt werden auch noch zwei Standorte für die Lehrerausbildung eingeführt. - Das ist mir ein bisschen schleierhaft, denn in Kiel und Flensburg werden schon seit Langem Lehrer ausgebildet. Das ist keine Neuerung. Der Standort, der dazukommt, ist die Musikhochschule Lübeck. Das ist doch genau im Sinne dessen, was wir wollen, weil der Standort Lübeck dazu führt, dass wir das Mangelfach Musik bedienen können.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten König?

Natürlich.

Es ist eine Zwischenbemerkung. Ich würde gerne erklären, wie wir darauf gekommen sind.

Unsere ursprüngliche Idee, warum wir diese Daten und Zahlen haben wollten, war die Schaffung der Ausbildung für die Sekundarstufe II in Flensburg. Die Frage war: Welche Fächer sind denn für die Ausbildung sinn

voll? Welche Fächer brauchen wir überhaupt? Das wussten wir nicht. Deswegen haben wir nach diesen Daten gefragt. Darauf bezog sich die Schaffung dieses zweiten Strangs. Das habe ich vielleicht nicht präzise genug ausgedrückt.

- Okay. Dann war das ein Missverständnis und ist damit geklärt. - Wollen Sie noch mehr sagen? Sie stehen da so.

- Es ist mir einfach wichtig, dass wir die richtigen Lehrer ausbilden und dass wir nicht für die Fächer ausbilden, die am günstigsten zu schaffen sind, sondern für die, die wir brauchen.

- Das ist ja unbestritten.

Die schlechte Nachricht ist aber - das knüpft an das an, was Kollege König gesagt hat -: Stellen Sie sich vor, Sie studieren Sonderschullehramt in Schleswig-Holstein in den Jahren 2008 bis 2013. Das sind die Zahlen, die ausgewiesen sind. Dann haben Sie, wenn Sie das Studium abgeschlossen haben, eine Chance von 1:99, dass Sie direkt im Anschluss an das Referendariat auch eine feste Stelle bekommen. Das Verhältnis von 1:99 gilt nur in diesem Bereich. Über alle Schulen hinweg sieht es anders aus. Da bekommen 10 % eine unbefristete Stelle gleich im Anschluss.

Ich gehe noch einmal auf die Förderlehrkräfte ein. 400 Leute haben in der Zeit ihren Abschluss gemacht, vier haben wir nahtlos übernommen. In der gleichen Zeit sind 240 Leute pensioniert worden. Gleichzeitig heißt es, dass bei den Förderlehrkräften aber genauso viele Lehrkräfte da sind. Also da muss irgendwo ein schwarzes Loch sein. Das sollten wir uns alle zusammen anschauen. So verstehe ich auch alle Wortbeiträge, die es hierzu bisher gegeben hat.

(Beifall PIRATEN)

Wie hilfreich die Zahlen sind, zeigt sich, finde ich, im Bereich der Gymnasialabsolventen, die zwei der Fächer Physik, Chemie oder Mathematik in Kombination studieren. Man weiß eigentlich jetzt schon, welchen Prüflingen man sich im Jahr 2014 mit einem unbefristeten Vertrag vor die Tür werfen muss, um zu sagen: Ihr 54 bleibt, wenn die Leistung stimmt, bitte hier. Wir dürfen diese jungen Leute auf gar keinen Fall aus dem Land lassen.

(Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Aber auch nicht einsperren!)

Das ist, ich würde einmal sagen, eine Charmeoffensive. Wir wissen selber, dass wir an dem Punkt der befristeten Stellen arbeiten müssen. Ich bin sehr froh, dass sich Frau Wende das auch auf die Agenda geschrieben hat.

Für mich ist die erste Konsequenz: Wir brauchen mehr Zahlen für alle Sek-I-Schulen, auch wenn das schwierig ist. Das kann ich nachvollziehen. Wenn wir aber alle sagen, uns fehlen Steuerungsdaten, dann müssen wir gemeinsam überlegen, wie wir dazu vielleicht auch gemeinsam beitragen können.

Die zweite Konsequenz ist, junge Lehrkräfte bei uns zu halten. Darum geht es. Die Frage ist, warum uns das nicht gelingt. Da müssen wir noch weiter in die Zahlen einsteigen. Denn das Beispiel, das ich im Bereich der Förderzentren genannt habe, lässt sich damit nicht erklären.

Die dritte Konsequenz ist für mich: Wir müssen pbOn überarbeiten. Das Konzept ist im Prinzip genau richtig, aber wir müssen es für die Schulleitung einfacher machen. Viele Menschen sagen: Wir schreiben 80 Leute an, und dann haben wir nachher zwei, die überhaupt zu Vorstellungsgesprächen kommen. Wenn die Schule im ländlichen Raum ist, kommen die Menschen gar nicht. Also viel Aufwand für nichts, viel Vernichtung von Schulleitungszeit. Da gab es schon Verbesserungen. Ich glaube, man kann noch eine Schippe drauflegen.

Ich glaube auch, wir müssen über die zentrale Steuerung von pbOn nachdenken. pbOn sagt, die Schulen stellen ein. Wenn ich mir vorstelle, wir warteten vor der Prüfungstür und hießen die Bewerberinnen und Bewerber gleich mit einem unbefristeten Vertrag willkommen, dann ist das eine Nebenschiene zu pbOn. Ich kann mir vorstellen, dass es dann gute Chancen gibt, dass die Leute bleiben.

Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. Vielen Dank.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, PIRATEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Klahn das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch ich danke den PIRATEN für die Große Anfrage zur Lehrersituation und Lehrerbedarfspro

(Anke Erdmann)

gnose für Schleswig-Holstein, wobei ich sagen muss: Sie hat schon einige informative Zahlen zutage gebracht. Allerdings lässt sie, wie auch Sie deutlich formuliert haben, zu wünschen übrig, was den Erkenntnisgewinn und die Schlussfolgerungen daraus betrifft.

Zum Bericht zur Unterrichtssituation möchte ich allerdings meine Irritation zum Ausdruck bringen, Frau Ministerin, dass Sie die Daten zur Entwicklung des Unterrichtsausfalls einfach unter den Tisch fallen lassen, auch wenn Sie es damit begründen, dass wir uns darauf verständigt haben, ODIS weiterzuentwickeln und eventuell ein neues System einzuführen. Darüber waren wir uns auch einig. Aber nichtsdestotrotz kann ich mich nicht daran erinnern, dass wir jemals beschlossen haben, dass wir diese Zahlen jetzt einfach nicht erheben, nicht brauchen, nicht haben wollen. Ich denke, die Datenerhebung sollte vielleicht doch fortgeführt werden, bis Sie Ihr neues System haben.

Auch die Tatsache, dass Sie sagen, im November/ Dezember erfolgt eventuell ein Testlauf, garantiert nicht, dass es dann sofort funktioniert. Da bin ich bei der Kollegin Anke Erdmann, die gesagt hat, wir sollten die Testphase lang genug laufen lassen, um sicher zu sein, dass das System funktioniert. Denn was passiert, wenn wir kein funktionierendes System haben? Das würde für mich heißen, dass der Landtag und die Öffentlichkeit in den nächsten Jahren keinen Erkenntnisgewinn über die Entwicklung des Unterrichtsausfalls hätten. Das ist nicht ganz unwahrscheinlich. Sie können da gern empört sein.

Ich möchte an dieser Stelle kritisieren, dass wir beim Thema Unterrichtsausfall nicht wirklich vorankommen. Sie haben gestern zwar einen Zwischenbericht abgegeben, aber ich kann nicht erkennen, dass wir viel weiter sind als vor einem Jahr. Das gilt besonders für einen Aspekt, der auch gestern angemahnt wurde. Wir haben noch keine Definition im Zusammenhang mit der Frage, was Unterrichtsausfall ist. Über diese haben wir noch nicht diskutiert. Es wurde gestern deutlich gesagt, dass Sie sich vom Ministerium in der Verantwortung sehen, diese Definition federführend vorzustellen. Ich mahne an, dass diese zeitnah kommt, denn wenn wir diesen Begriff nicht definiert haben, dann können Sie so viele Masken für das Netz erstellen, wie Sie wollen, Sie werden sie laufend überarbeiten müssen.

Meine Damen und Herren, die Probleme, die die Landesregierung bei der Umsetzung von KoPers hatte, nähren auch meine Zweifel. Frau Ministerin, ich hatte Ihnen schriftlich mitgeteilt, dass die Zah

len zum Unterrichtsausfall dem Landtag nachgereicht werden müssten. Auf diese warten wir noch. In diesem Zusammenhang erinnere ich auch daran, dass es Ihre Regierung war, die den Vertretungsfonds halbiert hat. Die Erfassung des Unterrichtsausfalls ist das eine. Die Mittel müssen aber auch zur Verfügung stehen. Sonst ist den Schulen nicht geholfen.

Die Istausgaben lagen im Jahr 2012 bei knapp 20 Millionen €. In diesem Jahr standen dagegen nur 12 Millionen € zur Verfügung. Gleiches planen Sie für 2014. Diese mangelnde Mittelbereitstellung hat diese Regierung zu verantworten. Ich mahne an: Die Bekämpfung des Unterrichtsausfalls muss weiterhin Priorität haben.

Zwei positive Entwicklungen sind mir im Bericht und in der Großen Anfrage aufgefallen. Die Unterrichtsversorgung an den berufsbildenden Schulen konnte wieder leicht verbessert werden, was dringend notwendig ist, da diese Schulart die mit Abstand größte Differenz zu einer vollen Unterrichtsversorgung hat. Das ist zwar alles noch nicht zufriedenstellend, aber das ist ein guter Weg. Ähnlich positive Entwicklungen gibt es in den Jahren 2011 und 2012 beim Quer- und Seiteneinstieg für Mangelfächer, und zwar speziell in den Bereichen Mathematik und Physik. Hier scheinen die von Dr. Klug angestoßenen Reformen zu wirken.

(Beifall FDP)

Die Regierung muss aber gleichzeitig noch Hausaufgaben machen.

(Beifall Dr. Heiner Garg [FDP])

Es muss gezielt gelingen, zum Beispiel im Bereich Chemie Lehrer für Mangelfächer zu werben, beziehungsweise mehr junge Schulabgänger für die entsprechenden Studiengänge zu gewinnen.

Ich finde es sehr gut, was der Kollege Kai Vogel dargestellt hat. Studienanfänger wären für eine Beratung durchaus dankbar. Auch ich habe in meiner Zeit als Elternvertreterin über viele Jahre hinweg gefragt, wie man diese angehen kann: Man weiß eigentlich, wer wann in Pension gehen wird. Man weiß eigentlich, wofür Ersatz benötigt wird. Es ist zu fragen, warum es nicht zu einer gezielten und entsprechenden Anwerbung von Studienanfängerinnen und Studienanfängern kommt.

Meine Damen und Herren, die Ausführungen, die das MBW bisher dazu gemacht hat, sind mir zu dürftig. Damit komme ich zu dem übergeordneten Thema, das auch von den Kollegen angesprochen wurde. Die Frage ist: Wie kann es diesem Land ge

(Anita Klahn)

lingen, eine strategische Lehrerbedarfsplanung zu entwickeln? - Im Hinblick auf Pensionierungen, Teilzeitkräfte, die Förderung von Frauen und die Förderung von Männern im Grundschulbereich sowie im Zusammenhang mit der Entwicklung der Schülerzahl werden im Bericht viele Zahlen und Tabellen vorgelegt. Es ist aber nicht erkennbar, welche Schlussfolgerungen Sie daraus ziehen und welche Konzepte Sie daraus entwickeln wollen.

Andere Länder sind hier wesentlich professioneller als wir. Wir dümpeln hier ein klein wenig vor uns hin. Stattdessen werden die begrenzten Ressourcen, die wir haben, unverantwortlich eingesetzt. Kleine Schulstandorte im Grundschulbereich werden nicht gestützt. Stattdessen werden weiterhin inflationär überall neue Minioberstufen genehmigt. So ist mit Sicherheit kein Staat zu machen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Vielen Dank, Frau Klahn. - Für die Kollegen des SSW erteile ich Frau Abgeordneter Jette Waldinger-Thiering das Wort.

Sehr geehrte Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kein Zweifel, eine detaillierte Auseinandersetzung mit der allgemeinen Unterrichtssituation und der Lehrerversorgung im Land ist und bleibt wichtig. Auch wenn Zahlen und Statistiken immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sind, so können wir aus dem vorliegenden Bericht sicher etwas mitnehmen. Unabhängig davon ist es kein Geheimnis, dass die ausreichende Ausstattung mit Lehrkräften an unseren Schulen ein ganz entscheidender Faktor ist, wenn es um die Qualität der Bildung geht. Leider muss ich auch in der aktuellen Situation sagen, dass diese Ausstattung besser sein könnte. Doch Sie alle kennen die finanzielle Lage Schleswig-Holsteins. Wenn wir ehrlich sind, dann wissen wir, dass die Spielräume sehr stark begrenzt sind. Nicht nur der SSW ist der Auffassung, dass der Dialog mit den Betroffenen und den Verantwortlichen im Bildungsbereich endlich eine ehrliche Basis braucht.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)